Die Therapie bei Essstörungen ist vielschichtig. Im Folgenden sollen nun einige allgemeine therapeutische Ansätze gezeigt werden, die sowohl für die Anorexie, die Bulimie als auch die Binge Eating Disorder gelten.
Die therapeutischen Möglichkeiten bei Essstörungen sind vielschichtig.
Im Folgenden sollen nun einige allgemeine therapeutische Ansätze gezeigt werden, die sowohl für die Anorexie, die Bulimie als auch die Binge Eating Disorder gelten.
Als wichtigste Punkte sind zunächst 3 Fragen zu klären:
Diese Fragen sind deswegen gleich zu Anfang zu stellen, weil es viele Patienten gibt, die z.B. zwar leiden, aber nur sehr eingeschränkt änderungsmotiviert sind. Andere leiden kaum unter ihrer Störung. Hier ist ein therapeutisches Eingreifen nicht anzuraten, da es jederzeit zum Therapieabbruch kommen kann.
Sollten alle 3 Fragen jedoch zu dem Ergebnis führen, dass sowohl Patient als auch Therapeut sich über Sinn und Notwendigkeit einer Therapie einig sind, kann man mit der Therapieplanung und Therapiedurchführung beginnen.
Punkt 1:
Sinnvoll hat sich in meiner Erfahrung als erster Schritt die umfangreiche Informationsvermittlung (Psychoedukation) gezeigt. Hierbei sollte man den Patienten u.a. über Essverhalten generell aber auch über körperbezogene Besonderheiten informieren. Eine dieser Besonderheiten findet sich in der sog. "Set-Point"-Theorie. Diese besagt, dass das Gewicht nicht beliebig veränderbar ist. Vielmehr verfügt der Körper (offenbar) um eine Art innere "Waage mit Fettmessung", die uns ein individuelles Gewicht "vorprogrammiert". Wenn wir also mit Gewalt von diesem Gewicht abrücken, kommt es zu deutlichen (keineswegs immer guten) Veränderungen.
Punkt 2:
Es sollte mit dem Patienten gleich zu Beginn der Therapie ein Zielgewicht festgelegt werden. Hilfreich hierbei ist der sog. Body-Mass-Index (BMI). Dieser errechnet sich: Körpergewicht in kg / Körpergröße in m zum Quadrat
Als untere Grenze sollte ein BMI von 18-20 gelten. Als obere Grenze ein BMI (Body-Mass-Index) von ca. 30.
Punkt 3:
Erstellung einer Verlaufskurve. In dieser Verlaufskurve sollte der Verlauf des Gewichtes seit Auftreten der Störung zu sehen sein. Dieser Verlauf lässt sich dann ggf. in einen Zusammenhang mit bestimmten Lebensereignissen stellen.
Punkt 4:
Der Patient sollte sog. Essprotokolle erstellen, in denen sowohl innere (Gedanken und Gefühle) als auch äußere Auslösersituationen (Essen gehen mit der Familie etc.), aber auch das eigen Problemverhalten (z.B. Abführmittelmissbrauch etc.) aufgeschrieben wird. Hierbei ist es mit der Zeit möglich die Kritischen Situationen im Leben des Patienten "herauszufiltern", so daß man konkrete Verhaltensweisen oder Denkansätze für diese Situationen planen kann.
Punkt 5:
Zur Normalisierung des Gewichtes hat sich vor allem im stationären Bereich die Schließung eines Behandlungsvertrages bewährt. Wie bereits zuvor erwähnt, kommt es im Rahmen von Essstörungen zu großen Ängsten und Fehlwahrnehmungen, so dass Pat. trotz Motivation und Leidensdruck manchmal den therapeutischen Rahmen nicht ganz einhalten können.
