Chronische Müdigkeit

Einleitung

Unter Müdigkeit leidet man normalerweise als Folge von Schlafmangel. Dann schläft man aus und das Problem ist in der Regel gelöst. Müdigkeit kann ein Zeichen dafür sein, dass dem Körper etwas fehlt, wie Schlaf oder Bewegung. Oder sie kann darauf hinweisen, dass der Körper gerade hochaktiv ist und sich gegen Keime wehrt, was dazu führt, dass vermehrte Müdigkeit oft ein Vorzeichen einer Erkältung ist. In diesem Fall ist die andauernde Müdigkeit ein Symptom einer Grunderkrankung, wie der Erkältung. Ursachen einer krankhaften chronischen Müdigkeit sind zahlreich, so dass es wichtig ist, diese abzuklären und vor allem behandelbare Erkrankungen zu erkennen. Die Behandlung der zugrunde liegenden Erkrankung führt dann meist auch zu einem Rückgang der Müdigkeit. Wird keine Ursache gefunden, so kann auch ein eigenständiges Krankheitsbild, das chronisches Müdigkeitssyndrom, zugrunde liegen.

Ursachen

Die verschiedenen Ursachen, die zum Vorliegen von chronischer Müdigkeit führen können sind zahlreich. Umso wichtiger ist es, die chronische Müdigkeit abzuklären und behandelbare Ursachen frühzeitig zu erkennen. Die zu chronischer Müdigkeit führenden Erkrankungen sind vielen unterschiedlichen Fachrichtungen zuzuordnen, wobei die internistischen Krankheiten am häufigsten sind.

