Hämochromatose

Einleitung

Synonyme: Primäre Siderose, Hämosiderose, Siderophilie, Eisenspeicherkrankheit

(engl.): hematochromatosis

Die Hämochromatose ist eine Erkrankung, bei der es zu einer vermehrten Aufnahme von Eisen im oberen Dünndarm kommt.
Diese vermehrte Aufnahme des Eisens führt dazu, dass das Gesamteisen des Körpers von 2-6g auf Werte bis zu 80g ansteigt.

Diese Eisenüberladung hat zur Folge, dass sich in vielen verschiedenen Organen wie Herz, Leber, Milz, Bauchspeicheldrüse, Schilddrüse und der sogenannten Hirnanhangsdrüse Eisenablagerungen bilden, die über eine längere Zeit die Organfunktion beeinträchtigen.

Symptome & Diagnose

Welche Anzeichen deuten auf eine Hämochromatose?

Die Symptome der Hämochromatose entstehen durch eine gesteigerte Eisenablagerung in verschiedenen Organe, wodurch es zu einer Zellschädigung kommt. Unter anderem kommt es zu Ablagerungen in:

  • Leber
  • Bauchspeicheldrüse
  • Hypophyse
  • Herz und
  • Gelenken

Zu Beginn der Erkrankung stellen die Betroffenen meist keine Beschwerden oder Veränderungen fest. Erst nach mehreren Jahren treten dann erstmals Symptome auf. Bei Männern äußern sich die Anfangssymptome meist im einem Alter zwischen 30 und 50.
Bei Frauen hingegen treten die ersten Beschwerden nach den Wechseljahren auf, da vor der Menopause überschüssiges Eisen natürlich über die Menstruation ausgeschieden werden kann und ein gesteigerter Eisenbedarf durch eine Schwangerschaft und Stillen vorhanden sein kann.

Typisch sind unspezifische Anfangsbeschwerden wie:

  • Müdigkeit
  • depressive Verstimmung
  • Oberbauchschmerzen und
  • Gelenkbeschwerden

Von den Gelenkbeschwerden sind vor allem der Zeige- und der Mittelfinger in den Mittelhandgelenken betroffen. Aber auch größere Gelenke wie das Kniegelenk sind häufig betroffen. Die Gelenkbeschwerden bessern sich auch häufig unter Therapie kaum, was zu einer starken Reduktion der Lebensqualität führen kann.

Dadurch, dass es unter anderem zu einer gesteigerten Eisenablagerung in der Leber kommt, führt dies zu einer Zunahme des Bindegewebes in der Leber, was fachsprachlich als sogenannte Leberfibrose bezeichnet wird. Die Leberenzyme steigen an und die Leber vergrößert sich. Wird die Leber dann auch narbig umgebaut, spricht man von einer Leberzirrhose.

Im weiteren Stadium geht die Leberzirrhose dann im Extremfall in ein kleinzelliges Leberkarzinom über. Durch den bindegewebigen Umbau der Leber, ist diese in ihrer Funktion eingeschränkt. Des Weiteren kann es anderen typischen Symptomen kommen, die aber nicht bei jedem Patienten auftreten müssen.

Dazu zählt unter anderem eine gesteigerte Hautpigmentierung an sonnenexponierten Hautarealen.
Im weiteren Verlauf kommt es dann zu einer Bronzefärbung der Haut. Dies kommt durch eine gesteigerte Melaninproduktion (=Hautfarbstoff) zustande, da Melanin unter anderem aus Eisen gebildet wird.

Auch Symptome einer Zuckererkrankung, wie vermehrtes Wasserlassen und ein gesteigertes Durstgefühl können auftreten. Dadurch, dass die Bauchspeicheldrüse durch die Eisenablagerung geschädigt wird, kommt es im fortgeschrittenen Verlauf auch tatsächlich zur Entwicklung eines Diabetes mellitus (Zuckererkrankung).

