Oxytocin ist ein Hormon, das besonders für den Geburtsvorgang und die Bindung von Mutter und Kind wichtig ist.

Oxytocinmangel

Definition

Der körpereigene Botenstoff Oxytocin, oft auch als „Kuschelhormon“ bekannt, wird beim Orgasmus sowie bei der Geburt ausgeschüttet und sorgt ein unwillkürliches Zusammenziehen der Gebärmuttermuskulatur und der Vagina. Durch diese geburtserleichternde Funktion hat das Hormon auch seinen Namen bekommen: Der Begriff Oxytocin kommt aus dem Griechischen und bedeutet: „leichte Geburt“.

Beim Stillen ist es für die Ausschüttung der Muttermilch durch das Zusammenziehen der Muskelzellen der Brustdrüse zuständig. Außerdem fördert Oxytocin die zwischenmenschliche und emotionale Bindung zwischen Mutter und Kind oder Sexualpartnern.

Ein Mangel dieses Hormons bedeutet, dass entweder relativ oder absolut zu wenig Oxytocin vorhanden ist, um diese bindungsfördernden Effekte zu verursachen. Der Oxytocinmangel als solcher ist ein noch eher unerforschtes Gebiet, ebenso wie die Folgen eines solchen Mangels. Nach dem jetzigen Wissensstand ist anzunehmen, dass ein Mangel an Oxytocin mitverantwortlich für verschiedene psychische oder mentale Erkrankungen sein kann oder zumindest mit einigen assoziiert werden kann.

Symptome

Am gravierendsten macht sich Oxytocinmangel bei Frauen während der Geburt bemerkbar, da hier ein ausreichender Oxytocinspiegel essentiell für die ausreichend gute Muskelanspannung der Gebärmutter ist. Ein Oxytocinmangel kann daher bei der Geburt die sogenannte Uterusatonie, also ein Spannungsverlust der Gebärmuttermuskulatur, verursachen. Das führt zu schwerwiegenden Blutungen, die mitunter lebensgefährlich für die Mutter sein können.

Lesen Sie mehr zu diesem Thema unter: Komplikationen unter der Geburt

Außerdem kann sich ein niedriger Oxytocinspiegel wahrscheinlich in der Bindungsfähigkeit einer Person bemerkbar machen: In Tierexpermenten zeigte sich bei monogam lebenden Tieren ein durchweg höherer Oxytocinspiegel als bei Tieren, die oft ihren Sexualpartner wechseln. Man geht davon aus, dass dieses Phänomen auch auf den Menschen übertragbar ist. Menschen, die Probleme mit dauerhaften Bindungen oder auch einfachen zwischenmenschlichen Beziehungen haben, könnten also einen niedrigeren Oxytocinspiegel aufweisen.

Mittlerweile wird sogar von Zusammenhängen zwischen einem Oxytocinmangel und psychischen Erkrankungen wie etwa Angststörungen ausgegangen. Auch zu Autismus besteht wahrscheinlich eine Korrelation. Ob ein Mangel an Oxytocin aber tatsächlich die Ursache oder gar die Wirkung von psychischen Erkrankungen ist, ist hier allerdings noch nicht geklärt.

Oxitocinmangel bei der Geburt

Ein niedriger Oxytocinmangel bei der Geburt hat zur Folge, dass die Muskulatur der Gebärmutter sich nicht ausreichend zusammenzieht. Es kann dadurch zu ernstzunehmenden Blutungen während und nach der Geburt kommen. Um das zu verhindern, wird in der Geburtshilfe im Krankenhaus routinemäßig der Mutter Oxytocin intravenös über eine Infusion verabreicht. Neuere Erkenntnisse legen außerdem eine Verbindung zwischen Oxytocinmangel und der sogenannten „Wochenbett-Depression“ nahe.

Die Gabe eines oxytocinhaltigen Nasensprays als neue Möglichkeit einer Therapie konnte das Auftreten einer solchen Depression in einigen Studien deutlich senken. Diese Art der Therapie der Wochenbett-Depression ist jedoch noch sehr neuartig und es wird noch einige Zeit dauern, bis sie regelhaft angewendet wird.

