Therapie Morbus Bechterew

Bei diesem Thema handelt es sich um die Fortsetzung unseres Themas:

Ankylosierende Spondylitis (AS), Spondylitis ankylosans, Spondylarthropathie
Rheuma, rheumatoide Arthritis, Psoriasisarthritis, Methotrexat

Englisch: Ankylosing spondylitis

Die Therapie orientiert sich an der Entzündungsaktivität und am Stadium des Morbus Bechterew. Des Weiteren muss der Arzt natürlich das individuelle Ansprechen und die Begleiterkrankungen des Patienten berücksichtigen.

Als Maß für die Krankheitsaktivität wird häufig der BASDAI (Bath Ankylosing Spondylitis Disease Activity Index) herangezogen. Es handelt sich um einen Fragebogen für Patienten, der 1994 von einer Gruppe aus Bath in England entwickelt wurde. Gefragt wird z.B. nach Dauer und Schwere der Morgensteifigkeit, Schmerz und Müdigkeit.

Therapieziele sind die Verlangsamung des entzündlichen Prozesses, Entgegenwirken der Versteifungstendenz der Wirbelsäule, Schmerzlinderung und möglichst der Erhalt von Funktion und Kraft der Gelenke.

Physiotherapie bei Morbus Bechterew

Durch die Physiotherapie (Krankengymnastik) wird die Beweglichkeit der Gelenke verbessert bzw. erhalten, verkürzte Muskelgruppen gedehnt und geschwächte Muskeln gekräftigt. Des Weiteren wird die Koordination geschult, Ausweichbewegungen erlernt sowie Schmerzen gemindert.
Empfohlene Sportarten sind:

  • Schwimmen
  • Radfahren
  • Skilanglauf
  • Waldlauf 
  • Volleyball

Vermieden sollten starke Erschütterungen, einseitige Belastungen, Sportarten mit hohem Verletzungsrisiko sowie Sportarten mit Kyphosierungsverstärkung (Buckelbildung) der Wirbelsäule (richtige Lenkereinstellung beim Radfahren!).

Allgemeine Informationen zur Physiotherapie erhalten Sie unter unserem Thema:

 

Physikalische Therapie bei Morbus Bechterew

Physikalische Therapiemaßnahmen sind z.B. Wärme- / Kälteanwendungen, medizinische Bäder, Massage, Elektrotherapie, Ultraschall u.a. Sie dienen in erster Linie der Schmerzlinderung und Muskelentspannung.

Medikamentöse Therapie bei Morbus Bechterew

Basis der medikamentösen Therapie des Mb. Bechterew sind die nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) und COX 2-Hemmer (wie z. Bsp. Arcoxia® 90mg). Sie führen bei 60-80% der Patienten zur Schmerzlinderung und beeinflussen wahrscheinlich auch die Einsteifung günstig.

Langfristig krankheitsmodifizierende Medikamente (= disease modifying antirheumatic drugs = DMARDs), die für Patienten mit rheumatoider Arthritis unerlässlich ist, haben so gut wie keinen Effekt auf die entzündlichen Veränderungen der Wirbelsäule beim Morbus Bechterew. Das am besten untersuchte Medikament aus dieser Gruppe beim Morbus Bechterew ist Sulfasalazin (z.B. Pleon®). Es hat sich herausgestellt, dass Patienten mit geringer Krankheitsaktivität und vorwiegender Beteiligung der Wirbelsäulen meist nicht, hingegen Patienten mit vorwiegend peripheren Gelenkentzündungen sowie Patienten in einem hochaktiven frühen Stadium des Wirbelsäulenbefalls möglicherweise von einer Behandlung mit Sulfasalazin profitieren.

Gelegentlich werden Morbus Bechterew-Patienten auch mit Methotrexat behandelt. Die Wirksamkeit von Methotrexat wird sehr widersprüchlich beurteilt. Der Effekt von Methothrexat scheint sich im Wesentlichen auf die peripheren Gelenke, also Kniegelenk, Hüftgelenk, Schultergelenk etc., zu beschränken.
Weitere Informationen zu Methothrexat finden Sie unter unserem Thema: Methotrexat

Im Unterschied zur rheumatoiden Arthritis wirken systemische Steroide (Cortison) beim Morbus Bechterew kaum. Jedoch können vom Arzt bei akutem Befall von einem oder wenigen Gelenken intraartikuläre Injektionen (Injektion ins Gelenk) von Lokalanästhetika (=örtliche Betäubungsmittel) und Steroiden (Kortison) vorgenommen werden.
Dies führt oft zu einer raschen Schmerzlinderung und Funktionserhaltung des Gelenkes. Bei unzureichender Besserung nach Steroidinjektion kann evtl. eine Radiosynoviorthese (RSO = Verödung der entzündeten Gelenkschleimhaut mit Radionukliden, z.B. Yttrium 90, Rhenium 186 oder Erbium 169) oder Chemosynoviorthese (CSO = Verödung der entzündeten Gelenkschleimhaut mit sog. Verödungsmedikamenten, z.B. Morrhuate oder Osmiumsäure) durchgeführt werden. Sehnenansätze können lokal mit einem örtlichen Betäubungsmittel und ggf. einem wasserlöslichen Steroid (Cortison) infiltriert werden.
Weitere Informationen zur Chemosynoviorthese finden Sie unter unserem Thema: Chemosynoviorthese.

