Nestschutz - Was ist das?

Definition

Im Mutterleib werden die Babys beschützt und mit allem versorgt, was sie zum Leben und für ihre Entwicklung benötigen. Damit die Kleinen direkt nach der Geburt nicht sofort Keimen und Krankheitserregern ausgesetzt sind, wird ihnen bereits im Mutterleib etwas mitgegeben, was sie im Kampf gegen die Krankheitserreger unterstützen soll. Dieser sogenannte Nestschutz bietet den Babys in den ersten Lebensmonaten einen ausreichenden Schutz vor vielen Krankheiten und verschafft ihnen Zeit, das körpereigene Immunsystem zu entwickeln und auszubauen.

Während sich das Kind im Mutterleib befindet, sorgt zunächst eine Barriere im Mutterkuchen für einen Schutz. Im Rahmen einer Infektion beginnt das Immunsystem, spezifische Antikörper gegen den auslösenden Erreger zu bilden. Im Laufe der Zeit gelangen Antikörper der Mutter über die Nabelschnur in das Blut des Kindes. Antikörper sind Eiweißmoleküle, die in der Lage sind, Viren und Bakterien zu erkennen und zu bekämpfen. Bei einer erneuten Infektion mit dem selben Erreger, kann dieser schnell und sicher erkannt und eliminiert werden. Das Kind leiht sich gewissermaßen das Immunsystem der Mutter aus.

Die Übertragung der Antikörper intensiviert sich ab der 34. Schwangerschaftswoche, sodass das Kind den meisten Anteil des Nestschutz erst kurz vor der Geburt enthält. Der Transfer der Antikörper bricht mit der Geburt nach der Durchtrennung der Nabelschnur ab.

In den ersten paar Monaten nach der Geburt ist das Kind dennoch gut gegen Keime in der Umgebung der Mutter geschützt. In den ersten zwei bis drei Monaten ist der Nestschutz am stärksten. Während des weiteren Wachstums entwickelt sich das körpereigene Immunsystem weiter und beginnt selbstständig Antikörper gegen Krankheitserreger zu bilden. Ab dem zweiten Lebensmonat tragen ebenfalls die ersten Impfungen zu diesem Reifungsprozess bei. Bis das Immunsystem des Kindes vollständig entwickelt ist, dauert es allerdings noch mehrere Jahre.

Kinder, die gestillt werden, bekommen über die Muttermilch weiterhin Antikörper der Mutter. Diese sind allerdings im Gegensatz zum Nestschutz relativ unspezifisch und dienen eher zur zusätzlichen Stärkung und Unterstützung des noch unreifen kindlichen Immunsystems.

Nach dem neunten Lebensmonat verfällt der mütterliche Nestschutz langsam.

Wie gut wirkt der Nestschutz gegen Masern?

Hat man ein Mal eine Masernerkrankung  durchlebt, besteht eine lebenslange Immunität gegen das krankheitsauslösende Virus. Das liegt daran, dass das Immunsystem bei einer Erkrankung mit Masern spezifische Antikörper gegen den Erreger bildet, welche lebenslang im Organismus zirkulieren und eine Immunität bilden.

Haben Mütter schon einmal eine Infektion mit Masern gehabt oder erkranken in der Schwangerschaft an Masern, befinden sich im mütterlichen Blut Antikörper, die über die Nabelschnur in den kindlichen Organismus übertragen werden. Dort stellen sie in den ersten Lebensmonaten einen ausreichenden natürlichen Schutz dar.

Da das Baby während des Nestschutz ausreichend gegen eine Infektion mit Masern geschützt ist, sollte eine Impfung erst am Ende des ersten Lebensjahres durchgeführt werden, wenn der Nestschutz bereits verfallen ist, da sich die Impfwirkung sonst durch den von der Mutter mitgegebenen Nestschutz aufheben würde.

Wie gut wirkt der Nestschutz gegen Windpocken?

