Neurotransmitter

Definition - Was ist ein Neurotransmitter ?

Das menschliche Hirn besteht aus einer schier unvorstellbaren Anzahl von Zellen. Schätzungsweise 100 Milliarden Neuronen, welche die eigentliche Denkarbeit vollrichten, und noch einmal genauso viele sogenannte Gliazellen, welche die Neuronen in ihrer Arbeit unterstützen, bilden das Organ, was uns Menschen erst zu etwas besonderem auf dieser Welt machen. Damit diese Nervenzellen untereinander kommunizieren können, entwickelte sich im Laufe der Evolution ein komplexes System aus Botenstoffen, den Neurotransmittern. Dabei handelt es sich um etwas mehr als zwei Dutzend, teilweise sehr unterschiedliche, chemische Verbindungen, welche nach verschiedenen Aspekten in verschiedene Gruppen eingeteilt werden können.

Die gängigste Klassifizierung erfolgt dabei nach ihrer chemischen Struktur. So existiert beispielsweise eine kleine Gruppe von löslichen Gasen, zu welcher Kohlenmonoxid (CO) und Stickstoffmonoxid (NO) gehören, aber auch eine große Gruppe von Aminosäuren, den Bausteinen der Proteine, welche als Neurotransmitter fungieren. Auch Proteine selbst bilden eine Gruppe von Neurotransmittern.

Dass dieses umfangreiche System von Botenstoffen im Gehirn im Gleichgewicht bleibt, ist dabei von enormer Bedeutung, da ein Mangel oder Überschuss an Neurotransmittern verheerende Folgen für die Funktion unseres Nervensystems hat. Dies kann sich, je nachdem in welchem Teil des Hirns das Ungleichgewicht auftritt, sowohl auf unsere psychische, als auch körperliche Gesundheit niederschlagen. Krankheiten wie Morbus Parkinson, die Schizophrenie und auch Depressionen sind zumindest zum Teil die Folge von Veränderungen der Hirnchemie. Auf der anderen Seite können wir unser Wissen über die Botenstoffe des Nervensystems jedoch auch nutzen, um genau diese Krankheiten zu behandeln.

Neurotransmitter sind dabei übrigens keineswegs mit Hormonen gleichzusetzen. Während Hormone in den Blutstrom freigesetzt werden und über den Kreislauf zu ihren Zielorganen gelangen, dienen Neurotransmitter nur zur Kommunikation innerhalb des Nervensystems.

Aufgaben der Neurotransmitter

Innerhalb einzelner Nervenzellen (Neuronen), welche beim Menschen teilweise mehr als einen Meter lang sein können, werden die Informationen, vergleichbar mit Stromkabeln, über elektrische Spannung fortgeleitet. Diese Leitung wird jedoch regelmäßig unterbrochen, wenn die Weiterleitung der Information von einem Neuron auf ein anderes stattfinden soll. Hier kommt die chemische Komponente der Informationsweiterleitung im Hirn mithilfe von Neurotransmittern ins Spiel. Die Kontaktstellen zwischen den Neuronen, an welcher die chemische Informationsübertragung abläuft, werden als Synapse bezeichnet. Etwa eine Billionen von ihnen existieren in unserem Gehirn allein. Auf die Anzahl der Neuronen selbst übertragen bedeutet dies, dass jede einzelne Nervenzelle im Schnitt mit 1000 anderen Nervenzellen verbunden ist.

Die Aufgabe der Neurotransmitter ist es also, die Unterbrechung des elektrischen Impulses zwischen zwei Neuronen zu überbrücken. Dies geschieht, indem der an der Synapse ankommende Impuls zur Ausschüttung der Neurotransmitter aus ihren Speicherbläschen (den Vesikeln) von Neuron A in den synaptischen Spalt führt. In diesem wenige Nanometer breiten Spalt zwischen den Neuronen diffundieren die Botenstoffe zu den ihnen entsprechenden Rezeptoren auf Neuron B. Hier wird die chemische Information wieder in eine elektrische umgewandelt.

Die Wirkung, die jeder einzelne Neurotransmitter dabei erzielt, ist sehr stark von der Hirnregion abhängig, in welcher dieser Mechanismus abläuft. Das hat zur Folge, dass ein bestimmter Neurotransmitter eine Vielzahl von Aufgaben in verschiedenen Bereichen des Gehirns übernimmt. Wichtig ist zu wissen, dass Neurotransmitter nicht in jedem Fall erregend auf die nachgeschaltete Nervenzelle wirken, sondern auch hemmend auf die elektrische Informationsfortleitung wirken können.

