Kniescheibenbruch

Synonyme im weiteren Sinne

Patellafraktur, Kniescheibenquerbruch, Kniescheiben- längsbruch, Patellalängsfraktur, Patellaquerfraktur, Kniescheibenarthrose, Retropatelararthrose, Bruch der Kniescheibe, Fraktur der Patella, Knie

Definition

Bei einem Kniescheibenbruch frakturiert die Kniescheibe in mehrere Teile. Dabei können Längs, Quer- oder Mischbrüche entstehen. Die Therapie der Kniescheibenfraktur hängt entscheidend von der jeweiligen Bruchform ab.

Epidemiologie

Patellafrakturen machen ca. 1% aller Frakturen aus.

Ursachen

In den meisten Fällen handelt es sich um einen Sturz auf das gebeugte Kniegelenk. Durch die Gewalt des direkten Anpralls zerbricht die Kniescheibe in zwei oder mehrere Fragmente.

Bei Verkehrsunfällen kann es ebenfalls beim Anschlagen des gebeugten Kniegelenks zu einer Patellafraktur kommen. Diese Verletzungen werden neudeutsch auch als „Dashboardverletzungen“ bezeichnet.

In Ausnahmefällen kann es durch plötzliche Beugung des muskulär maximal gestreckten Kniegelenks zu einem Kniescheibenbruch kommen.

Eine weitere seltene Ursache ist das Ausrenken der Kniescheibe (Patellaluxation), wodurch es zu seitlichen Abscherungen an der Kniescheibe kommen kann.

Einteilung

Grundsätzlich differenziert man Querbrüche, sogenannte Querfrakturen von Längsbrüchen (Längsfrakturen), die Verlauf der Beinachse brechen.

Weiterhin wird die Anzahl der Bruchfragmente in die Klassifikation miteinbezogen. Die Stellung der Fragmente gegeneinander wird ebenfalls begutachtet, so daß man von unverschobenen (nicht dislozierte) und verschobenen (dislozierte) Brüchen spricht.

Einteilung der AO (Arbeitsgemeinschaft für Osteosynthese)

  • Typ A: Längsfrakturen
  • Typ A1: nicht dislozierte Längsfraktur
  • Typ A2: dislozierte Längsfraktur
  • Typ A3: Längsfraktur mit Zusatzfragment
  • Typ B: Querfrakturen
  • Typ B1: Polabriß ohne Gelenkbeteiligung
  • Typ B2: einfache Querfraktur
  • Typ B3: Querfraktur mit Zusatzfragment oder doppelte Querfraktur
  • Typ C: Mehrfragmentfrakturen
  • Typ C1: Mehrfragmentfraktur ohne Dislokation
  • Typ C2: Mehrfragmentfraktur (Dislokation kleiner 2mm)
  • Typ C3: Mehrfragmentfraktur mit Berstung (Dislokation größer 2mm)

Neben der bekannten AO Einteilung gibt es viele weitere Einteilungen, auf die wir an dieser Stelle nicht eingehen möchten.

Querfraktur - Längsfraktur - Mehrfragmentfraktur

Abbildung Kniescheibe

  1. Kniescheibe -
    Patella
  2. Oberschenkelknochen -
    Femur
  3. Schienbein -
    Tibia
  4. Wadenbein -
    Fibula
  5. Innerer Meniskus -
    Meniscus medialis
  6. Äußerer Meniskus -
    Meniscus lateralis
  7. Kniescheibenband -
    Ligamentum patellae
  8. Gerader Oberschenkelmuskel -
    Musculus rectus femoris
  9. Darmbein-Schienbein-Sehne -
    Tractus iliotibialis
  10. Vorderer Schienbeinmuskel -
    Musculus tibialis anterior

Eine Übersicht aller Abbildungen von Dr-Gumpert finden Sie unter: medizinische Abbildungen

Symptome

Ein Kniescheibenbruch / Patellafraktur verursacht Schmerzen über der Kniescheibe. Typisch ist, daß der Unterschenkel aktiv nicht gestreckt werden kann, bzw. das Kniegelenk nicht gestreckt gehalten werden kann, da die vorderen Oberschenkelmuskeln (Musculus quadriceps femoris), die Kraft über die Kniescheibe auf den Unterschenkel übertragen kann.

