Diagnose der Legasthenie

Synonyme im weiteren Sinne

Legasthenie, Dyslexia, Dyslexie isolierte oder umschriebene Lese- RechtschreibSchwäche, LRS, Lese- Rechtschreibstörung, , Teilleistungsschwäche, Teilleistungsstörung.

 

Definition

Unter einer Legasthenie versteht man spezifische Schwächen, die sich ausschließlich beim Lesen und (Recht-) Schreiben zeigen, obwohl keine Beeinträchtigung in der geistigen Entwicklung festzustellen sind uns somit eine normale bis überdurchschnittliche Intelligenz vorliegt.

Eine Diagnose der Legasthenie ist in der Regel eine Folge aus Beobachtungen, die zeigen, dass im schriftsprachlichen Bereich Probleme auftreten, die nicht auf unzulänglichen Unterricht zurückzuführen sind und sich ausschließlich auf den Bereich des Lesens, Schreibens und Rechtschreibens beziehen.

Einer spezifischen Diagnostik sollte demnach eine genaue Beobachtung des Kindes und dessen Leistungen vorausgegangen sein. Symptome sind stets spezifischer Natur, das bedeutet, dass nicht immer alle Symptome auf ein Kind zutreffen müssen, umgekehrt eine Symptomauflistung auch niemals den Anspruch auf Vollständigkeit erheben kann, da stets neue Symptome auftreten können.

In der Regel kann man allerdings bei legasthenen Kindern typischerweise folgende Symptome immer wieder beobachten:

  • langsames und stockendes Lesen
  • Probleme beim Erkennen und Benennen von Buchstaben
  • verwechseln von Buchstaben, entweder aufgrund ihrer Ähnlichkeit im Aussehen b - d - p - q (Raumlage) oder aufgrund ihres ähnlichen Klanges (d - t, g - k, b - p, ...)
  • erraten und somit auch Verwechseln von Wörtern
  • Probleme beim Nachsprechen langer Wörter (z.B. Lokomotive, Schifffahrtskapitän, Leuchtturmwärter, ...)
  • eigene Sprachprobleme
  • Probleme beim Zusammenschleifen von Buchstaben und Lauten
  • Viele Fehler in der Rechtschreibung, die im Rahmen der Diagnostik untersucht und Problemfeldern zugeordnet werden müssen.
  • Probleme beim Schreiben lautgetreuer Wörter (= Wörter, die man so schreibt wie man sie spricht, z.B. Blume) nach Diktat (Lautsynthese).
  • ...

Diagnose

Analog zu dem historischen Wandel des Legastheniebegriffes machen sich auch Unterschiede in der Diagnose bemerkbar. Es gibt auch heute noch unterschiedliche Diagnoseverfahren und Vorgehensweisen.

Prinzipiell fallen Probleme im Bereich des Lesens und Rechtschreibens durch Misserlebnisse auf. Allerdings bedeutet dies nicht, dass eine Legasthenie vorliegt. Um diesbezüglich klare Aussagen treffen zu können, muss überprüft werden, ob die Probleme nicht in anderen Ursachen (fehlende Übung, körperliche Erkrankungen, andere Lernprobleme, ...) begründet liegen.

Gerade dann, wenn sich Fehlertypen (siehe Definition) häufen und sich weitere typische Symptome bemerkbar machen, sollte ein Gespräch zwischen den Eltern und dem Lehrer stattfinden. In der Regel können erste diagnostische Verfahren schon in der Schule stattfinden. Sollten darüber hinaus weitere diagnostische Verfahren (wie beispielsweise die Intelligenzdiagnostik) notwendig werden, kann der schulpsychologische Dienst eingeschaltet werden. Sie können sich aber auch selbst an die Erziehungsberatungsstellen in Ihrer Nähe oder einen Kinder- und Jugendpsychologen wenden.

In der Regel sollte ein Diagnoseverfahren mit einem Vorgespräch starten. Innerhalb des Gespräches können individuelle Begebenheiten besprochen werden, die eventuell Rückschlüsse auf das Vorhandensein einer Lese- Rechtschreibschwäche (Legasthenie) geben können. Dies wären beispielsweise prä-, peri- oder postnatale Ereignisse, frühkindliche Erkrankungen, familiäre und schulische Situation, Arbeitsverhalten, Umgang mit Stresssituationen etc..

Erst im Anschluss an das erste Kontaktgespräch sollten standardisierte Testverfahren eingesetzt werden, die Rückschlüsse auf die individuelle Leistungsfähigkeit eines Kindes geben können. In der Regel wird ein Intelligenz- und ein Lese- und ein Rechtschreibtest durchgeführt.

