Hirnbiopsie

Was ist eine Hirnbiopsie?

Bei einer Biopsie handelt es sich um eine Gewebeprobe, welche aus einem bestimmten Gebiet des Körpers entnommen wird. Folglich spricht man von einer Hirnbiopsie, wenn Probenmaterial aus dem Gehirn gewonnen wird. Dabei muss man zwischen den verschiedenen Abschnitten des Gehirns entscheiden. Besonders gut lassen sich Proben aus den oberflächlichen Hirnarealen (vor allem der Großhirnrinde) entnehmen. Doch auch das Kleinhirn und das Zwischenhirn können biopsiert werden. Tiefere Hirnabschnitte wie der sogenannte Thalamus oder der Hirnstamm sind dagegen schwerer zu erreichen.

Lesen Sie mehr zum Thema unter: Biopsie

Indikationen

Eine Hirnbiopsie wird eher selten durchgeführt, da der direkte Eingriff am Gehirn immer mit Risiken einhergeht. Daher ist eine Abwägung der Risiken gegen den Nutzen der Hirnbiopsie besonders wichtig. Häufige Indikationen für eine Hirnbiopsie sind Raumforderungen im Gehirn. Diese können sowohl durch gutartige als auch durch bösartige Prozesse ausgelöst werden und müssen daher schnellstmöglich abgeklärt werden, damit eine vernünftige Therapiestrategie entwickelt werden kann. Die Hirnbiopsie spielt also in der Tumordiagnostik eine wichtige Rolle.

Auch bei degenerativen Erkrankungen, bei welchen die Hirnsubstanz zunehmend schwindet, kann eine Biopsie durchgeführt werden, um die Ursache der Beschwerden zu identifizieren. Selten kommt die Hirnbiopsie bei infektiösen Erkrankungen zum Einsatz. Hier greift man meist auf eine Liquoruntersuchung (Untersuchung des Hirnwassers) zurück.

Was ist eine stereotaktische Hirnbiopsie?

Als stereotaktisch werden in der Medizin Verfahren bezeichnet, die von mehreren Richtungen aus durchgeführt werden. So kann eine Hirnbiopsie, die an einer sehr kleinen Stelle im Gehirn durchgeführt werden soll, am besten stereotaktisch erfolgen. Dafür wird zunächst eine dreidimensionale Bildgebung des Gehirns benötigt. Mithilfe von Computersimulationen kann anschließend der genaue Ort der zu untersuchenden Hirnregion bestimmt werden. Anschließend wird ein Ring auf den Kopf aufgesetzt, an dem an verschiedenen stellen die Biopsieinstrumente befestigt werden. Durch kleine Löcher, die in den Schädel gebohrt werden, gelangen die Instrumente ins Hirn. Der Ort, an dem sich die Instrumente treffen, ist die Stelle, an der die Hirnbiospie entnommen werden soll. Die stereotaktische Hirnbiopsie ist aufgrund ihrer Präzision im Vergleich zu anderen Verfahren besonders gewebeschonend.

Vorbereitung

In der Vorbereitung auf eine Hirnbiopsie spielt zunächst die Indikationsstellung eine wichtige Rolle. Aufgrund einiger schwerer Komplikationen sollte der Nutzen der Biopsie genau abgewogen werden. Ergibt sich jedoch aus Voruntersuchungen der Verdacht einer bösartigen Erkrankung, muss die Biopsie für eine sinnvolle Therapieplanung durchgeführt werden. Vor der Biopsie ist außerdem eine genaue dreidimensionale Bildgebung des Gehirns (meist ein MRT des Gehirns) notwendig, da nur so der genaue Ort der Probenentnahme bestimmt werden kann. In der Regel werden anschließend mittels Computersimulationen die perfekten Biopsieorte bestimmt. Die Biopsie selbst findet in Betäubung (häufig auch in Vollnarkose) statt, sodass auch eine Vorbereitung durch die Anästhesisten (Narkoseärzte) erfolgen muss.

