Narzisstische Persönlichkeitsstörung

Synonyme im weiteren Sinne

  • Selbstverliebtheit
  • Eigenliebe
  • Selbstsucht
  • Egoismus

Definition

In der griechischen Mythologie war die Figur des „Narzissus“ der Sohn des Flussgottes Kephisos. Dieser junge Mann verschmähte dereinst die Liebe einer Nymphe. Hierauf wurde er durch die Göttin Aphrodite verflucht. Es war sein Schicksal sich unsterblich in sein Spiegelbild zu verlieben. Der Sage zufolge verstarb er, als einmal ein Blatt sein Spiegelbild auf der Wasseroberfläche durcheinander brachte.

Die narzisstische Persönlichkeitsstörung (Siehe auch Persönlichkeitsstörung) kennzeichnet sich vor allem durch eine deutliche Tendenz zur Selbstüberschätzung der eigenen Person und der eigenen Fähigkeiten, durch eine sehr eingeschränkte Fähigkeit, sich in andere Menschen einzufühlen und durch eine extreme Empfindlichkeit gegenüber Kritik durch andere Personen.

Anmerkung: Gesunder Narzissmus

Wichtig an dieser Stelle ist die Abgrenzung zum „gesunden Narzissmus. Es ist für eine ausgeglichene Psyche nicht nur wichtig, sondern auch notwendig, sich selbst als besonders und einzigartig einschätzen zu können und eigene Leistungen auch als „großartig“ bezeichnen zu können.

Epidemiologie


Schätzungen zufolge liegt das Vorkommen der narzisstischen Persönlichkeitsstörung in der Normalbevölkerung bei ca. 0,3%. Bei psychiatrischen Patienten liegt das Vorkommen bei etwa 1%.

Die o.g. Zahlen sind Schätzungen. Aus meiner persönlichen und klinischen Erfahrung liegt das Vorkommen dieser Erkrankung bedeutend höher.

Diagnose

Jede Diagnose, die in diesem Land gestellt wird, muss, so man es professionell und nicht einfach aus dem Bauch heraus machen will, “verschlüsselt” werden. Dies bedeutet, dass es Systeme gibt, in denen alle Krankheiten, die die Medizin kennt, mehr oder weniger gut erfasst werden. Ein Arzt kann also nicht einfach hergehen und Diagnosen verteilen, solange nicht bestimmte Kriterien erfüllt sind, die das Verschlüsselungssystem verlangt. Sind die Kriterien nicht erfüllt, kann die Diagnose nicht gestellt werden.

Die Forschung verwendet das aus dem amerikanischen Raum kommende System des DSM - IV (Diagnostisches und Statistisches Manual psychischer Störungen). Hier sind die Beschreibungen der Krankheitssymptome oft tatsächlich genauer. Um nun die Diagnose stellen zu können, müssen genau festgelegte Kriterien erfüllt sein

Diagnostische Kriterien nach DSM IV (der Beginn der Störung liegt im frühen Erwachsenenalter und es müssen mindestens 5 Kriterien vorliegen).

  1. hat ein grandioses Gefühl der eigenen Wichtigkeit (übertreibt eigene Leistungen und Talente, erwartet ohne entsprechende Leistungen als überlegen anerkannt zu werden)
  2. ist stark eingenommen von Fantasien grenzenlosen Erfolges, Macht, Glanz, Schönheit oder idealer Liebe
  3. glaubt von sich „besonders“ und einzigartig zu sein und von anderen, besonderen oder angesehenen Personen (oder Institutionen) verstanden zu werden oder nur mit diesen verkehren zu können
  4. verlangt nach übermäßiger Bewunderung
  5. legt ein Anspruchsdenken an den Tag, d.h. übertriebene Erwartungen an eine besonders bevorzugte Behandlung oder automatisches Eingehen auf die eigenen Erwartungen
  6. ist in zwischenmenschlichen Beziehungen ausbeuterisch, d.h. zieht Nutzen aus anderen, um die eigenen Ziele zu erreichen
  7. Zeigt einen Mangel an Empathie (Einfühlsamkeit): ist nicht willens, die Gefühle und Bedürfnisse anderer zu erkennen oder sich mit ihnen zu identifizieren
  8. ist häufig neidisch auf andere oder glaubt, andere seien neidisch auf ihn
  9. zeigt arrogante, überhebliche Verhaltensweisen oder Haltungen

Dieses Verhaltensmuster muss dauerhaft und in verschiedenen Bereichen (Beziehungen, Beruf, Familie, Freunde etc.) des Lebens auffällig sein. Um die Diagnose zu stellen, muss die betreffende Person unter ihrem abweichenden Verhalten leiden.

Symptome

Die eigentliche Bezeichnung „narzisstisch“, bezieht sich zunächst einmal auf persönliche Selbstüberschätzung. Im Krankheitsbild der narzisstischen Persönlichkeitsstörung hingegen liegt das Problemfeld vor allem im zwischenmenschlichen Umgang des Patienten mit seiner Umgebung. Häufig präsentiert er sich mit den typischen Merkmalen der fehlenden Einfühlsamkeit in andere Menschen, Angst vor Kritik und fehlerhaftes Sozialverhalten.