Die Diagnostik zielt nicht nur darauf ab, den Problemen einen Namen zu geben, sondern soll in erster Linie auch dafür sorgen, dass eine gezielte und individuell ausgerichtete Förderung stattfindet. Aus den beiden Wörtern “fördern” und “Diagnostik” entsteht das zusammengesetzte Wort “Förderdiagnostik”, auf deren Inhalte nachfolgend eingegangen wird.

Förderdiagnose

Unter einer Förderdiagnositk versteht man eine Diagnostik, die sich nicht damit abfindet eine Diagnose zu erstellen, sondern auch den Anspruch erhebt, spezifische Aussagen im Hinblick auf eine passende Förderung und Therapie zu machen.

Die Förderdiagnostik möchte vermeiden, dass durch die Diagnosestellung "Legasthenie" das Grundübel sämtlichler Probleme erkannt wurde und man sich nun auf der Diagnose ausruhen kann. Gerade in den 70'er und 80' er Jahren in denen die Legasthenie zur "Modeerscheinung" deklariert wurde, stellte die Diagnose Legasthenie eine Chance dar, Problemen im Lesen und Rechtschreiben durch Notenschutz etc. aus dem Weg zu gehen.

Auf einer Förderdiagnostik sollte sich auf keinen Fall ausgeruht werden. Vielmehr soll diese spezifische Diagnostik dazu verhelfen, Problemen durch spezifische Übungsformen zu begegnen. In besonderer Weise wertet eine Fehlerdiagnostik Fehler aus und ordnet sie typisiert den verschiedenen Lern- und Förderbereichen zu.

Bestandteile einer Förderdiagnostik

Wie bereits erwähnt setzt sich der Begriff der Förderdiagnostik aus zwei Wortteilen zusammen. Zum einen wird Wert auf eine differenzierte Diagnostik gelegt, zum anderen verspricht man sich von dieser Diagnostik allerdings auch gezielte Aussagen hinsichtlich einer individuell ausgerichteten Förderung.

Förderung + Diagnostik = Förderdiagnostik.

Zu einer Förderdiagnostik gehören:

  1. Eine Analyse der Basisfähigkeiten und eine Lernbeobachtung, die erste typische Probleme aufzeigen (siehe oben)
  2. Ermitteln von Problemen und Auffälligkeiten in der Entwicklung eines Kindes (prä-, peri-, postnatale Probeleme, verminderter Lesekonsum innerhalb der Familie, Vorbildcharakter der Eltern, ...)
  3. Die Diagnostik der Intelligenz, wobei darauf geachtet werden sollte, dass Intelligenztests verwendet werden, die nicht auf der Basis von Schriftsprache aufbauen. Solche Intelligenztests nennt man "non-verbale Intelligenztests". Sie sollen Vermeiden, dass die Intelligenz aufgrund der vorhandenen Probleme im Lesen, Schreiben und Rechtschreiben durch die spezifische Aufgabenstellung vermindert dargestellt wird.
  4. Das Ermitteln und Erfassen des derzeitigen Standes der Sprach-, Lese- und Rechtschreibentwicklung mittels standardisierter Testverfahren
  5. Das Vergleichen der Werte aus den standardisierten Testverfahren, d.h. das Vergleichen der Werte des Intelligenztestes mit den Werten des Lese-, Sprach- und Rechtschreibtests.

Die ersten Verdachtsmomente können von Seiten des Lehrers oder aber der Eltern ausgesprochen werden. Es empfiehlt sich dann, ein Gespräch zwischen Eltern und Lehrer in dem Probleme und das Lernverhalten des Kindes angesprochen und beratschlagt werden. Leider können Lehrer nicht alle Testverfahren abdecken, was unserer Meinung nach im Hinblick auf eine gezieltere Ausrichtung der Förderung hilfreicher wäre. Zwar liegt dann die Kritik nahe, das Lehrerurteil sei zu subjektiv und demnach auch stellenweise anzweifelbar, dennoch bietet die Diagnostik durch den schulpsychologischen Dienst oder aber einen Kinder- und Jugendpsychologen in der Regel nur einen Einblick in die Leistungsfähigkeit des Kindes bezogen auf die Aufgabenstellung und den Augenblick der Testdurchführung. Sie unterliegen häufig der Kritik "situationsblind" zu sein und somit bei aller Objektivität die Individualität des Kindes nicht hinreichend berücksichtigen. werden dann die weiteren förderdiagnostischen Maßnahmen besprochen.

