Schmerztherapeutische Anwendung des Racz-Katheter

Synonyme

  • Racz - Schmerzkatheter
  • Schmerzkatheter nach Racz
  • Wirbelsäulenkatheter
  • Racz - Wirbelsäulenkatheter
  • minimal invasiver Wirbelsäulenkatheter nach Prof. Racz

Definition Racz-Katheter

Der Racz-Katheter wurde 1982 von dem texanischen Anästhesisten und Schmerztherapeuten Prof. Gabor Racz entwickelt.

Die Racz-Katheter Technik ist ein minimal invasives Verfahren zur Behandlung von chronischen Rückenschmerzen unterschiedlicher Urasche.

Beim Racz-Katheter handelt es sich um einen speziellen Katheter (dünnes Schläuchlein), welcher im Gegensatz zu herkömmlichen Kathetern einen metallenen Führungsdraht besitzt und sich darüber zielgenau an den Ort der Schmerzentstehung an der Wirbelsäule steuern lässt.

Indikation

Der Racz-Katheter ist ein nicht unumstrittenes Verfahren, sowohl was die Technik des Verfahrens angeht, als auch was die therapeutischen Einsatzmöglichkeiten anbetrifft. Er ist kein Allheilmittel für chronische Rückenschmerzen und sollte vor allen Wurzelreizsymptomen (Radikulopathien) vorbehalten bleiben.

Unter einer Radikulopathie versteht man eine schmerzhafte Reizung (mechanisch, chemisch) einer Nervenwurzel des Rückenmarkes. Klinisch macht sich eine derartige Reizung, als Beispiel, im Bereich der Nervenwurzeln der Lendenwirbelsäule, durch Ischiasschmerzen bemerkbar, in der Fachsprache auch als Lumboischialgie, bezeichnet.

Eine Lumboischialgie bezeichnet einen Rückenschmerz im Bereich der Wirbelsäule, der von dort über das Gesäß in das Bein, teilweise bis in den Fuß und die Zehen ausstrahlt. Je nach betroffener Nervenwurzel kann es auch zu typischen Ausfallerscheinungen des Reflexverhaltens, des Gefühlsempfindens und der Kraftentwicklung kommen. Häufig wird der Beinschmerz quälender empfunden als der Rückenschmerz.

Auch wenn viele verschleißbedingte (degenerative) Veränderungen zu Nervenwurzelschmerzen führen können, sollte der Racz - Katheter nach Konsensus namenhafter Fachleute der Orthopädie folgenden Erkrankungen vorbehalten bleiben:

Bei einem Bandscheibenvorfall / Bandscheibenvorwölbung (Nucleus pulposus prolaps / -protusion) drückt ausgetretenes Bandscheibengewebe auf die Nervenwurzel und führt zur mechanischen und chemischen Irritation mit Entzündungsreaktion der betroffenen Nervenwurzel und entsprechender Radikulopathie.

Eine perineurale Narbenbildung entsteht häufig nach Bandscheibenoperationen (Postnukleotomiesyndrom). Die durch das Operationstrauma hervorgerufenen Narben können Nervenwurzeln oder das Rückenmark ummauern und zur Irritation der Nerven durch Zug und Druck führen.

Von Gerdesmeyer et al. 2005 wurden zudem folgende Einschlusskriterien (Indikation) für die Anwendung des Racz-Katheters formuliert:

  • Erfolglos konservativ therapierte chronische Radikulopathie bei Bandscheibenvorwölbung oder –vorfall oder nach Bandscheibenoperationen
  • Mindestalter: 18 Jahre
  • Nachweis der Wurzelreizung in der Bildgebung (MRT)
  • 3 Monate erfolglose konservative Therapie
  • Zeitfenster von > 6 Wochen nach letzter rückenmarknaher (periduraler) Infiltration (Spritze).
  • Schmerzbeurteilung von >4 auf der Visuellen Schmerzanalogskala (VAS) (Anm.: hierbei soll der Patient eine subjektive Einschätzung seiner Schmerzen abgeben bei einer Bandbreite von 0=keine Schmerzen und 10=stärkste, unerträgliche Schmerzen)

Zu den Ausschlusskriterien (Kontraindikation) zählen Gerdesmeyer et al.:

  • Operationsindikation bei neurologischen Defiziten (Kraftverlust, Gefühlsverlust u.a)
  • Rheumatische Erkrankungen / Stoffwechselstörungen
  • Relevante Entzündungen
  • Bekannte Neubildungen (Neoplasien = Tumorerkrankungen) im Operationsgebiet
  • Wirbelkörperfraktur
  • Immunsupressive Therapie (z.B. Methotrexat)
  • Langzeitkortisoneinnahme
  • Fehlender Nachweis der Erkrankung in der Bildgebung
  • Gerinnugsstörungen/Einnahme von gerinnungshemmendn Medikamente (Marcumar ®, ASS ®, Plavix ® u.a.m)
  • Klinisch relevante Spinalkanalstenose
  • Zeitfenster von < 6 Wochen nach letzter rückenmarknaher (periduraler) Infiltration (Spritze).
  • Allergien auf Lokalanästhetika, Hyaluronidase, Röntgenkontrastmitteln
  • Schwangerschaft oder Stillen
  • Klinisch relevante urogenitale (ableitende Harnwege) oder sexuelle Funktionsstörung

Operationsverfahren

Prinzipiell kann das Operationsverfahren an der Halswirbelsäule, Brustwirbelsäule, und Lendenwirbelsäule in Modifikation der Zugangstechnik durchgeführt werden.

Die mit Abstand häufigste Anwendung ist die an der Lendenwirbelsäule.