Ablauf

Der Ablauf der Hirnbiopsie unterscheidet sich etwas, je nachdem an welchen Orten und wie viele Biopsien entnommen werden sollen. Zunächst ist die Planung der genauen Sellen mittels dreidimensionaler Bilder und Computeranimationen wichtig. Anschließend wird beschlossen, ob die Hirnbiopsie in Vollnarkose entnommen wird. Meist erfolgt die Biopsie mittels sehr dünner Instrumente. Diese werden auf einen Ring, der auf den Kopf aufgesetzt werden kann, aufgespannt. Dadurch wird die vorher durch den Computer bestimmte Lokalisation der Hirnbiopsie gewährleistet. Vor der eigentlichen Biopsie müssen nun kleine Löcher in den Schädelknochen gebohrt werden, durch welche die Instrumente in den Schädel eingeführt werden können. Anschließend werden die Biopsieinstrumente punktgenau an den/die gewünschte/n Ort/e gebracht. Dort wird/werden eine oder mehrere Biopsien entnommen.

Die Gewebeproben werden anschließend meist sofort konserviert und in eine Pathologie geschickt, wo die Biopsate unter dem Mikroskop auf Auffälligkeiten untersucht werden können. Die Instrumente werden aus dem Schädel entfernt, anschließend werden die Löcher wieder verschlossen. Wenn der Eingriff in Vollnarkose durchgeführt wurde, folgt die Aufwachphase, in welcher weiterhin eine Überwachung der Organfunktionen (Atmung, Herzschlag, etc) stattfindet.

Wie schmerzhaft ist das danach?

Da die Hirnbiopsie meist mittels kleiner Löcher im Schädel durchgeführt werden kann, ist der Eingriff nicht besonders schmerzhaft. Das Gehirn selbst besitzt kein ausgeprägtes System an schmerzleitenden Nervenfasern, daher können dort auch keine Schmerzreize empfunden werden. Der Schmerz kann dagegen an den Hirnhäuten (diese Umgeben das Gehirn innerhalb des Schädels) sowie am Schädelknochen und der Kopfhaut wahrgenommen werden. Durch die zusätzliche örtliche Betäubung der Haut sowie der Knochenhaut des Schädels treten Schmerzen meist erst einige Stunden nach dem Eingriff auf. In der Regel sind sie durch leichte Schmerzmittel wie Ibuprofen gut behandelbar und lassen nach einigen Tagen wieder nach.

Ergebnisse

Die Ergebnisse der Hirnbiopsie unterscheiden sich je nach zugrundeliegender Erkrankung sehr deutlich. So sollte bei Raumforderungen zunächst eine Unterscheidung in gut- und bösartige Prozesse erfolgen. Anschließend muss genauer bestimmt werden, von welchem Hirngewebe die Läsion ausgeht. So kann neben den einzelnen großen Anteilen des Gehirns (Großhirn, Kleinhirn, Zwischenhirn, etc.) auch zwischen unterschiedlichen Zellen im Gehirn entschieden werden. Die Raumforderungen können beispielsweise von den Nervenzellen selbst ausgehen. Aber auch Zellen, die nur der Isolation der Nervenbahnen dienen, können entarten oder sich ungewollt vermehren. Zudem können auch Zellen der Hirnhäute (Meningen) sich verändern.

Eine genaue Unterscheidung der zugrundeliegenden Mechanismen erfolgt meist unter dem Mikroskop. Außerdem werden verschiedene Färbemethoden angewandt, die bestimmte biologische Eigenschaften der betroffenen Zellen untersuchen können. Bei neurodegenerativen Erkrankungen (Rückgang des Hirngewebes) sollten die Ergebnisse der Biopsie ebenfalls erklären können, von welchen Zellen des Gehirns die Prozesse ausgehen. Gegebenenfalls können bei Hirnbiopsien auch Ablagerungen von giftigen Stoffen im Gehirn gefunden werden, welche bestimmte Symptome erklären. Gelegentlich trifft man auch auf Krankheitserreger (Pilze, Bakterien), die eine infektiöse Erkrankung des Gehirns auslösen können.

Dauer bis zu den Ergebnissen

Die groben Ergebnisse sind je nach Dringlichkeit nach einer Hirnbiopsie meist bereits nach einem Tag zu erwarten (abhängig davon, ob das durchführende Krankenhaus selbst eine pathologische Abteilung besitzt oder die Proben erst an eine geeignete Einrichtung verschicken muss). Eine genaue Untersuchung der erkrankten Zellen sowie deren biologisches Profil kann dagegen einige Tage bis hin zu Wochen in Anspruch nehmen. Oftmals treffen einzelne Ergebnisse an mehreren aufeinanderfolgenden Tagen ein.

