Was sind Cholinesterase-Hemmer?

Cholinesterase-Hemmer sind Bestandteil verschiedener Medikamente, die aufgrund ihrerer vielfältigen Wirkungsweise bei ganz unterschiedlichen Erkrankungen eingesetzt werden können.
Cholinesterasen erhöhen die Aktivität bestimmter Zellverbindungen, welche sich sowohl im Gehirn als auch an verschiedenen Organen wie den Augen oder der Blase befinden. Dabei unterscheiden sich die zur Verfügung stehenden Cholinesterase-Hemmer untereinander, sodass je nach gewünschtem Effekt der bestmögliche Wirkstoff gewählt werden kann.

Dennoch kann mit den Medikamenten nie gezielt nur ein Organ beeinflusst werden, sodass es durch die Einnahme auch zu Nebenwirkungen an anderen Organen kommen kann.

Indikationen für einen Cholinesterase-Hemmer

Da sich die Zellverbindungen, welche Signale durch den Botenstoff Acetylcholin vermitteln, an ganz verschiedenen Organen des Körpers zu finden sind, gibt es auch ganz unterschiedliche Ansatzpunkte und Indikationen für Cholinersterase-Hemmer.

Zum einen können die Medikamente zur Behandlung einer leichten bis mittelschweren Form der Demenz vom Typ Alzheimer eingesetzt werden. Bei dieser Erkrankung liegt ein Mangel des Botenstoffes Achetylcholin im Gehirn vor, sodass man durch die Einnahme von Cholinesterase-Hemmern den Abbau der Substanz reduziert und so versucht das Fortschreiten der Erkrankung zu bremsen.

Ob dieser Ansatz sich tatsächlich positiv auswirkt ist jedoch umstritten und der Einsatz von Cholinesterase-Hemmern bei Alzheimer-Demenz sollte individuell abegwägt werden. Ganz andere Indikationen für Cholinersterase-Hemmer ergeben sich bei Entleerungsstörungen von Blase oder Darm, wie sie zum Beispiel infolge einer Operation auftreten können.
Die Cholinesterase-Hemmer erhöhen die muskuläre Aktivität der Blasen-, bzw. Darmwand und fördern damit deren Entleerung.

Aufgrund dieser Wirkung ist eine weitere wichtige Indikation für Cholinesterase-Hemmer die seltene Muskellähmungserkrankung Myasthenia gravis. Bei dieser Erkrankung werden durch eine fehlerhafte Wirkung des Abwehrsystems die Wirkorte (Rezeptoren) des Botenstoffes Acetylcholin an den Muskelzellen zerstört, sodass es zu einer gestörten Aktivierung des Muskeln durch das Nervensystem und damit zu einer fortschreitenden Lähmung kommt.

Unbehandelt endet die Erkrankung im Extremfall durch Lähmung der Atemmuskulatur tödlich.
Cholinesterase-Hemmer erhöhen die Konzentration des Acetylcholins an der Übertragungsstelle von Nerven und Muskeln (motorische Endplatte), sodass die verringerte Anzahl der Rezeptoren kompensiert und der Krankheitsverlauf gebremst werden kann.

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Welche Cholinesterase-Hemmer gibt es am Markt?

Die auf dem Markt der Arzneimittel verfügbaren Cholinesterase-Hemmer lassen sich grob in zwei Gruppen einteilen.

  • Zum einen gibt es die Medikamente, die aufgrund ihrer chemischen Eigenschaft ins Gehirn eindringen können und damit zur Behandlung von Demenz zum Einsatz kommen. Dabei handelt es sich um die Präparate mit dem Wirkstoff Donzepil, Galantamin oder Rivastigmin. Jeweiles gibt es die Medikamente von verschiedenen Herstellern und in unterschiedlichen Dosierungen, wobei der Wirkmechanismus sich nicht unterscheidet.
  • Die andere große Gruppe der Cholinesterase-Hemmer sind die, welche nicht in das Gehirn eindringen und lediglich alle anderen Körperorgane erreichen. Die gebräuchlichsten Wirkstoffe am Markt sind dabei Neostigmin, Pyridostigmin und Distigmin. Diese werden zum Beispiel zur Behandlung von Darm- oder Blasenentleerungsstörungen eingesetzt. Jeweils gibt es auch bei dieser Gruppe Präparate mit unterschiedlichen Handelsnamen von verschiedenen Herstellern.