Es kann zu einem gesteigerten Haarausfall, sowie zu einer verfrühten Graufärbung der Haare kommen. Zudem kann es zu einer Impotenz kommen und bei Frauen kann sich die Menstruationsblutung verändern oder sogar ganz ausbleiben. Durch Ablagerungen in der Hypophyse kommt es häufig zu einem Testosteronmangel des Mannes mit resultierender reduzierter Libido (Lust) und bei der Frau zum vorzeitigen Eintritt in die Wechseljahre.

Des Weiteren kann es aufgrund von Eisenablagerungen im Herzmuskel zu einer Herzschwäche mit resultierender Kurzatmigkeit und Herzrhythmusstörungen kommen. Zusätzlich kann es zur Entwicklung einer Osteoporose kommen. Unter Umständen entwickeln sich im Rahmen der toxischen Zellschäden durch die Eisenablagerungen in den Organen auch Karzinome, wie ein Leberkarzinom oder Bauchspeicheldrüsenkrebs.

Lesen Sie mehr zum Thema: Symptome der Hämochromatose

Welche Symptome zeigen sich an der Haut?

Typischerweise weisen Patienten mit Hämochromatose eine bräunlich-bronzefarbene Pigmentierung (Verfärbung) der Haut auf.
Diese dunklere Hautfarbe ist vor allem an den Hautpartien, die dem Sonnenlicht ausgesetzt sind zu finden:

  • Streckseite der Arme und der Hände,
  • Hals,
  • Gesicht,
  • Unterschenkel.

Zusätzlich sind auch Brustwarzen, die Achselhöhlen, die Handinnenflächen und die Genitalregion von der dunklen Pigmentierung betroffen. 75% der Patienten mit Hämochromatose weisen die Pigmentierung in den Achseln auf, zusätzlich fehlt die Achselbehaarung. Auch alle weiteren dunkleren Hautstellen sind bei Hämochromatose haarlos. Die Hyperpigmentierung ist auf eine Überproduktion des Farbstoffes Melanin zurückzuführen, die häufig bei Hämochromatose auftritt.

Welche Symptome treten an den Augen auf?

Symptome an den Augen sind bei Hämochromatose (bislang) nicht bekannt. Es existieren lediglich einzelne Fallberichte zu Hämochromatose und Katarakt (Grauer Star). Nicht zu verwechseln ist die Hämochromatose mit dem Morbus Wilson, eine Kupferspeicherkrankheit, bei der sich Kupfer ringförmig am Rande der Regenbogenhaut ablagert, was Kayser-Fleischer-Kornealring genannt wird.

Welche Symptome treten an den Gelenken auf?

Bei etwa 50% der Hämochromatose-Patienten macht sich die Erkrankung durch eine sogenannte Arthropathie bemerkbar. Artrhopathie bedeutet nichts anderes als Gelenkerkrankung. Die Arthropathie bei Hämochromatose ist schmerzhaft und tritt bevorzugt an den Fingergrundgelenken des Zeige- und Mittelfingers auf. Häufig betroffen sind auch die Fingermittel- und Handgelenke.

Bei Hämochromatose-Patienten ist auch ein verfrühtes Auftreten von Hüft- und Kniegelenksartrhose bekannt.
Die Therapie mit Aderlässen kann leider nur im Frühstadium das Auftreten von Gelenkerkrankungen durch die Hämochromatose verhindern, bereits vorhandene Gelnkschäden können durch die Behandlung nicht rückgängig gemacht werden.

Sie möchten wissen, wie Sie eine Arthrose erkennen können? Lesen Sie hierfür unseren Artikel: Symptome bei einer Arthrose

Wie wird eine Hämochromatose diagnostiziert?

Besteht symptomatisch der Verdacht für eine Hämochromatose, wird zur ersten Abklärung Blut abgenommen und überprüft, ob die Transferrinsättigung über 60% liegt und ob gleichzeitig das Serumferritin über 300ng/ml liegt. Transferrin dient als Eisentransporter im Blut, während Ferritin die Funktion eines Eisenspeichers im Körper übernimmt.

