Therapie und Hilfen für verhaltensauffällige Kinder und Jugendliche

Einleitung

Verhaltensauffälligkeiten sind als solche keine körperliche oder psychische Erkrankung, können das Kind und sein Umfeld aber massiv belasten. Ohne professionelle Hilfe leiden bei vielen Kindern die Entwicklung und die schulische Leistung unter ihren Symptomen, wodurch sich spätere Probleme im Erwachsenen- und Berufsleben ergeben können. Bei der Behandlung stehen Verhaltens- und Psychotherapien im Vordergrund, die die Familie und evtl. auch die Lehrer miteinbeziehen und somit Kind und Umfeld schulen.

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Wer bietet Therapien an?

Hilfen werden von vielen verschiedenen Seiten angeboten, beispielsweise von Erziehern und Lehrern, von Schulpsychologen, von privaten Elterngruppen, aber auch von Ärzten und Kinderpsychologen bzw. -psychotherapeuten, die meist die kompetenteste Behandlung durchführen können. Grundsätzlich sind aber je nach Ursache der Verhaltensstörung unterschiedliche Ansätze sinnvoll und können von verschiedenen Stellen durchgeführt werden. Nicht jeder Anbieter ist ausreichend professionell, weswegen die erste Anlaufstelle ein spezialisierter Arzt, Psychologe/Psychotherapeut oder ein erfahrener Pädagoge sein sollte.

Bei nur leicht ausgeprägten Verhaltensauffälligkeiten kann es reichen, die Eltern und Erzieher bzw. Lehrer zu schulen, die dann durch eigene Verhaltensmaßnahmen das Kind therapieren, in schwereren Fällen wird die ganze Familie psychotherapeutisch betreut. Im Eskalationsfall können die Kinder auch stationär behandelt werden, die Therapie erfolgt dann durch spezialisierte Kliniken.

Welcher Arzt ist für verhaltensauffällige Kinder und Jugendliche zuständig?

Generell kann der Kinderarzt eine Behandlung einleiten, verweist aber in den meisten Fällen an Kinderpsychologogen, -psychiater oder -psychotherapeuten. Diese Fachkräfte sind je nach Ausprägung der Verhaltensstörung die richtigen Ansprechpartner und führen eine genaue Diagnostik und eine kompetente Therapie durch. Ergänzend können Heilpraktiker, Osteopathen oder andere Alternativ-Mediziner Hilfe leisten.

Wie kann man verhaltensauffällige Kinder und Jugendliche fördern?

Kinder legen ihre Verhaltensauffälligkeiten dann ab, wenn positives Verhalten gefördert anstatt negatives bestraft wird. Das bedeutet nicht, dass ungewünschtes Verhalten einfach hingenommen werden soll. Es werden klare Regeln festgelegt und Konsequenzen beim Überschreiten dieser Regeln gezogen. Den Kindern muss aber klar gemacht werden, dass sie durch auffälliges Verhalten nicht das bekommen, was sie wollen. Eltern und Erzieher müssen ihnen zeigen, welche Vorteile sie durch angemessenes Verhalten haben, die ihnen sonst entgehen bzw. wieder entzogen werden können, wie beispielweise die Teilnahme an Gemeinschaftsaktivitäten.
Auch wenn es schwer fällt, müssen sich die Erwachsenen auf die Fähigkeiten und Talente des Kindes konzentrieren, statt es auf sein negatives Verhalten zu reduzieren und als „Problemkind“ abzustempeln. Häufig stoßen diese Kinder und Jugendliche auf viel mehr Ablehnung als Bestätigung, wodurch sie in ihren Verhaltensauffälligkeiten verstärkt werden und die Motivation für positives Verhalten verlieren. Um eine effiziente Förderung zu gewährleisten, muss sich daher ausführlich mit dem Kind befasst und seine Stärken herausgearbeitet werden. Basierend auf seinen Talenten kann das Kind dann verschiedene Rollen in einer sozialen Gruppe einnehmen, z.B. als Teil eines Fußballteams, einer Band oder einer Jugendgruppe. Dies zielt auf die Stärkung des Selbstwertgefühles ab und soll das Kind ermutigen, von sich aus neue Verhaltensweisen zu entwickeln.

Leider fühlen sich viele Erwachsene überfordert und werden ungeduldig. Ein konstruktives Gespräch kann so nicht entstehen, vor allem, wenn die Beziehung zum Kind schon länger problematisch und das Verhalten tief verankert ist. Die Grundsätze des Umgangs mit verhaltensauffälligen Kindern und Jugendlichen lauten daher ruhig bleiben, klare Regeln aufstellen und Konsequenzen durchsetzen, positives Verhalten loben und zu eigenständigem Verhalten ermutigen. Leider stellt sich meistens nicht unmittelbar ein spürbarer Effekt ein. Solange die Erwachsenen aber dran bleiben, sind die Erfolgsaussichten hoch, da Kinder clever sind und Veränderungen zu ihrem Vorteil rasch annehmen. Diese Förderung macht allerdings nur dann Sinn, wenn sich Eltern und Lehrer bzw. andere erwachsene Bezugspersonen des Kindes gegenseitig unterstützen und einheitliche Regeln vorgeben. Zur Förderung des Kindes gehört daher immer zuallererst eine Schulung der Eltern und Lehrer.