Durch den Bruch der Kniescheibe kommt es zu einem Bluterguß / Hämatom. Der Bluterguß zeigt sich unter der Haut als „blauer Fleck“. Die Blutung in das Kniegelenk zeigt sich als Kniegelenkserguß (intraartikulärer Erguß, blutiger Erguß = Hämarthros).

Da es sich häufig um Stürze auf die Kniescheibe als Ursache handelt, findet man häufig Schürfwunden in diesem Bereich.

  • Die Kniescheibe ist in die Sehne der Oberschenkelmuskulatur eingelagert, die dafür verantwortlich ist, das Bein im Kniegelenk zu strecken. Die Funktion dieser Muskelgruppe (Musculus quadriceps femoris) ist nun nicht mehr vollständig gegeben. Folglich kann der Patient das Bein nicht mehr aktiv ausstrecken beziehungsweise es auch nicht mehr ohne Hilfe von außen gestreckt halten.
  • Bei manchen Betroffenen kommt es außerdem noch zu sogenannten „Krepitationen“, also Knistergeräuschen, wenn das Gelenk bewegt wird. Das kommt daher, dass sich im Rahmen einer Kniescheibenfraktur häufig kleine Stücke vom Knochen ablösen, die dann frei beweglich im Gelenk sind und bei bestimmten Bewegungen an anderen Strukturen innerhalb des Gelenks reiben, was dieses Geräusch hervorruft.
  • Je nach Ursache des Kniescheibenbruches kommt es begleitend noch zu anderen Symptomen wie Schürfwunden am Knie oder an den Beinen oder sogar Knochenbrüchen.

Abhängig davon wie schwer die Verletzung ist, können auch die Beschwerden bei einem Kniescheibenbruch in ihrer Intensität variieren.
Man sollte auch auf jeden Fall eine gründliche Diagnostik betrieben, da das Ausmaß der Symptome nicht immer unbedingt mit dem objektivierbaren Befund einhergeht. Nur weil Schmerzen eventuell nicht stark ausgeprägt sind, können trotzdem schlimme Schäden und Begleitkomplikationen auftreten, die man aufgrund einer hohen Schmerzschwelle eines Betroffenen nicht übersehen darf.

Weitere Symptome eines Kniescheibenbruches

Bei einem Kniescheibenbruch (Patellafraktur) kommt es zu typischen Symptomen:

  • Klassischerweise kommt es direkt nach der auslösenden Gewalteinwirkung zu massiven Schmerzen.
    Diese sind am deutlichsten an der Vorderseite des Kniegelenks und über der Kniescheibe zu spüren. Unter Druckeinwirkung und Belastung verstärken sie sich.
  • Durch den Bruch der Kniescheibe und manchmal auch umgebenden Strukturen kommt es zu Einblutungen ins Gelenk. Diese können sich auf zweierlei Arten bemerkbar machen:
    • Wenn sie relativ oberflächlich sind, wird ein Bluterguss (Hämatom)
      sichtbar.
    • Wenn es in das Gelenk einblutet, kommt es zu einer mehr oder weniger
      ausgeprägten Schwellung des Kniegelenks in Folge des
      Gelenksergusses (Hämarthros)

Diagnose eines Kniescheibenbruchs

Die Diagnose eines Knieschiebenbruchs wird in der Regel durch eine Röntgenbild gestellt.
Hiebei wird das Kniegelenk in zwei, ggf in drei Ebenen geröngt.
Häufig kann hierdurch das Ausmaß der Verletzung nicht hinreichend dargestellt werden und es wird ergänzend eine Computertomografie (CT) angefertigt. Durch die Computertomographie werden können auch im Röntgenbild nicht sichtbare Mikrofrakturen dargestellt werden.
Als weitere sinnvolle Maßnahme steht dem Arzt eine Magnetresonanztomografie (MRT) vom Knie zu Verfügung. In der MRT Aufnahme vom Knie kann der Knorpelschaden hinter der Kniescheibe besser beurteilt werden. Durch das Zerbrechen des Knochens, zerbricht gleichzeitig auch der Knorpel der Kniescheibenrückfläche. Da weder im Röntgenbild noch im CT der Knorpel dargestellt werden kann ist das MRT vom Knie hier ein wertvoller Informationsgeber.