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Sind beide Werte erhöht, wird ein Gentest durchgeführt, da circa 0,5% der Bevölkerung homozygote Träger (auf beiden Genkopien) der Anlage für eine Hämochromatose sind. Jeder achte bis zehnte Nordeuropäer besitzt die Anlage auf einem Gen und kann die Anlage somit vererben.

Ist der Gentest positiv führt man in der Regel eine Aderlasstherapie durch. Ist der Gentest negativ wird ein MRT-Bild der Leber angefertigt, um Eisenablagerungen in der Leber nachzuweisen. Sollte dies positiv ausfallen wird ebenfalls eine Aderlasstherapie durchgeführt. Zusätzlich kann man noch weitere Organfunktionstests durchführen.

Wird letztendlich eine Hämochromatose diagnostiziert, ist es ratsam, ebenfalls einen Gentest bei engen Verwandten, wie den Geschwistern durchzuführen, um bei ihnen eine Erkrankung möglichst früh zu erkennen.

Wie läuft der Gentest ab?

Für den Gentest wird nach besonderer Einverständniserklärung des Patienten zuerst Blut abgenommen.
Benötigt wird ein sogenanntes EDTA-Blutröhrchen mit mindestens 2ml Blut. Jeder Arzt kann dieses Blutröhrchen abnehmen und an ein Labor schicken, das den Gentest durchführt.

Die Testung von Verwandten eines Hämochromatose-Patienten ist allerdings nur nach einer humangenetischen Beratung zulässig.
Das Blut wird im Labor mittels PCR (Polymerase-Kettenreaktion) und/oder RFLP (Restriktions-fragmentlängenpolymorphismus, „genetischer Fingerabdruck“) untersucht. Diese Testverfahren suchen nach genetischen Mutationen im betroffenen HFE-Gen.
90% der Patienten weisen eine C282Y-Mutation in beiden Genbereichen auf.

Ein Ergebnis ist nach etwa 2 Wochen Bearbeitungszeit zu erwarten.

Was kostet der Gentest?

Wird der Gentest aufgrund des Verdachtes auf Hämochromatose durchgeführt, übernimmt die Krankenkasse die Kosten. Ein auf Wunsch des Patienten veranlasster Gentest, obwohl keine Symptome bestehen, kann nur nach einer Beratung durch einen Humangenetiker durchgeführt werden und muss vom Patienten selbst bezahlt werden. Die Kosten hierfür variieren. Am besten erfragt man bei dem Labor, zu dem der Hausarzt oder der Gastroenterologe die Proben schicken, die Kosten.

Welche Veränderungen liegen in den Blutwerten vor?

Um die Blutwerte bei Hämochromatose besser zu verstehen, folgt hier eine Erklärung der wichtigen Laborwerte, die bei dieser Erkrankung verändert sind:

  • Serum-Eisen: Dieser Wert beschreibt die Konzentration von Eisen im Blutserum und unterliegt starken tageszeitabhängigen Schwankungen, weshalb das Ferritin eine bessere Aussage über den Eisenhaushalt des Patienten ermöglicht. Das Serum-Eisen wird aber benötigt, um die Transferrinsättigung zu berechnen (siehe unten).

  • Ferritin: Ferritin wird auch als „Speichereisen“ bezeichnet, da dieses Eiweiß Eisen in biologischer Form speichert. Der im Blut messbare Ferritinspiegel hängt mit den Eisenvorräten des Körpers zusammen. Dabei gilt: Hohe Eisenvorräte → hohes Ferritin, niedrige Eisenvorräte → niedriges Ferritin. Die Normwerte sind von Alter und Geschlecht abhängig.

    Bei Hämochromatose ist der Ferritinwert erhöht, da die Eisenvorräte des Körpers voll oder gar überfüllt sind. Die Werte betragen bei Hämochromatose über 300µg/l und können bis 6.000 µg/l erhöht sein.
    Ferritin ist auch bei verschiedenen Entzündungs-prozessen im Körper erhöht, die Diagnose „Hämochromatose“ kann deshalb nicht nur durch einen zu hohen Ferritinwert gestellt werden.