  • So kann beispielsweise eine Blutarmut, die oft durch einen Eisenmangel verursacht ist, sich durch chronische Müdigkeit äußern. Daneben fallen oft eine Blässe von Haut und Schleimhaut, Schwindel und eine allgemeine Leistungsschwäche auf.
  • Ein niedriger Blutdruck geht oft mit einer ausgeprägten Müdigkeit einher und auch viele Herzerkrankungen können dazu führen, dass der Betroffene sich schlapp und müde fühlt. Liegt eine Herzschwäche vor, äußert sich diese jedoch meist vorwiegend durch Atemnot bei Anstrengung oder Schwellungen der Beine. Eine Herzmuskelentzündung kann verschiedene Ursachen und Verläufe haben: Von Verläufen ohne Beschwerden bis zu lebensbedrohlichen Formen ist nahezu jede Ausprägung möglich. Typische Symptome der von einem Infekt verursachten Herzmuskelentzündung sind neben einer chronischen Müdigkeit Kurzatmigkeit und allgemeine Schwäche, Herzrhythmusstörungen sowie Schmerzen im Bereich der Brust.
  • Auch Infektionen wie Gürtelrose und Pfeiffersches Drüsenfieber gehen während der Erkrankung meist mit einer Müdigkeit einher, welche oft noch lange anhält.
  • Auch chronisch entzündliche Erkrankungen wie Sarkoidose oder die Darmerkrankungen Morbus Crohn und Colitis Ulcerosa bewirken oft eine ausgeprägte Müdigkeit.
  • Chronische Müdigkeit kann als das erste Symptom einer Tumorerkrankung, beispielsweise des blutbildenden Systems, auftreten und auch während der Behandlung von Krebserkrankung, in erster Linie während Chemotherapie und Bestrahlung, leiden die Betroffenen oft unter einer quälenden chronischen Müdigkeit.
  • Zahlreiche Autoimmunerkrankungen gehen ebenfalls häufig mit einer ausgeprägten Müdigkeit einher. Dies sind Erkrankungen, bei welchen sich das körpereigene Abwehrsystem fälschlicherweise gegen körpereigene Zellen richtet. Es kommt zu massiven Entzündungsreaktionen, was für den Körper sehr anstrengend ist und so zu chronischer Müdigkeit führen kann. Typische von Müdigkeit begleitete Autoimmunkrankheiten sind zum Beispiel der systemische Lupus erythematodes und die rheumatoide Arthritis.
  • Beim Vorliegen von Störungen des allgemeinen Wohlbefindens, wie nicht gekannter chronischer Müdigkeit, sollte auch stets an Hormonstörungen gedacht werden, da Hormone eine bedeutende Steuerungsfunktion des Körpers inne haben. So steuert die Schilddrüse zum Beispiel das gesamte Aktivitätsniveau des Körpers. Ist diese überaktiv, so ist der Körper zu aktiv – es kommt beispielsweise zu Unruhe und Herzrasen. Ist die Schilddrüse zu wenig aktiv, so fühlt sich der Betroffene oft schlapp, antriebslos und leidet unter chronischer Müdigkeit.
  • Ein weiteres Organ, welches bei chronischer Müdigkeit stets abgeklärt werden sollte, ist die Leber. Sie spielt eine zentrale Rolle im Stoffwechsel, produziert einige Hormone und Galle und ist für die Entsorgung von Schadstoffen verantwortlich. Liegt eine Leberschädigung vor, beispielsweise durch Viruserkrankungen oder Alkohol, äußert sich diese zunächst oft durch die wenig spezifischen Beschwerden chronische Müdigkeit, Antriebsarmut und mangelnden Appetit. Im weiteren Verlauf können Übelkeit, Druckgefühl, Veränderung der Farbe von Stuhl und Urin sowie eine Gelbsucht der Haut auf Lebererkrankungen hinweisen. Auch die Niere ist wichtig für die Entsorgung von Schadstoffen.
  • Erkrankungen der Niere, wie Entzündungen oder eine chronische Nierenschwäche können ebenfalls zunächst durch chronische Müdigkeit auffallen. Weitere typische Beschwerden sind Veränderungen des Urins und Flüssigkeitsansammlungen zum Beispiel an den Füßen, im Gesicht und an den Augen. Auch verschiedene neurologische Infektionen führen oft zu chronischer Müdigkeit.
  • So liegt bei etwa 80% der Patienten mit Multipler Sklerose eine als „Fatigue“ bezeichnete dauerhafte Müdigkeit vor und auch Myasthenia gravis und die verschiedenen Muskeldystrophien gehen häufig damit einher.
  • Die Fibromyalgie ist eine Krankheit, welche durch mindestens drei Monate anhaltende chronische Muskelschmerzen gekennzeichnet ist. Charakteristisch sind sogenannte tender points, also Punkte, an welchen durch Druck Schmerzen ausgelöst werden können. Die Ursache der Erkrankung ist weitestgehend unbekannt, Stress gilt als eine ursächliche Komponente. Neben den Schmerzen ist auch eine chronische Müdigkeit typisch für die Fibromyalgie, oftmals liegen paradoxerweise parallel zur Müdigkeit ausgeprägte Schlafstörungen vor. Auch Ängste und Depressionen können im Rahmen einer Fibromyalgie auftreten.
  • Das Vorliegen von chronischer Müdigkeit kann auch auf das Krankheitsbild einer Depression hinweisen. Dabei sind die Hauptsymptome eine gedrückte Stimmung, ein verminderter Antrieb und ein Interessensverlust. Weitere Beschwerden können beispielsweise Schlafstörungen, Schmerzen oder Konzentrationsstörungen sein.
  • Wichtig zu erkennen ist eine Bleivergiftung als Ursache von chronischer Müdigkeit. Heutzutage tritt diese vorwiegend durch verunreinigte Drogen oder als Folge von Arbeitsunfällen auf. Treten neben einer chronischen Müdigkeit eine grau-gelbe Hautfärbung, Darmkoliken und Lähmungen oder Kopfschmerzen auf, so sollte dem Verdacht nachgegangen werden. Die Diagnostik erfolgt in der Regel anhand einer Untersuchung des Blutes. Bestätigt sich der Verdacht, so muss der Betroffene umgehend eine Therapie erhalten.
  • Ebenfalls mit chronischer Müdigkeit einher geht die multiple Chemikaliensensibilität, abgekürzt MCS. Bei diesem Beschwerdebild führen geringe Konzentrationen zahlreicher Substanzen, welche normalerweise keine Symptome hervorrufen, zu Problemen. Die Betroffenen leiden massiv unter verschiedenen Beschwerden, wie Sinnesreizungen, Überempfindlichkeit oder Symptome des Nervensystems. Wichtig beim Vorliegen des Verdachts auf ein MCS ist es vor allem andere behandelbare Erkrankungen auszuschließen.
  • Leidet ein Kind unter chronischer Müdigkeit sollte zunächst abgeklärt werden, ob es altersentsprechend genügend schläft. Kinder benötigen deutlich mehr Schlaf als Erwachsene, in den ersten Jahren bis zu 16 Stunden. Im Schulkindalter benötigen Kinder etwa zehn bis zwölf Stunden Schlaf. Ist ein Kind trotz ausreichend Schlaf chronisch müde, so sollte dies zur Abklärung beim Kinderarzt führen. Nicht selten liegen bei Kindern beispielsweise eine Unterfunktion der Schilddrüse oder ein Eisenmangel vor, der zu chronischer Müdigkeit führt. Diese Mangelerkrankungen von Hormonen bzw. Vitaminen können unkompliziert behandelt werden.
  • Eine gravierende Ursache von chronischer Müdigkeit ist das Vorliegen einer Leukämie, also von Blutkrebs. Oft kommt es zu Fieber und häufigen Infektionen sowie Gewichtsverlust und Beinschmerzen. Auch eine erhöhte Blutungsneigung und Lymphknotenschwellungen können auf eine Leukämie hinweisen.
  • Im Alter beklagen zahlreiche Menschen eine chronische Müdigkeit. Auch beim älteren Menschen sollte stets auf das Vorhandensein weiterer Symptome geachtet werden, um keine behandelbare Ursache zu übersehen. Beachtet werden sollte jedoch, dass chronische Müdigkeit im Alter oft keinen Krankheitswert hat, sondern vielmehr als normaler Zustand anzusehen ist. Vermehrte Müdigkeit im Alter kann auch einfach darauf hinweisen, dass die Ressourcen nicht mehr so unerschöpfbar sind wie im jüngeren Alter.