Analyse der Basisfähigkeiten

Unter Basisfähigkeiten versteht man Grundlagen, die für den Erwerb der Schriftsprache von besonderer Bedeutung sind.
In Bezug auf den Erwerb der Lese- und (Recht-)Schreibfähigkeiten sind dies unter anderem:

  • feinmotoroische Fähigkeiten (= Wissen, wie ein Wort geschrieben wird und Umsatz dieses Wissens)
  • Fähigkeit zur Lautanalyse (Laut = im Wort gesprochene Buchstaben, die im Gegensatz zum Buchstabieren (A, Be, Ce, ...) nur so ausgesprochen werden, wie sie im Wort benutzt werden: BAUM - B AU M, wobei B nicht als BE, AU nicht als A und U, M nicht als EM gesprochen wird)
  • auditive Diskriminationsfähigkeiten (Fähigkeit, auch geringe Unterschiede mit den Ohren wahrzunehmen, z.B. in den Lauten: b-d, g-k, ... oder in Wörtern: Hose - Hase, etc.)
  • kinästhetische Diskriminationsfähigkeiten (= Fähigkeit, Bewegungen auszuführen und diese auch wahrzunehmen. Im Bereich des Schriftspracherwerbes bezogen auf die feinen Bewegungen des Sprechapparates, z.B. beim Lesen oder aber beim Schreiben, das in der ersten Zeit in der Regel immer durch lautes oder leises mitartikulieren stattfindet)

Die Überwindung / Minimierung einzelner Problembereiche ist um so wahrscheinlicher, je früher man eine mögliche Beeinträchtigung feststellt. Dies liegt darin begründet, dass die entscheidenden Phasen kindlicher Sprachentwicklung noch nicht abgeschlossen sind. Eine Möglichkeit der Diagnose sprachbezogener Wahrnehmungsleitstungen bieten beispielsweise die von Breuer / Weuffen entwickelten “verbosensomotorischen Differenzierungsproben”, durch die sowohl die optischen und kinästhetischen, als auch die melodischen und rhythmischen Basiskomponenten des Kindergartenkindes und / oder Schulkindes im Anfangsunterricht überprüft werden können. Es handelt sich hierbei nicht um einen Test zur Klassifizierung bestimmter Entwicklungsniveaus, sondern um einen Test, der den individuellen Stand der Sprachwahrnehmungsleistung ermittelt.

Intelligenzdiagnostik

Eine Legasthenie ( Teilleistunggschwäche) impliziert eine normale bis überdurchschnittliche Intelligenz. Probleme treten isoliert im Bereich Lesen- und Rechtschreiben auf. Eine Hochbegabung kann somit insbesondere beim Vorherrschen einer Legasthenie nicht ausgeschlossen werden.

Welcher Intelligenztest zur Messung der Intelligenz hinzugezogen wird, ist unterschiedlich. Da der Intelligenzquotient als solches kein allgemein gültiges Maß ist, sondern nur den augenblicklichen Stand der Intelligenz bezogen auf ein bestimmtes Testverfahren wiedergibt, muss in einem Gutachten vermerkt werden, welche Verfahren verwendet wurden.

Da es sehr viele unterschiedliche Verfahren zur Bestimmung des Intelligenzquotienten und somit zur Messung von Intelligenz und dem individuellen Entwicklungsstand gibt, soll an dieser Stelle nur exemplarisch auf einige Testverfahren eingegangen werden. Dies ist zum einen aufgrund der recht häufigen Verwendung der HAWIK (Hamburger Wechsler Intelligenztest für Kinder) und der CFT (Culture Fair Intelligence Test).

Der HAWIK testet über verschiedene Untertests, wie beispielsweise: Bildergänzungen, Allgemeinwissen, rechnerisches Denken usw. die praktische, verbale und allgemeine Intelligenz.

Der CFT misst die individuelle Fähigkeit eines Kindes zur Erkennung von Regeln und zur Identifikation bestimmter Merkmale. Er misst darüber hinaus, in welchem Maße das Kind zur nonverbalen Problemerfassung und -lösung fähig ist. Insgesamt besteht der Test aus fünf verschiedenen Untertests.

Rechtschreibdiagnostik

Es gibt viele verschiedene Tests zur Durchführung einer Rechtschreibdiagnostik. Auch wenn viele dieser Testverfahren schon länger als 10 Jahre angewendet werden, sind sie nicht zwangsläufig veraltet, sondern durch Neuauflagen immer wieder angepasst und angeglichen worden.
Die verschiedenen Testverfahren sind auf den jeweiligen Leistungsstand angeglichen. Das bedeutet: Es gibt ein bestimmtes Testverfahren, dass sich in der Schwierigkeit den einzelnen Klassenstufen angleicht. In der Regel verrät die Zahl hinter dem Namen, ab welchem Schuljahr das Verfahren geeignet ist.

