Was können Anzeichen für einen Suizid sein?

Welche suizidalen Denkmuster gibt es?

Suizidale Gedanken sind in der Regel Symptom einer psychischen Erkrankung, allen voran einer Depression. Im Rahmen einer solchen psychischen Störung weisen die Betroffenen spezifische Denkmuster auf, aus denen sie nicht selbstständig ausbrechen können und die im schlimmsten Fall zum Suizid führen.

Die Gedanken werden von

  • Hoffnungslosigkeit,
  • Trauer
  • und anderen negativen Gefühlen dominiert und spitzen sich immer weiter zu.

Weitere Informationen finden Sie hier: Wie kann man eine Depression erkennen?

Dominierende Gedanken

Die Patienten sind geradezu gefangen in diesen dunklen Gedankenspiralen. Beispiele hierfür sind:

  • Das ist alles meine Schuld.“
  • Ich kann nichts daran ändern.“ 
  • Es gibt keinen Ausweg.“  
  • Ich kann nicht klar denken.“
  • Ich kann das nicht mehr ertragen.“
  • Es hat alles keinen Sinn mehr.“
  • Ich bin jedem nur eine Last.“
  • Keiner würde mich vermissen.“
  • Keiner kann mir helfen.“
  • Ich bin vollkommen allein.“

Diese Gedanken lähmen die Betroffenen und verhindern das Wahrnehmen positiver Erlebnisse. Negative Ereignisse hingegen werden immer und immer wieder durchlebt. Dazu kommt im Rahmen der psychischen Erkrankung häufig eine Aufmerksamkeits- und Konzentrationsstörung, sodass die Betroffenen ohnehin nur schwer klare Gedanken fassen und ihre Situation reflektieren können. Alles, was sie erleben, ist somit negativ, und das Ende des eigenen Lebens wirkt wie der einzige Ausweg.

Welche Gefühlsregungen können auf einen Suizid hindeuten?

Die Gefühle einer suizidgefährdeten Person entsprechen in ihren Grundzügen denen einer Depression. Dazu zählen in erster Linie

  • Freud- und Antriebslosigkeit,
  • Melancholie
  • und Interessenverlust.

Suizidale Patienten leiden darüber hinaus unter einer tiefgehenden Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit, die die Gedanken an eine Beendigung des eigenen Lebens entfachen. Dieser innere Konflikt äußert sich u.a. in einer ausgeprägten Reizbarkeit, überspitzten Stress- und Angstreaktionen und häufigen Stimmungsschwankungen. Auch das Gefühl der Einsamkeit und Isolation ist bei suizidalen Menschen allgegenwärtig.

Bei einem akut geplanten Suizid schlägt diese bedrückte Stimmung ganz plötzlich ins Positive um. Denn Patienten, die sich fest zum Selbstmord entschlossen haben, sind schlagartig ruhiger und gelassener, geradezu entspannt, da sie für sich eine Lösung ihres Problems gefunden haben. Sie zeigen daher keine Symptome einer Depression mehr, sondern geradezu eine Stimmungsaufhellung. Eine plötzliche Gefühlsentwicklung ins Positive bei bekannter Depression ist daher ein eindeutiges Warnsignal für einen bevorstehenden Suizid.

Weitere Informationen zu diesem Thema erhalten Sie auch auf unserer Seite: Depression und Suizid

Typische Verhaltensweisen, die auf einen Suizid hindeuten

Hält eine Person das eigene Leben nicht mehr für lebenswert, wird sich sein Verhalten dementsprechend ändern.

Viele suizidale Menschen legen beispielsweise eine erhöhte Risikobereitschaft an den Tag, wie übermäßigen Alkohol- oder Drogenkonsum oder ungeschützten Geschlechtsverkehr, da ihr Leben keinen Wert mehr für sie hat und nicht geschützt werden muss.

Außerdem reden die meisten suizidgefährdeten Personen mehr oder weniger offen über ihre Selbstmordgedanken, wenn man sie darauf anspricht.

Ist die definitive Entscheidung zum Selbstmord gefallen, wird die Person gewisse Vorbereitungen treffen. Das kann beispielsweise das Regeln der persönlichen Angelegenheiten oder der Abschied von geliebten Menschen sein. Typische Verhaltensweisen wären daher das Weggeben des eigenen Vermögens oder wertvoller Gegenstände, die Festlegung des letzten Willens oder das letzte Treffen mit Nahestehenden.

