Akupunktur Technik

Einleitung

Für den optimalen Therapieerfolg ist neben der richtigen Wahl der Punkte auch die richtige Nadelstimulationstechnik entscheidend. Ziel einer jeden Therapie ist es beim Einstechen der Nadeln das sogenannte „De-Qi-Gefühl“ auszulösen. Wörtlich bedeutet es „der Reiz kommt an“ oder „Ankunft des Qi“. Der Patient verspürt dabei ein meist bisher unbekanntes Gefühl, das als Ziehen, wie beim Muskelkater, Druck, Schwere, Wärme, Kribbeln, Spannung oder einfach nur elektrisierend, wie nach einem Stromschlag, beschrieben wird. Das Nadelgefühl kann lokal, aber auch entlang der Meridiane erfolgen. Optimal ist die Ausbreitung in Richtung der erkrankten Region. Der Arzt soll, wenn er die Nadel eingeführt hat, zuerst das Gefühl haben, dass die Nadel „durch Butter gleitet“, bis plötzlich die Nadel angesaugt wird. Erscheinungen wie ein kurzes Muskelzucken, ein roter Hof auf der Haut oder Temperaturveränderungen können ebenfalls beobachtet werden.

Auffinden der Akupunkturpunkte

Zur korrekten Auffindung der einzelnen Akupunkturpunkte gibt es verschiedene Methoden. Viele Akupunkturpunkte liegen an anatomisch markanten Stellen, z.B. in Vertiefungen, an Muskel- und Sehnenansätzen, in Hautrinnen, über Gelenkspalten, an Knochenvorsprüngen etc. Außerdem können Punkte aufgrund von veränderter Konsistenz der Haut, durch Druckschmerzhaftigkeit, Verquellung und Bremswirkung beim zarten Übergleiten des palpierenden Fingers ertastet werden. Einige Punkte finden sich erst durch Einnehmen einer bestimmten Körperhaltung, z.B. Beugung des Ellenbogens. Die Chinesen verwenden als Maßeinheit für Entfernungen am Körper das „Cun“. 1 Cun entspricht dabei der Dicke eines Daumens, 1,5 Cun Zeige- und Mittelfingerbreite, 2 Cun der gesamten Länge des Mittel- und Endgliedes des Zeigefingers und 3 Cun der Breite der aneinandergelegten 4 Finger ohne Daumen. Bei der Messung mit dem Finger-Cun ist wichtig, dass die Finger des Patienten und nicht der des Therapeuten als Maßeinheit gelten. Das Körper-Cun berücksichtigt dagegen die Proportionen der einzelnen Körper-Abschnitte durch regionale Messstrecken. 8 Cun bezeichnet so zum Beispiel die Länge des Oberarms, 19 Cun die des Oberschenkels.

Lagerung des Patienten

Wichtig ist auch die Lagerung des Patienten. Vorteilhaft für eine entspannte Lagerung sind breite Liegen und Lagerungshilfen wie Kissen oder Rollen. Der meist entkleidete Patient sollte mit leichten Seiden- oder Wolldecken zugedeckt werden. Standardlage zur Prophylaxe eines Nadelkollapses und zur besseren Entspannung ist die Rückenlage. Nachteil ist hier, dass Rückenpunkte nur bedingt genadelt werden können. Die Bauchlage wird v.a. bei der Moxibustion von Rückenpunkten oder bei Nadelung des Blasen-Meridians (auf dem Rücken gelegen) eingenommen. Im Sitzen oder Stehen werden alle Punkte gut erreicht. Nachteil ist eine erhöhte Kollapsgefahr und geringe Entspannung.

Nadelauswahl

Bei der Nadelauswahl sollte man sowohl Alter und Konstitution des Patienten als auch den Ort der Punktion beachten. Internationaler Standard sind sterile Einmalnadeln aus Stahl mit 3cm Länge (ohne Griff) und 0,3 mm Stärke. Ein Spiralgriff aus Metall ist bei zusätzlicher Stimulation mit Strom vorteilhaft, ansonsten genügen auch Kunststoffgriffe. Vor allem in der französischen Ohrakupunktur kommen auch Gold- und Silbernadeln zur Anwendung.

Stichtechniken

Es gibt mehrere Stichtechniken in der Akupunktur. Zu nennen sind die Einhandtechnik und die Zweihandtechnik. Bei ersterer wird die Nadel zwischen Daumen und Zeigefinger gehalten und blitzartig 2-3mm tief eingestochen. Unter schwachem Druck und mit einer leichten Drehung wird die Nadel in die Subcutis vorgeschoben, dann erst beginnt man durch Drehen, Heben und Senken der Nadel zu stimulieren und das bereits erwähnte „De-Qi-Gefühl“ auszulösen. Die Nadel darf dabei nicht gebogen oder geknickt werden. Diese Methode verlangt viel Übung und Geschicklichkeit. Bei der Zweihandtechnik wird die Nadel mit Daumen, Zeige- und Mittelfinger gehalten. Die zweite Hand spannt, drückt, fixiert oder faltet das zu stechende Hautareal. Die Nadelspitze berührt die Haut zunächst leicht, dann wird sie mit einer raschen Hin- und Herbewegung in die Tiefe geführt. In China werden um Nadeln zu sparen in bestimmten Fällen mehrere Punkte mit nur einer Nadel erreicht. Man geht dabei mit der Nadel von einem Akupunkturpunkt zu einem anderen ohne nochmals die Haut zu verletzen. Die Spitze der Nadel darf auf keinen Fall die Haut an einer zweiten Stelle perforieren.
Die Stichtiefe ergibt sich aus der Lage und Anatomie des zu behandelnden Punktes. Grundsätzlich ist zur Stichtiefe zu sagen, dass es Ziel ist, das „De-Qi-Gefühl“ zu erreichen. Jedoch ist das oberste Gebot hier, dass niemals ein inneres Organ, ein Nerv oder ein Blutgefäß verletzt werden darf und das der Arzt niemals in eine Region stechen darf, ohne über deren Anatomie Bescheid zu wissen. Die Nadelspitze sollte immer in Richtung zur erkrankten Region zeigen, um das Nadelgefühl in diese zu lenken.
Der Einstichwinkel hängt von der unter der Haut gelegenen Struktur ab. Der 90 Grad Einstichwinkel kommt v.a. für muskelreiche Regionen in Frage. Der schräge Einstichwinkel von ca. 45 Grad wird v.a. um Gelenkspalten verwendet. Ein Tangential- oder Horizontalstich von 15-30 Grad kommt dort in Frage, wo die Muskulatur dünn ist oder wo empfindliche anatomische Strukturen darunterliegen, z.B. auf dem Schädel oder über den Rippenzwischenräumen. Diese Technik wird aber auch verwendet, um mehrere Akupunkturpunkte mit einer Nadel zu erreichen.
Je nach Art der Nadelung kann dem Patienten Energie zugeführt oder entzogen werden. Man unterscheidet zwischen tonisierender Technik – „Bu“(tonisieren, dazugeben, stärken); Stärkung des Organismus bei Mangel- und Leere-Zuständen und Unterfunktion - und sedierender Technik – „Xie“ (sedieren, ableiten, schwächen); bei akuten, schmerzhaften Erkrankungen, Schmerzzustände im Bewegungsapparat oder Entzündungen).

Autor: Gerret Hochholz Veröffentlicht: 29.08.2010 - Letzte Änderung: 22.10.2021