GABA

GABA ist dabei ein sehr gutes Beispiel für einen hemmende (inhibitorische) wirkenden Neurotransmitter, da er der weitverbreitetste und damit vielleicht wichtigste hemmende Botenstoff im zentralen Nervensystem ist. Der Begriff GABA stellt dabei lediglich eine Abkürzung für seinen Namen "y-Aminobuttersäure" (auf Englisch gamma-Aminobutyric acid) dar. Aufgrund seiner hemmenden Wirkung, wird GABA manchmal auch als körpereigenes Beruhigungsmittel beschrieben. Dies macht man sich in der Medizin zunutze, indem mittlerweile viele Arzneimittel entwickelt wurden, welche an den GABA-Rezeptoren wirken. Hierzu gehören beispielsweise die Barbiturate und Benzodiazepine, welche beruhigende, sedierende, und krampflösende Eigenschaften haben. GABA spielt abgesehen davon aber nicht nur eine Rolle im Gehirn und Rückenmark. Wichtig ist es zudem im Insulinstoffwechsel des Körpers, da es von der Bauchspeicheldrüse produziert wird.

Glutamat

Als Lebensmittelzusatz und Geschmacksverstärker in einer Vielzahl von Fertiggerichten ist die Aminosäure Glutamat den meisten Menschen ein Begriff. Viel bedeutender für uns ist Glutamat jedoch als wichtigster erregender (exzitatoricher) Neurotransmitter in unserem Nervensystem. In gewisser Hinsicht ist Glutamat damit der Gegenspieler von GABA. Die beiden Botenstoffe stehen sich aber auch insofern sehr nahe, da GABA (y-Aminobuttersäure) vom Körper aus Glutamat hergestellt wird. Glutamat spielt nach heutigem Wissensstand vor allem für die Steuerung von Bewegung, unser Gedächtnis, Lernprozesse und die Sinneswahrnehmung eine große Rolle. Gleichzeitig wird ein Zusammenhang von Schlaflosigkeit und einem gestörten Glutamat-Haushalt vermutet, ebenso wie eine Verbindung des Botenstoffs zur Entstehung epileptischer Anfälle.

Dopamin

Dopamin ist vielleicht einer der bekanntesten Neurotransmitter. Dies liegt vor allem an seiner Verbindung zur Entstehung des Morbus Parkinson. Bei dieser Erkrankung kommt es nach und nach zum Untergang von Neuronen der im Mittelhirn befindlichen Substantia nigra (von lat. "schwarze Substanz"), welche als Teil des Bewegungssystems Dopamin produziert. Die Folge sind die typischen Symptome Bewegungsarmut, Steifheit der Gliedmaßen, und Ruhezittern.

In späteren Stadien kommen schließlich weitere neurologische und psychische Krankheitszeichen wie Depressionen und dementielle Symptome hinzu. Hieraus lässt sich schon ableiten, welch wichtige Rolle Dopamin unter anderem beim Ablauf motorischer Funktionen spielt.

Daneben ist Dopamin jedoch auch für eine einwandfreie Funktion unserer Aufmerksamkeit und Lernfähigkeit unverzichtbar. Zudem ist Dopamin grundlegend an der Funktion des Belohnungssystems unseres Hirns und damit auch unserer Motivation beteiligt. Dies ist unter anderem an der Wirkung von Drogen spürbar, seien es Alkohol, Zigaretten oder illegale Drogen wie Marihuana oder Kokain, deren psychische Abhängigkeit auf der vermehrten Ausschüttung von Dopamin im Belohnungssystem beruht.

Auch alltäglichere Aktivitäten, wie die Nahrungsaufnahme oder Geschlechtsverkehr, wirken jedoch auf genau dieses System. Aus Dopamin wird im Körper übrigens auch das mit dem Adrenalin verwandte Noradrenalin synthetisiert, welches unter anderem an der Steuerung von Emotionen, Wachheit und ebenfalls Motivation beteiligt ist.

Depressionen

Die Depression ist eine sehr weit verbreitete psychische Störung, die sich vor allem durch negative Gedanken und Stimmungen und den Verlust zur Freude, Interesse, Antrieb und Selbstwertgefühl bemerkbar macht. Damit zählt die Depression zu den sogenannten affektiven Störungen. Auch gesunde Menschen leiden können zeitweilig unter derartigen Symptomen leiden, bei ihnen treten sie jedoch in abgemilderter Form und seltener auf. Frauen sind dabei etwa zweimal so häufig wie Männer von Depressionen betroffen. Des Weiteren treten Depressionen in Ländern mit hohem Einkommen häufiger auf.

Die Mechanismen hinter depressiven Störungen sind aufgrund ihrer Komplexität noch immer nur zu Teilen verstanden. Die verbreiteteste Theorie zur Ursache von Depressionen beruht jedoch auf einem multifaktoriellen Entstehungsmodell. Dabei werden unter anderem genetische, medikamentöse, hormonelle, neurobiologische und entwicklungspsychologische Risikofaktoren als Erklärung für das Auftreten von Depressionen herangezogen. Als gesichert gilt dabei, dass auf Ebene der Signalübertragung der Neurotransmittern Störungen vorliegen. Hiervon scheinen eine ganze Reihe verschiedener Signalsysteme betroffen zu sein.

