Tumeszenztechnik

Einleitung

Schönheitsoperationen erleben insbesondere seit der Jahrtausendwende einen nicht aufzuhaltenden Boom. So betrug die Anzahl der Schönheits-OPs in Deutschland im Jahr 2014 rund 287.000, in den USA gar 1,5 Millionen. Die USA führen diese Statistik damit vor Brasilien, und Südkorea an, während Deutschland auf Platz 6 rangiert. Immer bessere Methoden, und immer kostengünstigere Angebote verleiten viele Patientinnen – und seit einigen Jahren auch immer mehr Patienten – zu einer kleinen Korrektur ihres Körpers. Mit am beliebtesten ist dabei die Fettabsaugung, die störende Fettpölsterchen verschwinden lassen soll. Fettabsaugungs-Operationen sind nicht neu, und wurden erstmals bereits in den 1950er Jahren durchgeführt. Während die Operationen damals noch unter anderem zu einer Beinamputation, und Verletzung diverser innerer Organe führte, ist die Technik heutzutage relativ ausgeklügelt, und bei korrekter Anwendung auch recht sicher. Das derzeit häufigste angewandte Verfahren zur Fettabsaugung ist die sogenannte Tumeszenztechnik.

Durchführung

Die Tumeszenztechnik leitet ihren etwas komplizierten Namen vom lateinischen „tumescere“, zu Deutsch anschwellen, oder aufblähen ab. Dies beruht auf der Art der Technik.

Zu Beginn der Fettabsaugung wird dem Patienten 0,5 bis 1 Liter flüssiges Gemisch in die abzusaugenden Fettpartien gespritzt. Das Gemisch enthält unter anderem steriles Wasser, Natriumcarbonat, Cortison, und ein Anästhetikum – also Betäubungsmittel. Sinn dieser Prozedur ist es, das Fettgewebe später besser aus dem Unterhautbindegwebe lösen zu können. Dort ist es nämlich fest verankert, schließlich stellt das Bindegewebe so etwas wie das Gerüst der Haut und des Unterhautgewebes dar. Nach einer halben bis ganzen Stunde Einwirkzeit, hat einerseits das Anästhetikum seine Wirkung entfaltet, und der Patient spürt an dieser Stelle des weitere Vorgehen nicht mehr. Andererseits hat sich aus Lösung und Fettgewebe nun eine Art Emulsion gebildet, die wesentlich leichter abgesaugt werden kann.

Nun werden Absaugkanülen in das Fettgewebe vorgeschoben. Sie besitzen in der Regel einen Durchmesser von 3-8 Millimeter, bei der Verwendung von Mikrokanülen auch 1-2,5 mm. Letztere gestalten den Eingriff etwas aufwändiger, da durch die kleineren Kanülen weniger schnell und viel abgesaugt werden kann. An bestimmten Stellen, wo nur gezielt wenig Fettgewebe entfernt werden soll, ist der Einsatz solch kleiner Kanülen jedoch durchaus sinnvoll.

In keinem Fall ist jedoch zu befürchten, dass durch die längere Eingriffsdauer die Wirkung des Anästhetikums nachlässt, und Schmerzen empfunden werden. Bei der Tumezenztechnik hält die Betäubung bei korrekter Durchführung bis zu 18 Stunden , also genügend Zeit für den Chirurgen, den Eingriff durchzuführen. Die lange Betäubungszeit resultiert im Übrigen nicht aus der vermeintlich hohen Dosis an Betäubungsmittel. Viel mehr reagieren Fettzellen, wie im wirklichem Leben auch, sehr träge auf Veränderungen, und speichern Anästhetika daher besonders lange, bevor sie sie wieder abgeben – ein Umstand, der schon so manchen Anästhesisten während Vollnarkosen Kopfschmerzen bereitet hat. Bei richtiger Durchführung ist die Tumeszenztechnik ein sehr sicheres und komplikationsfreies Verfahren zur Fettabsaugung, und hat sich mittlerweile als Goldstandard etabliert.

Nachbehandlung

Nach der Fettabsaugung ist eine Nachbehandlung von mindestens 6 Wochen notwendig. In dieser Zeit müssen die Patienten ein Stützkorsett tragen. Dies ist notwendig, da das Bindegewebe geschädigt wurde, und die Gewichtsverhältnisse in der behandelten Region verändert wurden. Eine fehlende Nachbehandlung würde unter anderem unschöne Dellen, und ein inhomogenes Fettverteilungsmuster nach sich ziehen. Die Korsettnachbehandlung kann bei der wesentlich schonenderen, aber aufwändigeren, und damit teureren Mikrokanülen-Technik ausbleiben. In beiden Fällen kann es nach Anwendung der Tumeszenztechnik notwendig sein, etwaige „Einstichslöcher“, durch die die Instrumente in das Fettgewebe eingeführt wurden, zu vernähen. Die Nähte können jedoch in der Regel binnen 1 bis 2 Wochen wieder gezogen werden. Auch kann es zu einer initialen Schwellung, und blauen Flecken kommen, welche jedoch ebenfalls nach spätestens einer Woche verschwinden.

