Morbus Bechterew

Ankylosierende Spondylitis (AS), Spondylitis ankylosans, Spondylarthropathie
Rheuma, rheumatoide Arthritis, Psoriasisarthritis, Methotrexat

Englisch: Ankylosing spondylitis

Der Morbus Bechterew ist eine der häufigsten entzündlich rheumatischen Erkrankungen. Sie gehört zur Gruppe der sog. Spondylarthropathien, zu der u.a. auch die Psoriasisarthritis, die Arthritis bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen, die Lyme-Arthritis (Borreliose), das rheumatische Fieber und die reaktive Poststreptokokkenarthritis gehören.

Die entzündlichen Veränderungen finden sich vorwiegend im Bereich der Wirbelsäule und an den Kreuz-Darmbein-Gelenken (ISG-Gelenk). Bei 20-50% der Patienten sind im Verlauf der Erkrankung auch andere Gelenke (z.B. Hüftgelenk und Kniegelenk) befallen.

20% der Patienten leiden zusätzlich unter Entzündungen von:

Symptome und Diagnose

Symptome des Morbus Bechterew

Bei ca. 75% der Erkrankten ist ein tiefsitzender Kreuzschmerz das erste Symptom. Der Beginn ist meist schleichend und liegt vor dem 40. Lebensjahr. Charakteristisch sind anhaltende Beschwerden über drei Monate, Auftreten der Beschwerden insbesondere in der zweiten Nachthälfte, am Morgen und nach einer längeren Ruhepause. Typischerweise bessern sich die Beschwerden durch Bewegung und sprechen gut auf nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) an. Neben den Kreuz-Darmbein-Gelenken ist am häufigsten der Übergang von der Brustwirbelsäule zur Lendenwirbelsäule (Th8-L2) betroffen.

Im Verlauf der Erkrankung kommt es zur zunehmenden Einschränkung der der Beweglichkeit der Wirbelsäule bis zur kompletten Einsteifung. In extremen Fällen kann der Patient im Spätstadium durch Verblockung der Brustwirbel in gebeugter Stellung und Streckhaltung der Halswirbelsäule die Blickachse nicht mehr über die Horizontale heben.

Durch Beteiligung der Rippen-Wirbel-Gelenke kann es zur Einschränkung der Atembewegung kommen. Schmerzen im Bereich der vorderen Brustwand können durch entzündliche Veränderungen an den Brustbein-Schlüsselbein-Gelenken (Sternoclaviculargelenken), dem Brustbein (Synochondrosis manubrio-sternalis) sowie am Rippenknorpel (Enthesitis) ausgelöst werden.

Bei 20% der Patienten tritt die Erkrankung erstmals in Form einer Gelenkentzündung (Arthritis) eines peripheren Gelenkes in Erscheinung, typischerweise an einem oder wenigen Gelenken (Mon- oder Oligoarthritis) im Bereich der Beine.

Die entzündlichen Veränderungen führen auch zu Veränderungen an Sehnenansätzen. Wegen der besonderen Belastung und Prominenz treten diese bei ca. 20% der Patienten in Form eines Fersenschmerzes in Erscheinung, manchmal auch im Bereich der großen Rollhügel (Trochanter major), am Sitzbein oder am Beckenkamm.

Außerhalb des Bewegungsapparates kann der Morbus Bechterew auch als Entzündung vom Auge (Iridozyklitis) symptomatisch werden. Es treten akut einsetzende Schmerzen eines Auges, Lichtempfindlichkeit und Einschränkung der Sehschärfe auf. Weitere Manifestationen können im Bereich des Herzens und der Blutgefäße in Form einer Aortenklappeninsuffizienz und Herzrhythmusstörungen und im Bereich des Darmes in Form einer Ileitis oder Colitis auftreten. Selten sind eine Beteiligung der Lunge (bilaterale apikale pulmonale Fibrose) sowie der Niere (IgA-Nephropathie).

Eine Komplikation nach langjährigem Verlauf mit hoher Entzündungsaktivität kann eine sog. Amyloidose (Ablagerung von Proteinen in inneren Organen mit nachfolgender Störung der Organfunktion) sein. Eine weitere Komplikation in späteren Stadien der Erkrankung stellt die erhöhte Knochenbruchgefährdung, v.a. im Bereich der Wirbelsäule, dar. Durch die Einsteifung kann es schon bei geringen Traumata zu Knochenbrüchen kommen, da der Knochen seine Elastizität verloren hat.