Ich glaube aus meiner Erfahrung sagen zu dürfen, dass ein Großteil der Patienten während der Behandlung mindestens einmal versucht zu schummeln, zu lügen oder sonst wie zu betrügen. (Eine anorektische Patientin hat in der Regel nicht wirklich große Probleme am bekannten Wiegetag noch schnell ein bis zwei Liter Wasser zu trinken, um kurzzeitig die Therapeuten zufriedenzustellen ohne eine echte Gewichtszunahme zu riskieren). Aus diesem Grunde ist das sog. Contract - Management außerordentlich sinnvoll. Hier wird beispielsweise eine Mindestgewichtszunahme jede Woche verlangt (i.d.R. 500-700 g / Woche). An die Einhaltung des Vertrages sind zum einen Vergünstigungen (freier Ausgang, telefonieren etc.) gekoppelt, zum anderen aber auch die Fortführung der Therapie. Wiederholte Verletzung des Vertrages muss zum Abbruch führen (...meiner Meinung nach jedoch stets mit einer Wiedervorstellungsperspektive, da jeder mehr als eine Möglichkeit haben sollte...).
Punkt 6:
Weiterhin muss es in der Therapie erklärtes Ziel sein das Essverhalten
zu normalisieren. Hierzu bespricht man mit dem Patienten verschiedene Kontrolltechniken (z.B. kein Horten von Lebensmitteln etc.) und die Planung von Alternativverhalten in Stresssituationen. Weitere Möglichkeiten sind die Reizkonfrontation in Begleitung des Therapeuten, sowie die Cue - exposure - Übung, bei der ein Patient so lange einem typischen Nahrungsmittel "ausgesetzt" wird, bis er das Verlangen danach verliert.
Punkt 7:
Identifikation und Bearbeitung zu Grunde liegender Problembereiche
Die der Essstörung zu Grunde liegenden Konflikte sind individuell sehr unterschiedlich. Einige treten jedoch häufiger bei diesen Störungen auf, wie z.B. Selbstwertproblematik, extremes Leistungs- und Perfektionismusstreben, starkes Bedürfnis nach Kontrolle und Autonomie erhöhte Impulsivität, Probleme in Beziehung zu anderen Menschen, wie z.B. Abgrenzungs- oder Durchsetzungsprobleme im familiären Bereich. Häufig werden die Probleme erst bei einer Reduktion der primären Symptomatik (Hungern, Essanfälle, Erbrechen etc.) erkennbar.
Die Möglichkeiten der Bearbeitung der Problembereiche können je nach Art des Konfliktes in einer Verbesserung der allgemeinen Problemlösefähigkeit oder im Aufbau neuer Kompetenzen (z.B. Verbesserung der sozialen Kompetenz durch Selbstsicherheitstraining) liegen. Bezieht sich der Konflikt auf die Interaktion mit wichtigen Bezugspersonen sollten diese (Familie, Partner) in die Therapie einbezogen werden.
Punkt 8:
Kognitive Techniken, dass heißt das Erlernen von neuen Gedankengängen und das Verlassen der alten gedanklichen "Trampelpfade", haben in der Therapie von Essgestörten eine große Bedeutung. Das Hinterfragen von verzerrten Einstellungen, das Schwarz - Weiß - Denken, die Überprüfung von Überzeugungen an der Wirklichkeit sollten ihren Schwerpunkt allerdings erst in Mitte der Therapie finden, wenn sich das Essverhalten schon etwas normalisiert hat.
Punkt 9:
Die Bearbeitung der Körperschemastörung bedeutet, dass der Patient angeleitet wird sich vermehrt mit dem eigenen Körper auseinander zusetzen. Hierbei können viele praktische Übungen durchgeführt werden. (Massage, Atemübungen, Spiegelkonfrontation, Pantomime etc.)
Punkt 10:
Parallel zu den oben genannten therapeutischen Verfahren sollte man auch über eine unterstützende medikamentöse Therapie nachdenken. Hierbei kann man sich bekannte Wirkungen (und Nebenwirkungen) verschiedener Medikamente zu Nutze machen. Beispielsweise ist bekannt, dass es durch trizyklische Antidepressiva zu einer Appetitssteigerung kommen kann, wohingegen die sog SSRI eher appetitszügelnd wirken.
Punkt 11:
Abschließend muss man mit dem Patienten natürlich auch über Rückfallprophylaxe, also die Vorbeugung des Rückfalls, sprechen. Aus diesem Grund sollte man mit ihm möglich "gefährliche" Situationen besprechen und ihn damit schrittweise konfrontieren. Hierbei sollte es zu einem schrittweisen Rückzug des Therapeuten kommen, damit der Patient letztendlich die Bestätigung bekommt, die Situationen alleine meistern zu können.
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