Risiken

Wie jede andere Operation, birgt auch die Tumezentechnik ein gewisses Risiko. So wird in Deutschland jährlich mit ca. 5 Todesfällen auf Grund von Fettabsaugungen gerechnet. Allerdings ist dies im Verhältnis zur Zahl der durchgeführten Eingriffe zu sehen: 250.000 jährlich in Deutschland, und eine dreiviertel Million jährlich in den USA. Jede 50.000te Operation endet also tödlich, was ein relativ geringes Risiko bedeutet. Auch ist durch die bloße Anzahl der Eingriffe ein gewisses Maß an Erfahrung gegeben. Auf eben diese sollte bei der Wahl des behandelnden Chirurgen geachtet werden, da die Anzahl der durchgeführten Eingriffe das einzige Maß ist, an dem sich ein Chirurg in dieser Branche objektiv messen lassen kann. In Deutschland gibt es keine Weiterbildungsordnung, die Fettabsaugungen zwingend vorschreibt. Sie werden also in keiner Facharztprüfung geprüft. Umso mehr ist die Erfahrung des Chirurgen entscheidend.

Alternativen

Die Fettabsaugung gilt als Goldstandard, wenn es darum geht, gezielt und schnell Fettgewebe zu verlieren. Bei keiner anderen Eingriffsmethode kann ähnlich schnell Fettgewebe verloren werden, wie bei der Transzenztechnik.

Es existieren jedoch auch andere Methoden, die zur Gewichtsreduktion in Erwägung gezogen werden sollten. Zunächst einmal ist es nicht möglich, gezielt an einzelnen Körperpartien Gewicht zu verlieren. Ein weit verbreiteter Irrglaube ist beispielsweise, man könne durch gezieltes Bauchmuskeltraining Bauchfett verbrennen. Fettverbrennung erfolgt systemisch, wenn ein Kaloriendefizit erreicht wird, folgt jedoch immer den menschlichen Fettverteilungsmustern. Dabei nehmen Männer in der Regel zuerst am Bauch zu (typischer „Bierbauch“), Frauen tendenziell eher am Gesäß, und den Beinen („birnenförmiges Verteilungsmuster“). Dies sind im Endeffekt auch die hartnäckigen Zonen, in denen sich das letzte bisschen Fett hält. Eine gesunde Ernährung, mit Verzicht auf „processed food“, und ausreichender, täglicher Bewegung, nützen mehr als alle Abnehmtipps der Welt. Allerdings ist dies natürlich der „harte“ Weg, für den nicht jederzeit aufbringen will.

Eine Alternative zu Tumeszenztechnik und natürlichem Abnehmen ist daher das Magenband. Dabei wird ein Teil des Magens abgeschnürt – der Patient ist schneller satt, isst weniger, und nimmt schnell ab. Allerdings ist dieser Eingriff wesentlich gefährlicher, als die Tumeszenztechnik, teurer, und wird nur in Ausnahmefällen von der Krankenkasse übernommen. Zudem ist eine engmaschige medizinische Nachbetreuung notwendig, da das Abnehmen nach Magenband-OP entgegen landläufiger Meinung mitnichten ein Selbstläufer ist.

Sonstiges

Verschiedene Studien haben gezeigt, dass der Körper darauf bedacht ist, die Gesamtfettmenge gleich zu halten. Eine Entnahme von Fettgewebe, beispielsweise mittels Tumeszenztechnik, veranlasste den Körper in den Studien also dazu, das „verloren gegangene“ Fettgewebe an anderen Stellen binnen 12 Wochen wiederaufzubauen. Ob sich dieser Trend nach 12 Wochen fortgesetzt hat, oder reversibel war, wurde nicht untersucht. Es verdeutlicht allerdings, dass es zur Bekämpfung unliebsamer Fettpolster kein Allheilmittel gibt, und die einzige dauerhafte Maßnahme zur Gewichtsreduktion ein bewusster Lebensstil ist. Fettabsaugungen werden von den Krankenkassen nicht, bzw. nur in Ausnahmefällen bezahlt. Eine Fettabsaugung mit der Tumeszenztechnik beläuft sich – je nach Erfahrung und Bekanntheitsgrad des Operateurs – auf 2000€ aufwärts. Entscheidend sind natürlich auch Region und Menge des abzusaugenden Gewebes.

Autor: Dr. Nicolas Gumpert Veröffentlicht: 19.10.2015 - Letzte Änderung: 22.10.2021