Nachwirkungen einer Vollnarkose

Einleitung

Ein Patient der in Vollnarkose operiert wurde, kommt nach einem operativen Eingriff zur weiteren Überwachung in den Aufwachraum. Dort werden EKG, Blutdruck, Puls und die Sauerstoffsättigung (Vitalwerte) sowie das allgemeine Befinden des Patienten überwacht. Der Patient verbleibt im Aufwachraum bis er aus der Narkose wieder erwacht und seine Vitalwerte stabil genug sind, um ihn auf Station zu verlegen.

Durch die Vollnarkose kann es zu einigen Nachwirkungen und Komplikationen nach einem operativen Eingriff kommen, die im Folgenden näher erläutert werden. Insgesamt können potenzielle Komplikationen durch moderne Überwachungsmethoden schnell und zuverlässig erkannt, und in den meisten Fällen gut behandelt werden.

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Mögliche Folgen einer Vollnarkose

Postoperative Übelkeit und Erbrechen

Eine sehr häufige Nebenwirkung nach einer Vollnarkose ist Übelkeit mit Erbrechen (PONV = postoperative nausea und vomiting). Diese tritt bei ungefähr 20 bis 30 % aller Patienten auf. Ein erhöhtes Risiko besteht bei Frauen, Kindern, Nichtrauchern, bei einer langen Narkose-Dauer (länger als 2 Stunden), bei postoperativer Verabreichung von Opioiden oder bei Verwendung von Inhalationsanästhetika (u.a. Flurane). Falls der Patient unter einer Reisekrankheit leidet, macht diese das Auftreten von Übelkeit und Erbrechen ebenfalls wahrscheinlich.

Anhand der oben genannten Risikofaktoren lässt sich das PONV-Risiko abschätzen. Dafür wird häufig der sogenannte Apfel-Score verwendet, der einige der Risikofaktoren berücksichtigt. Bei einem sehr hohen Risiko sollten Inhalationsanästhetika vermieden und eine medikamentöse Prophylaxe eingeleitet werden. Dazu eignet sich neben Dexamethason, 5-HT3-Antagonisten (Sertrone), Histamin-H1-Antagonisten (Dimenhydrinat) auch das Neuroleptikum Droperidol.

Zur Therapie einer postoperativen Übelkeit mit Erbrechen können außer Dexamethaosn (aufgrund seines verzögerten Wirkungseintritts) ebenfalls die oben genannten Substanzen verwendet werden. Dabei werden sie jedoch im Gegensatz zur prophylaktischen Therapie niedriger dosiert verabreicht.

Lesen Sie mehr zum Thema unter: PONV.

Atemstörung

Teilweise kann es nach dem Aufwachen zu einer Einengung der Atemwege kommen. Vor allem Raucher oder Menschen mit vorbestehender Lungenerkrankung wie Asthma oder COPD können einen Spasmus (Verkrampfung der Muskulatur) der Bronchien erleiden. Wenn die Narkotika länger wirken (sogenannter Überhang) kann der Atemantrieb herabgesetzt werden.

Durch konsequente Überwachung und der Gabe von Bronchien erweiternden Substanzen kann die Verengung der Bronchien aufgehoben werden.

Herz-Kreislauf System

Als Reaktion auf die Anstrengung des Körpers durch die OP und die Vollnarkose, kann der Blutdruck sowohl zu hoch als auch zu niedrig sein. Bei Patienten, die eine Herzerkrankung haben können Rhythmusstörungen bis zum Infarkt nach einer Vollnarkose auftreten. Um möglichen Komplikationen bei bestehenden Erkrankungen des Herzen entgegen zu wirken werden diese Patienten auch nach der Vollnarkose besonders streng mittels EKG überwacht.

Muskelzittern

Das Muskelzittern wird auch als shivering bezeichnet. Durch die Narkose ist die Wärmeregulation des Menschen aufgehoben. Zusätzlich geht eine Menge Körperwärme über das offene Operationsfeld verloren. Daher werden Patienten bei längeren, größeren Eingriffen während der Operation gewärmt. Nach der Operation bemerken die Hirnareale der Temperaturkontrolle eine Diskrepanz zum Normalzustand. Deswegen ist das Muskelzittern zur Wiedererwärmung eine der häufigeren Nachwirkungen der Narkose.

Problematisch am Muskelzittern ist zum einen die Bewegung des Körpers, die Schmerzen verstärken kann. Zum anderen benötigt der Körper viel Sauerstoff für den Vorgang, sodass es zur Minderversorgung der Organe mit Sauerstoff kommen kann. Für Patienten mit vorbestehender Herzkrankheit kann dies gefährlich werden, weshalb diese oft erst bei Erreichen einer normalen Körpertemperatur wieder erweckt werden.

Um dem Auftreten von Muskelzittern generell entgegenzuwirken, werden die Patienten auch im Aufwachraum weiter gewärmt. Falls es dennoch dazu kommt, kann der Anästhesist (Narkosearzt) das Zittern mit Medikamenten ( z.B den Opioiden Pethidin oder Clonidin) durchbrechen.

