Epiphysiolysis capitis femoris (ECF)

Synonyme

Juvenile Epiphysenlösung, jugendliche Epiphysiolysis, Epiphysenlösung, Epiphyseolysis, Epiphyseolysis

Definition

Unter einer Epiphyseolysis capitis femoris versteht man die Ablösung und Abgleitung, bzw. –kippung des Schenkelhalskopfes in der Wachstumsfuge vom Schenkelhals. Dieses Krankheitsbild tritt während der Pubertät auf und verläuft selten akut, sondern über Wochen und Monate hinweg.

Alter

Bei dieser Erkrankung handelt es sich um ein eigenes Krankheitsbild des Adoleszentenalters. Sie tritt demzufolge in der Regel zwischen dem 9. Lebensjahr und dem Wachstumsabschluss auf.

Geschlechtsverteilung

Jungen erkranken tendenziell häufiger an einer Epiphysiolysis. Das Verhältnis zwischen männlich und weiblich liegt bei 3:1. In etwa 50 % aller Fälle tritt die Erkrankung beidseits auf.

Häufigkeit

Die Wahrscheinlichkeit des Auftretens dieser Erkrankung liegt bei etwa 1:10000, wobei – wie bereits erwähnt männliche Jugendliche häufiger betroffen sind.

Formen

  1. imminens (= drohend)
    Hierbei handelt es sich um eine beginnende Epiphysenlösung, die röntgendiagnostisch nur als aufgelockerte Epiphysenfuge erkennbar ist.

  2. akuta Form (= plötzlich, sofort: seltener)
    Hierbei kommt es zu einer kompletten Ablösung der Wachstumsfuge (= Epiphysenfuge)

  3. lenta Form (= schleichend, verzögert: häufiger)
    Hierbei tritt eine zunehmende Auflockerung der Epiphysenfuge (= Wachstumsfuge) auf, die das langsame Abgleiten des Hüftkopfes vom Oberschenkelknochen mir sich bringt

Risikofaktoren

Es lassen sich keine eindeutigen Risikofaktoren für eine Epiphysiolysis capitis femoris definieren. Dennoch wird vermutet, dass eine Störung im hormonellen Gleichgewicht der Wachstumshormone weitgehend für die Entstehung verantworltich gemacht werden kann, da dieses Ungleichgewicht wiederum eine Störung im Bereich der Wachstumsfuge hervorrufen kann.

Die betroffenen Kinder leiden übermäßig häufig auch an deutlichem Übergewicht (= Dystrophia adiposogenitalis), verzögerter Geschlechtsreifung oder seltener auch an Hochwuchs, was wiederum die Bedeutung hormoneller Faktoren bestätigt.

Ursache und Verlauf

Unterschieden wird zwischen den oben erwähnten drei verschiedneen Formen einer Epiphysiolysis capitis femoris. Dabei weist die akuta Form, die beispielsweise im Vergleich zur lenta Form seltener auftritt, einen ungünstigeren Verlauf auf. Im Verlaufe der Krankheit kann das plötzliche Auftreten einen Totalausfall zur Folge haben. Die betroffenen Patienten brechen plötzlich zusammen und sind nicht mehr in der Lage, zu laufen.

Durch die primär kritische Blutversorgung, die auf dem rechten Bild erkenntlich wird, kann durch die komplette Ablösung der Epiphysenfuge eine Hüftkopfnekrose (= Absterben des Hüftkopfes) auftreten. Eine solche Hüftkopfnekrose tritt in etwa 80% aller Fälle auf. Die typischen Ursachen einer Hüftkopfnekrose sind erhöhter Alkoholkonsum und Stoffwechselstörungen.

Der Verlauf der Lenta Form ist individuell verschieden. Ihr Verlaufsspektrum reicht vom kompletten Abrutschen des Hüftkopfes bis hin zum totalen Stillstand der Erkrankung. In der Regel ist es hierbei so, dass der beckennahe Hüftkopfbereich in der Hüftpfanne verbleibt, während es im Bereich der Wachstumsfuge der Schenkelhals nach oben abgleitet.

Klinik

In der Regel klagen jugendliche Patienten über Knieschmerzen, meist im Bereich des Kniegelenkes oder der Vorderseite des Oberschenkels. Da diese Schmerzen häufig nicht von anderen Knieschmerzen unterschieden werden können, vergeht oft einige Zeit, die Epipysiolysis capitis femoris bleibt zunächst unerkannt. Im fortgeschrittenere Stadium fällt dann auf, dass Patienten schneller ermüden und unter schmerzhaften Bewegungseinschränkungen leiden. Daraus resultiert letztlich auch das zunehmende (Schon-)hinken. In weit fortgeschritteneren Stadien kann die Erkrankung auch zu Beinverkürzungen und Außenrotationsfehlstellungen (z.B. im Rahmen des Beugeprozesses; = positives Drehmannzeichen) führen.