Ebenso wie bei einer Erkrankung mit Masern, besteht auch bei einer Infektion mit den Windpocken in den ersten Lebensmonaten ein Nestschutz, der die kleinen Babys vor einer schwerwiegenden Infektion mit möglichen Folgeschäden zunächst noch ausreichend schützt. Wenn Mütter gegen Windpocken immun sind, also in Form einer Impfung oder einer bereits durchgemachten Infektion mit dem Varizella – Zoster – Virus, gelangt vor der Geburt ein Teil der Antikörper, die gegen diesen Virus gebildet wurden über den Mutterkuchen in den kindlichen Blutkreislauf. In den ersten drei Lebensmonaten besteht dadurch ein ausreichender Schutz für das Baby.

Danach nimmt im Laufe der weiteren Entwicklung die Gefahr für eine Ansteckung mit dem Varizella – Zoster – Virus zu. Ab dem sechstem Lebensmonat verfällt der Nestschutz vollständig. Um das Kind auch danach ausreichend zu schützen, gibt es einen Impfstoff, der zusammen mit einem Kombinationsimpfstoff für Mumps, Masern und Röteln ab dem 12. Lebensmonat verabreicht werden kann.

Die Impfung gegen Windpocken ist besonders zu empfehlen, da der Virus hoch ansteckend ist und mit schweren Komplikationen, wie Krampfanfällen oder einer Hirnhautentzündung und eventuell bleibenden geistigen Schäden einhergehen kann.

Wie wirkt der Nestschutz gegen Herpes?

Der Nestschutz wirkt nicht gegen eine Infektion mit Herpes. Eine Herpesinfektion beim Baby oder auch Kleinkind kann besonders gefährlich werden und zu schwerwiegenden und lebensgefährlichen Komplikationen führen.

Bei einer Herpesinfektion handelt es sich um eine virale Infektion, die von vielen verschiedenen Herpeserregern ausgehen kann. Da die Viren über Tröpfchen übertragen werden, ist es besonders wichtig, auf ausreichende Hygienemaßnahmen zu achten. Herpes wird nicht nur durchs Küssen übertragen, sondern auch durch den selben Gebrauch von Gläsern, Löffeln oder Waschartikeln. Leiden die Eltern oder auch andere Verwandte oder Freunde an einer Herpesinfektion, sollte der Kontakt zum Baby so gut es geht vermieden werden, damit die Ansteckungsgefahr gering gehalten werden kann.

Besonders in den ersten Lebensmonaten ist das Immunsystem eines Babys noch so geschwächt, dass das Herpes Virus sich auf innere Organe oder das Gehirn ausbreiten und lebensbedrohliche Infektionen verursachen kann. Eine Impfung gegen die verschiedenen Herpesviren gibt es nicht.

Lesen Sie hierzu auch: Herpes beim Baby - Wie gefährlich ist das?

Wirkt der Nestschutz auch gegen Schnupfen?

Viele Babys bekommen nach der Geburt den ersten Schnupfen oder eine laufende Nase. Oftmals haben sie zudem auch etwas Husten oder einen leicht fieberhaften Infekt. Diese Symptome sind in den meisten Fällen als Zeichen eines leichten grippalen Infektes anzusehen.

Da so ein Infekt immer wieder durch andere Viren und Bakterien ausgelöst werden kann und diese sich von Saison zu Saison verändern und andere Symptome hervorrufen, wirkt der Nestschutz nicht gegen einen Schnupfen. Die Babys können also auch während des Nestschutz an einem Schnupfen oder einem grippalen Infekt erkranken. In diesen Fällen wird das Immunsystem des Babys besonders früh herausgefordert und muss den auslösenden Erregern mehr oder weniger effektiv entgegen treten. Ein leichter Schnupfen schadet den Babys meist nicht. Ganz im Gegenteil, er trägt zur weiteren Reifung des Immunsystems bei.

Trotzdem sollte man versuchen, Babys von Personen mit einem starken Schnupfen oder einer Grippe fernzuhalten, damit eine Ansteckung so gut es geht vermieden werden kann.

Lesen Sie hierzu auch: Was tun wenn mein Baby Schnupfen hat?

Wie gut wirkt der Nestschutz gegen Keuchhusten?

In mehreren Untersuchungen hat man herausgefunden, dass der Nestschutz gegen eine Infektion mit Keuchhusten keinen ausreichenden Schutz bietet. Das liegt daran, dass die meisten schwangeren Frauen keinen ausreichend hohen Impftiter gegen Keuchhusten besitzen und somit in den letzten Wochen vor der Geburt zu wenig Antikörper über das Blut der Nabelschnur übertragen werden.