Eindeutig wäre außerdem die Beschaffung eines Tötungsmittels, wie z.B. Tabletten, oder die Beschäftigung mit Brücken, Bahnübergängen und anderen Todesszenarien. Bei manchen Betroffenen bekommt das Umfeld diese Vorbereitungen gar nicht mit und der Selbstmord kommt für alle unvermittelt. In den meisten Fällen jedoch äußert die suizidale Person eindeutig ihren Sterbewunsch und zeigt dementsprechende Verhaltensweisen.

Plötzliche Besserung der Depression

Ist der Entschluss zur Selbsttötung gefasst, hat die Person wieder einen Plan und einen Sinn für sein restliches Leben.

Für Menschen, die lange Zeit unter Depressionen gelitten und gewissermaßen die Kontrolle über das eigene Leben verloren haben, stellt die Entscheidung zum Suizid eine Erleichterung da. In den meisten Fällen sind diese Menschen daher vor ihrem Suizid eher ruhig und gelassen statt depressiv und aufgewühlt.

Was für Laien also wie eine Besserung des Zustandes der Person aussieht, ist in Wirklichkeit die Ruhe vor dem Sturm, dem Selbstmord.

Sozialer Rückzug

Depressive Denkmuster und Suizidgedanken isolieren die Betroffenen und kapseln sie von ihrem sozialen Umfeld ab.

Depressive und suizidale Gedanken sind Symptome einer Krankheit, sie drängen sich auf und lassen sich nicht ignorieren. Das macht den Umgang mit Familie und Freunden sehr schwierig. Denn wer so schwer psychisch krank ist, kann seine Sorgen und Ängste nicht einfach abschalten, um sich mit Freunden zu treffen und gute Laune zu verbreiten. Der Umgang mit anderen Menschen ist für die Betroffenen daher sehr anstrengend, wenn sich ihnen ständig negative Gedanken aufzwingen und sie sich vom normalen Leben ausgeschlossen fühlen.

Suizidgedanken führen also dazu, dass Menschen einsam sind, selbst wenn sie umringt werden von Familie und Freunden. Allein sein ist für sie schlichtweg einfacher, da sie niemandem etwas vormachen müssen und keinem eine Bürde sind.

Dieser soziale Rückzug verstärkt auf längere Zeit jedoch das Gefühl der Einsamkeit und isoliert sie mehr und mehr in ihrer schweren Lage. Auch für das Umfeld wird es dadurch mühsam, Warnsignale der psychischen Erkrankung und Anzeichen für einen Suizidversuch wahrzunehmen. Der soziale Rückzug ist daher einer der Gründe, aus denen ein Selbstmord für das Umfeld häufig überraschend kommt, obwohl der Betroffene schon längere Zeit unter seinen Selbstmordgedanken leidet.

Der Abschluss von unerledigten Dingen

Die meisten Suizide sind akribisch vorbereitet und der Betroffene möchte vorher alle unerledigten Dinge in seinem Leben zum Abschluss bringen. Solche Warnsignale sind höchst verdächtig, da sie darauf hindeuten, dass der Betroffene den Selbstmord bereits genauestens plant.

Dabei versuchen viele vor ihrem Tod mit sich und anderen ins Reine zu kommen, indem sie beispielsweise alte Streitereien und Konflikte aus der Welt schaffen.

Auch das Verfügen über Eigentum und Vermögen, beispielsweise in Form eines Testaments oder letzten Willens, ist vielen vor ihrem Tod wichtig.

Manche geben sogar ihre Haustiere ab, damit sie nach dem Selbstmord nicht unversorgt bleiben. Vermutet man Suizidgedanken bei einem Bekannten, sollte man auf solche Warnhinweise achten.

Besonderheiten bei suizidgefährdeten Jugendlichen

An Kinder und Jugendliche werden Erwartungen gestellt, die für Erwachsene nicht immer nachvollziehbar sind, die jungen Menschen aber einem enormen sozialen und psychischen Druck aussetzen, mit dem sie nicht umgehen können.