Lesen Sie mehr zu erhöhten Ferritinwerten unter: Ferritinwert erhöht

  • Transferrin: Transferrin ist ein Transportprotein für Eisen. Es sorgt für den Transport von Eisen zwischen Darm, Eisenspeichern und den Orten der Blutproduktion, wo es für die Herstellung von Hämoglobin, dem roten Blutfarbstoff benötigt wird.
    Der Normwert für Transferrin beträgt 200-400mg/dl.
    Aussagekräftiger als der Transferrinspiegel ist aber die Transferrinsättigung.

  • Transferrinsättigung: Dieser Wert wird aus Serum-Eisen und Transferrin berechnet und beschreibt den Anteil des Transferrins im Blut, der momentan mit Eisen besetzt ist (also aktuell Eisen von A nach B innerhalb des Körpers transportiert).
    Bei Hämochromatose ist dieser Wert erhöht:
    Frauen weisen Werte über 45%, Männer über 55% auf. Grund ist die erhöhte Aufnahme von Eisen und damit auch die gesteigerte Notwendigkeit, dieses Eisen innerhalb des Körpers zu verteilen.
    Eine normale Transferrinsättigung schließt eine Hämochromatose mit hoher Wahrscheinlichkeit aus.

Behandlung

Die Therapie der Hämochromatose besteht aus einer Reduktion des Körpereisens. Dies wird meistens mit der relativ alten Therapie des Aderlasses ermöglicht.
Die Aderlass Therapie besteht aus zwei Phasen: 

  • Die Initialtherapie beginnt mit Aderlässen von jewils 500 ml Blut um den Ferritinspiegel auf unter 50 g/l zu senken.
  • Die Langzeittherapie dient der Erhaltung der niedrigen Ferritinspiegel und beinhaltet etwa 4-12 Aderlässe von 500 ml pro Jahr. Somit soll eine Eisenüberladung des Körpers bei Hämochromatose verhindert werden. Pro Aderlass werden dem Körper etwa 200mg Eisen entzogen.

Wichtig ist, dass diese Aderlässe regelmäßig erfolgen, um eine gleichmäßige Blutneubildung zu gewährleisten. Diätische Maßnahmen spielen ebenfalls bei der Hämochromatose eine wichtige Rolle, da stark eisenhaltige Nahrung reduziert werden sollte.
Zu diesen Nahrungsmittlen gehören zum Beispiel: Spinat, Kohl, Linsen, Fleisch und Getreide.

Vitamin C haltige Getränke steigern die Eisenaufnahme, insbesondere bei gleichzeitiger Einnahme von eisenhaltiger Nahrung. Deswegen sollte das Vitamin C zwei Stunden nach der Nahrungsaufnahme erfolgen.

Alkohol steigert ebenfalls die Aufnahme von Eisen im Magen Darm Trakt und sollte deshalb auch vermieden werden.
Medikamente aus der Klasse der Protonenpumpenhemmer (hemmen die Magensäureproduktion) verhindern die Wiederaufnahme von Eisen im Darm.

Sind andere Organe schon in Mitleidenschaft gezogen, müssen diese natürlich auch therapeutisch behandelt werden.
In besonderen Fällen der Hämochromatose, in denen zum Beispiel die Herzfunktion stark beeinträchtigt ist, müssen Eisenbinder eingesetzt werden, da das Herz nicht in der Lage ist, das verminderte Blutvolumen (verursacht durch Aderlässe) durch einen erhöhten Herzschlag auszugleichen.
In den Fällen, in denen die Leber stark geschädigt ist (Leberzirrhose) muss eine Organtransplantation erwogen werden.