Der Wirkstoff und die Wirkung von Cholinesterase-Hemmern

Die Cholinesterase-Hemmer sind eine Gruppe von Wirkstoffen, die sich in ihrer chemischen Struktur etwas unterscheiden aber durch die prinzipiell gleiche Wirkung gekennzeichnet sind.
Der Wirkort sind die Verbindungen zwischen Nervenzellen (Synapsen) sowie die Verbindung von Nerven- und Muskelzellen (motorische Endplatte). Dort werden jeweils Signale mittels des körpereigenen Botenstoffes Acetylcholin vermittelt. Dieser wiederum wird durch die sogenannten Cholinesterasen abgebaut, um die Wirkung zu regulieren oder zu beenden.

Die Cholinesterase-Hemmer reduzieren die Wirkung der Cholinesterase und erhöhen damit die Wirkung des freigesetzten Acetylcholins. Dadurch kommt es zu einer verstärkten Signalübertragung an den Synapsen bzw. den motorischen Endplatten.
Daraus resultiert als Wirkung des Cholinesterase-Hemmer letztlich eine verstärkte Aktivität der Muskulatur zum Beispiel des Blase oder des Darms.

Bei den Wirkstoffen, die auch in das Gehirn übertreten können und zur Behandlung der Alzheimer-Demenz angewendet werden, erfolgt ebenfalls eine Verstärkung Signalübertragung zwischen den Zellen. Durch Erhöhung der Aktivität in bestimmten Hirnarealen soll dadurch die Merkfähigkeit und Konzentration verbessert werden oder zumindest der geistige Abbau verlangsamt werden.

Lesen Sie mehr zum Thema unter: Acetylcholin

Nebenwirkungen von Cholinesterase-Hemmern

Die Zellverbindungen, an denen die Cholinesterase-Hemmer ihre Wirkung entfalten, befinden sich an ganz unterschiedlichen Organen im ganzen Körper verteilt.
Wenn ein Medikament mit einem Cholinesterase eingesetzt wird, kann daher nie gezielt nur ein Organ angesteuert oder nur eine bestimmte Wirkung erzielt werden.

Der Wirkstoff verteilt sich im ganzen Körper, sodass es überall dort, wo der Körper den Botenstoff Acetylcholin verwendet, zu Nebenwirkungen kommen kann.
Beispielsweise können Cholinesterase-Hemmer:

  • An der Lunge zu einer Verengung der Bronchien und zu einer erhöhten Sekretproduktion führen, sodass die Atmung erschwert wird.
  • Am Herzen kann es zu einem Verlangsamung des Herzschlages kommen (Bradykardie).
  • Zudem wird die Aktivität der Schweißdrüsen erhöht, sodass manche Menschen unter der Einnahme über vermehrtes Schwitzen klagen.
  • Des Weiteren kann es zu Beschwerden des Magen-Darm-Traktes wie
    • Übelkeit,
    • Erbrechen oder
    • Durchfall kommen.
  • Nebenwirkungen, die das Gehirn betreffen können, treten in der Regel nicht auf.
  • Die meisten der zum Einsatz kommenden Cholinesterase-Hemmer überwinden aufgrund ihrer chemischen Eigenschaften nicht die sogenannte Blut-Hirn-Schranke.
  • Lediglich wenn eine Wirkung im Gehirn erwünscht ist (wie bei der Alzheimer-Demenz), werden Cholinesterase-Hemmer, die ins Hirn eindringen können, eingesetzt. Dann ist auch das Auftreten von Nebenwirkungen im Gehirn möglich, was sich zum Beispiel durch Schwindel oder Halluzinationen äußern kann.