Diagnose des Morbus Bechterew

Die Diagnose wird anhand der Symptome und der körperlichen Untersuchung in Zusammenschau mit Labor- und Röntgenbefunden gestellt. International durchgesetzt zur Diagnosestellung des Morbus Bechterew haben sich die modifizierten New York Kriterien von 1984:

  1. Diagnose
    1. Klinische Kriterien:
    • Tiefsitzender Kreuzschmerz und Steifigkeit länger als 3 Monate. Besserung durch Bewegung, aber nicht durch Ruhe.
    • Eingeschränkte Beweglichkeit der Lendenwirbelsäule in sagittaler und frontaler Ebene.
    • Eingeschränkte Atemexkursion des Brustkorbes auf <2,5cm (korrigiert für Alter und Geschlecht).
    2. Radiologisches Kriterium
    • Entzündliche Veränderungen im Bereich der Kreuz-Darmbein-Gelenke (Sakroiliitis > Grad 2 beidseitig oder Grad 3-4 einseitig).
  2. Graduierung
    1. Sicherer Morbus Bechterew:
    wenn mindestens ein klinisches Kriterium und das radiologische Kriterium erfüllt sind.
    2. Wahrscheinlicher Mb. Bechterew:
    • Wenn drei klinische Kriterien erfüllt sind.
    • Wenn nur das radiologische Kriterium ohne klinische Kriterien erfüllt ist.

Problematisch ist, dass sichere Röntgenveränderungen erst nach durchschnittlich 5-9 Jahren auftreten. Manifestationen außerhalb der Gelenke sind häufig und können die Erstmanifestation sein, so dass die Frühformen des Morbus Bechterew oft nicht diagnostiziert werden können.

Laborwerte bei Morbus Bechterew

Ca. 90% der an Morbus Bechterew erkrankten Patienten weisen im Blut das humane Leukozytenantigen B27 auf. Die HLA-B27-Bestimmung ist jedoch nicht als Suchtest geeignet. Wenn aber aufgrund der Symptome, der körperlichen Untersuchung und des radiologischen Befundes der Verdacht auf einen Morbus Bechterew besteht, erhöht sich mit einem positiven HLA-B27 die Wahrscheinlichkeit der Diagnose.

Erhöhte Entzündungswerte im Blut, wie CRP (C-reaktives Protein) und eine beschleunigte Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG), korrelieren mit der entzündlichen Aktivität und können daher zur Verlaufskontrolle herangezogen werden. Bei milden Verläufen können diese aber auch im Normbereich liegen.

Lesen Sie mehr zum Thema: Entzündungswerte im Blut

Im Rahmen der Diagnostik des Morbus Bechterew kommt es auch zur HLA-Bestimmung. Lesen Sie für umfangreiche Informationen folgenden Artikel: HLA - Humanes Leukozyten Antigen

Röntgen bei Morbus Bechterew

Die radiologischen Veränderungen im Bereich der Kreuz-Darmbein-Gelenke haben große Bedeutung für die Diagnosestellung des Morbus Bechterew, eignen sich jedoch nicht für die Beurteilung des Krankheitsverlaufs. Radiologische Zeichen der Sakroiliitis (Entzündung des Kreuz-Darmbein-Gelenkes) sind eine unscharf begrenzte Gelenkkontur mit gelenknahen Sklerosierungen (Verdichtung vom Knochen) und Erosionen (Knochenauflösungen) (sog. buntes Bild).

Im Bereich der Wirbelsäule und der peripheren Gelenke sind die radiologischen Veränderungen eher zur Verlaufsbeurteilung geeignet. Sie sind das Ergebnis entzündlicher Destruktion und meist frustranen Reparationsvorgängen.

Beobachtet werden auf dem Röntgenbild:

  • Erosionen
  • Sklerosierung
  • Gelenkspaltverschmälerung
  • unscharfe Gelenkkonturen
  • Syndesmophyten (Verkalkung der Bänder der Wirbelsäule, sodass isch funktionell die Wirbelkörper miteinander verbinden) und
  • Knochensporne.