Die Aderlasstherapie

Die Hämochromatose wird über eine Aderlass-Therapie behandelt. Dies kann für den Patienten unter Umständen sehr anstrengend sein. Durch den Aderlass werden die überfüllten Eisenspeicher geleert. Dazu werden zu Beginn der Behandlung circa im ein- bis zweiwöchigen Takt etwa 500ml Blut abgelassen. Die Aderlasstherapie wird so lange fortgeführt, bis das Serumferritin ein Wert von unter 50µg/l erreicht. Bei einer fortgeschrittenen Hämochromatose kann dies schon mal ein bis zwei Jahre dauern.

Im Anschluss folgt die sogenannte Erhaltungsphase, in der nur noch alle drei Monate ein Aderlass erforderlich ist, um das Ferritin auf einem Wert zwischen 50 und 100 µg/l zu halten. Da die Hämochromatose meist genetisch bedingt ist und man nicht die Ursache beheben kann, muss die Therapie ein Leben lang fortgeführt werden. Neben der Aderlasstherapie ist auch eine Therapie mit Medikamenten möglich, allerdings wirkt die Aderlasstherapie effektiver und birgt weniger Nebenwirkungen.

Wie ernähre ich mich bei einer Hämochromatose richtig?

Wichtig ist es, eine Anhäufung von Eisen durch die Ernährung zu vermeiden, um den Effekt der Aderlasstherapie nicht zunichte zu machen.
Man sollte deshalb auf stark eisenhaltige Lebensmittel wie tierische Innereien verzichten. Ansonsten bestehen eigentlich keine Einschränkungen, was die Ernährung angeht.

Das Trinken von Schwarzem Tee oder Milch zu den Mahlzeiten vermindert in geringem Ausmaß die Aufnahme von Eisen im Dünndarm und kann deshalb für Hämochromatose-Patienten hilfreich sein. Da Vitamin C die Aufnahme von Eisen aus der Nahrung begünstigt, sollten etwa 2 Stunden vor und nach den Mahlzeiten keine Vitamin-C-haltigen Fruchtsäfte getrunken werden.

Wichtig ist, nach Diagnosestellung Alkohol zu meiden, bis die Eisenspeicher entleert sind (nach ca. 1 bis 1,5 Jahren Aderlasstherapie). Auch darüber hinaus ist der Verzicht auf Alkohol sinnvoll, um die Schädigung der Leberzellen einzuschränken.

Darf ich mit einer Hämochromatose Alkohol trinken?

Die Eisenüberladung durch die Hämochromatose schädigt die Leber und führt bei drei Viertel der Patienten im Verlauf zu einer Leberzirrhose, einer irreversiblen Schädigung der Leber mit narbigem Umbau und Funktionsverlust. Trinkt man regelmäßig Alkohol, schädigt dies auch die Leberzellen und kann im Verlauf ebenfalls eine Leberzirrhose verursachen. Hämochromatose-Patienten sollten aus verschiedenen Gründen auf Alkohol verzichten:

Regelmäßiger Alkoholkonsum kann in den Eisenstoffwechsel eingreifen und (auch wenn keine Hämochromatose vorliegt) ebenfalls zu einer Eisenüberladung führen. Die Effekte addieren sich dann. Regelmäßiger Alkoholkonsum bewirkt bei Hämochromatose-Patienten eine zusätzliche Überladung mit Eisen.

Um einer zusätzlichen Schädigung der Leber bei Hämochromatose vorzubeugen, sollten Patienten mit dieser Erkrankung auf regelmäßigen Alkoholkonsum verzichten. Nach Diagnosestellung bis zur Entleerung der Eisenspeicher durch regelmäßige Aderlässe sollte komplett auf Alkohol verzichtet werden.

Was sind die Nebenwirkungen des regelmäßigen Aderlasses?

Typische Nebenwirkungen der Aderlasstherapie sind Müdigkeit, Abgeschlagenheit und Schwindel. Ursache ist das Volumen, das dem Körper dann fehlt. Treten diese Symptome häufig nach einem Aderlass auf, kann anschließend eine Infusion gegeben werden, um die verlorene Flüssigkeit auszugleichen. Alternativ können die Aderlässe auf mehrere Sitzungen aufgeteilt werden, in denen dann weniger Blut entnommen werden muss.

