Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS)

Synonyme

Post Traumatic Stress Disorder, PTSD, Trauma

Definition

Die eigentliche Bezeichnung der posttraumatischen Belastungsstörung findet ihren Ursprung beim Militär (Siehe auch Psychische Störung). Soldaten, die während des Vietnamkrieges aufgrund verschiedenster Kriegsereignisse dienstuntauglich wurden, weil sie stärksten körperlichen oder seelischen Belastungen ausgesetzt waren, bekamen diese Diagnose. In vorangegangenen Kriegen wurde die Störung mit anderen Namen belegt. Im 1. Weltkrieg z.B. verwandte man die sehr treffende Bezeichnung „Shell Shock“. Diese bezeichnete quasi die Erschütterung (Shock) des innersten psychischen Kernes (Shell).

Heutzutage wird die Diagnose auch in zivilen Bereichen verwandt. Wann immer ein Mensch einem Geschehen von außergewöhnlicher körperlicher oder seelischer Bedrohung ausgesetzt ist, besteht die Gefahr der Entwicklung einer PTBS.

Epidemiologie

Frauen sind in der Regel deutlich häufiger betroffen als Männer. Manche Studien gehen von einem Verhältnis von 2:1 aus. Als mögliche Gründe hierfür sind z.B. die hohe Wahrscheinlichkeit nach Vergewaltigung eine PTBS (posttraumatische Belastungsstörung) zu entwickeln (Wahrscheinlichkeit ca. 50%), sowie die Wahrscheinlichkeit von ca. 20% bei Opfern von Gewalttaten zu nennen.

Das Risiko für Frauen einmal in ihrem Leben das Opfer einer Vergewaltigung zu werden, liegt in Deutschland bei etwa 8%.

Insgesamt liegt die Wahrscheinlichkeit einmal im Leben an einer PTBS (posttraumatische Belastungsstörung) zu erkranken bei Frauen zwischen 10-12% und bei Männern zwischen 5-6%.

Weitere Traumata mit einem hohem PTBS-Risiko sind: Kampfeinsatz im Krieg, Kindesmisshandlung, Folter, Kriegsgefangenschaft, aber auch Autounfälle, bzw. Augenzeuge eines Unfalls zu sein.

Diagnostik

Diagnostische Kriterien nach ICD-10 / Symptomatik / Symptome

Die Symptome treten typischerweise innerhalb von 6 Monaten nach dem belastenden Ereignis auf. Es kann auch ein späterer Beginn möglich sein.

  • Die Betroffenen waren einem Ereignis oder Geschehen von außergewöhnlicher Bedrohung oder mit katastrophalem Ausmaß ausgesetzt, das nahezu bei jedem tiefgreifenden Verzweiflung auslösen würde.
  • Anhaltende Erinnerungen oder Wiedererleben der Belastung durch aufdringliche Nachhallerinnerungen (Flash-backs), lebendige Erinnerungen, sich wiederholende Träume oder durch innere Bedrängnis in Situationen, die der Belastung ähneln oder mit ihr in Zusammenhang stehen. (Evtl. Zeigt sich auch eine Art emotionaler Stumpfheit bzw. Teilnahmslosigkeit und Gleichgültigkeit)
  • Ähnliche Umstände werden tatsächlich oder möglichst vermieden. Dieses Verhalten bestand nicht vor dem Ereignis
  • Einer der unten genannten Punkte:
    • Unfähigkeit, sich an einige wichtige Aspekte des Traumas zu erinnern
    • Anhaltende Symptome erhöhter psychischer Sensitivität und Erregung (nicht vor dem Träume) mit zwei der folgenden Merkmale:

Die Diagnostik sollte durch einen in der Psychotherapie erfahrenen Arzt oder Psychologen erfolgen. 2 typischerweise in der Diagnostik eingesetzte Instrumente sind:

„Impact of Event Scale“- R (IES-R) Horowitz et al. 79, deutsche Fassung: Maercker 98

4 Faktorenstruktur:

  • “Intrusion” (Nachhallerinnerungen)
  • “Vermeidung”
  • “Übererregung”
  • „Numbing“ (emotionale Taubheit)


Der Fragebogen ist kurz und einfach.

Fragebogen zu Gedanken nach traumatischen Erlebnissen (PTCI) Foa, Ehlers 2000

Selbstauskunftsinstrument zur Identifikation problematischer Interpretationen des Traumas und seiner Konsequenzen, siebenstufige Likertskala, 3 Faktoren.

  • Negative Kognitionen über die eigene Person
  • Negative Kognitionen über die Welt
  • Selbstbeschuldigung

Ursachen zur Entstehung der posttraumatischen Belastungsstörung:

Störungskonzept nach Ehlers und Clark:

Angst ist ein Gefühl, welches sich üblicherweise auf eine aktuelle oder zukünftige Situation bezieht. Bei der PTBS (posttraumatischen Belastungsstörung) entsteht jedoch ein massives Gefühl der Angst mit o.g. Symptomatik wegen eines vergangenen Ereignisses. Im Störungsmodell nach Ehlers und Clark wird nun angenommen, dass es bei dem Betroffenen eine Fehlverarbeitung des Traumas dahingehend gab, dass Erinnerungen an das Ereignis als eine aktuellen, gegenwärtigen Bedrohung wahrgenommen werden. Zur Wahrnehmung generell wird angenommen, dass zwei Prozesse dafür verantwortlich gemacht werden können, dass ein Mensch vergangene Ereignisse als aktuell bedrohlich empfindet.

