Parodontose und Parodontitis

Einleitung

Die Parodontologie ist ein relativ junger Zweig der Zahnmedizin. Sie befasst sich mit den Ursachen, dem Verlauf, der Prophylaxe und der Therapie von Erkrankungen des Zahnhalteapparates. Sie ist heute eine eigenständige Fachrichtung, nachdem sie vorher der konservierenden Abteilung angeschlossen war.

Der Begriff der Parodontose ist inhaltlich falsch und veraltet. Richtig ist die Bezeichnung "Parodontitis". 

Historie zur Parodontitis

In den Medien und der Werbung wird leider noch immer von Parodontose gesprochen und auch im Volksmund ist die Bezeichnung bekannt. Diese ursprünglich für alle Zahnbetterkrankungen eingeführte Bezeichnung hat sich im Laufe der Jahre fest eingebürgert und ist aus dem Wortschatz nicht mehr wegzudenken.

Medizinisch gesehen bezeichnet die Parodontose aber eine Form der Erkrankungen des Zahnhalteapparates, die in der Realität nicht existiert. Es gibt keine Parodontose, sondern Parodontitis. Sie ist von allen Zahnbetterkrankungen die weitaus häufigste. So ist immer, wenn von Parodontose die Rede ist, die Parodontitis gemeint.

Warum gibt es Diskussionsbedarf wegen dieser unterschiedlichen Wortendung?  Parodontitis und Parodontose sind zwei sehr unterschiedliche Erkrankungen, die verschiedene Ursachen, Verläufe und Therapien haben. 

Während die Zahnärzte noch bis zur zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts den Begriff Parodontose verwendet haben, ist heute eindeutig sichergestellt, dass es keine Parodontose gibt und stattdessen spricht man von der Parodontitis. Deshalb sollte der Begriff weder in der Werbung noch von Patienten oder (zahn-) ärztlichem Personal benutzt werden. 

"Parodontose"

Unter dem veralteten Begriff Parodontose ist, wie man aus der Endung –ose erkennen kann, ein fortschreitender, degenerativer Prozess ohne Entzündung zu verstehen.  Da es in der Realität aber keine Zahnbetterkrankung ohne entzündliche Ursache gibt, macht der Begriff Parodontose keinen Sinn mehr.

In der Medizin wird stetig weiter geforscht, sodass man häufig angenommene Theorien verwerfen muss, wenn sich neue wissenschaftliche Erkenntnisse ergeben haben; so auch im Fall der vermeintlichen Parodontose, die eigentlich eine Parodontitis ist. 

Parodontitis

Die Endung –itis bei der Parodontitis zeigt, dass es sich um einen entzündlichen Prozess handelt. Umgangssprachlich kann man die Parodontitis als Zahnbettentzündung oder Zahnhalteapparatentzündung bezeichnen.

Aus einer Gingivitis, der Zahnfleischentzündung, kann sich ohne Behandlung eine Parodontitis entwickeln. Grundlegender Unterscheid zwischen der Zahnfleischentzündung, bei der kein bleibender Schaden am Zahnhalteapparat zu erwarten ist, und der Parodontitis ist der irreversible Knochenabbau, der bei der Parodontitis vorliegt.

Wenn die Entzündung vom Zahnfleischrand aus beginnt, wird sie als Parodontitis marginalis bezeichnet. Bakterieller Zahnbelag, der länger als 2 Wochen nicht entfernt wurde, fürhrt zur lokalen Entzündung am Zahnfleischsaum. Der Knochenabbau erfolgt hierbei meist horizontal.

Im Gegensatz dazu kann auch von der Wurzelspitze eines nervtoten Zahnes eine Parodontitis ausgehen, man bezeichnet sie dann als Parodontitis apicalis. In diesem Fall wird der Knochen vertikal abgebaut.

Verantwortlich für die Entzündungsreaktion ist immer der bakterielle Zahnbelag. Die darin enthaltenen Bakterien lösen eine Entzündungsreaktion des Gewebes aus, die ohne Behandlung immer weiter in Richtung der Zahnwurzel schreitet und schließlich auch den Kieferknochen erfasst und zu dessen fortschreitender Zerstörung führt. Der Knochenabbau und Verlust des Bindegewebes, der den Zahn im Zahnfach verankert, führt zur Lockerung des Zahns bis hin zum Zahnverlust

Nun wird auch die Wichtigkeit der korrekten Begriffsbezeichnung der entzündlich-destruktiven Zahnbetterkrankung deutlich: Entzündliche Reize durch nicht entfernten Zahnbelag verursachen die Erkrankung. Das Risiko an Parodontitis zu erkranken sinkt also rapide bei korrekter und regelmäßiger Zahnreinigung.
Beim Zahnarzt wird Ihnen die richtige Zahnputztechnik gerne demonstriert und erklärt. 