Ursachen

Die Hämochromatose lässt sich wie viele Erkrankungen der inneren Medizin in eine primäre und eine sekundäre Form einteilen:

Primär bedeutet in diesem Sinne, dass die Hämochromatose die Grunderkrankung darstellt, während bei einer sekundären Hämochromatose eine andere ursächliche Erkrankung für die Eisenüberladung verantwortlich ist.
Die primäre Hämochromatose gehört in die Gruppe der Erberkrankungen. In diesem Falle ist auf dem Erbgut eine fehlerhafte Information enthalten, die das normale Eisengleichgewicht durcheinander bringt.

Da hier ebenfalls wichtig ist zu Wissen, wie sich diese Erbkrankheit genetisch verhält, bekommt die Hämochromatose die zusätzliche Bezeichnung einer autosomal-rezessiven Erberkrankung.
Das bedeutet, dass sich die Erkrankung erst dann manifestieren kann, wenn zwei Menschen, die den gleichen Gendefekt besitzen, ein Kind bekommen.
Im Gegensatz zu den rezessiven Erberkrankungen stehen die dominanten Erberkrankungen.
Hier reicht es aus, wenn ein Elternteil die fehlerhafte Information für ein Gen besitzt.

Wie oben genannt, ist bei einer Erberkrankung ein bestimmtes Gen defekt, was dann zu einem manifestieren der Erkrankung führen kann.
Bei 80% der Hämochromatose Patienten liegt eine Mutation im sogenannten HFE Gen vor: 
Das HFE Gen enthält die Information für ein Protein welches im Fachjargon als Hereditäres Hämochromatose Protein bezeichnet wird.
Die Funktion dieses Proteins liegt darin, dass es die Herstellung eines weiteren Stoffes, nämlich das Hepcidin, einleitet. Das Hepcidin verhindert zusammen mit anderen Proteinen die Eisanaufnahme über den Darm. Ist also das HFE Protein gestört, kann kein Hepcidin produziert werden, und der Darm kann ungebremst Eisen aufnehmen.
Der Körper ist darauf angewiesen Eisen aus dem Darm zu entfernen, da ihm keine weiteren Möglichkeiten zur Eisenausscheidung gegeben sind.

Die sekundäre Hämochromatose ensteht auf dem Boden einer anderen bereits vorhandenen Grunderkrankung:
Diese erworbene Eisenüberladung kann zum Beispiel ganz einfach die Folge einer zu hohen Eisenaufnahme über die Nahrung sein.
Dies kommt gehäuft in der südlichen Sahara Region vor, wo Spirituosen in Eisengefäßen gebrannt werden.
In anderen Fällen können zum Beispiel Bluttransfusionen, die meist im Rahmen einer Blutarmut angewendet werden, zu einer sekundären Hämochromatose führen. Eine Hämolyse (Zerstörung der roten Blutkörperchen) kann ebenfalls zu einer Eisenüberladung führen, da das aus den roten Blutkärperchen gelöste Eisen in dem Körper akkumuliert.

Prognose

Die Prognose der Hämochromatose hängt am meisten von der Begleitschädigung der betroffenen Organe ab. In den meisen Fällen ist die Leber durch die erhöhte Eisenspeicherung geschädigt. Dies führt oft zu dem Bild der Leberzirrhose. Die Leberzirrhose entwickelt sich insbesondere dann, wenn die Hämochromatose über eine längere Zeit unentdeckt bleibt.

Die Hauptkomplikation der Leberzirrhose in die Ausbildung eines Leberkrebs, die an sich eine ungünstige Prognose hat. Je länger die Eisenüberladung anhält, desto höher ist die Warscheinlichkeit, dass die Organe, vorallem die Leber, geschädigt werden.
Etwa 35% der Patienten mit einer deutlichen Hämochromatose erkranken im späteren Verlauf an einem Leberzellkrebs.