Beispiel: DRT 2 steht für Dignostischer Rechtschreibtest für das zweite Schuljahr, wobei der geeignetste Zeitpunkt für eine Testdurchführung genau festgelegt wird. Im vorliegenden Beispiel sind dies die letzten zwei Monate des zweiten Schuljahres und die ersten zwei Monate des dritten Schuljahres.

Lesediagnostik

Ähnlich wie auch im Bereich der Rechtschreibung analysiert die Lesediagnostik die in den verschiedenen Bereichen des Lesens gemachten Fehler. Neben dem lauten Vorlesen von Wörtern sollte dabei auch auf die Fähigkeit des Textverständnisses geachtet werden.

Die Fähigkeit des Lesens lässt sich in verschiedende Teilbereiche unterteilen, die beim geübten Leser automatisch und daher auch unbewusst ablaufen. So müssen wir beispielsweise zum Erlesen eines Wortes nicht mehr jeden einzelnen Laut (gesprochener Buchstabe / gesprochene Buchstabenverbindung) analysieren und benennen. Geübte Leser erkennen beispielsweise bestimmte Laute und Wörter auf einen Blick und benennen sie aus dem Gedächtnis.

Die nachfolgende Tabelle liefert Hinweise für frühdiagnostische Maßnahmen zur Deutung auftretender Probleme im Bereich des Lesens. Sie sind schon im ersten Schuljahr einsetzbar, allerdings sollte den Kindern in den ersten Monaten die Chance zur Entwicklung gegeben werden. Für manche Kinder ist der Einstieg in den Leselernprozess nicht einfach, mit dem nötigen Maß an Übung und Gewohnheit relativieren sich Anfangsschwierigkeiten häufig schnell. Natürlich sollte die Entwicklung frühzeitig und begleitend beobachtet werden. Gewarnt werden soll hier aber ausdrücklich vor einer zu schnellen Problemzuweisung!
Gemäß des förderdiagnostischen Konzeptes können durch die Lernprozessbeobachtung Probleme immer konkret angegangen werden, ohne zunächst weitreichende Diagnosen zu stellen.

 

Lesediagnostische Teilbereiche

  • Visuelle Analyse
    • Fähigkeit, einzelnen Buchstaben, sowohl allein stehend als auch innerhalb eines Wortes zu erkennen
    • Fähigkeit, aus Groß- und Kleinbuchstaben passende Paare zu finden (z.B.: Zuordnung von M und m)
    • Fähigkeit, aus Buchstabenwirrwar die Buchstaben heraus zu finden, die ein Wort zur Bildung benötigt
    • Fähigkeit, Signalgruppen, wie Wortstämme etc. wiederzuerkennen
    • Wiedererkennen von Wörtern aus einer Reihe ähnlich aussehender Wörter
    • ...
  • Laut-Buchstabenzuordnung
    • Fähigkeit, die Buchstaben zu erkennen und zu lautieren
    • Fähigkeit, die Selbstlaute (= Vokale) a,e,i,o,u zu benennen
    • Fähigkeit, die Mitlaute (= Konsonanten) zu lautieren
    • Fähigkeit, die Doppel (mm, nn, ll, ...) sowie die Umlaute (ö, ä, ...) zu lautieren
    • ...
  • Auditive Analyse
    • Fähigkeit, den Laut am Anfang zu erkennen und wiederzugeben
    • Fähigkeit, den Laut im Inneren eines Wortes zu erkennen und wiederzugeben
    • Fähigkeit, den Laut am Ende eines Wortes zu erkennen und wiederzugeben
    • Fähigkeit, ähnlich klingende Laute zu unterscheiden (b - p, d - t, g - k, ...)
    • ...
  • Auditiv-visuelle Analyse
    • siehe visuelle Analyse, mit dem Unterschied, dass die visuellen Erkenntnisse auch benannt werden sollten
  • Lautsynthese
    • Fähigkeit, Mit- und Selbstlaute zu verbinden (la - le - lu - li, ...)
    • Fähigkeit, Buchstaben zu Wörtern zu verbinden
    • Fähigkeit, Wörter zu erlesen, bei denen sich die Konsonanten häufen
    • ...
  • (sinnerfassendes) Lesen
    • Fähigkeit, ein Wort dem passenden Bild zuzuordnen
    • Fähigkeit, einem Satz das passende Bild zuzuordnen. Fähigkeit, anhand eines gelesenen Satzes fehlende Details im Bild zu ergänzen (Lese - Mal - Blätter, ...)
    • Fähigkeit, einfache kurze Texte sinnerfassend zu lesen
    • Fähigkeit, das Gelesene in eigenen Worten wiederzugeben
    • Fähigkeit, fremde Texte sinnerfassend zu verstehen
    • ...

