Therapie bei Morbus Perthes

Einleitung

Wenn ein Kind an Morbus Perthes erkrankt, muss vorrangig versucht werden, das betroffene Bein zu entlasten und eine Deformierung des Hüftkopfes zu verhindern. Werden diese therapeutischen Maßnahmen erfolgreich während des Abbaus und Aufbaus des Knochens im Laufe der Erkrankung durchgeführt, besteht eine gute Prognose. Das Kind kann somit ohne bleibende Schäden auskurieren.
Der Krankheitsprozess an sich kann durch keine momentan bekannte Therapie beeinflusst werden und dauert in der Regel 4 Jahre. Da eine vollständige Entlastung des Hüftgelenks teilweise nicht möglich ist oder zu spät eingeleitet wird, kommt es trotzdem immer wieder zu Deformierungen. Diese müssen meist operativ gerichtet werden, da sonst Bewegungseinschränkungen und Schmerzen auftreten können. Der Heilungsprozess wird durch eine Operation in der Regel positiv beeinflusst. Oftmals wird zur Unterstützung Krankengymnastik eingesetzt. Diese erhält und schult die Beweglichkeit – eine Voraussetzung für jedwede Therapie.

Operation

Indikation zur OP

Sind der Gelenkkopf und die Gelenkpfanne optimal aufeinander angepasst, nennt man dies „containment“ (englisch: Eindämmung). Das Hüftdach umfasst dabei möglichst vollständig den Hüftkopf. Ist dies nicht der Fall, kann es zu Bewegungseinschränkungen kommen. Wenn eine Operation zur Frage steht, wird einerseits auf den „containment“-Status des Gelenks geachtet, andererseits auf die Catterall-Gruppe. Diese Gruppeneinteilung beinhaltet vier verschiedene Stadien, die allerdings nicht mit den allgemeinen Krankheitsstadien übereinstimmen. Sie beschreiben aufsteigend von Stadium 1 bis 4, wie stark der Defekt des Hüftkopfes während der Perthes-Krankheit ausgeprägt ist. Ein unvollständiges „containment“ und die Catterall-Gruppen 3 und 4 können eine Indikation zur Operation sein. Normalerweise gilt folgender Grundsatz: sehr junge oder junge Patienten mit einer niedrigen Catterall-Gruppe sollten zunächst konservativ behandelt werden. Die Indikation zur Operation muss dabei von den behandelnden Ärzten gut abgewogen werden. Kommt es während der konservativen Therapie zur Verschlechterung der Beweglichkeit, kann abermals operative Maßnahmen abgewogen werden.

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Varisationsosteotomie

Bei der Varisationsosteotomie wird der Patient am Oberschenkelknochen operiert. Es wird ein Keil aus dem Knochen herausgeschnitten, dessen spitzes Ende zur äußeren Seite des Beines zeigt. Dadurch neigt sich der Hüftkopf in Richtung Körpermitte (bzw. Körperlot). Es wird eine Neigung von 10 bis 15 Grad angestrebt. Durch diese Positionsänderung liegt der Gelenkkopf wieder besser in der Gelenkpfanne. Neben dem eigentlichen Behandlungseffekt bringt eine Varisationsosteotomie noch etwas Gutes mit sich: es zeigt sich teilweise, dass sich der zerstörte Hüftkopf nach der Operation schneller regeneriert. Es wird vermutet, dass die operativen Veränderungen an dem Knochen den Heilungsreiz verstärken und somit das Wachstum der Knochensubstanz fördern.

Operation nach Salter

Hat die Varisationsosteotomie nicht den erwünschten Erfolg gebracht oder wird sich gegen eine solche Operation entschieden, kann eine beckenseitige Operation nach Salter durchgeführt werden.
Das Prinzip ist hier ähnlich, aber umgekehrt – es wird ein Keil eingesetzt, statt Knochenmaterial zu entnehmen. Das Darmbein des Beckengürtels wird im Bereich der Gelenkpfanne horizontal abgesägt und zwischen die entstehenden Knochenfragmente ein Keil eingebracht. Das Hüftdach steht ist nun mehr nach unten geneigt, also insgesamt flacher. Dadurch liegt der Hüftkopf zentraler im Gelenk. Außerdem wird somit die Beinlängenverkürzung, welche entweder durch die Varisationsosteotomie entstanden oder durch den Morbus Perthes aufgetreten ist, ausgeglichen.
Nach der Operation muss eine intensive Schmerztherapie durchgeführt und eine Ruhigstellung mit Hilfe von Gipsverbänden und Bettruhe gewährleistet werden. Die Operation nach Salter ist mit mehr Komplikationen verbunden, als die Varisationsosteotomie. Dazu gehören zum Beispiel Störungen der Wundheilung und die Schädigung von Nerven oder Gefäßen.