Risiken - Wie gefährlich kann das sein?

Die Risiken einer Hirnbiopsie lassen sich in verschiedene Kategorien unterteilen. So kann es zunächst zu allgemeinen Komplikationen wie Blutungen, Nachblutungen, Schwellungen und Verletzungen von Strukturen an der Haut oder am Schädel kommen. Dies kann in der Folge zu Schmerzen an der betroffenen Stelle führen. Auch eine allergische Reaktion auf das lokale Betäubungsmittel sowie gegebenenfalls auf die Narkose sind möglich.

Unmittelbar durch die Biopsie hervorgerufene Komplikationen machen sich vor allem im Gehirn bemerkbar. Auch dort können einzelne Strukturen geschädigt werden, wodurch es zu Funktionsausfällen des Gehirns kommen kann. Meist werden jedoch nur kleine Strukturen ersetzt, sodass es eher zu vorübergehenden Phänomenen kommt. Zudem ist auch eine kurzzeitig bestehende Verwirrung nach dem Eingriff am Gehirn nicht selten.

Die gefürchtetsten und gefährlichsten Risiken der Hirnbiopsie bestehen in einer Infektion. Da bei der Untersuchung Löcher in den Schädel gebohrt werden, besteht nun eine direkte Verbindung zwischen der Außenwelt und dem ansonsten besonders gut abgeschirmten Gehirn. Daher eignen sich die Löcher sowie die Biopsieinstrumente hervorragend für Infektionen durch Bakterien, Pilze oder Viren. Sind die Krankheitserreger einmal ins Gehirn gelangt, können sie dort häufig größeren Schaden anrichten, wichtige Strukturen zerstören und zu lebensbedrohlichen Gehirnentzündungen (Enzephalitis) führen.

Lesen Sie mehr zum Thema unter: Entzündung im Gehirn

Dauer

Die Dauer einer Hirnbiopsie wird meist dadurch bestimmt, wie viele Biopsien entnommen werden müssen und wie gut die betroffenen Stellen erreichbar sind. Wird die Biopsie in Vollnarkose durchgeführt, muss zudem die Dauer der Narkoseein- und -ausleitung hinzugerechnet werden. Aufgrund der guten technischen Vorbereitung durch Computermodelle aus dreidimensionalen Bildern, können Hirnbiopsien in immer kürzerer Zeit durchgeführt werden. Die Entnahme der Gewebeprobe selbst nimmt oftmals nur einige Minuten in Anspruch. Mitsamt der Desinfektion sowie der Bohrung der Löcher in den Schädel dauert der Eingriff in der Regel nur wenige Stunden.

Wie lange bin ich im Krankenhaus?

Da viele Hirnbiopsien in Vollnarkose durchgeführt werden, sollte man nach der Biopsie mindestens einen Tag lang zur Überwachung in der Klinik bleiben. So können gleichzeitig mögliche Schädigungen von Hirnstrukturen überwacht werden. Die anschließende Aufenthaltsdauer in der Klinik wird meist nicht mehr durch die Biopsie bestimmt, sondern durch die daraus folgenden Therapieentscheidungen. So kann es gerade beim Verdacht auf bösartige Veränderungen im Hirn zu einer sich unmittelbar anschließenden Therapie kommen, welche mehrere Tage bis Wochen in Anspruch nehmen kann.

Was sind die Alternativen?

Die Alternativen zu einer Hirnbiopsie sind in der Regel eingeschränkt, da man sich nur in besonderen Situationen für eine Biopsie entscheidet. Vorab sind meist schon viele Bildgebungen des Hirns erfolgt, mit deren Hilfe man versucht, die Diagnosen einzugrenzen. Einige Prozesse können anstelle einer Hirnbiopsie durch eine Liquorpunktion, also eine Untersuchung des Hirnwassers erfolgen. Oftmals ist jedoch eine Biopsie zur genauen Diagnosestellung unumgänglich.

Lesen Sie mehr zum Thema unter: Lumbalpunktion

Weitere Informationen

Weitere Informationen zum Thema Hirnbiopsie finden Sie unter:

Eine Übersicht aller Themen aus dem Bereich der Diagnostik finden Sie unter: Diagnostik A-Z

Autor: Dr. Nicolas Gumpert Veröffentlicht: 04.12.2019 - Letzte Änderung: 22.10.2021