  1. Die individuelle Interpretation (Auslegung) des Ereignisses und seiner Konsequenzen: Es wird angenommen, dass Patienten mit PTBS das schlimme Ereignis nicht als ein zeitbegrenztes Ereignis sehen können, das nicht notwendigerweise negative Auswirkungen auf ihr Leben haben wird. Es wird ferner angenommen, dass Patienten mit PTBS (posttraumatischen Belastungsstörung) das Ereignis und seine Konsequenzen so oft negativ bewerten und interpretieren, dass hieraus die Wahrnehmung einer ganz aktuellen Bedrohung entsteht.
  2. Das sog. „Traumagedächtnis“: Patienten mit PTBS haben häufig große Schwierigkeiten sich gewollt vollständig an das Ereignis zu erinnern. Oft kommt es nur zu bruchstückhaften Erinnerungen. Dem gegenüber stehen ungewollte Erinnerungen, die sich dem Patienten aufdrängen. In diesen Momenten erlebt er sie so, als würde das Ereignis im jetzigen Moment erneut geschehen. Das Trauma kann nicht in die eigentlichen Strukturen des Gedächtnisses eingefügt werden. Normalerweise setzen wir Erinnerungen in einen zeitlichen Zusammenhang (Z.B. Das war 1999. Es war schwer, aber es ist vorbei...“). Dies gelingt bei der PTBS eben nicht. Durch relativ geringe Reize kann das Gefühl der Bedrohung jederzeit auftreten (Z.B. Das Zuschlagen einer Autotür erinnert an den Autounfall etc.).

Diese Reize erinnern die Patienten an Reize, die sie kurz vor oder während des Traumas wahrgenommen haben (Geräusche, Gerüche etc.). Reiz und Trauma werden somit sozusagen gekoppelt. Wann immer der Patient dann später solche oder ähnliche Reize wahrnimmt, kann durch diese Kopplung das Trauma auf einen Schlag wieder Präsent werden, ohne dass sich der Patient das erklären kann.

Zusätzlich scheint es bei Patienten mit PTBS eine erhöhte Aufmerksamkeit für schlechte, also traumaspezifische Reize zu geben (das sog. Priming). (Z.B. sieht etwa eine Frau, welche von einem bärtigen Mann angegriffen wurde, Männer mit Bart aus einer Menschenmenge häufig sofort heraus.)
In der Folge resultieren solche Störungen in der Wahrnehmung meistens in einer Veräderung der Verhaltensweisen und Gedanken. Die Patienten neigen sehr häufig zu Vermeidung von Situationen von denen sie annehmen, dass sie störungsauslösend sein könnten. Auch werden häufig jegliche Gedanken an das Ereignis unterdrückt. Dieses vermeidende Verhalten hat nun leider meistens einen gegenteiligen (paradoxen) Effekt, d.h. es kommt zu einem gehäuften Auftreten von Gedanken und Bedrohungsgefühlen.

Differentialdiagnose

Den Differentialdiagnosen ( alternative Krankheitsursachen) kommt eine besondere Bedeutung zu. In den letzten Jahren gab es nämlich, vor allen bei „Nichttherapeuten“, einen Art „PTBS Ausverkauf“. Die posttraumatische Belastungsstörung wurde eine Art „Modediagnose“. Dies ist dahingehend problematisch, dass bei falscher Diagnosestellung auch falsche therapeutische Ansätze verfolgt werden, was zum einen dem Patienten meist nicht wirklich hilft und zum anderen immense Kosten verursacht, die bei genauerer Kenntnis der Differentialdiagnosen einzusparen wären. Im Folgenden sind differentialdiagnostisch zu unterscheiden:

  1. Akute Belastungsreaktion: Wenn die Symptome (s.u. Punkt ICD-10/Symptomatik) aufgrund eines Ereignisses nur wenige Stunden oder Tage (höchstens 4 Wochen) anhalten und dann wieder verschwinden, spricht man von der akuten Belastungsreaktion.
  2. Anpassungsstörung: Bei der Anpassungsstörung finden sich typischerweise nicht alle Symptome der PTBS (posttraumatischen Belastungsstörung) erfüllt. Häufig entsteht diese Störung nach Ereignissen, die ein weniger „katastrophales“ Ausmaß haben (meistens nach Trennungen, Trauerfällen oder schweren körperlichen Erkrankungen) . (Allerdings können auch schlimmste Katastrophen zur Anpassungsstörung führen.)
  3. Trauerreaktion: Trauerreaktionen sind völlig normal. Falls Sie jedoch über einen gewissen Zeitraum hinaus (6 Monate) nicht abklingen, spricht man von einer „abnormen Trauerreaktion“. Diese fällt unter die Anpassungsstörungen.
  4. Anhaltende Persönlichkeitsänderung: In der Folge von langanhaltenden oder wiederholten traumatischen Erlebnissen (Missbrauch, Folter, Gefangenschaft etc.) kann es zu dauerhaften Veränderungen der Grundpersönlichkeit kommen.

Weitere Informationen

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Autor: Christoph Barthel Veröffentlicht: 20.05.2007 - Letzte Änderung: 22.10.2021