Krankengymnastik nach der OP

Direkt nach den Operationen sollte keine Krankengymnastik erfolgen. Der Knochen muss zunächst geschont werden und ausheilen, bevor das Gelenk wieder belastet werden darf. Nach etwa 6 Wochen kann der Einsatz einer physiotherapeutischen Behandlung abgewogen werden.

Krankengymnastik ohne OP

In fast allen Stadien von Morbus Perthes können konservative Behandlungsformen angewandt werden – so zum Beispiel Krankengymnastik. Bei diesem Krankheitsbild ist besonders die Bewegung des Beins vom Körperlot weg (Abduktion) und die Innenrotation im Hüftgelenk eingeschränkt. Neben einem Training, welches sich auf diese Bewegungen konzentriert, kann eine Schulung der Gesäßmuskulatur (Glutealmuskulatur) eine verbesserte Gelenkstabilisation bewirken. Die Krankengymnastik soll die Beweglichkeit im Gelenk erhalten, ohne eine Mehrbelastung darzustellen.

Übungen

Hauptsächlich zeigen sich bei Morbus Perthes Bewegungseinschränkungen wahrend der Innenrotation und bei der Abduktion. Die Abduktion ist das Abspreizen des Beins – die Bewegung des Beines vom Körperlot nach Außen. Übungen, die diese Bewegungsachse trainieren, können sowohl im Stehen, als auch im Sitzen durchgeführt werden.
Im Stand kann das Bein zwischen zwei festen Punkten hin und her bewegt werden. Der eine Punkt liegt knapp hinter dem entgegengesetzten Fuß, sodass sich die Beine bei der Bewegung überkreuzen. Der andere Punkt liegt auf der Seite des zu trainierendes Beines, in etwa so weit entfernt, sodass das Bein 45 Grad abgespreizt wird. Möchte man die Abduktion im Sitzen trainieren, kann dies am einfachsten mit einem Gummiband (Terra-Band) durchgeführt werden. Bei angewinkelter Stellung der Beine wird das Band um die Knie gelegt. Diese müssen nun gegen den Widerstand nach außen gedrückt werden.

Auch die Innenrotation im Hüftgelenk kann sowohl im Stand, als auch sitzend geübt werden. Der Patient setzt die Ferse auf den Boden pendelt mit dem Vorderfuß nach innen und nach außen, um die Drehbewegungen stehend zu trainieren. Im Sitzen wird ebenfalls das Gummiband (Terra-Band) eingesetzt. Es wird an einem Fixpunkt befestigt und eine Schlaufe um den Fuß gelegt. Während das Bein gestreckt ist, wird der Fuß nach innen gedreht. Um die Gesäßmuskulatur zu stärken reichen einfache Streckbewegungen in der Hüfte, wie beim Treppensteigen.

Entlastung der Hüfte

Neben einer operativen Entlastung der Hüfte kann auch auf konservativem Wege eine Belastungsreduktion herbeigeführt werden. Das einfachste Mittel dabei ist die Bettruhe, welche jedoch für die betroffenen Kinder zur sozialen Isolation führen kann. Eine Lagerung im Kinderwagen, wenn das Kind noch nicht zu alt ist, oder eine Mobilisierung mit Hilfe eines Rollstuhls stellen akzeptablere Möglichkeiten dar. Weiterhin können andere Gehhilfen genutzt werden.

Dauer der Therapie

Die Dauer der Therapie bei bestehendem Morbus Perthes kann von Patient zu Patient unterschiedlich sein. In der Regel dauert der vollkommene Wiederaufbau des Hüftkopfes mehrere, mindestens aber 2 Jahre. Die Wiederherstellung der Knochensubstanz kann bislang durch keine bekannte Behandlungsmaßnahme beschleunigt werden. Lediglich eine Operation am Oberschenkelknochen kann gegebenenfalls das Knochenwachstum fördern und die Ausheilung beschleunigen. Die Dauer der Belastung spielt bei der Therapie eine enorme Rolle. Von einer Operation gehen zwar mehr Risiken aus als von einer konservativen Therapie, jedoch lässt sich die Ruhigstellung und die psychische Belastung des Kindes verringern. Eine begleitende physiotherapeutische Behandlung kann über den normalen Therapierahmen hinaus notwendig sein und Jahre über die eigentliche Erkrankung andauern.

Weitere Informationen

Weitere Informationen zum Thema Therapie beim Morbus Perthes finden Sie unter:

Eine Übersicht aller Themen der Orthopädie finden Sie unter: Orthopädie A-Z.

Autor: Dr. Nicolas Gumpert Veröffentlicht: 03.08.2016 - Letzte Änderung: 21.07.2023