Gaumennahterweiterung - Das sollten Sie wissen!

Definition

Eine Gaumennahterweiterung ist eine kieferorthopädische Behandlung, die das Wachstum des Oberkiefers anregt, wenn ein zu schmaler Oberkiefer vorhanden ist. Der Gaumen ist die Verschmelzung zweier Knochen, die in der Mitte durch eine natürliche Wachstumsfuge verbunden sind. Ist die Entwicklung des Oberkiefers gestört, bleibt das Wachstum des Oberkiefers stehen, während der Unterkiefer weiterwächst. Das Resultat ist, dass der Oberkiefer zu schmal ist, sich eine schlechte Verzahnung einstellt und die Oberkieferzähne viel zu wenig Platz haben.

Die Kieferorthopädie versucht nun mit der Gaumennahterweiterung das Breitenwachstum des Oberkiefers wieder anzuregen. Bei Kindern ist dabei der Vorteil, dass die Wachstumsfuge in der Mitte des Oberkiefers noch nicht vollständig verknöchert ist und dadurch eine Bewegung und ein Wachstum in einem relativ geringen Zeitraum ermöglichen.

Warum ist eine Gaumennnahterweiterung nötig?

Ein zu schmaler Oberkiefer durch fehlendes Wachstum ist nicht nur ein dentales Problem. Der Patient kann starke Beschwerden bei der Nasenatmung bekommen, da der Gaumen den Boden der Nase darstellt und durch das fehlende Wachstum eine erschwerte Atmung zum Tragen kommt. Die Nasenatemwege sind durch den verkleinerten Oberkiefer schlichtweg verengt, sodass kaum Luft hindurch passieren kann.

Ein Engstand im Oberkiefer kann entstehen, da durch die schmale Form zu wenig Platz für die bleibenden Zähne vorhanden ist. Die Zähne stehen häufig verschachtelt und können in verschiedene Richtungen kippen.

Weiterhin kann es passieren, dass die Unterkieferzähne durch deren weiteres Wachstum die Oberkieferzähne übersteigen. Dann entsteht entweder ein Kopfbiss, bei dem die Höcker der Ober- und Unterkieferzähne aufeinander stehen und nicht ineinander verzahnen, oder ein Kreuzbiss. Der Kreuzbiss beschreibt den Zustand, wenn die Unterkieferzähne weiter außen stehen als die Oberkieferzähne, die es eigentlich sollen.

Auch stark nach vorne gerichtete Oberkieferfrontzähne können durch das Unterkieferwachstum und dafür das fehlende Oberkieferwachstum entstehen, wenn die Unterkieferfrontzähne die oberen Frontzähne durch die Wachstumsbewegung nach vorne und oben schieben.

Alle genannten Gründe stellen Indikationen für eine Gaumennahterweiterung dar. 

Ablauf einer operativen Gaumennahterweiterung

Eine operative Gaumennahterweiterung ist nur von Nöten, wenn die Wachstumsfuge in der Mitte des Oberkiefers bereits verknöchert ist. Dies ist bei Erwachsenen der Fall. Daher wird bei Kindern eine operative Gaumennahterweiterung nicht vollzogen, da eine konventionelle Therapie mit einer speziellen Apparatur ausreicht, um ein Wachstum von 5mm zu generieren.

Das Vorgehen bei der operativen Behandlung erfolgt indem die bereits verknöcherte Wachstumsfuge geschwächt wird. Diese Operation wird minimal invasiv in Lokalanästhesie vollzogen.
Weiterhin kann noch ein anderer Operationsweg gewählt werden, der unter Intubationsnarkose erfolgt. Diese wird notwendig, wenn eine einfache Schwächung nicht reicht. Der Oberkiefer wird operativ vom Mittelgesicht abgetrennt, mit der sogenannten LeFort- 1- Osteotomie.

Eine kieferorthopädische Apparatur wird vor der Operation eingesetzt und der Kieferchirurg kann diese nach der Operation um einige Millimeter durch Drehen einer Schraube aufdehnen. Die Apparatur, die so genannte Hyrax – Schraube wird auch bei Fällen der Gaumennahterweiterung ohne operativem Eingriff verwendet.

Sofern den Zähnen durch die Hyrax – Schraube nicht so viel Krafteinwirkung zugemutet werden soll, kann eine Distraktionsosteogenese die Therapie der Wahl sein. Hierbei wird eine kieferorthopädische Apparatur gewählt, die direkt am Gaumen durch Schrauben aufweitet und die Zähne nicht belastet.

Der so genannte transpalatinale Distraktor wird quer über die Gaumennaht eingebracht und kann zentral und gleichmäßig den Gaumen in die Breite vergrößern. Der transpalatinale Distraktor sowie die Hyrax - Schraube werden drei bis vier Monate getragen, bis eine ausreichende Verbreiterung erreicht ist und danach entfernt. 