Wechselwirkungen von Cholinesterase-Hemmern

Aufgrund ihrer Wirkung an einer Vielzahl von Organen im gesamten Körper kann es bei der Einnahme von Cholinesterase-Hemmern zu verschiedensten Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten kommen.
Der verordnende Arzt muss daher anhand der weiteren Medikation des Patienten einschätzen, ob Wechselwirkungen zu befürchten sind und ob der Cholinesterase-Hemmer eingesetzt werden kann.

  • Eine wichtige Wechselwirkung liegt bei gleichzeitiger Einnahme eines Betablockers vor. Beide Medikamente verlangsamen den Herzschlag und in Kombination kann es zu einer lebensgefährlichen Herzrhythmusstörung kommen (AV-Blockierung).
  • Patienten, die ein Spray zur Erweiterung der Bronchien einsetzen (zum Beispiel bei Asthma) haben ebenfalls eine Wechselwirkung zu befürchten, da der Wirkmechanismus des Cholinersterase-Hemmers der des Sprays entgegen gerichtet ist.
  • Neben dieser und weiteren direkten Wechselwirkungen an einzelnen Organen können viele weitere Medikamente (gegebenenfalls auch pflanzliche Präparate!) einen Einfluss auf der Verstoffwechslung des Cholinesterase-Hemmers nehmen.
  • Zum einen kann der Wirkstoffabbau in der Leber gehemmt und die Wirkung damit erhöht sein. Umgekehrt kann es auch zu einem beschleunigten Abbau kommen, sodass es als Wechselwirkung zu einer nicht ausreichenden Wirkung kommt.

Aufgrund dieser Vielzahl möglicher Wechselwirkungen sollten dem Arzt, der den Cholinesterase-Hemmer verordnet, alle weiteren Medikamente und Substanzen bekannt sein, die der Patient einnimmt.

Lesen Sie mehr zum Thema unter: Betablocker und Therapie von Asthma

Gegenanzeigen - Wann darf ein Cholinesterase-Hemmer nicht gegeben werden?

Bei verschiedenen Erkrankungen an unterschiedlichen Organen darf ein Cholinesterase-Hemmer nicht gegeben werden, da sich die Erkrankung andernfalls verschlechtern kann und zum Teil lebensbedrohliche Folgen drohen.

Zu nennen sind hierbei zunächst Erkrankungen am Herzen, bei denen eine Störung der elektrischen Reizleitung (AV-BLock) oder eine zu niedrige Herzfrequenz vorliegt.

Desweiteren dürfen Cholinesterase-Hemmer nicht bei Erkrankungen der Lunge, die mit einer Verengung der Bronchien einhergehen, gegeben werden (zum Beispiel Asthma bronchiale).

Ein weiteres Gegenanzeichen liegt bei einem erhöhtem Augeninnendruck vor. Bei Vorliegen eines grünen Stars (Glaukom) kann es andernfalls im schlimmsten Fall zum Verlust des Auges kommen.

Zudem darf ein Cholinesterase-Hemmer weder in der Schwangerschaft, noch in der Stillzeit eingenommen werden. Ein weiteres Gegenanzeichen liegt bei einer schweren Leber- oder Nierenfunktionsstörung vor.

Dosierung

Die empfohlene Dosierung für Cholinesterase-Hemmer unterscheiden sich zum einen je nach Wirkstoff und zum anderen je nach Indikation.

  • Die für die Behandlung der Alzheimer-Demenz zugelassenenen Cholinesterase-Hemmer Donezepil und Galantamin werden beispielsweise oftmals als Pflaster verabreicht, bei den ca. 10mg Wirkstoff innerhalb von 24 Stunden über die Haut aufgenommen wird.
  • Neostigmin als Vertreter der Cholinesterase-Hemmer, die nicht im Gehirn wirken, wird dagegen in einer Einzeldosierung von 0,5 bis 2mg über eine Vene ins Blut gegeben.
  • Distigmin in Form von Tabletten enthält 5mg Wirkstoff und wird in der Regel einmal täglich eingenommen. Bei einer Einschränkung der Leber- oder Nierenfunktion kann jedoch auch eine reduzierte Dosierung notwendig sein.