Differentialdiagnosen

Als Ursache die vergleichbare Schäden verursacht kommt ein Riß der Kniescheibensehne (Patellasehnenruptur) mit folgendem Kniescheibenhochstand oder eine Riß der Quadricepssehne mit Kneischeibentiefstand in Frage.

Als anlagebedingte Anomalitäten gibt es zweiteilig (Patella bipartita) oder treiteilig angelegte (Patella tripartita) Kniescheiben. In der Regel befindet sich das zusätzliche Knochenstück im oberen äußeren Quadranten der Kniescheibe. Da häufig diese Anomalie beidseits besteht, kann eine Röntgenaufnahme der Kniescheibe hilfreich sein.

Lesen Sie mehr zum Thema unter: Patella bipartita

Röntgenbild Kniescheibenbruch

Kniescheibenbruch - die Kniescheibe ist im unteren Drittel zerbrochen.
Dieser Bruch ist schwierig operativ zu versorgen, da in dem kleineren unteren Fragment sich schwierig Schrauben, Drähte etc. platzieren lassen, ohne dass das Fragment weiter zerbricht.

Röntgenbild Drahtcerclage mit Kniescheibe

Röntgenbild Kniegelenk seitlich:

Zustand nach Refixation mit Drahtcerclage

  1. Oberschenkelknochen (Femur)
  2. Kniescheibe mit Drahtcerclage
  3. Schienbein (Tibia)
  4. Wadenbein (Fibula)

Abbildung nach versorgtem Kniescheibenbruch

Röntgenbild Kniegelenk von vorne:

Achterzuggurtung und Äquatorialcerclage

  1. Drahtcerclage
  2. Wadenbein (Fibula)
  3. Schienbein (Tibia)
  4. Kniescheibe (Patella)
  5. Oberschnkelknochen (Femur)

Wie wird der Kniescheibenbruch therapiert?

Der Kniescheibenbruch (Patellafraktur) kann konservativ und operativ Behandelt werden. Der Kniescheibenlängsbruch und unverschobene Brüche können konservativ behandelt werden, alle andern Bruchformen sollten operativ versorgt werden.

1. Konservative Therapie

Bei der Therapie des Kniescheibenbruchs kommt es zur Verordnung mittels einer Knieorthese mit Einschränkung der Beweglichkeit. Die Beugung sollte innerhalb der ersten drei Wochen nicht mehr als 60° und bis zur sechsten Woche nicht mehr als 90° betragen.

Das Kniegelenk sollte innerhalb der ersten drei Wochen nur mit 20 kg belastet und bis zur 6. Woche auf Vollbelastung aufbelastet werden. Bis zum Erreichen der tatsächlichen Vollbelastung muß eine Thrombosprophylaxe, z.B. mit niedermolekularem Heparin durchgeführt werden.

Von diesem Nachbehandlungsschema muß in individuellen Fällen abgewichen werden.

2. Operative Therapie

Kniescheibenbrüche mit verschobenen Frakturen und einer Stufenbildung von mehr als 2 mm und ein Auseinanderweichen der Bruchfragmente von mehr als 3 mm sollten operativ versorgt werden. Insbesondere Querfragmentfraturen und Mehrfragmentbrüche benötigen eine operative Therapie.

Die Entscheidung über die Art der operativen Versorgung muß dem individuellen Befund angepaßt werden.
Zur operativen Versorgung stehen sogenannte Zuggurtungsosteosynthesen, Cerclagen und Verschraubung der Fraktur zu Verfügung.

Zuggurtungen werden häufig bei Querfrakturen mit wenigen Fragmenten eingesetzt und ist somit der häufigste Versorgungstyp. Hierbei werden zwei Drähte im Längsverlauf der Kniescheibe durch beide Fragmente gebracht. Um diese zwei Drähte wird in Form einer 8 eine Drahtschlinge gelegt. Durch den Zug dieser Drahtschlingen werden die Bruchstücke wieder zusammengelegt und können verheilen.

Zusätzlich kann die Fraktur durch eine sogenannte Äquatorialcerclage, insbesondere bei Mehrfragmentbrüchen gesichert werden.

Beim Kniescheibenbruch in Form einer Querfraktur mit wenigen Bruchstücken kann auch alternativ eine Verschraubung vorgenommen werden.