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Symptome der Parodontitis

Die Symptome sind eindeutig. Beim Zähneputzen oder auch spontan kommt es zum Zahnfleischbluten, jedoch nicht immer zu Schmerzen. In diesem Stadium liegt noch keine Parodontitis vor, sondern es handelt sich erst um eine Gingivitis. Ohne Behandlung dringen Bakterien in das Zahnfach vor und zerstören die Fasern, die den Zahn mit dem Knochen verbinden.

Es handelt sich dabei um sogenannte fakultativ lebende Bakterien, d.h. die Erreger können sowohl in Anwesenheit von Sauerstoff als auch unter Abschluss von Sauerstoff existieren. Neben anderen Bakterien spielt der A. actinomycetemcomitans eine entscheidende Rolle. Durch die Schwellung des entzündeten Zahnfleisches entstehen Zahnfleischtaschen in denen sich Speisereste und Beläge sammeln.

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Dies ist häufig auch die Ursache für üblen Mundgeruch. Die Beläge in den Taschen können verkalken, dadurch kommt es zur Konkrementbildung, eine Art Zahnstein, auf dessen rauher Oberfläche sich weitere Beläge gut anheften können. Geht der Prozess weiter, so wird auch der Knochen angegriffen und abgebaut. Der Zahn verliert nun den Halt und fällt letztendlich aus.

Häufig wissen Betroffene gar nichts von ihrer Erkrankung und wundern sich nur über lockere Zähne, die "plötzlich" ausfallen. 

Dieser Vorgang kann sich als chronischer Verlauf über längere Zeit hinziehen. Er verläuft meistens in Schüben, sodass es auch immer wieder zum Stillstand der Zerstörung des Halteapparates kommt, je nachdem wie hoch die bakterielle Belastung durch den Zahnbelag und in welchem Zustand das Immunsystem ist.

Im Gegensatz dazu gibt es jedoch auch einen aggressiven Verlauf, bei dem es sehr schnell zum Zahnverlust kommt. Diese Form der Parodontitis tritt vorwiegend bei Jugendlichen auf, während die mehr langsam verlaufenden Erkrankungen bei älteren Personen anzutreffen sind. Es kann nur ein einzelner Zahn betroffen sein oder auch generalisiert ganze Zahngruppen erfassen.

Diagnose

Die Diagnostik beruht auf der Messung der Taschentiefe mittels einer speziellen Parodontalsonde. Dadurch kann der Verlust des Attachments, also der Knochenanhaftung, bestimmt werden. Die Erhebung und Bestimmung von Parodontalindices ist eine weitere Möglichkeit die Schwere der Erkrankung festzustellen. Des weiteren kann man aus dem Grad der Beweglichkeit der Zähne erkennen, dass es sich um einen parodontalen Prozess handelt, und wie weit er fortgeschritten ist. Eine Röntgenaufnahme gibt schließlich den eindeutigen Nachweis.

Therapie / Behandlung

Die Behandlung der Gingivitis und der Parodontitis beginnt mit der sorgfältigen Entfernung der Zahnbeläge und der Konkremente um die Bakterien auszuschalten. Dies kann im Anfangsstadium noch mit der häuslichen Mundhygiene geschehen. Ist der Prozess aber schon fortgeschritten, muss eine professionelle Reinigung durch den Zahnarzt erfolgen. Dies gilt besonders dann, wenn es bereits zur Taschenbildung gekommen ist.
Die Behandlung der Taschen bis zu einer Tiefe von 5mm können durch eine Kürettage ohne direkte Sicht durch Entfernung aller Beläge und Konkremente saniert werden. Über 5mm Taschentiefe erfolgt die Säuberung der Tasche unter Sichtbedingungen. Dabei muss die Tasche geöffnet werden. Neben der Ausräumung der Tasche wird auch die Zahnwurzel gereinigt und geglättet. Um letzte Reste der Bakterien zu entfernen können Spülungen - zum Beispiel mit Chlorhexidindigluconat - erfolgen. Wenn das Zahnfach gesäubert ist, kommt die Parodontitis zum Stillstand. Leider aber kann der alte Zustand nicht vollständig wiederhergestellt werden, aber ein Fortschreiten ist unterbunden, und der Zahn kann erhalten werden.
Um den Knochendefekt bei einzelnen Zähnen wieder aufzufüllen, hat man die Möglichkeit mit geeigneten Füllstoffen die Lücke zu schließen. Eine Wiederherstellung der Verbindungsfasern ist jedoch nicht möglich. Auch wächst der Knochen durch Behandlung nicht wieder hoch.

