Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG)

Was ist die Blutsenkungsgeschwindigkeit?

Synonyme: Blutkörperchensenkungsgeschwindigkeit (BKS), Blutkörperchensenkungsrate (BSR), Erythrozytensedimentationsrate (ESR)

Die Blutsenkungsgeschwindigkeit gibt an, wie schnell die roten Blutkörperchen (Erythrozyten) einer Blutprobe innerhalb einer Stunde in einem Reagenzglas absinken. Der gemessene Wert ist von Größe, Form, Dichte sowie der Oberflächenladung der roten Blutkörperchen abhängig.

Dieser unspezifische Suchtest wird bei Verdacht auf eine entzündliche Erkrankung eingesetzt, bei der die roten Blutkörperchen beschleunigt absinken.

Indikationen für eine Blutsenkungsgeschwindigkeit

Die Blutsenkungsreaktion wird als unspezifischer Globaltest bei Verdacht auf akute oder chronische entzündliche Erkrankungen eingesetzt. Ziel ist es, entzündliche oder bösartige Erkrankungen auszuschließen, da die BSG sehr unspezifisch ist und keine Aussage über die genaue Ursache liefert.

Außerdem wird die mehrmalige Bestimmung der BSG bei bestimmten Erkrankungen auch als Verlaufsparameter genutzt.

Ablauf

Physiologisch stoßen sich die roten Blutkörperchen aufgrund ihres negativen Oberflächenpotenzials ab und die Senkung (Sedimentierung) verläuft langsam. Im Rahmen einer entzündlichen Erkrankung werden bestimmte Plasmaproteine freigesetzt, die die negative Oberflächenladung der roten Blutkörperchen teilweise aufheben und eine schnellere Zusammenlagerung (Agglomeration) dieser befördern. Dadurch sinken die Erythrozyten in der Blutprobe schneller ab.

Die Erythrozytensedimentationsrate (ESR) wird nach Westergren bestimmt. Dazu wird 0,4 ml einer 3,8% Natriumcitratlösung mit 1,6 ml venösem Blut gemischt, was im Rahmen einer herkömmlichen Blutabnahme mit einer Citrat-Monovette gemacht wird. Im Anschluss wird die Blutprobe in eine senkrechte 200 ml Pipette mit Millimeterabstufung gefüllt.

Auswertung

Nach 1 Stunde wird die rote Flüssigkeitssäule (Absenkung der Erythrozytensäule) in Millimeter abgelesen. Manchmal wird die BSG auch nach 2 Stunden abgelesen und in Relation zum 1-Stunden-Wert gesetzt. Der 2-Stunden-Wert gibt jedoch normalerweise keine zusätzliche Information.

Was sind Normwerte?

Die Normwerte der BSG sind alters- und geschlechtsabhängig und betragen bei unter 50-jährigen 

  • Frauen <20 mm in der ersten Stunde

  • Männer <15 mm in der ersten Stunde.

Mit steigendem Alter erhöhen sich diese Referenzwerte bei über 50-Jährigen Frauen und Männer um 10 mm bzw. 5 mm in der ersten Stunde. Als eine “Sturzsenkung” werden Werte ab 100 mm in der ersten Stunde bezeichnet (uneinheitliche Angabe).

Worauf deutet eine erhöhte Blutsenkungsgeschwindigkeit hin?

Eine Erhöhung der BSG besteht bei Infektionskrankheiten, Autoimmunerkrankungen, Sepsis (Blutvergiftung), Entzündungen der Schilddrüse (Thyreoiditis), bösartigen Tumoren, Leukämien, Auflösung von Erythrozyten (Hämolyse), Blutarmut, Herzinfarkt, Lebererkrankungen und erhöhten Blutfettwerten.

Nicht nur bei vorliegenden Erkrankungen steigt die BSG, sondern auch bei der Einnahme von bestimmten Medikamenten wie Hormonpräparaten sowie in der Schwangerschaft und nach der Menstruation oder Operationen.

Worauf deutet eine erniedrigte Blutsenkungsgeschwindigkeit hin?

Eine Erniedrigung der Blutsenkungsgeschwindigkeit ist ebenfalls möglich und kann auf eine erhöhte Anzahl roter Blutkörperchen (Polyglobulie), eine Polycythaemia vera (Erkrankung der blutbildenden Zellen im Knochenmark) oder eine Sichelzellerkrankung hinweisen.

Zudem senken entzündungshemmende Medikamente ebenfalls die BSG.

Ist eine Blutsenkung(sgeschwindigkeit) heute noch wichtig oder verzichtbar?

Die Bestimmung der Blutsenkungsgeschwindigkeit ist von entscheidender Bedeutung zum Ausschluss entzündlicher Erkrankungen. Zusammen mit der Bestimmung des C-reaktiven Proteins (CRP, Akut-Phase-Protein, das bei Entzündungen vermehrt gebildet wird) stellt sie ein sensitives diagnostisches Mittel zur Beurteilung des Verlaufs von bösartigen oder entzündlichen Erkrankungen dar.

Der Test zur Bestimmung der Blutsenkungsgeschwindigkeit gibt jedoch keine Auskunft über die Ursachen der Erhöhung/Erniedrigung der Werte. Darüber hinaus werden die Werte von vielen Faktoren beeinflusst und können auch physiologischerweise erhöht oder erniedrigt sein, z.B. prämenstruell, bei veränderter Körpertemperatur oder bei Einnahme bestimmter Medikamente.

Dauer

Die Dauer der Testung ist von Labor zu Labor unterschiedlich. Grundsätzlich dauert die Blutabnahme eines Citrat-Röhrchens nur wenige Sekunden. Die Probe wird dann im Labor entsprechend der Testdurchführung aufbereitet.

Die Blutsenkung sollte einmal nach einer Stunde und manchmal auch nach zwei Stunden abgelesen werden. Je nachdem wie der Test durchgeführt wird, dauert sie von der Blutabnahme bis hin zur Auswertung einige Stunden.

Kosten

Die Messung der Blutsenkungsgeschwindigkeit ist bei der Laboranalyse i.d.R. selbstverständlich. Für gesetzlich Versicherte fallen für den Test keine Gebühren an.

Was sind die Alternativen?

Die Bestimmung der Blutsenkungsgeschwindigkeit ist ein unspezifischer Suchtest bei Verdacht auf eine entzündliche Erkrankung. Alternativen dazu sind die Bestimmung anderer Entzündungsparameter, wie das C-reaktive-Protein (CRP), Anzahl der weißen Blutkörperchen, Procalcithonin und die Serumelektrophorese, die die Veränderung der Plasmaproteinverteilung bei einer akuten Entzündung darstellt.

Autor: Dr. Nicolas Gumpert Veröffentlicht: 04.05.2021 - Letzte Änderung: 22.10.2021