Wie kann man Kinder und Jugendliche in der Schule integrieren?

Förderung und Integration gehen Hand in Hand, die Grundsätze sind daher die gleichen wie bereits beschrieben, allen voran der ruhige, aber bestimmte Umgang und das Vorgeben und Durchsetzen einfacher, klarer Regeln. Um ein Kind erfolgreich zu integrieren, muss es daher einerseits so behandelt werden wie alle anderen, sprich es gelten die gleichen Regeln für alle, andererseits müssen Bemühungen aber frühzeitiger und ausgiebiger wahrgenommen und gewürdigt werden, um positives Verhalten und das Selbstwertgefühl des Kindes zu fördern. Zudem ist es wichtig, der Verhaltensstörung auf den Grund zu gehen. Jedes auffällige Verhalten ist Ausdruck eines Gefühls oder Konflikts und ist ein Hinweis darauf, was das Kind eigentlich will. Aggressionen und Gewalt können beispielsweise die Art eines Kindes sein, mit seinen Unmut über seine fehlende Beliebtheit bei den anderen Kindern umzugehen. Kinder, die Schulsachen beschädigen oder im Klassenzimmer randalieren, können so ihrer Angst vor dem Versagen und dem Leistungsdruck ein Ventil geben.

Selbstverletzendes Verhalten wird von Kindern gezeigt, die ihrem inneren Druck entgehen wollen. Somit ist jedes auffällige Verhalten für das Kind in dem Moment sinnvoll, auch wenn es langfristig kontraproduktiv für die eigenen Wünsche ist. Für eine erfolgreich Integration ist es wichtig, die Kinder kennen zu lernen und solche Zeichen deuten zu können. Lässt sich so auf die Ursache schließen, kann sie beseitigt oder zumindest gemildert werden. Daneben ist die Aufmunterung zu gemeinsamen Aktivitäten und die Einbindung des betroffenen Kindes in den Klassenverband von essentieller Bedeutung. Viele der verhaltensauffälligen Kinder sind die Rolle des Außenseiters gewohnt und müssen die Vorteile eines großen Freundeskreises und eines Gruppenzusammenhalts erst kennen lernen. Mobbing und Ausgrenzung jeglicher Art sind an einer Schule, die verhaltensauffällige Kinder integrieren will, daher zu unterbinden. Die Rolle der Mitschüler ist zudem nicht zu unterschätzen. Auffälliges Verhalten kommt erst durch die Reaktionen Gleichaltriger zustande. Ist der Klassenverband gut und gehen die Kinder offen auf Neuankömmlinge zu, machen sie den wichtigsten Teil der Eingliederung des Kindes aus. Ziele der Integration sind daher, die Ursache des auffälligen Verhaltens zu finden und zu beseitigen, die eigentlichen Wünsche des Kindes zu erfüllen, ein aufgeschlossenes Umfeld zu bieten und die Vorteile einer Gruppenzugehörigkeit aufzuzeigen.

Kann eine Verhaltensauffälligkeit ein Hinweis auf eine Hochbegabung sein?

Fast alle hochbegabten Kinder haben früher oder später Probleme mit anderen Kindern und in der Schule. Ihre Mitschüler schließen sie aufgrund ihrer besonderen Art aus, da sie sich in ihren Augen merkwürdig verhalten. Der Schulstoff langweilt sie und sie fangen an, sich mit anderen Dingen zu beschäftigen und stören eventuell den Unterricht. Somit zeigen die meisten hochbegabten Kinder auffälliges Verhalten, das häufig noch vor der Hochbegabung festgestellt wird. In diesen Fällen sind die Verhaltensauffälligkeiten tatsächlich Hinweis auf eine besonders ausgeprägte Intelligenz. Da Hochbegabungen jedoch selten sind, kommen sie nur bei sehr wenigen der vielen verhaltensauffälligen Kinder vor. Wenn das Kind bereits vorher Anzeichen einer besonderen Begabung gezeigt hat, beispielsweise besonders schnelles Lernen von Sprechen, Lesen und Schreiben oder andere beschleunigte Entwicklungsschritte, sollte eine Hochbegabung abgeklärt werden. Liegen jedoch außer den Verhaltensauffälligkeiten keine weiteren Anzeichen vor, ist eine Hochbegabung sehr unwahrscheinlich.

Weitere Informationen

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Autor: Dr. Nicolas Gumpert Veröffentlicht: 05.10.2017 - Letzte Änderung: 22.10.2021