Lesen Sie mehr zum Thema: Außenrotationsgang

Diagnose

Wie bereits erwähnt, kann es Wochen und Monate dauern, bis aus den anfänglichen Symptomen Rückschlüsse auf eine Epipysiolysis capitis femoris gezogen werden. Eine diagnostische Maßnahme stellt dann die Röntgenbildaufnahme dar. Dabei wird das erkrankte Hüftgelenk in einer speziellen Aufnahmetechnik (= Lauensteinsche Hüftaufnahme) geröntgt, um den Abrutschstatus besser beurteilen zu können. Um eine solche Aufnahme anfertigen zu können, muss die Hüfte wird um 50° abgespreizt (= Abduktion) und um 70° (= Flexion) gebeugt werden.

Im oben abgebildeten Röntgenbild zeigen die roten Pfeile auf die jeweiligen Wachstumsfugen. Man erkennt ein leichtes Abrutschen der Wachstumsfugen im Bereich des Schenkelhalses (Anfangsstadium).

Da die Erkrankung sehr häufig beidseitig auftritt, ist eine solche Aufnahme ebenfalls für das zweite Hüftgelenkes zu empfehlen.

Zur Festigung der Diagnose kann unter Umständen ein MRT (Magnetresonanztomographie) hinzugezogen werden.

Einteilung

Die Epipysiolysis capitis femoris wird nach der Verkippung des im Becken bleibenden Hüftkopfes und abrutschenden Schenkelhalses beurteilt.

Wie wird die Epiphysiolysis therapiert? / Therapie

Die Therapie der Epiphyseolysis capitis femoris ist abhängig von der vorliegenden Form der Erkrankung. Beurteilt wird das Ausmaß der Erkrankung stets nach dem Ausmaß der Verkippung des Hüftkopfes, der im Becken verbleibt und dem abrutschenden Schenkelhals.

Im Falle einer vorliegenden akuten Epiphysenlösung (akuta Form), darf die entsprechende Hüftseite in keinem Fall mehr belastet werden. Bei geringer Verschiebung kann eine konservative Therapie, die Reposition durch Dauerzug am betroffenen Bein mit zunehmender Abspreizungs- Innenrotations- und Beugestellung, in Erwägung gezogen werden. Bei stärkerer Verschiebung wird in der Regel eine Operation in Erwägung gezogen. In der Regel tritt durch das Abrutschen auch ein Hämatom (= Bluterguss) auf, welches im Rahmen der Operation mit ausgeräumt wird. Nach der Reposition wird der abgerutschte Hüftkopf fixiert.

Im Vergleich zur therapeutischen Versorgung der Akuta - Form der Epiphysiolysis , muss die Therapie der Lenta – Form der Epiphysiolysis individueller gestaltet werden. Stets ist die operative Therapie abhängig vom Grad der Dislokation:

Während ein Gleitwinkel bei der Epiphysiolysis bis 30° in der Regel mit Drahtstiften oder Schrauben versorgt (siehe Bilder) werden kann, wird bei einem größeren Gleitwinkel in der Regel eine Schenkelhalskorrekturosteo tomie (z.B. Umstellungsoperation nach Imhäuser) durchgeführt.

Wichtig zu erwähnen ist, dass durch die Erkrankung und das therapeutische Agieren stets die Gefahr der Entstehung einer Schenkelhalsdurchblutungsstörung besteht. Diese Durchblutungsstörung kann eine Hüftklopfnekrose (= Absterben des Hüftkopfes) implizieren und sollte nach Möglichkeit vermieden werden.

Da von der Epiphyseolysis capitis femoris sehr häufig beide Hüftseiten betroffen sind, kann überlegt werden, im Rahmen der operativen Versorgung der abgerutschten Seite prophylaktisch auch die andere Seite durch Fixation ( evtl. Schraubenfixation) zu festigen. Das Abrutschen der anderen Seite könnte dadurch verhindert werden.

--> Zurück zum Hauptthema Epiphysiolysis

Behandlung nur durch Kinderorthopäden

WICHTIG: Beim Auftreten einer Epiphysliolysis capitis femoris sollte stets einen Kinderorthopäde konsultiert werden. Nur er kann individuell diagnostizieren und therapieren. Die Informationen auf dieser Seite dienen lediglich der Information!

Prognose

Wichtig für die Prognose im Falle einer vorliegenden Epiphysliolysis capitis femoris ist, dass die Erkrankung frühzeitig diagnostiziert und therapiert wurde. Im Falle einer Frühdiagnose mit entsprechender operativer Korrektur ohne weitere Fehlstellung ist die Prognose als gut zu bezeichnen, ein Ausheilen ist demnach möglich.

Tritt jedoch eine Verheilung in Fehlstellung ein, so droht in der Regel ein frühzeitiger Verschleiß des Hüftgelenkes (= Hüftgelenksarthrose).

Prognostisch ungünstig wirkt sich eine Hüftkopfnekrose aus, die zusätzlich zur vorliegenden Erkrankung das Krankheitsbild eines Morbus Perthes impliziert.

Weiterhin bewirkt das Auftreten einer Chrondrolyse (= Hüftknorpelauflösung; = Morbus Waldenström) eine deutlich schlechtere Prognose.

Weitere Informationen

Weiterführende Informationen finden Sie auf folgenden Seiten:

Autor: Dr. N. Gumpert Veröffentlicht: 17.05.2007 - Letzte Änderung: 30.03.2024