Oxytocinmangel beim Stillen

Beim Stillen sorgt Oxytocin für das Zusammenziehen der Muskelzellen in der Brustdrüse, wodurch die Muttermilch aus der Drüse herausgepresst wird. Die Ausschüttung von Oxytocin erfolgt hier über das Saugen an der Brustwarze durch den Säugling. Ein Oxytocinmangel führt zu einer herabgesetzten Kontraktionsfähigkeit der Brustdrüsenzellen und damit zu einer erschwerten Abgabe der Muttermilch an den Säugling. Als Konsequenz kann es zu einer unvollständigen Entleerung der Brustdrüse kommen, und die Brust kann dadurch spannen und schmerzen.

Lesen Sie mehr zu diesem Thema unter Schmerzen beim Stillen.

Außerdem wird auch im Körper des Säuglings Oxytocin beim Stillen freigesetzt, ein entsprechender Mangel ist an dieser Stelle aber nicht bekannt. Dies kann einen Einfluss auf die Bindung zwischen Mutter und Kind haben. 

Mehr zu dem Thema finden Sie unter: Stillen und Probleme in der Stillzeit

Ursachen

Die Ursachen für einen Oxytocinmangel sind bis jetzt noch nicht vollständig geklärt. Man geht davon aus, dass es am Wahrscheinlichsten an einer unzureichende Produktion im Hypothalamus, einem Teil des Großhirns oder einer inadäquate Ausschüttung durch die Hirnanhangsdrüse (Hypophyse) liegt. Diese beiden Theorien sind wahrscheinlicher als ein Defekt in den Oxytocinrezeptoren.

Man vermutet, dass dem Mangel genetische Faktoren zugrunde liegen. Das würde auch die familiäre Häufung bestimmter psychischer Krankheiten erklären, die nach dem heutigen Wissensstand mit einem niedrigen Oxytocinspiegel im Blut assoziiert werden.

Kann man Oxytocinmangel beheben?

Um einen Oxytocinmangel zu beheben, wird der Stoff dem Körper von außen zugeführt. In der klinischen Geburtshilfe geschieht das durch die intravenöse Verabreichung einer Infusion, um ein unzureichendes Anspannen der Gebärmutter zu verhindern. Wenn die Gebärmutter sich während oder kurz nach der Geburt nicht genug zusammenzieht, kann das erhebliche Blutungen zur Folge haben. Dieses Phänomen ist weltweit noch immer die häufigste Ursache für die Müttersterblichkeit.

Für mehr Informationen, lesen Sie hierzu: Komplikationen unter der Geburt

Weiterhin wird die Anwendung einer unterstützenden Gabe von Oxytocin zum Beispiel in Form von Nasensprays als Therapieansatz für psychische und mentale Veranlagungen wie etwa Angststörungen, sozialer Phobie und Autismus diskutiert.

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Diagnose

Um den Oxytocinspiegel einer Person zu messen, wird normalerweise das Blutplasma diesbezüglich untersucht. Das Ergebnis spiegelt zwar nur eine Momentaufnahme wieder, bei mehreren Werten kann jedoch eine gewisse Tendenz zu einem höheren oder niedrigeren Oxytocinspiegel abgeleitet werden. Eine solche Messung wird aber bis jetzt nur im Rahmen entsprechender Studien durchgeführt, eine Diagnose im Sinne einer tatsächlichen Krankheit ist der Oxytocinmangel nicht. Das liegt vor allem daran, dass dieses Phänomen mit seinen Ursachen und Auswirkungen noch relativ neu und unerforscht ist.

Folgen von Oxytocinmangel beim Mann

Auch bei Männern kann sich ein Oxytocinmangel bemerkbar machen: Zum Einen kann es wie auch bei Frauen zu einer mangelnde Bindungsfähigkeit oder Empathie kommen, zum Anderen sind aber auch Probleme bei der Ejakulation möglich. Hier fördert Oxytocin das Ausstoßen der Samenflüssigkeit, besonders der Bestandteile des Spermas und des Prostatasekrets. Im Extremfall kann dadurch eine geringere Spermienkonzentration im Ejakulat zustande kommen.

Weiter Informationen zum Thema Oxytocinmangel

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Eine Übersicht aller Themen der Anatomie finden Sie unter Anatomie A-Z.

Autor: Dr. Nicolas Gumpert Veröffentlicht: 24.10.2017 - Letzte Änderung: 25.07.2023