An der Wirbelsäule kommt es zu Spondylodiszitiden, Kastenwirbelbildung, Spondylophytenbildung, knöchernen Brückenbildung und letztlich zu kompletten Gelenk- bzw. Wirbelkörperfusionen (sog. Bambusstab).

Kernspintomographie (Magnetresonanztomographie / MRT) bei Morbus Bechterew

Wesentlich früher als im Röntgenbild sind die entzündlichen Veränderungen im Bereich der Kreuz-Darmbein-Gelenke (ISG) und der Wirbelsäule mit der Magnetresonanztomographie (MRT) darzustellen.
Durch das MRT kann auch eine Aussage über die Entzündungsintensität getroffen werden, so dass sich die Methode auch zur Verlaufsbeurteilung und zur Kontrolle eines Therapieerfolges eignet.
Man kann allerdings nicht mit einem MRT mit gleicher Qualität alle beim Bechterew betroffenen Regionen darstellen. Daher kommt für die ISG´s ein MRT vom Becken oder der LWS mit ISG in Frage.
Möchte man die gesamte Wirbelsäule beurteilen, kann ein MRT der Wirbelsäule gefahren werden.

Sonographie / Ultraschall bei Morbus Bechterew

Als kostengünstige und nebenwirkungsfreie Methode dient die Sonographie der Erfassung und Verlaufsbeobachtung von peripheren Gelenkentzündungen und Entzündungen der Sehnenansätze. Sie kann problemlos auch als dynamische Untersuchung und im Seitenvergleich durchgeführt werden.

Allgemeine Informationen zum Thema finden Sie unter: Sonographie

Ursachen des Morbus Bechterew

Die Ursache des Morbus Bechterew ist unbekannt. Bekannt ist die Assoziation der Erkrankung zu genetischen Merkmalen, insbesondere zum humanen Leukozyten-Antigen HLA-B27. Über 90% der Erkrankten sind HLA-B27 positiv. In Deutschland sind etwa 8% der Bevölkerung HLA-B27 positiv, wovon 2-5% an Mb. Bechterew erkranken, d.h. über 90% der HLA-B27 positiven Menschen bleiben gesund.
Bei Erkrankung von Verwandten 1.Grades beträgt das Risiko, an Mb. Bechterew zu erkranken, 20%, bei eineiigen Zwillingen 60%. In Deutschland gibt es ca. 800.000 an Morbus Bechterew erkrankte Patienten.

Wie bei anderen entzündlich rheumatischen Erkrankungen, werden bestimmte bakterielle Infektionen als Auslöser diskutiert.

Bei Erkrankungsbeginn sind die Patienten im Mittel 26 Jahre alt. Männer sind zwei- bis dreimal häufiger befallen als Frauen.

Zusammenfassung

Beim Morbus Bechterew handelt es sich um eine entzündliche Systemerkrankung unbekannter Ursache aus der Gruppe der Spondylarthropathien.
Überwiegende Manifestationsorte sind die Kreuz-Darmbein-Gelenke (ISG-Gelenk), der Übergang von der Brustwirbelsäule zur Lendenwirbelsäule und bei peripherer Gelenkbeteiligung von Hüftgelenk und Kniegelenk. Häufig finden sich auch Entzündungen der Sehnenansätze und eine Beteiligung vom Auge (Iridozyklitiden).

Lesen Sie mehr zum Thema: ISG Schmerzen

Typischerweise treten anhaltende Schmerzen und eine zunehmende Bewegungseinschränkung auf.
Die Diagnose erfolgt klinisch (durch Untersuchung des Patienten) und radiologisch (durch Röntgenbilder, MRT; CT, Szintigraphie etc.).
Laborwerte können ein positives HLA-B27 bzw. erhöhte Entzündungswerte die Diagnose bestätigen. Zur Eindämmung des entzündlichen Prozesses und der fortschreitenden Einsteifung bzw. Gelenkzerstörung muss frühzeitig eine forcierte Therapie eingeleitet werden. Basis sind Physiotherapie / Krankengymnastik und die medikamentöse Therapie. Bei Versagen von konservativen Therapiemaßnahmen kommen operative Therapiemaßnahmen zum Einsatz.

Autor: Dr. Martina Henniger Veröffentlicht: 17.05.2007 - Letzte Änderung: 12.01.2023