Unterarmbruch beim Kind

Synonyme im weiteren Sinne

  • Distale Unterarmfraktur
  • distale Radiusfraktur (distal = vom Körper entfernt gelegen; hier also folglich in der Nähe des Handgelenks)
  • Fraktur (Bruch) des unteren Endes des Unterarms oder des Handgelenks im Kindesalter
  • Handgelenksbrüche
  • Speichenbruch

Der Unterarm besteht aus zwei Knochen, der Elle (Ulna) und der Speiche (Radius). In vielen Fällen bricht nur einer der beiden Knochen

Die distale Radiusfraktur (Handgelenksbruch / Speichenbruch) ist die häufigste Fraktur im Kindesalter, aber auch die häufigste Fraktur des menschlichen Skeletts überhaupt. Sie entsteht meist beim Sturz, wenn sich das Kind versucht mit den Händen vor dem Aufschlagen auf dem Boden zu schützen. Es erfolgt also meist ein Sturz auf die ausgestreckte Hand.
Aber auch der Sturz auf die abgeknickte Hand kann zu einer Fraktur des Unterarmknochens führen. In der Mehrzahl der Fälle ist die Speiche (Radius) betroffen.

Ein kompletter Unterarmbruch bedeutet, dass beide Knochen gebrochen sind. Da Elle und Speiche für eine uneingeschränkte Bewegung des Arms und der Hand notwendig sind, müssen die kompletten Brüche fast immer operiert werden.

Die kompletten Unterarmbrüche machen ungefähr ein Drittel aller Unterarmbrüche im Kindesalter aus. Unterarmbrüche sind die häufigsten Brüche bei Kindern und damit ist auch die Anzahl der kompletten Brüche relativ groß.

Symptome & Diagnose

Schmerzen

Knochenbrüche können sehr schmerzhaft sein. Obwohl Knochen selbst keine schmerzleitenden Nerven haben, ist die Knochenhaut sehr schmerzempfindlich und gut mit Nerven versorgt. Außerdem kann bei verschobenen Brüchen auch das umliegende Gewebe Schäden haben und somit zu starken Schmerzen führen. Eine Bewegung des Unterarms und des Handgelenks ist meistens aufgrund der Schmerzen nicht möglich.

Behandlung

Die Therapie des kindlichen Unterarmbruchs / Speichenbruch gestaltet sich ähnlich, wie die der Fraktur im Erwachsenenalter. Die kindlichen Knochen haben gegenüber dem reifen menschlichen Skelett allerdings die Fähigkeit sich noch weiter zuentwickeln. Daher können solche Unterarmbrüch mit leichten Fehlstellungen im Kindesalter sich durchaus „verwachsen“, wie der Volksmund sagt.

In der Regel erfolgt die Therapie konservativ durch Ruhigstellung im Gips. Der Gipsverband sollte 3 - 4 Wochen getragen werden. Dank der hohen Wachstumspotenz der betroffenen Region macht das spontane Zusammenheilen des Knochens in den seltensten Fällen Probleme. Zur Nachkontrolle kann gegebenenfalls ein wiederholtes Röntgen anberaumt werden. Dies entscheidet der Arzt jedoch individuell.

Welche Form der Therapie angestrebt werden sollte, muss jedoch immer individuell entschieden werden. Insbesondere bei verschobenen Brüchen oder Verletzung von Gefäßen und Nerven muss häufig der Bruch operativ versorgt werden.

Ist eine Reposition, also ein Zurückführen in den Ausgangszustand, der Knochen nötig, so sollte dies in einer Narkose erfolgen. Eine Reposition ist schmerzhaft und verlangt das Stillhalten des Kindes.
Gegebenenfalls hält die korrigierte Position der Knochen nicht von alleine. In diesen Fällen können durch Einsatz von Nägeln, Schrauben und Platten Stabilität verschafft werden.

Die Heilung verläuft danach in der Regel ohne äußere Einflussnahme. Unterstützen kann man sie durch Homöopathie.

Lesen Sie hierzu unser Thema: Knochenbruch und Homöopathie.