Da die erste kindliche Impfung gegen Keuchhusten aber erst ab dem zweiten Lebensmonat möglich ist, hat man besonders in den ersten 8 Lebenswochen besondere Angst vor einer Infektion mit Keuchhusten, die die kleinen Babys stark schwächen kann und in manchen Fällen auch mit schwerwiegenden Komplikationen, wie zum Beispiel Krampfanfällen oder Atemstillständen einhergehen kann. Deshalb wird diskutiert, ob man Schwangere im letzten Schwangerschaftsdrittel nochmal gegen Keuchhusten impfen sollte, damit die Antikörperproduktion erneut aufgenommen wird und dem Kind dann genügend mütterliche Antikörper für einen ausreichenden Schutz bis zur ersten kindlichen Impfung zur Verfügung stehen.

Lesen Sie hierzu auch: Impfung gegen Keuchhusten

Kann man trotz Nestschutz impfen?

Der Nestschutz beginnt im Durchschnitt ab dem dritten Lebensmonat, sich langsam abzubauen und verfällt ab dem neunten Lebensmonat vollständig. Er kann die Babys nur vor Krankheiten schützen, die die Mutter selbst durchgemacht hat oder gegen die sie selbst geimpft ist. Denn nur die mütterlichen Antikörper, die gegen diese Krankheiten gebildet wurden, können über das Nabelschnurblut in den kindlichen Organismus übertragen werden. Wenn der Nestschutz nachlässt, verfällt auch die passive Immunisierung durch die mütterlichen Antikörper und ab dem zweiten Lebensjahr folgt dann häufig ein Infekt dem anderen. Vor allem dann, wenn das Baby ein Geschwisterchen hat oder mit anderen Babys, zum Beispiel in der Kita, in Kontakt steht.

Damit das Kind auch in diesen Situation ausreichend geschützt ist, sollte man Babys schon während des noch bestehenden Nestschutzes gegen die wichtigen Kinderkrankheiten impfen lassen.
Zudem muss man auch bedenken, dass einige Kinderkrankheiten, wie zum Beispiel Keuchhusten, mit schweren Komplikationen einhergehen können und der Nestschutz gegen diese keinen Schutz bietet.
Die STIKO (Ständige Impfkommission) gibt einen Impfkalender mit Empfehlungen vor, an dem sich die Eltern über anstehende, wichtige Impfungen und den optimalen Zeitpunkt der Durchführung orientieren können.

Nur durch die Impfungen wird das kindliche Immunsystem geschult und kann weiter ausreifen. Erst nach einer erfolgreichen Grundimpfung werden die entsprechenden Antikörper gegen den krankheitsauslösenden Erreger gebildet und können das Kind bei einem erneuten Kontakt vor einer Erkrankung schützen. Der Nestschutz bietet eine natürliche Schutzfunktion, aber ist in keinem Fall so effektiv wie ein ausreichender Schutz in Folge einer Impfung.

Wie gut ist der Nestschutz gegen sonstige Kinderkrankheiten?

Gegen die großen Kinderkrankheiten, wie Masern, Mumps, Röteln und Windpocken stellt der Nestschutz bis zum neunten Lebensmonat einen gewissen Schutz dar. Dennoch gibt es einige andere Kinderkrankheiten, gegen die der Nestschutz keine Wirkung zeigt und gegen die das Kind somit ungeschützt ist.

Zu diesen Erkrankungen zählen neben Keuchhusten und einem grippalen Infekt vor allem Scharlach. Auch wenn die Mutter bereits an Scharlach erkrankt war und dem Kind vor der Geburt Antikörper übertragen hat, ist das Kind lediglich gegen einen spezifischen Stamm geschützt. An Scharlach kann man allerdings mehr als einmal erkranken, da es viele verschiedene Bakterienstämme gibt, die die Erkrankung hervorrufen können.

Ebenso wenig greift der Nestschutz nicht bei:

Deshalb sollten die Babys so bald wie möglich gegen diese Erkrankungen geimpft werden.

Autor: Dr. Nicolas Gumpert Veröffentlicht: 03.05.2018 - Letzte Änderung: 22.10.2021