In den letzten Jahren hat sich gezeigt, dass die Therapie mit TNF-alpha-Inhibitoren (z.B. Humira®, Remicade®, Enbrel®) bei aktivem Morbus Bechterew gute Wirksamkeit zeigt. Nach den Empfehlungen der ASAS (Assessments in Ankylosing Spondylitis)-Gruppe, einer internationalen Gruppe von Forschern, meist Rheumatologen, sollte eine Therapie mit TNF-alpha-Inhibitoren begonnen werden, wenn die sichere (von einem Rheumatologen bestätigte) Diagnose eines Morbus Bechterew vorliegt, mindestens 4 Wochen ein BASDAI > 4 vorlag und wenn mindestens zwei verschiedene nichtsteroidale Antirheumatika über drei Monate, ein intraartikulär injiziertes Steroid oder Sulfasalazin bei Patienten mit vorwiegend peripheren Gelenkentzündungen nicht den gewünschten Effekt zeigen.
Gegenanzeigen für den Einsatz von TNF-alpha-Inhibitoren, wie z.B. Tuberkulose oder andere schwere Infektionen und eine mäßige bis schwere Herzinsuffizienz, müssen vom Arzt im Vorfeld ausgeschlossen werden.
Weitere Informationen zum Thema Herzinsuffizienz finden Sie unter unserem Thema: Herzinsuffizienz

Neuere Studien existieren zur Wirksamkeit von Thalidomid und Pamidronat bei der medikamentösen Behandlung des Morbus Bechterew. Für eine fundierte Einschätzung müssen jedoch zunächst weitere Studienergebnisse abgewartet werden.

Operative Therapie bei Morbus Bechterew

Bei operativen Therapiemaßnahmen muss zwischen präventiven, rekonstruktiven und palliativen Eingriffen unterschieden werden. Ziel aller operativen Therapiemaßnahmen ist die Schmerzreduktion, der Erhalt bzw. die Wiederherstellung von Gelenkfunktionen sowie einer horizontalen Blickachse.
Die Wahl des Verfahrens hängt vom Grad der Gelenkzerstörung bzw. Grad der Einsteifung ab. Die meisten Eingriffe in der orthopädischen Rheumatologie können geplant durchgeführt werden. Prinzipiell ist aber nicht jeder mögliche Eingriff auch ein für den Patienten gewinnbringender. Operationsmethode, Nachbehandlung, Erfolgsaussichten und Rückzugsmöglichkeiten sollten unbedingt im Vorfeld mit dem Operateur besprochen werden.

Im Bereich der peripheren Gelenke mit noch weitgehend intakten Knorpelverhältnissen besteht die Indikation zur operativen Therapie, wenn trotz optimierter, dem aktuellen Zustand angepasster, medikamentöser Therapie Schwellungen länger als 6 Wochen persistieren. Die entzündete Gelenkschleimhaut wird dann je nach Gelenk arthroskopisch oder offen möglichst radikal entfernt (sog. Synovektomie).
Nach einer arthroskopischen Synovektomie ist es zur Prophylaxe einer erneuten Entzündung des Gelenkes sinnvoll, 6-8 Wochen nach der Operation eine RSO (Radiosynoviorthese) oder CSO (Chemosynoviorthese) anzuschließen.

Bei jüngeren Patienten kommen bei begrenzten Knorpelschäden, aber starken Achsabweichungen gelenkflächenkorrigierende Eingriffe (Umstellungsosteotomien) zum Einsatz. Ziel ist, wieder eine gleichmäßige Belastung der Gelenkanteile zu erreichen oder bei einem begrenzten Knorpelschaden, diesen aus der Hauptbelastungszone herauszunehmen. Hierzu wird der Knochen durchtrennt und in der korrigierten Stellung mit Schrauben / Platten / Drähten wieder stabilisiert. In der Regel werden diese Eingriffe mit einer Synovektomie kombiniert.

Fortgeschrittene Stadien mit entsprechender Gelenkzerstörung erfordern meist gelenkresezierende, gelenkersetzende oder gelenkversteifende Eingriffe.

Bei einem gelenkresezierenden Eingriff werden die zerstörten Gelenkanteile entfernt, die Gelenkfläche neu geformt und durch ein Interponat aus körpereigenem Gewebe (z.B. Kapselgewebe, Fettgewebe, Muskelfaszie) ersetzt. Solche Verfahren sind jedoch an den großen, das Körpergewicht tragenden Gelenken (Knie, Hüften) nicht möglich, da sie der Belastung nicht standhalten würden. Durchgeführt werden solche Eingriffe meist am Vorfuß oder Ellenbogen.