Suizide im Jugendalter sind daher leider keine Seltenheit. Davor kommt es zu gewissen Warnsignalen, die es zu interpretieren gilt. Dazu zählen 

  • der soziale Rückzug,
  • Schwierigkeiten in der Schule und im Alltag,
  • Lustlosigkeit,
  • Stimmungsschwankungen,
  • aggressives Verhalten,
  • Lügen, Alkohol- bzw. Drogenkonsum,
  • körperliche Symptome wie Kopf- oder Bauchschmerzen,
  • ein geringes Selbstvertrauen mit Scham- bzw. Schuldgefühlen

und noch viele weitere Symptome, die auf eine psychische Belastung oder eine Depression hindeuten.

Außerdem beschäftigen sich die Jugendlichen mit dem (Frei-)Tod, beispielsweise mit den Selbstmorden berühmter Persönlichkeiten. Die meisten kündigen den Suizidversuch sogar mehr oder weniger direkt an, sprechen von sich aus über das Thema Selbstmord oder schreiben diesbezüglich in ihr Tagebuch oder in Online-Foren.

Außerdem verschenken viele ihre Lieblingssachen und geben ihre Haustiere ab, wenn sie den eigenen Tod planen. Gerade bei Kindern und Jugendlichen aus schwierigen Verhältnissen und mit psychischer Vorbelastung sollte man auf diese Anzeichen achten.

Lesen Sie auch folgenden Artikel: Depression bei Kindern.

Genetische Veranlagung zu Depressionen

Die meisten psychischen Erkrankungen kommen familiär gehäuft vor, betreffen also mehrere Mitglieder einer Familie. So verhält es sich auch mit Suiziden und Suizidgedanken, da sie Symptome einer solchen psychischen Erkrankung sind. Eine Person hat daher ein höheres Suizidrisiko, wenn sich bereits ein naher Verwandter das Leben genommen hat, beziehungsweise von Selbstmordgedanken geplagt wird.

Für diese familiäre Häufung gibt es verschiedene Erklärungen. Einerseits weiß man von speziellen Genen, die einen Menschen anfälliger für psychische Erkrankungen machen können, indem sie beispielsweise den Stoffwechsel der Botenstoffe im Gehirn stören und somit unter anderem die emotionale Verarbeitung beeinflussen.

Erfahren Sie mehr über das Thema hier: Die Rolle von Serotonin bei einer Depression.

Andererseits spielt auch die Umwelt dieser Familien eine große Rolle. Leidet ein Mensch beispielsweise wegen finanziellen Sorgen unter einer Depression, ist es wahrscheinlich, dass nahe Angehörige diese schwierige Situation teilen.

Außerdem stellt der Selbstmord eines Verwandten eine schreckliche Traumatisierung dar, die zusätzlich krankheitsverstärkend wirkt.

Verwandte haben daher ein höheres genetisches und umweltbedingtes Risiko, eine psychischen Erkrankung mit Suizidgedanken zu entwickeln, als eine Person aus einer Familie ohne Suizide.

Was tun, wenn man vermutet, dass ein Mensch einen Suizid beabsichtigt?

Selbstmorddrohungen sind keinesfalls auf die leichte Schulter zu nehmen. Leider gibt es kein Rezept für den Umgang mit selbstmordgefährdeten Personen und die meisten wissen nicht, was sie in so einer Situation tun sollen.

Doch unabhängig davon, ob einem diese Person nahe steht oder man sich ein Eingreifen zutraut, ist das Hinzuziehen von professioneller Hilfe immer der wichtigste Schritt. Denn letztendlich hat keiner die Macht, jemanden vom Selbstmord abzubringen, wenn derjenige sich wirklich umbringen möchte. Nur eine psychiatrische Therapie ist eine dauerhafte Hilfe.

Als Angehöriger kann man daher lediglich für die Person da sein, ihr ein offenes Ohr schenken und sich um sie bemühen, sollte ihr aber dringend zu einem Arztbesuch raten. Man kann der Person außerdem anbieten, sie zum Psychiater zu begleiten und sie nicht mit der Therapie allein zu lassen.

Will der Betroffene keine professionelle Hilfe annehmen, hat er ab dem Moment die Entscheidungsfreiheit verloren, in dem er sich selbst oder andere gefährdet. Besteht also eine akute Selbstmordgefahr, sollte man nicht erst selbst versuchen, die Person davon abzubringen, sondern sofort den Notarzt oder die Polizei verständigen. Denn nur der Notdienst und die Polizei haben die Befugnis und die Mittel, eine Person vor sich selbst zu schützen.

Autor: Dr. Nicolas Gumpert Veröffentlicht: 28.11.2018 - Letzte Änderung: 22.10.2021