Eine besondere Rolle spielen jedoch das Serotonin-, Noradrenalin und Dopamin-System. Alle drei Neurotransmitter scheinen dabei, bei jedem Patienten jedoch individuell in unterschiedlich starkem Ausmaß, in zu geringen Mengen ausgeschüttet zu werden. Dieses Wissen macht man sich in der Therapie von Depressionen zunutze. Mehrere Gruppen von Antidepressiva greifen dabei gezielt in das Noradrenalin-, Serotonin- und Dopamin-System des Gehirns ein, indem sie die Wiederaufnahme dieser Neurotransmitter hemmen. Hierdurch wird dem vorliegenden Neurotransmittermangel entgegengewirkt, sodass die Symptome gemildert werden. Inzwischen stehen hierfür verschiedene Medikamentengruppen zur Verfügung. Trizyklische Antidepressiva kommen heutzutage jedoch aufgrund teils starker Nebenwirkungen kaum noch zum Einsatz, während die Gruppe der Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) und Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SNRI) gute Wirkung und mildere Nebenwirkungen aufweisen.

Serotonin

Serotonin, auch Enteramin genannt, ist ein sogenanntes biogenes Amin, welches sowohl ein Hormon, als auch ein Neurotransmitter ist. Es spielt als solches sowohl im Zentralnervensystem, als auch im Nervensystem des Darms und in seiner Funktion als Hormon im Herz-Kreislauf-System eine große Rolle. Sein Name leitet sich von den Worten Serum und Tonus (Spannung) ab. Hieraus lässt sich eine seiner Wirkungen herleiten, nämlich dass es als Teil des Blutserums auf die Spannung der Blutgefäße und somit auf den Blutdruck wirkt. Als Botenstoff im Nervensystem ist es vor allem als Stimmungsmacher bekannt. Dies ist vor allem seinem Einfluss auf Appetit, Sexualtrieb und unser psychisches Wohlbefinden zuzuschreiben. Ein Mangel dieses Neurotransmitters hat so unter anderem Depressionen zur Folge.
Daneben ist es jedoch auch an fast allen anderen Hirnfunktionen, etwa dem Schmerzempfinden, unserem Schlaf-Wach-Rhythmus und der Temperaturregulation beteiligt. Es übt hierbei sowohl hemmende, als auch erregende Funktionen in der Kommunikation zwischen den Neuronen aus. Die nach ihm benannten serotonerge Bahnen des Nervensystems sind über das ganze Gehirn verteilt in einem komplexen System mit den anderen Neurotransmittern verschaltet.

Acetylcholin

Unser Nervensystem lässt sich grob in drei verschiedene Abschnitte einteilen - das zentrale Nervensystem, zu dem unser Gehirn und das Rückenmark gehören, das vegetative Nervensystem, welches Einfluss auf Organfunktionen wie den Herzschlag, die Atmung und unsere Verdauung nimmt, und das periphere Nervensystem, welches uns unter anderem Muskelarbeit und Tastempfinden ermöglicht.

Acetylcholin ist dabei mit Abstand der wichtigste Transmitter im peripheren Nervensystem und ist beispielsweise für die Übertragung von Signalen der Nervenstränge des Rückenmarks auf die Muskulatur zuständig. Im vegetativen Nervensystem ist es neben Noradrenalin der wichtigste Neurotransmitter. Seine Bedeutung im zentralen Nervensystem wird vor allem dann ersichtlich, wenn er in zu niedrigen Konzentrationen vorliegt. Dies ist beispielsweise bei der Alzheimer Demenz der Fall. Hier kommt es zwar insgesamt zu einem Absterben zahlreicher Neurone im Großhirn, jedoch sind hauptsächlich Acetylcholin produzierende Nervenzellen betroffen. Den dadurch entstehenden Mangel kann man zumindest in Teilen medikamentös behandeln, indem sogenannte Acetylcholinesterasehemmer verabreicht werden. Da das Enzym Acetylcholinesterase für den Abbau des Acetylcholins zuständig ist, kann somit eine höhere Konzentration des Botenstoffs im synaptischen Spalt erreicht und die Symptome der Demenz abgemildert werden. Dies ist jedoch nur ein Beispiel für die Bedeutung von Acetylcholin in der Medizin. Verschiedenste Medikamente, welche in das Acetylcholin-System eingreifen kommen unter anderem in der Augenheilkunde, aber auch anderen medizinischen Fachgebieten zum Einsatz.

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Autor: Dr. Nicolas Gumpert Veröffentlicht: 24.05.2016 - Letzte Änderung: 25.07.2023