In aussichtlosen Fällen, in denen keine stufenarme Wiederherstellung gelingt, muß über das vollständige entfernen der Kniescheibe nachgedacht werden (Patellektomie), da ansonsten sich kurzfristig eine beschwerdeverursachende Arthrose entwickelt.

Nachbehandlung

Das Kniegelenk sollte innerhalb der ersten drei Wochen nach der Kniescheibenbruch - Operation nur maximal 60° und bis zur 6. Woche maximal 90° gebeugt werden.
Die Belastung des operierten Beins sollte am Anfang nicht mehr als 20 kg betragen und bis zum Ende der sechsten Woche auf Vollbelastung gesteigert werden.
Von diesem Nachbehandlungsschema muß im Einzelfall abgewichen werden.
Röntgenkontrollen sollen nach 2, 4 und 6 Wochen erfolgen.

Prognose

Je kleiner der Schaden an der Kniescheibe desto besser die Langzeitprognose. Ca. 1/3 aller Patienten mit einem Kniescheibenbruch müssen trotz optimal versorgter Patellafraktur mit belastungsabhängigen oder dauernden Schmerzen rechnen.

Insbesondere bei Mehrfragmentfrakturen, Trümmerbrüchen und Brüchen die sich nur unter Stufenbildung wieder zusammenfügen lassen ist die Gefahr von dauerhaften Beschwerden vergrößert.

Das Auftreten einer Kniescheibenarthrose (Retropatellararthrose) ist nach einer Patellafraktur deutlich erhöht.

Weiterhin besteht die Gefahr einer Gelenkvernarbung (Arthrofibrose).

Dauer eines Kniescheibenbruchs

Wird der Kniescheibenbruch operativ versorgt, so dauert es in der Regel etwa 6 Wochen bis der Bruch soweit ausgeheilt ist, dass eine Vollbelastung möglich ist.
Natürlich variiert die Regenerationsdauer von Patient zu Patient individuell, sodass die 6 Wochen nur als grober Richtwert zu sehen sind.

Es kommt zum Beispiel immer wieder vor, dass Patienten über die 6 Wochen hinaus keine Beschwerdefreiheit erlangen. Zum Teil beträgt die Dauer bis zur vollständigen Ausheilung mehrere Jahre, in Ausnahmefällen haben Patienten nach einem Kniescheibenbruch sogar lebenslang mit Beschwerden der Kniescheibe zu kämpfen.

Um die Heilungsdauer des Kniescheibenbruchs positiv zu beeinflussen, schließt sich an die operative Versorgung eine Reha (Rehabilitation) an.
Die Reha, u.a. geleitet durch Physio –und Sporttherapeuten, beinhaltet bei einem Kniescheibenbruch zum einen Übungen zur Kräftigung der umliegenden Beinmuskulatur und zur Stabilisierung der Beinachse und zum anderen Koordinationsübungen und das Tragen von Bewegungsschienen.
Die Dauer kann je nach Bedarf über den Krankenhausaufenthalt von mehreren Tagen bis zu einer Woche hinausgehen. In Form von kleinsten Übungseinheiten, z.B. das Bewegen der Füße, beginnt die Reha schon am ersten Tag nach der OP.

Die Dauer der Reha hängt von Faktoren wie dem Alter, Schwere des Kniescheibenbruchs und möglichen Vorerkrankungen ab. Generell gibt es keine vorgeschriebene Aufenthaltsdauer, jedoch ist die Entlassung in der Regel am 2. Tag nach der OP geplant.
Kam es während der OP zu Komplikationen oder gestaltet sich die Wundheilung schwierig, liegt es im Ermessen des betreuenden Arztes den Entlassungstermin weitere Tage herauszuschieben.

Die Arbeitsunfähigkeit nach einem Kniescheibenbruch beträgt etwa 6 Wochen. Je nach auszuführender Tätigkeit kann die Arbeitsunfähigkeit länger sein, z.B. wenn Arbeiten im Knien ausgeführt werden müssen oder generell extrem kniebelastend sind.

Lesen Sie mehr zu diesem Thema unter: Heilungsdauer eines Kniescheibenbruchs

Autor: Dr. Nicolas Gumpert Veröffentlicht: 17.05.2007 - Letzte Änderung: 30.03.2024