Schmerzen bei Gaumennahterweiterung

Egal mit welcher Apparatur ob festsitzend oder herausnehmbar, der Mechanismus ist immer derselbe: Der Oberkiefer wird Stück für Stück aufgedehnt.
In der Mitte der Apparaturen befindet sich eine Schraube, die durch Drehung mit einem Schlüssel aufgedreht wird. Das sorgt für eine Krafteinwirkung die eine Bewegung erzielt. Diese Krafteinwirkung kann Schmerzen und starken Druck erzeugen, da die Zähne eine derartige Belastung nicht kennen.

Kieferorthopäden raten daher vor jeder neuen Drehung und weiteren Krafteinwirkung eine Schmerztablette einzunehmen, um den Schmerz, der anfänglich am größten ist, besser zu ertragen. Der Schmerz nimmt dabei aber konstant ab, sobald die Bewegung erfolgt ist, die Zähne „gewöhnen“ sich sozusagen an den Kraftaufwand. Daher wird nach einiger Zeit eine Schmerzstillung nicht mehr nötig sein, da der Schmerz aushaltbar wird und schnellt zurückgeht.

Welche Risiken gibt es?

Bei der Verwendung der Hyrax – Schraube besteht immer die Gefahr, dass die Zähne kippen. Durch die Verankerung an den ersten Backenzähnen und dem ersten Prämolaren auf beiden Seiten können immer Kippungen entstehen, da die komplette Kraft auf die Zähne übertragen wird.

Um diesem Problem entgegenzuwirken, wird auf den transpalatinalen Distraktor zurückgegriffen. Dieser ist nicht dental abgestützt, was die Zähne schont, da er nur am Gaumen und damit direkt am Knochen Kraft ausübt. Bei beiden Apparaturen besteht jedoch immer die Gefahr der Rezidivierung. Sobald die Verbreiterung abgeschlossen ist und die Apparaturen entfernt werden, kann es zu einer rückläufigen Bewegung kommen. Diese Gefahr ist bei der Hyrax – Schraube allerdings prozentual höher als bei einer Distraktionsosteogenese.

Weiterhin sollte nicht außer Acht gelassen werden, dass der Patient nach der Behandlung anders aussieht. Der Oberkiefer wird breiter, was die gesamten Gesichtsrelationen verändert und was sich der Patient vorab im Klaren sein muss.

Bei einer operativen Gaumennahterweiterung besteht prinzipiell die Gefahr, dass Vernarbungen bleiben oder Gesichtsnerven bei der Operation geschädigt werden und ein Gefühlsverlust in Gesichtsbereichen entsteht. Weiterhin birgt auch die Narkose immer ein Risiko mit Nebenwirkungen. Die Komplikationsrate bei den Operationen ist allerdings gering.

Was ist eine Gaumennahterweiterungsapparatur?

Die Gaumennahterweiterungsapparatur ist ein Synonym für eine Hyrax – Schraube als kieferorthopädisches Gerät, was dabei hilft den Oberkiefer aufzudehnen. Die Hyrax – Schraube besteht aus einer Schraube, die mittig auf der Gaumennaht platziert wird. Von dieser Schraube gehen vier „Ärmchen“ zu den Zähnen und werden mit Gußklammern entweder an den Backenzähnen und allen Prämolaren oder nur an einem Prämolaren auf jeder Seite befestigt.

Durch Drehen an der Schraube mit einem Schlüssel wird die Schraube aufgedehnt und die vier Arme der Apparatur werden vom Gaumen wegbewegt. Dadurch wandern die Zähne nach außen und der Oberkiefer wird angeregt neuen Kiefer zu bilden.

Als weitere Form der Gaumennahterweiterungsapparatur gilt die Quadhelix, die ähnlich wie die Hyrax – Schraube im Gaumenbereich liegt. Zentral auf der Wachstumsfuge liegt dabei auch keine Schraube, sondern vier Schlaufen, die der Apparatur den Namen geben. Weiterhin ist bei der Quadhelix auf der Gaumenseite an jedem Zahn, der bewegt werden soll ein Drahtbügel anliegend. Befestigt wird die Quadhelix durch eine Bänderung der beiden ersten Backenzähne.

Beide Gaumennahterweiterungsgeräte (mit Hyrax oder Quadhelix) gehören zu den herausnehmbaren Zahnspangen. 
Lesen Sie mehr dazu unter: Lose Zahnspange

Eine weitere Variante der Gaumennahterweiterungsapparatur ist der transpalatinale Distraktor, der nur direkt am Gaumen eingebracht wird und die Zähne nicht berührt. Er wird dierkt im Knochen verankert und ist daher nicht herausnehmbar.

Gründe für eine Gaumennahterweiterung

Doch wodurch entsteht das fehlende Oberkieferwachstum? Die Faktoren hierfür sind verschieden.