Verlauf & Prognose

Die Dauer bis es zu einer vollständigen Heilung des Knochenbruches kommt, ist von unterschiedlichen Faktoren abhängig. Besonders beeinflussen die genaue Lokalisation des Bruches sowie die gewählte Therapie den Heilungsverlauf und damit die Dauer bis zur Heilung. Generell gilt, dass nach etwa 6 Wochen der Knochenbruch meist vollständig geheilt ist. Je nachdem wie alt das betroffene Kind ist, kann der Knochen auch schon nach 3-5 Wochen vollständig verheilt sein. Es gilt außerdem, dass eine Fraktur in der Mitte des Knochens üblicherweise länger bis zu einer vollständigen Heilung braucht als ein Bruch an den Knochenenden.

Je nachdem welche Technik zur Stabilisierung und Versorgung des Bruches angewandt wurde, kann der Arm auch schon vor einer definitiven Heilung des Knochens belastet werden. Bei einer operativen Versorgung durch Marknägel ist der Arm schon kurz nach der Operation belastbar. Wird der Bruch am Unterarm mit einem Gipsverband versorgt, muss dieser einige Wochen getragen werden und der Arm ist erst nach Abnahme des Gipsverbandes belastbar.

Wie lange muss ein Gips getragen werden?

Eine beliebte Technik der Versorgung eines Unterarmbruches bei Kindern ist die Anlage eines Gipsverbandes. Durch die schnelle Knochenheilung bei Kindern sowie dem Längenwachstum generell wird ein Gipsverband bei Kindern nicht so lange belassen wie dies bei Erwachsenen der Fall ist. So beträgt die Dauer des Gipsverbandes bei Kindern am Unterarm normalerweise etwa 3-4 Wochen, je nach Alter des Kindes sowie der individuellen Fraktur. Bei Kindern, die über 10 Jahre alt sind wird der Gips in der Regel für 5-6 Wochen belassen um eine sichere Heilung des betroffenen Knochens gewährleisten zu können.

Oftmals muss einige Tage nach Anlage des Gipsverbandes der Verband geöffnet und ein neuer Gips angelegt werden. Dies hängt mit der massiven Schwellung des Unterarmes und Handgelenkes im Rahmen der Verletzung zusammen. Schwillt der Unterarm nach einigen Tagen ab, sitzt der Verband zu locker und erfüllt nicht mehr seinen Zweck der Immobilisation. Andersrum sollte der Verband auch neu angelegt werden, wenn dieser zu fest sitzt und Druckstellen verursacht. Auch dann, wenn Gefühlsstörungen in den Fingern auftreten sollte eine Prüfung und Neuanlage des Verbandes erfolgen.

Ab wann braucht mein Kind eine OP?

Nicht immer kann ein Bruch des Unterarmes bei Kindern mit der Anlage eines Gipsverbandes therapiert werden. In bestimmten Fällen ist es sinnvoll die Option der operativen Versorgung zu wählen damit der Knochen optimal heilt, und keine Wachstumsstörung des Knochens im Verlauf auftritt. Beachtet werden muss hierbei, dass eine Vielzahl unterschiedlicher operativer Therapien existiert und von sehr aufwendigen Verfahren bis hin zu minimal invasiven Techniken reicht.

Neben der Art und Lokalisation der Fraktur spielen auch das Alter, Gewicht und Größe des Kindes eine große Rolle in der Wahl der Therapie. Generell gilt jedoch, dass bei einer instabilen Fraktur ein operatives Vorgehen in der Regel sinnvoll ist um den Knochen in seiner natürlichen Position zu fixieren. Auch dann, wenn es sich um eine offene Fraktur handelt (der Knochen also aus der Haut ragt) muss ein operativer Eingriff erfolgen. Liegt der Bruch innerhalb der Wachstumsfuge entscheidet die Art des Bruches und die Stellung der Knochen darüber, ob eine operative Therapie notwendig ist. Der behandelnde Arzt kann anhand der erstellten Röntgenbilder und einer körperlichen Untersuchung abschätzen, welches Therapieverfahren im individuellen Fall am sinnvollsten ist und eine Empfehlung aussprechen.