Gelenkersetzende Eingriffe sind mittlerweile an fast allen Gelenken möglich. Die zerstörten Gelenkanteile werden dabei entfernt und durch ein künstliches Gelenk (Endoprothesen, Hüftprothese, Knieprothese) ersetzt. Je nach Alter, allgemeinem Zustand und Mobilität des Patienten und der Knochenqualität können zementfreie oder zementierte Endoprothesen eingesetzt werden.
Bei Gelenkinstabilität muss evtl. ein gekoppeltes System eingesetzt oder der Bandapparat stabilisiert werden. Mit den gelenkersetzenden Eingriffen wird eine sehr gute Schmerzreduktion, nach entsprechender krankengymnastischer Übungsbehandlung eine gute Beweglichkeit und rasche Belastbarkeit erreicht. Nachteil ist die begrenzte Haltbarkeit der Endoprothesen.

Gelenkversteifende Eingriffe schaffen eine stabile und auch schwer belastungsfähige Situation. Die zerstörten Gelenkflächen werden entfernt, die Gelenkpartner in einer funktionell günstigen Position aufeinander gestellt und mit Platten / Schrauben / Nägeln oder Drähten fixiert, bis die Verknöcherung / Einsteifung eingetreten ist. Sie werden meist durchgeführt, wenn ein Gelenkersatz nicht oder nicht mehr möglich ist, häufig auch primär an Zehen -, Finger -, Hand - und Sprunggelenk und an der Wirbelsäule.

Im Bereich der Wirbelsäule besteht eine dringliche Indikation zur operativen Therapie bei neurologischen Störungen (sensomotorische Defizite an Armen und Beinen, Tetra- oder Paraspastik, Gangunsicherheit, gesteigerte Muskeleigenreflexe). Relativ dringend sind Operationen bei knöchernen Instabilitäten, wenn die Dekompensation der Statik das Blickfeld des Patienten beeinträchtigt und ihn im Alltag gefährdet. Weitere Indikationen für eine Aufrichtungsspondylodese (Versteifungsoperation an der Wirbelsäule mit Achskorrektur) sind starke Schmerzen oder, wenn eine horizontale Blickachse nur noch durch Beugung vom Kniegelenk zur erreichen ist.

Bei allen operativen Maßnahmen bestehen allgemeine und spezielle Risiken, über die der Operateur den Patienten vor geplanten Eingriffen aufklärt. Manche, wie z.B. das Risiko einer Wundinfektion oder Wundheilungsstörung, sind bei Patienten mit Morbus Bechterew durch die Erkrankung selbst oder durch die medikamentöse Behandlung erhöht. Deshalb sollte vor einem geplanten operativen Eingriff unbedingt mit dem Arzt auch über eine notwendige Dosisreduktion oder ein Absetzen der Medikamente gesprochen werden.

Rehabilitation bei Morbus Bechterew

Für den Erfolg der o.g. rheumaorthopädischen Eingriffe ist eine intensive Nachbehandlung essentiell.
Das Nachbehandlungsregime wird in der Regel vom Operateur festgelegt. Hierzu gehören einerseits regelmäßige Wundkontrollen und Verbandswechsel, andererseits, je nach Eingriff, eine spezielle Nachbehandlung in Form einer krankengymnastischen Übungsbehandlung (Physiotherapie), evtl. unter Einsatz von Hilfsmitteln (z.B. Bewegungsschienen, Orthesen oder Unterarmgehstützen).
Nach gelenkversteifenden Eingriffen ist meist eine sechswöchige Gipsruhigstellung notwendig, nach Versteifungsoperationen im Bereich der Wirbelsäule muss häufig für längere Zeit (8-12 Wochen) ein Korsett getragen werden.

Verlauf und Prognose bei Morbus Bechterew

Beginn und Verlauf des Morbus Bechterew sind schleichend, wobei der größte Verlust an Funktion und Schaden wahrscheinlich in den ersten 10 Jahren der Erkrankung auftritt. Die wesentlichen Beschwerden der Patienten hinsichtlich der Lebensqualität sind Steifheit, Schmerzen, Müdigkeit und schlechter Schlaf.

Faktoren, die einen eher schweren Krankheitsverlauf wahrscheinlich machen, sind:

  • eine Beteiligung vom Hüftgelenk und Kniegelenk
  • eine gesteigerte Blutsenkungsgeschwindigkeit (>30mm in der 1. Std.)
  • eine geringe Wirksamkeit von nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR)
  • eine Limitierung der Lendenwirbelsäulenbeweglichkeit
  • eine Entzündung der kleinen Finger- und Zehengelenke
  • Oligoarthritis (gleichzeitige Entzündung vieler Gelenke)
  • ein Erkrankungsbeginn vor dem 16. Lebensjahr.

Morbus Bechterew befällt Patienten in einem relativ jungen Alter, was bedeutet, dass die oft beträchtliche Krankheitslast lange andauert. Die therapeutischen Möglichkeiten beim Morbus Bechterew waren bisher recht limitiert, von den relativ neuen TNF-alpha-Inhibitoren wird aber diesbezüglich eine deutliche Verbesserung erwartet.

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Autor: Dr. Martina Henniger Veröffentlicht: 07.10.2007 - Letzte Änderung: 12.01.2023