Wie beeinflusst eine Hämochromatose die Lebenserwartung?

Wird die Hämochromatose im latenten Stadium, in dem noch keine Leberzirrhose besteht, entdeckt und mittels Aderlasstherapie angemessen behandelt (Therapieziel ist Serumferritin <50 µg/l), besteht keine Einschränkung der Lebenserwartung der betroffenen Patienten. Durch die richtige Therapie kann verhindert werden, dass sich Eisen in der Leber ansammelt und die Leberzellen geschädigt werden.

Wird die Erkrankung allerdings erst diagnostiziert, wenn bereits eine irreversible Schädigung der Leber eingetreten ist, ist die Lebenserwartung deutlich eingeschränkt, je nach Schwere der Leberzirrhose liegt die Einjahres-Überlebensrate dann zwischen 35-100 Prozent.

Weitere Informationen

Häufigkeitsverteilung

Die Hämochromatose ist eine selten auftretende Krankheit.
Etwa 0,3-0,5 % der nordeuropäischen Bevölkerung sind von dieser Erkrankung betroffen.

Dabei erkranken nur Menschen, die einen reinerbigen (homozygoten) Gendefekt aufweisen. Circa 10% der Nordeuropäischen Bevölkerung sind Mischerbig für den HFE Gendefekt. Derzeit schätzt man, dass etwa 200.000 Menschen in Deutschland an Hämochromatose erkrankt sind.
Es kann auch vorkommen, dass reinerbige Menschen für den HFE Gendefekt die Krankheit gar nicht erst ausbilden. Das liegt an der unterschiedlichen Penetranz der Erkankung.

Männer erkranken 5-10 mal häufiger als Frauen, da Frauen monatlich Blut verlieren und somit auch Eisen.
Die Mehrzahl der Erkrankten entwickeln die Hämochromatose zwischen dem 4. und 6. Lebensjahrzehnt.

Hämochromatose und Leberzirrhose

Die Leber ist bei der Hämochromatose stark betroffen. 90% der Patienten entwickeln durch die Erkrankung eine vergrößerte Leber (Hepatomegalie). Bei vielen Patienten (bis zu 75% der Fälle) tritt im Verlauf eine Leberzirrhose auf. Die Leberzirrhose ist eine nicht umkehrbare Erkrankung des Lebergewebes mit narbigem Umbau und eingeschränkter Funktion.

Ist sie bei Hämochromatose-Patienten einmal eingetreten, kann sie nur noch durch eine Lebertransplantation beseitigt werden. Die Leberzirrhose erhöht das Risiko für Leberkrebs deutlich.

Sie wollen sich detaillierter über die Leberzirrhose informieren? Lesen Sie hierzu den Artikel über die: Therapie der Leberzirrhose

Hämochromatose und Diabetes mellitus

Die Eisenspeicherung bei Hämochromatose betrifft nicht nur die Leber, sondern auch viele andere Organe. Betroffen ist unter anderem die Bauchspeicheldrüse, die das Hormon Insulin produziert. Insulin ist essenziell für den Zuckerstoffwechsel. Die Bauchspeicheldrüse wird durch die Einlagerung von Eisen geschädigt, wodurch die Produktion von Insulin abnimmt oder ganz ausfallen kann.

Ist dies der Fall, spricht man vom sogenannten „Bronzediabetes“, einer Form des Diabetes mellitus („Zuckerkrankheit“), bei dem Insulin ersetzt werden muss, um den Zuckerstoffwechsel aufrecht zu erhalten. Diabetes mellitus tritt bei Hämochromatose-Patienten in bis zu 70% der Fälle auf.

Sie sind sich nicht sicher, ob Sie eventuell auch von dieser Begleitkrankheit betroffen sind? Lesen Sie hierzu unseren Artikel: Wie erkenne ich Diabetes?