Müdigkeit/ Unruhe

Manche Patienten reagieren auf die Narkosemittel besonders sensibel und brauchen dementsprechend länger zum Aufwachen. Die Narkotika können mit Antagonisten (Substanz die dem Narkosemittel entgegen wirkt) abgeschwächt werden um den Prozess zu beschleunigen. Müdigkeit nach einer Vollnarkose ist völlig normal und kein Grund zur Beunruhigung.

Auf der anderen Seite sind manche Patienten nach dem Erwachen sehr erregt. Eine Ursache dafür kann der postoperative Schmerz sein, der mit Schmerzmedikamenten unterdrückt werden kann. Ebenfalls kann die Aufregung die sich durch den operativen Eingriff ergibt, verantwortlich für die Unruhe sein.

Schlafstörungen

Im Rahmen des häufig bei älteren Patienten auftretenden postoperativen Delirs kann der Patient in sehr seltenen Fällen auch über mehrere Tage anhaltende Schlafstörungen entwickeln. Durch eine allgemeine Unruhe berichten die Patienten dabei über Durchschlafstörungen. Ein regelmäßiges Aufwachen in der Nacht ist dabei häufig. In der Regel kommt es innerhalb weniger Tage bis Wochen zu einer Rückbildung der Symptomatik. Bei ausbleibender Besserung kann der normale Schlaf-Wach-Rhythmus durch die Narkose derart gestört sein, dass eine medikamentöse Behandlung der Schlafstörung erforderlich wird.

Lesen Sie mehr zum Thema: Einschlafprobleme

Kopfschmerzen

Eine eher seltene Nachwirkung einer Vollnarkose sind Kopfschmerzen. Diese sind in der Regel auch nicht mit den Nebenwirkungen der Medikamente zu begründen, sondern können durch eine falsche Lagerung des Patienten während oder einen Flüssigkeitsmangel nach der Operation auftreten. Kopfschmerzen treten hingehen bei Regionalanästhesien (Spinal-/Epiduralanästhesie) häufig auf.

Die Kopfschmerzen sind darüber hinaus auch in der Regel nicht von langer Dauer. Gegebenenfalls kann eine Schmerztherapie (z.B. mit Paracetamol oder Ibuprofen) zur Linderung der Schmerzen erforderlich werden.

Delir

Unter einem postoperativem Delir versteht man einen Zustand psychischer Verwirrtheit, der mit Angst und Halluzinationen einhergehen kann. Im Mittel dauert es sieben Tage bis sich der Delir zurückgebildet hat, in einigen Fällen sind auch Verläufe von bis zu einem Monat beschrieben. Hauptsächlich sind ältere Patienten betroffen.

Es wird kontrovers diskutiert ob die Narkose oder der chirurgische Eingriff an für sich für die Entwicklung eines Delirs verantwortlich ist. Gesicherte Risikofaktoren sind neben dem höheren Lebensalter, Vorschädigungen des Gehirns zum Beispiel durch eine Demenz, schwere Krankheiten und lange Operationen. Das Delir kann mithilfe von Medikamenten behandelt werden.

Verwirrtheit inkl. Dauer

Eine häufige Nachwirkung der Narkose ist die Verwirrtheit. Diese tritt im Rahmen eines sogenannten postoperativen Delirs bzw. Durchgangssyndroms auf. Davon sind vor allem ältere Menschen (älter als 65 Jahre) betroffen.

Man unterscheidet beim postoperativen Delir zwei verschiedene Formen, eine zentral-exzitatorische (erregende) und eine zentral-depressorische (dämpfende). Neben der Verwirrtheit können bei der zentral-exzitatorischen Form eine allgemeine Unruhe, Halluzinationen, Bewegungsstörungen und Krampfanfälle auftreten, wohingegen die Patienten bei der zentral-depressorischen Form vor allem ein verzögertes Aufwachen mit einer Schläfrigkeit zeigen. Darüber hinaus sind die Patienten in beiden Fällen häufig zeitlich und örtlich desorientiert.

Das Auftreten und die Dauer der Symptomatik sind dabei von Patient zu Patient unterschiedlich. Während bei einigen Patienten die oben genannten Symptome bereits direkt beim Erwachen auftreten, können sie sich bei anderen erst nach wenigen Stunden, Tagen oder Wochen manifestieren. Die Dauer ist dabei ebenfalls sehr unterschiedlich und reicht von Tagen bis Wochen. In seltenen Fällen kann die Verwirrtheit auch über mehrere Monate anhalten. In der Regel kommt es jedoch zu einer Besserung im häuslichen Umfeld.

Vergesslichkeit

Eine weitere Nachwirkung, die neben der Verwirrtheit im Rahmen eines postoperativen Delirs auftreten kann, ist die Vergesslichkeit. Die Patienten sind dabei häufig nach einer Vollnarkose zeitlich und örtlich desorientiert und zeigen zudem Konzentrationsschwächen. Diese Symptomatik tritt vor allem bei älteren Patienten (älter als 65 Jahre) auf. Der Zeitpunkt des Auftretens und die Dauer der Vergesslichkeit sind dabei von Patient zu Patient sehr unterschiedlich. In seltenen Fällen kann die Symptomatik auch noch nach Monaten bestehen. Dabei sollte sie jedoch nicht mit einer Demenz verwechselt werden.