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Komplikationen bei Unterarmbrüchen beim Kind

Wie bei allen Verletzungen können auch bei Unterarmfrakturen Komplikationen auftreten. Bei Kindern werden hierbei vier Komplikationen hervorgehoben. Da bei Kindern möglichst auf Operationen verzichtet wird und eine konservative Behandlung erfolgt, kann bei zu früher Belastung der Knochen an der bereits verletzten Stelle erneut brechen. Dies ist bei mit Platten gesicherten Bruchstellen seltener.

Die zweite Komplikation ist die langfristige Bewegungseinschränkung des Unterarms. Bei dem Unterarm bestehend, aus Elle und Speiche, handelt es sich eigentlich um ein Gelenk, dass die Drehbewegung der Hand über eine Bewegung der Unterarmknochen führt. Bei schlecht verheilten Brüchen kann diese Bewegung eingeschränkt sein.

Die dritte Komplikation sind Weichteilschäden. Dies fasst Einblutungen in den Muskel oder Schäden der Nerven und Gefäße zusammen. Bei Schäden an den Nerven kann es zu dauerhaften Lähmungen oder Empfindungsstörungen im Bereich der Hand kommen

Weiterhin können Einblutungen in die Muskellogen zum sogenannten Kompartment-Syndrom führen. Die Muskeln sind gruppenweise in feste, nicht-dehnbar Häute eingepackt. Bei Einblutungen kann der Druck in diesen Hüllen so stark ansteigen, das Nerven und Muskulatur bleibende Schäden erleiden. Das Kompartment-Syndrom ist eine Notfallindikation für eine Operation.

Die Elle, wie auch die Speiche, verfügen, wie alle anderen so genannte Röhrenknochen auch, über eine Wachstumsfuge (Epiphyse). Hier findet das Längenwachstum statt. Wird dieser Bereich verletzt, so kann das zu Wachstumsstörungen kommen.
Der Knochenbruch im Bereich der Wachstumsfuge wird im Kindesalter nach Aitken und Salter eingeteilt. 
Mehr bebilderte Informationen zur Aitken und Salter - Klassifikation finden Sie unter unserem Thema Kindlicher Knochenbruch.

Neben diesen vier Komplikationen sind auch Operations-Komplikationen und Narkose-Komplikationen  möglich.

Weitere Informationen

Formen des Unterarmbruchs

Im distalen (an der Hand gelegenen Ende) Unterarmbereich unterscheidet man drei Arten von Brüchen:

  • Grünholzfraktur / Grünholzbruch
  • Stauchungsbruch oberhalb des Wachstumsfuge (Wulstbruch)
  • Biegungsbruch oberhalb der Wachstumsfuge
  • Lösung der Epiphyse (Wachstumsfuge) der Speiche mit oder ohne keilförmigem Bruchstück oberhalb der Epiphyse

Sie stellen die häufigsten Verletzungen des Armes dar. Die Besonderheit des unteren Bereichs des Unterarms ist die hohe Wachstumspotenz. Spontankorrekturen sind also möglich.
Im Thema „Knochenbruch im Kindesalter“ können Sie genaueres über die Art der Brüche und deren Spontankorrektur nachlesen.

Grünholzfraktur

Der kindliche Knochen ist noch in gewissen Grenzen elastisch.
Beim der Grünholzfraktur bricht der Knochen an der Zugseite, die Kompressionsseite biegt sich. Die Grünholzfraktur kommt zu seinem Namen, weil der kindliche Knochen die Eigenschaft hat, wie ein grüner Zweig zu brechen. Er bricht also nicht komplett durch, sondern birst auseinander ohne zu brechen.

Abbildung rechts

  1. Speiche
  2. Elle
  3. Grünholzfraktur

Lesen Sie hier mehr zum Thema: Grünholzfraktur

Stauchungsbruch / Wulstbruch

Bei Stauchungsbruch / Wulstbruch entsteht durch Kompression. Das bedeutet der Knochen wird mit Gewalt zusammengedrückt. Das Periost (Knochenhaut) bleibt erhalten und zerreist bei der Verletzung nicht.


Abbilung rechts

  1. Handwurzelknochen
  2. Stauchungsbruch / Wulstbruch
  3. Speiche (Radius)
  4. Wachstumsfugen (Epiphysen)
  5. Elle (Ulna)

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Autor: Dr. Nicolas Gumpert Veröffentlicht: 30.11.2007 - Letzte Änderung: 04.11.2021