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Prophylaxe

Vor und nach der Sanierung einer Parodontitis sollte eine ständige Nachkontrolle durch den Zahnarzt erfolgen. Sehr wichtig ist dabei die Mitarbeit des Patienten. Dieser muss eine sorgfältige Mundhygiene durchführen, um die Zahnbeläge, die sich immer wieder bilden, zu entfernen. Dazu bekommt er vom Zahnarzt die nötige Anleitung. Befolgt der Patient die Instruktionen, sollte es möglich sein, weiteres Auftreten von Parodontitis zu vermeiden und damit die Risiken einer erneuten Erkrankung zu senken.

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Auswirkungen

Bei der Parodontitis steht das entzündete Gewebe in Verbindung mit dem Gesamtorganismus. Dadurch können Krankheitserreger von der Zahnfleischtasche auch in andere Körperregionen verschleppt werden. Wissenschaftliche Untersuchungen haben ergeben, dass es einen Zusammenhang zwischen Parodontitis und Herzerkrankungen, insbesondere Herzinfarkt, gibt. In diesem Zusammenhang stehen weitere Risikofaktoren wie Rauchen, Zuckerkrankheit und Übergewicht. Auch aus diesen Gründen ist eine Behandlung der Parodontitis dringend notwendig. Um die Gefahr einer Keimverschleppung zu vermeiden, ist es ratsam, bei der chirurgischen Sanierung von Zahnfleischtaschen eine Behandlung mit Antibiotika vorzunehmen.

Parodontitis und Rauchen

Früher ging man davon aus, dass die Ursache einer entzündlichen Erkrankung des Zahnhalteapparats, die Ablagerung von Zahnbelag unter dem Zahnfleischrand ist. Schlechte oder wenig effektive Mundhygiene wurde zur Hauptursache dieser Erkrankungen erklärt.
Einer Parodontitis sollte demnach durch das Erlernen spezieller Zahnputztechniken und die Verwendung von Zahnseide und/oder Zahnzwischenraumbürsten vorgebeugt werden.
Diese Annahme ist soweit nicht von der Hand zu weisen, dennoch sind heute viele weitere Faktoren, die eine Parodontose begünstigen (Risikofaktoren), bekannt.

Als einer der wichtigsten Risikofaktoren der Parodontitis gilt mittlerweile jedoch der Konsum von Tabakwaren (Rauchen). Das Rauchen wirkt demnach nicht nur schädlich auf die Lunge und andere Organe, auch in der Mundhöhle kann der Konsum von Nikotin äußerst schädlcihe Folgen haben. 

So gehen Studien davon aus, dass bis zu 50% der Parodontitiserkrankungen junger Erwachsener auf das Rauchen zurückzuführen ist. Aktive Raucher haben ein 3-6 fach so hohes Risiko an Parodontitis zu leiden, als Nicht-Raucher.  Ehemalige Raucher haben in den ersten 10 Jahren nach der Entwöhnung noch immer ein 2-3 fach erhöhtes Risiko

Um diese Tatsache zu verstehen, muss man wissen, dass beim Rauchen eine Substanz namens Kohlenmonoxid entsteht. Dieses Kohlenmonoxid bindet um eine vielfaches (ca. 200mal) stärker an den roten Blutfarbstoff Hämoglobin, der dringend benötigte Sauerstoff wird verdrängt und gelangt somit nicht mehr oder nur unzureichend an seinen Bestimmungsort.

Eine optimale Blut- und Sauerstoffversorgung der Organe und eben auch der Mundhöhle kann nicht mehr gewährleistet werden. Da mit dem Blut jedoch wichtige Abwehrstoffe, die im Frühstadium einer Parodontose zu Zahnfleischbluten führen, zur Mundhöhle transportiert werden, bleibt dieses frühe Warnsignal zumeist aus.

Eine Erkrankung wird erst sehr spät wahrgenommen. Darüber hinaus vermindert das Rauchen die Vitamin- und Mineralstoffaufnahme des Körpers. Sowohl Vitamine, als auch Mineralstoffe sind jedoch für ein abwehrfähiges Immunsystem unerlässlich. Der durch das Rauchen verursachte Mangel führt letztendlich zu einer Abwehrschwäche, die es den Bakterien leicht macht Entzündungen zu verursachen und den Zahnhalteapparat nachhaltig zu schädigen.

Durch die fortschreitende Schädigung kommt es zu Abbauprozessen des Kieferknochens, diesen kann der Körper jedoch auf Grund des Mineralstoffmangels nicht entgegenwirken.

Zusammenfassung

"Parodontose" als Erkrankung des Zahnbetts gibt es nicht und die irreführende Verwendung des Begriffs um die Parodontitis zu beschreiben, sollte aus den Medien und der Werbung verschwinden.

Die Parodontitis kann durch professionelle Therapie und Mitarbeit des Patienten zum Stillstand gebracht, aber nicht geheilt werden. Eine Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes ist leider nicht möglich.

Autor: Dr. Wolfgang Weinert Veröffentlicht: 29.10.2009 - Letzte Änderung: 28.11.2022