Der behandelnde Arzt wird in jedem Fall versuchen das individuell am besten geeignete Präparat in der für den Patienten geeigneten Dosierung zu wählen.

Preis

Wenn ein Cholinesterase-Hemmer medizinisch indiziert ist, übernimmt sowohl die gesetzliche als auch die private Krankenkasse die Kosten.
Der Preis liegt bei dem Wirkstoff Distigmin beispielsweise bei umgerechnet zwei Euro pro Tablette. Die anderen Wirkstoffe unterscheiden sich preislich nur geringfügig.

DIe Kosten zur Behandlung einer Alzheimer-Demenz mit einem der dafür zugelassenen Cholinesterase-Hemmer liegen zwischen 1.000 und 2.000 Euro pro Jahr.

Dabei ist die Anwendung in Form von Kapseln in der Regel günstiger als in Form von Pflastern.

Cholinesterase-Hemmer und Alkohol - Verträgt sich das?

Grundsätzlich ist bei der Einnahme von Medikamenten Vorsicht beim Konsum von Alkohol geboten. Es kommt zwar zu keiner direkten Wechselwirkung mit dem Cholinesterase-Hemmer aber da Alkohol sich ebenfalls auf die Signalübertragung von Nervenzellen auswirken kann, sollte möglichst auf den Konsum verzichtet werden.

Dabei sind jedoch geringe Mengen wie zum Beispiel eine Flasche Bier oder ein Glas Wein am Abend wenig bedenklich.

Bei größeren Mengen kann kann es jedoch zu einer starken Beeinflussung der Wirkung kommen.

Alternativen zu einem Cholinesterase-Hemmer

Die Alternativen zu Cholinesterase-Hemmern richten sich nach der Erkrankung oder den Beschwerden, die behandelt werden sollen. Bei der Therapie der Alzheimer-Demenz stehen zum einen pflanzliche Produkute zum Beispiel auf Basis von Gingkoextrakt zur Verfügung.

Zum anderen gibt es als alternativen Wirkstoff, welcher an einem anderen Botenstoffsystem im Gehirn angreift, Memantin.

Zur Behandlung des grünen Stars werden bevorzugt Medikamente eingesetzt, die nicht wie die Cholinesterase-Hemmer indirekt sondern direkt die Wirkungsweise der acetycholinvermittelten Signalübertragung verstärken, was zu einer Senkung des Augeninnendrucks führt.

Lesen Sie mehr zum Thema unter: Grüner Star

Vergiftung mit einem Cholinesterase-Hemmer

Eine Vergiftung mit einem Cholinesterase-Hemmer kann durch eine übermäßige Einnahme des Medikaments eintreten.
Je nachdem wie hoch die Überdosierung ausfällt, treten verschiedene Vergiftungsanzeichen auf.

Bei einer mäßigen Überdosierung kann es zu vermehrten Tränen- und Speichelfluss, Muskelzuckungen, verminderten Atemantrieb und Unterkühlung kommen.

Bei stärkerer Überdosierung können Symptome wie Übelkeit, Erbrechen und Blutdruckabfall auftreten.
Im schlimmsten Fall kann es durch Atemlähmung oder Herz-Kreislauf-Versagen zum Tod kommen.

Bei einer Vergiftung mit einem Cholinesterase-Hemmer kann gegebenenfalls die Gabe eines Gegenmittels (Atropin) erfolgen.

 

Weitere Informationen

Weitere Informationen zum Thema finden Sie unter:

Autor: Dr. Nicolas Gumpert Veröffentlicht: 02.11.2018 - Letzte Änderung: 22.10.2021