Insbesondere die übermäßige Selbstpräsentation und das Hervorheben der eigenen Größe führt zu regelmäßigen Konfrontationen mit anderen Menschen. Wenn diese nun versuchen, z.B. die Leistung des Patienten realistischer zu bewerten bzw. die Überwertigkeit nicht nachvollziehen wollen und können, empfindet der Narzisst eine echte Bedrohung seiner Persönlichkeit und rechtfertigt somit eine Verstärkung seines Verhaltens.

Beispiel: Narzissmus

Ein Kollege im Büro präsentiert sich in der Kantine immer wieder damit, dass er pro Tag mit 20 Kunden reden könne. Ihm sei der Titel „Mitarbeiter des Jahres“ so gut wie sicher. Von einem Kollegen darauf angesprochen, ob ihm bekannt sei, dass sich einige seiner Kunden über ihn beschwert hätten, blockt dieser Kollege dies ab und meint nur, dass sich alle um ihn herum wichtig machen wollten, um ihm seinen verdienten Ruhm zu nehmen.

An dieser Stelle möchten wir auf unsere Seite verweisen, auf der wir einige praktische Beispiele von „angewandten Narzissmus“ aufgelistet und kommentiert haben. Diese Beispiele wurden uns freundlicherweise kostenlos von einigen (in der Regel) unbekannten Gastautoren zu Verfügung gestellt.

Komorbidität

Die narzisstische Persönlichkeitsstörung kann in Kombination mit jeder anderen Persönlichkeitsstörung auftreten. Am häufigsten ist sie gekoppelt an die sog. histrionische (hysterische/ Hystorie) Persönlichkeitsstörung. (typisches Beispiel hierbei: Das Verhalten einer Schauspielerin, deren neuer Film von den Fachkritikern zerissen wurde.)

Häufig kann der ständige „Kampf gegen die Welt“ sogar Symptome einer echten Depression entwickeln.

Ursachen

Eine der Haupttheorien (Millon und Davis 1996) bezüglich der Entwicklung des krankhaften Narzissmus ist, dass der Erziehungsstil der Eltern als sehr ausschlaggebend gesehen wird. Wenn durch die Eltern ein falsches Modell vorgelebt wird (ein oder beide Eltern selbst narzisstisch), kann das Kind schon sehr früh falsch geprägt werden.

Auch kann ein „falsches Fördern“ die Entwicklung einer narzisstischen Störung beeinflussen. Eltern, die ihren Kindern schon früh beibringen, dass sie „besser als andere“ sind, verzerren schon früh die tatsächliche Wahrnehmung der eigenen Leistungen. Oft genug werden diese Kinder aufgrund ihrer seltsamen Eltern und den ihnen beigebrachten noch seltsameren Überzeugungen zu Außenseitern. Dies wiederum bewirkt, dass die Kinder von ihren Eltern hören, dass die anderen Kinder neidisch sind darauf, dass man selbst besser sei als sie.

Dies fördert im Weiteren die Entwicklung von Intoleranz und Fehlwahrnehmung der eigenen Person. Dies führt zu dauerhaften Konflikten mit der Umgebung, was wiederum einen depressiven oder aggressiven Verlauf nehmen kann.

Anmerkung: Extremer Narzissmus

Im schlimmsten Falle kann eine extreme narzisstische Störung im Selbstmord enden („Niemand liebt mich, niemand versteht mich...jetzt werde ich es ihnen zeigen!). Auch viele der schlimmen und schlimmsten Gewaltverbrechen geschehen aus einer narzisstischen Kränkung heraus („Wenn ich sie nicht haben kann, soll sie niemand haben“)

Eine andere Theorie nach Kernberg (1976) besagt, dass die narzisstische Persönlichkeitsstörung in einem direkten Zusammenhang steht zur Borderline Persönlichkeitsstörung. Die Borderline Störung ist seiner Auffassung nach die schwerere Form der narzisstischen Störung. Diese verfügt nach Kernberg über bessere „Abwehrmechanismen“, sodass z.B. die emotionalen Schwankungen nicht so stark durchbrechen wie bei der Borderline-Störung.

Therapie

Die Therapieform der Wahl stellt die Psychotherapie dar. Hierbei gibt es verschiedene Ansatzpunkte:

  1. Verhaltenstherapie:
    Die Verhaltenstherapie arbeitet primär an den Defiziten des Patienten im Umgang mit anderen Menschen. Sie konzentriert sich auf die notwendige Einfühlsamkeit, den richtigen sozialen Umgang und die Angst vor negativer Bewertung. Hierbei kommen z.B. Rollenspiele und Videoaufzeichnungen zum Einsatz.
  2. Tiefenpsychologische Therapie:
    I
    n der Tiefenpsychologie geht es primär darum, den Patienten mit seinen Abwehrmechanismen zu konfrontieren und zu bearbeiten (z.B. „Warum müssen Sie sich selbst überschätzen? „Wie stehen Sie zu Gefühlen wie Wut, Neid und Agression?).
  3. Beratung und Coaching:
    Das sog. Coaching, also sehr praktische Tipps im Umgang mit anderen Menschen und im Umgang mit speziellen Problemen, ist beim Narzissmus eine wirksame Möglichkeit der Behandlung. (Dies trifft jedoch keinesfalls auf alle psychische Störungen zu!).

Falls es, wie oben bereits erwähnt, zu der Entwicklung einer Depression kommt, ist ggf. eine medikamentöse Behandlung mit Antidepressiva angezeigt.

Autor: Christoph Barthel Veröffentlicht: 26.05.2007 - Letzte Änderung: 22.10.2021