  • Der größte Anteil ist durch einen zu langen Gebrauch von unphysiologischen Schnullern und Saugflaschen geschuldet. Ein zu großer Aufsatz oder der zu lange Gebrauch können die Wachstumsstörung bedingen.
     
  • Ein Drittel der Wachstumsstörungen sind genetisch bedingt und entstehen ohne jegliches Fehlverhalten.
     
  • Eine weitere Ursache ist das Daumenlutschen. Durch das ständige saugen und ziehen an einem Finger wird das Wachstum des Oberkiefers gehemmt und Zahn- sowie Gaumenfehlstellungen entstehen.
     
  • Weiterhin können ebenfalls eine eingeschränkte Nasenatmung und dadurch die dauerhafte Mundatmung eine Ursache sein. 
     
  • Falsches Schluckmuster: Das Schlucken ist ein komplexer Vorgang, an dem viele Muskeln beteiligt sind.
    Mit dem Durchbruch der Milchzähne verändert sich das Schluckmuster der Kinder normalerweise so, dass die Zunge dabei gegen den Gaumen drückt.
    Wenn durch falsches Schlucken kein Konatkt zum Gaumen hergestellt wird, fehlt der Wachstumsreiz auf dem Oberkiefer und er bleibt im Wachstum zurück.

Geht das auch noch beim Erwachsenen?

Prinzipiell ist eine Gaumennahterweiterung auch bei Erwachsenen möglich, ist allerdings schwieriger und langwieriger als bei Kindern, bei denen das Wachstum noch nicht beendet ist.

Bei Erwachsenen ist die Wachstumsfuge in der Mitte des Oberkiefers, die so genannte Sutura palatina mediana, bereits verknöchert. Daher muss diese erst operativ geschwächt werden, um eine Bewegung des Oberkiefers und damit eine Verbreiterung zu ermöglichen.

Reicht die alleinige Schwächung nicht aus wird eine LeFort – 1- Osteotomie angeschlossen und der Oberkiefer mit einer Hyrax – Schraube verbreitert. Weiterhin kann die Osteotomie auch mit einer Distraktionsschraube kombiniert werden, wenn nicht so viel Belastung auf die Oberkieferzähne gelangen soll.

Welche Alternative zur Gaumennahterweitung gibt es?

Alternativen zu einer Gaumennahterweiterung sind kaum verfügbar, da das Konzept immer durch die Verbreiterung des Oberkiefers zum Zielmodell führt. Dabei kann mit einer herausnehmbaren Apparatur eine Gaumennahterweiterung erzielt werden, die allerdings nur bei Kindern mit noch nicht abgeschlossenem Wachstum funktioniert. Dadurch ist eine chirurgische Gaumennahterweiterung kaum bei Kindern notwendig.

Weiterhin ist die festsitzende Gaumennahterweiterungsapparatur die am häufigsten eingesetzte Variante, die in recht kurzer Zeit einen Erfolg erreicht und auch kombiniert mit der chirurgischen Schwächung der Wachstumsfuge im Erwachsenengebiss ebenfalls ein positives Therapieergebnis erreicht. Dabei dauert die Behandlung bei Erwachsenen durch die chirurgische Komponente meist länger.

Kosten der Gaumennahterweiterung

Die Kosten für eine Gaumennahterweiterung sind von dem individuellen Fall, der Größe des Fehlstandes und der geplanten Therapie abhängig.

Während bei Kindern meist nur durch eine herausnehmbare Apparatur behandelt werden kann, wobei die Therapie etwa 500 bis 1000 Euro kostet, kann eine Erwachsenenbehandlung mit Operation 5000 Euro übersteigen. Da bei Erwachsenen die Kieferorthopädie eine reine Privatleistung ist, ist sie für Kinder und Jugendliche bis zum 18ten Lebensjahr meist nur halb so teuer oder wird komplett von der Krankenkasse getragen.

Für eine genaue Kostenaufklärung ist Rücksprache mit dem behandelnden Kieferorthopäden und der Krankenkasse zu halten, dieser fertigt in der Regel einen Kostenvoranschlag an.

Welche Veränderungen im Gesicht sind zu erwarten?

Durch eine Gaumennahterweiterung verändert sich das Gesicht und die einzelnen Proportionen, häufig sind die Veränderungen für die Mitmenschen allerdings kaum sichtbar. Die Verbreiterung des Oberkiefers bewirkt, dass der Mund und die Lippenpartie breiter wirken, auch das Lächeln erscheint dadurch breiter. Weiterhin wird auch der Nasenboden verbreitert, was die Nase vertikal vergrößern kann. 

Weiterführende Informationen zum Thema:

Autor: Dr. Nicolas Gumpert Veröffentlicht: 03.01.2018 - Letzte Änderung: 05.12.2022