Sind alle anderen möglichen Ursachen ausgeschlossen, so kann die Diagnose chronisches Müdigkeitssyndrom gestellt werden. Die genaue Ursache ist unklar, diskutiert werden beispielsweise vorausgegangene Infektionen, eine Störung der Immunabwehr, allergische und psychische Ursachen und auch genetische Einflussfaktoren.

Diagnose

Zunächst sollte eine umfassende Krankengeschichte erhoben werden. Es sollte beschrieben werden, seit wann die Beschwerden vorliegen und in welchem Ausmaß die üblichen Aktivitäten beeinträchtigt sind. Für den Arzt ist es wichtig zu wissen, ob noch weitere Beschwerden vorliegen und welche anderen Krankheiten bei dem Betroffenen bekannt sind. Darauf folgt eine ausführliche körperliche Untersuchung und im Regelfall eine Blutentnahme. Ergibt sich dabei ein konkreter Verdacht auf das Vorliegen einer Erkrankung, welche zu Müdigkeit führt, so sollte diesem nachgegangen werden. Ergibt sich keinerlei Hinweis auf das Vorliegen einer solchen Erkrankung, so kann die Diagnose eines chronischen Müdigkeitssyndroms gestellt werden.

Häufigkeitsverteilung

Die Häufigkeit von chronischer Müdigkeit ist aufgrund der zahlreichen Ursachen nicht genau zu bestimmen, vermutet wird, dass etwa 10% der Erwachsenen betroffen sind. Patienten mit Multipler Sklerose sind in etwa 80% von chronischer Müdigkeit betroffen, insgesamt leiden etwa 40% der Krebspatienten darunter, wobei sich die Häufigkeit je nach Krebsart unterscheidet. Das chronische Erschöpfungssyndrom betrifft in Deutschland etwa 300000 Menschen, wobei vor allem Frauen im Alter zwischen 30 und 40 häufig darunter leiden.