Unter sterilen Bedingungen wird ein natürlicher Öffnungspunkt des Wirbelkanales im Bereich des Kreuzbeines aufgesucht (Sakralkanal/Hiatus sacralis). Dieser Punkt befindet sich im Verlauf der Gesäßfalte oberhalb des bogenförmigen Übergangs zum Steißbein. Im Eintrittsbereich des Katheters wird eine lokale Betäubung gesetzt.

Zunächst wird eine Stabhülse (Trokar) eingesetzt und unter Röntgen - Kontrolle und Kontrastmitteleinsatz die richtige Lage kontrolliert. Anschließend wird der Spezialkatheter eingebracht und an die gewünschte Stelle platziert. Die Lagekontrolle erfolgt erneut durch Röntgen mit Kontrastmittel (Epidurographie).

Dann erfolgt die Injektion der Medikamente (Lokales Betäubungsmittel, 10% Kochsalzlösung, Kortison, Hyaluronidase). Nach Spülen des Katheters wird dieser sicher auf der Haut fixiert, ein Bakterienfilter aufgesetzt und ein steriler Verband angelegt.

In den folgenden beiden Tagen wird der Katheter mit Medikamenten weiter angespült und dann entfernt.

Vorteile

Beim Racz-Katheter handelt sich um minimal invasives Operationsverfahren, bei dem kein neuer Weichgewebeschaden (Muskulatur, Bänder etc) erfolgt und somit eine erneute Narbenbildung unterbleiben soll. Deshalb wird die Indikation zur Kathetertechnik vor einer möglichen offenen operativen Intervention gestellt.

Hintergrund sind die mäßigen bis schlechten Resultate bei Folgeeingriffen (Revisionen) wegen persistierender Radikulopathie nach offenen Bandscheibeneingriffen. Nur bei ca. 50% aller erstmals offen nachoperierten Patienten kann eine Schmerzlinderung erzielt werden. Beim 2. Folgeeingriff reduziert sich die Erfolgsrate auf ca. 20%.

Die Idee des Racz-Katheters ist nachvollziehbar. Durch die zielgenaue Applikation des Bindegewebe auflösenden Enzyms Hyaluronidase an die betroffene Nervenwurzel soll vorhandenes Narbengewebe (Bindegewebe) aufgelöst werden. Durch Einspritzung von 10 %iger Kochsalzlösung kann ein Bandscheibenvorfall / Bandscheibenvorwölbung durch osmotischen Wasserentzug zum schrumpfen gebracht werden, wodurch die Nervenwurzel von dem Bandscheibendruck befreit wird. Zusätzliche Einspritzungen von Kortison und lokalem Betäubungsmittel wirken schmerzlindernd und entzündungshemmend und sollen zu einem Abschwellen der Nervenwurzel führen, wodurch ein relativer Platzgewinn resultiert.

Kritik

Die Racz-Katheter Technik ist nicht unumstritten, gerade was das Indikationsspektum anbetrifft.
Da es sich um eine teure, individuelle Gesundheitsleistung handelt, die nicht über die Krankenkasse abgerechnet werden kann, behaupten einige, dass Profitgier zu einer unberechtigten Ausweitung des Einsatzspektums geführt habe.

Andere bezweifeln die Wirksamkeit der Methode selbst.

Zudem sind die häufig verwendeten Medikamente (Hyaluronidase und 10%Kochsalzlösung für die Anwendung im Wirbelsäulenkanal nicht zugelassen.

Zu den Kritikpunkten zählen zusammengefasst:

  • Teure OP-Methode
  • Keine Abrechnung über die Krankenkasse möglich
  • Keine Zulassung der Medikamente Hyaluronidase und 10% Kochsalzlösung für die Anwendung im Wirbelsäulenkanal.
  • Keine Notwendigkeit der punktgenauen Medikamentenapplikation
  • Röntgenstrahlenbelastung
  • Verletzungsgefahr durch relativ starres Kathetersystem
  • Chemische Nervenirritationen durch die Medikamente Hyaluronidase und 10% Kochsalzlösung selbst
  • Keine ausreichende Narbengewebe auflösende Wirkung von Hyaluronidase
  • Keine anhaltende Schrumpfung von Bandscheibenvorfällen durch 10% Kochsalzlösung. Nur kurzfristiger Effekt.

Komplikationen

Bei sorgfältiger Hygieneeinhaltung und routiniertem Operateur sind Komplikationen selten.

Mögliche Komplikationen sind:

  • Infektion / Hirnhautentzündung (Meningitis)
  • Hämatome im Wirbelkanal mit Drück auf das Rückenmark durch eine Gefäßverletzung
  • Katheterbedingte Verletzung der Rückenmarkshaut
  • Katheterbrüche.
  • Medikamenten- und Kontrastmittelapplikation in den Rückenmarksschlauch
  • Neurologische Komplikationen bis hin zur Querschnittslähmung
  • Allergie auf verwendete Medikamente bis hin zum Kreislaufschock

Ergebnisse

Da es bislang keine placebokontrollierten, prospektiven Studien zur Racz-Katheter Technik gibt, wird ihr Einsatz als experimentell eingestuft. Verschiedene Arbeitsgruppen konnten einen positiven Nutzen dieser Therapieform bei radikulären Schmerzen nachweisen.

Weiterführende Informationen

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Eine Liste aller Untersuchungsmethoden, die wir bereits veröffentlicht haben finden Sie unter: Untersuchungsmethoden.

Autor: Dr. Nicolas Gumpert Veröffentlicht: 26.05.2007 - Letzte Änderung: 30.03.2024