Wie auch im Bereich der Rechtschreibung gibt es hier standardisierte Testverfahren, die die Leseleistung untersuchen. Darüber hinaus liefert aber auch das Leseverhalten eines Kindes im Alltag wertvolle und wichtige Hinweise. Beispielsweise ist für die Kontrolle der Fähigkeit zum Textverständnis nicht unbedingt ein standardisiertes Testverfahren notwendig. Schon im ersten Schuljahr lässt sich diese Fähigkeit durch einfache Verfahren analysieren. Hierzu zählen beispielsweise die so genannten Lese - Mal - Blätter, bei denen das Kind dazu aufgefordert wird einen Satz zu lesen und malend fehlende Gegenstände zu ergänzen. Auch Wort - Bild - Zuordnungen liefern erste Rückschlüsse auf die Fähigkeit eines Kindes zum Textverständnis. Auch für die weiterführenden Schuljahre sind mittlerweile weitere Aufgabenstellungen entwickelt worden, die das Textverständnis ermitteln.

 

Zusammenfassung

Das Urteil "Legasthenie" ist keine Diagnose, auf der man sich ausruhen kann. In besonderer Weise ist nun gefordert, dass auf die Diagnose eine passende und erfolgreiche Therapie folgt. Aufgrund dessen kann nach erster Bestandsaufnahme zwar zunächst eine Förderung entsprechend der diagnostischen Ergebnisse erfolgen, doch auch die Förderung und Therapie selbst muss immer wieder diagnostisch überprüft und therapeutisch angepasst werden.

Da die Schwierigkeiten im Bereich des Lesens, Schreibens und Rechtschreibens auch im Bereich der allgemeinen Entwicklung, der Fähigkeit zur Sozialisation, bzw. im Arbeitsverhalten durch Probleme im Strukturieren von Aufgabenstellungen äußern, die nicht selten zu totalen Versagensängsten oder Lernblockaden führen, sollte die Förderdiagnostik kindnah ausgerichtet sein und von Personen durchgeführt werden, die mit dem Kind mindestens einmal wöchentlich gemeinsam arbeiten.

Sie sollte stets so ausgerichtet sein, dass sie wertvolle Hinweise zur Förderung liefert. Das hat zur Folge, dass der Förderbedarf immer wieder ermittelt werden muss und Diagnostik sowie Therapie immer wieder angepasst und durchgeführt werden müssen.

Letzten Endes ist für die individuelle Therapie auch der vertrauensvolle Kontakt zum Kind von besonderer Bedeutung. Gerade die psychologische Ebene wird bei einer Förderung oftmals vergessen. Sie ist aber in besonderer Weise wichtig, das gerade die Psyche des Kindes durch das Gefühl ständig zu versagen in Mitleidenschaft gezogen wird. Jeder Mensch weiß, dass das Gefühl des Versagens unangenehm ist und letztlich zu Selbstzweifeln führt. Die Konsequenz daraus ist oftmals, dass man versucht, diese unangenehmen Situationen zu umgehen. Deshalb sind Verweigerungshaltungen bis hin zu totalen Lernblockaden nicht selten.

Unserer Auffassung nach würde die Kombination aus Schule (Pädagogik) und Therapeut (Psychologie) eine gute Kombination darstellen. Die Schule könnte mit ihren pädagogischen Fähigkeiten die spezifische und individuelle Förderung mit allen didaktischen Maßnahmen und Methoden abdecken, während sich die therapeutische Aufgabe auf die Psyche des Kindes ausrichten könnte. Leider ist die Integration der legastheniespezifischen Förderung im schulischen Förderunterricht sehr schwierig, das in einer Klasse mit beispielsweise 25 Kindern oftmals viele Kinder einer individuellen Förderung bedürfen. Schön wäre es, wenn - wie in anderen europäischen Ländern - jedem Lehrer einer Klasse neben einer verminderten Klassenstärke entweder ein Sonderpädagoge oder ein Kinder- und Jugendpsychologe zur Seite stehen würde.

So lange dies nicht der Fall ist, sollten Therapeut und Klassenlehrer von Zeit zu Zeit kooperieren, um die Therapie den schulischen Themenbereichen anzugleichen und somit Schule + Therapie einander anzugleichen.

Autor: Dr. N. Gumpert Veröffentlicht: 21.05.2007 - Letzte Änderung: 02.03.2022