Symptome

Die chronische Müdigkeit äußert sich in der Regel durch ein ständiges Gefühl der Erschöpfung, eine stete Mattigkeit und eine schnelle Ermüdbarkeit. Dazu wird meistens eine Verminderung der Leistungsfähigkeit beklagt, wie auch vermehrte Vergesslichkeit und Störungen der Konzentration. Trotz der Müdigkeit wird oft von Schlafstörungen berichtet, auch ein vermehrtes Schlafbedürfnis kann vorliegen. Oftmals wird die chronische Müdigkeit von einer depressiven Stimmungslage begleitet. Weitere Beschwerden wie Fieber, Gewichtsverlust, Gelenkschmerzen, Schwellungen der Beine oder andere können Hinweise auf eine Ursache der chronischen Müdigkeit geben.

Therapie chronischer Müdigkeit

Die Behandlung chronischer Müdigkeit sollte prinzipiell ursachenabhängig erfolgen. Liegt ein Schlafmangel vor, so sollte dieser behoben werden. Bei einer Schilddrüsenunterfunktion sollte die regelmäßige Einnahme von Schilddrüsenhormon und bei Eisenmangel die Einnahme von Eisen erfolgen.

Wird keine behandelbare Ursache gefunden, so gibt es zahlreiche Therapieoptionen, wobei der Erfolg individuell verschieden ist. Im Wesentlichen werden dabei drei Strategien angewandt:

  1. Es werden aktivierende Maßnahmen durchgeführt, Stress sollte vermieden werden und somit das Leben neu geordnet werden.
  2. Schließlich gelten Entspannungsverfahren und eine entsprechende Schlafhygiene als Erfolgsfaktoren.
  3. Auch pflanzliche Stoffe werden gegen chronische Müdigkeit eingesetzt. Ziel ist es, die Widerstandsfähigkeit des Körpers gegen Stress und andere negative Faktoren zu erhöhen. Verwendete Pflanzen sind dabei beispielsweise die Rosen, Taigawurzel und Ginsengwurzel, Basilienkraut, Sisandrafrüchte und auch das Gelée Royale.

Unterstützend wirken kann auch die Homöopathie, wobei die Behandlung in Absprache mit einem homöopathisch erfahrenen Arzt oder Apotheker erfolgen sollte. Bei der Auswahl der richtigen Globuli, ist die genaue Beschreibung der Ausprägung der Beschwerden entscheidend. Liegt das Gefühl der Zerschlagenheit und Übermüdung vor, so kann zum Beispiel Arnica hilfreich sein. Liegt neben der Müdikeit ein Schwächegefühl, Kopfschmerzen und ein nervöser Magen vor, so kann Kalium phosphoricum helfen.

Prophylaxe

Um einer chronischen Müdigkeit vorzubeugen, sollte auf eine gesunde Lebensweise mittels ausgewogener Ernährung und ausreichender Flüssigkeitsaufnahme, regelmäßiger Bewegung und Vermeidung von Stress geachtet werden. Auch regelmäßiger und guter Schlaf ist wichtig, um chronischer Müdigkeit keine Chance zu geben. Dabei sollte auf ausreichend Zeitabstand zwischen Einnahme stimulierender Substanzen, wie Koffein, und Schlafbeginn geachtet werden.

Weiterführende Informationen

Weiterführende Informationen zum Thema Chronische Müdigkeit finden Sie auch unter:

Weitere Informationen zur Thema Psychologie finden Sie unter: Psychologie A-Z

Autor: Dr. Nicolas Gumpert Veröffentlicht: 05.10.2015 - Letzte Änderung: 22.10.2021