Haarausfall

Eine direkte Verbindung zwischen einer Vollnarkose und einem vermehrten Haarausfall besteht nicht. Trotzdem berichten zahlreiche Patienten über einen vermehrten Haarausfall in den Tagen nach einer Operation.

Der Haarausfall kann durch eine vermehrte körperliche Belastung während der Operation auftreten. Durch die Belastung kommt es zu einer Minderversorgung der Haarwurzeln mit Sauerstoff und Nährstoffen und folglich zu einem gestörten Wachstum mit Haarausfall. Die genauen Mechanismen sind dabei noch nicht verstanden. In der Regel regenerieren sich die Haare auch innerhalb weniger Tage nach einer Operation.

In sehr seltenen Fällen tritt der Haarausfall auch als Nebenwirkung bei der Verabreichung von einigen Narkosemedikamenten auf.

Lesen Sie mehr zum Thema: Haarausfall bei Frauen, Haarausfall bei Männern

Blutdruck

Zahlreiche Narkosemedikamente zeigen Auswirkungen auf den Blutdruck. Das am häufigsten verwendete Anästhetikum Propofol führt zum Beispiel zu einer leichten Weitstellung der Gefäße (Vasodilatation) und einer Reduktion der Herzleistung, wodurch der Blutdruck abfällt. Umgekehrt kann es aber auch in sehr seltenen Fällen durch die starke körperliche Belastung mit Ausschüttung von Stresshormonen zu einem erhöhten Blutdruck kommen.

Aus diesen Gründen erfolgt während einer Vollnarkose auch die Überwachung der Vitalparameter (Blutdruck, Herzfrequenz, O2-Sättigung, Atemfrequenz). Die Symptomatik eines erniedrigten bzw. erhöhten Blutdrucks lässt in der Regel nach der Vollnarkose innerhalb weniger Stunden bis Tage nach.

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Nachwirkungen bei Kindern

Bei Kindern treten ähnliche Nachwirkungen nach einer Narkose wie bei Erwachsenen auf. Eine nach der Operation auftretende Übelkeit mit Erbrechen ist jedoch eher selten und kommt nur bei circa 10% der Kinder vor. Häufiger kommt es aufgrund der kleineren Atemwege jedoch zu Verletzungen im Mund-Rachenraum und in der Folge zu Halsschmerzen nach einer Narkose. Auch eine vorübergehende Heiserkeit durch Irritation der Stimmbänder durch den Beatmungsschlauch ist möglich.

Darüber hinaus sind (Klein-)Kinder nach einer Narkose häufig unruhig, aufgewühlt und weinerlich. Dies ist auf die Nebenwirkungen der zentral wirksamen Medikamente einer Narkose zurückzuführen und ist nicht immer ein Anzeichen für ein starkes Schmerzempfinden des Kindes. Gehäuft treten diese Symptome bei Kindern zwischen dem 3. und 7. Lebensjahr auf.

Vereinzelte Studien der vergangenen Jahre zeigten eine dauerhafte Auswirkung der Narkose bei Kindern im 1. Lebensjahr auf die Gedächtnisleistung. Die Ergebnisse sind jedoch noch umstritten, und konnten durch andere Studien zum Teil auch widerlegt werden.

Grundsätzlich wurden in den letzten Jahren und Jahrzehnten Narkose-Verfahren entwickelt, die nur ein sehr geringes Risiko für schwerwiegende Komplikationen und Nachwirkungen bei Kindern zeigen.

Lesen Sie mehr zum Thema: Vollnarkose bei Kindern - was muss man beachten?, Erbrechen nach einer Narkose

Nachwirkungen einer Narkose bei einer Magenspiegelung

Bei einer Magenspiegelung besteht nur ein geringes Risiko für Neben- und Nachwirkungen, da die Narkose in der Regel nicht sehr lange ist und die Narkosemedikamente nur niedrig dosiert verabreicht werden.

Bei einer Magenspiegelung wird wie bei einer Vollnarkose ebenfalls häufig Propofol als Anästhetikum verwendet. Aus diesem Grund können die typischerweise auftretenden Neben- bzw. Nachwirkungen einer Narkose auch bei einer Magenspiegelung auftreten.

Zusätzlich kann durch eine örtliche Betäubung im Mund-Rachenraum ein lokales Taubheitsgefühl nach der Spiegelung auftreten. Außerdem ist ein starkes Druckgefühl im Oberbauch durch das Einführen von Luft in den Mangen (zur besseren Beurteilbarkeit) möglich.

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Weitere Informationen

Weitere Informationen zum Thema Nachwirkungen einer Vollnarkose finden Sie unter:

Eine Übersicht aller Themen aus dem Gebiet der Anästhesie finden Sie unter: Anästhesie A-Z

Autor: Dr. Nicolas Gumpert Veröffentlicht: 13.04.2016 - Letzte Änderung: 22.10.2021