 

Hämochromatose und Polyneuropathie

Die Polyneuropathie beschreibt eine Schädigung der Nerven, bei der mehrere Nerven (meist von Beinen und/oder Armen) betroffen sind.
Sie gehört nicht zu den typischen und gut untersuchten Begleiterscheinungen bei Hämochromatose. Es gibt nur wenige Studien mit geringen Patientenzahlen zu diesem Thema.

Es liegen Studien vor, welche einen Zusammenhang zwischen Hämochromatose und Polyneuropathie vermuten, aber auch Studien, die einen schützenden Effekt von Hämochromatose auf die Entstehung einer Polyneuropathie unter der Therapie mit HIV-Medikamenten beschreiben.

Sicher ist aber auf jeden Fall, dass bei fortgeschrittener Hämochromatose und einem Diabetes mellitus als Folgeerkrankung eine diabetische Polyneuropathie auftreten kann.

Lesen Sie hierzu mehr unter: Diabetische Neuropathie

Hämochromatose und Augenringe

Die Haut unter den Augen ist sehr gut durchblutet, da hier viele kleine Blutgefäße an der Versorgung beteiligt sind. Zusätzlich besitzt diese Körperregion kaum Unterhautfettgewebe und ist so dünn, dass diese Blutgefäße hier leicht durchschimmern können. Bei einem Eisenmangel kann durch die entstehende Blutarmut der Sauerstoffgehalt im Blut sinken, wodurch das Blut dunkler erscheint und dann durch die dünne Haut unter dem Auge als Augenring in Erscheinung tritt.

Augenringe sind jedoch kein typisches Symptom für Hämochromatose, können aber gemeinsam mit anderen Symptomen (z.B. Müdigkeit) bei einem Eisenmangel durch zu viele Aderlässe auftreten.

Geschichte

Die Ersten Angaben bezüglich der Erscheinung der Hämochromatose wurden durch einen Herrn Armand Trousseau im 19. Jahrhundert gemacht.
Er beschrieb einen Symptomkomplex bestehend aus einer Leberzirrhose, Diabetes und einer dunklen Hautpigmentierung. 20 Jahre später wurde der Begriff Hämochromatose geprägt.

In den 1970er Jahren wurde der autosomal rezessive Erbgang erkannt und in den 90ern schließlich das verursachende Gen (HFE Gen) entdeckt.
Wissenschaftler glauben, dass die Mutation dieses Gens einen Überlebensvorteil in Zeiten der Unterernährung geboten hat, da das Eisen vermehrt gespeichert wurde.

Zusammenfassung

Die Hämochromatose ist eine Stoffwechselerkrankung, bei der es zu einer vermehrten Speicherung von Eisen in den Organen und Geweben des Körpers kommt. Die Hämochromatose gehört zu der großen Gruppe der Erbkrankheiten, und beruht auf einem Gendefekt des sogenannten HFE Gens, welches für die Regulation der Aufnahme von Eisen aus dem Darm verantwortlich ist.

Diese Eisenablagerungen schädigen Organe und Gewebe und können sich in die Haut ablagern und eine bronze-farbene Verfärbung verursachen. Die Organe die in Mitleidenschaft gezogen werden, sind vorallem das Herz und die Leber. Bleibt eine Hämochromatose unentdeckt, kann sich eine Leberzirrhose bilden und schließlich ein Leberzellkarzinom.

Zu den therapeutischen Maßnahmen gehören der Aderlass und die diätische Eiseneinschränkung. Durch den Aderlass wird der diagnostisch wichtige Ferritin-Wert gesenkt, um so die Menge an Körpereisen zu reduzieren. Prognostisch ist die Hämochromatose von den Begleiterkrankungen, und im Wesentlichen von dem Ausmaß der Leberschädigung abhängig. Etwa 35% der Hämochromatosepatienten entwickeln Aufgrung der Leberzirrhose ein Leberkarzinom.

Autor: Dr. Nicolas Gumpert Veröffentlicht: 13.11.2010 - Letzte Änderung: 19.07.2023