Nosokomiale Infektion

Definition

Nosokomial kommt vom Griechischen „nosos“ = Krankheit und „komein“ = pflegen. Eine nosokomiale Infektion bezeichnet eine infektiöse Erkrankung, die während oder nach eines Aufenthalts in einem Krankenhaus oder einer anderen stationären medizinischen Einrichtung auftritt.

Zu diesen Einrichtungen zählen auch Pflege- und Altenheime. Man spricht von einer nosokomialen Infektion, wenn die Erkrankung frühestens 48 Stunden oder später nach Aufnahme in die jeweilige medizinische Einrichtung auftritt. Jede Infektion, die vorher auftritt, wird als ambulant bezeichnet, bzw. darf nicht sicher als nosokomial gewertet werden. 

Ursache

Bezeichnend für die nosokomiale Infektione ist, dass ein anderes Keimspektrum als bei den herkömmlichen ambulanten Keimen eine Rolle spielt. Hauptursache ist also der Aufenthalt an einem Ort, der diese Keime vermehrt vorweist oder ein Erstarken dieser begünstigt. Der vermehrte Einsatz von Antibiotika in Krankenhäusern hat dazu geführt, dass viele Bakterienstämme Resistenzen gegen Antibiotika entwickeln konnten.

Wenn ein Keim einen Resistenzmechanismus gegen ein Antibiotikum oder mehrere Antibitioka entwickelt, muss auf ein stärkeres Antibiotikum zurückgegriffen werden. Das bekommen andere „benachbarte“ Bakterien sozusagen auch mit und können dann unter Umständen Resistenzen entwickeln. Inzwischen weiß man auch, dass viele Erreger Resistenzen durch den Antibiotikaeinsatz bei Tieren in der industriellen landwirtschaftlichen Massentierhaltung entwickeln. Am besten untersucht ist hier die Resistent des MRSA.

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Erreger

Die Erreger der nosokomialen Infektionen sind oft Bakterien, die den Körper in einer bestimmten festgelegten Populationszahl natürlicherweise besiedeln und prinzipiell eigentlich nicht schädlich sind. Schädigend werden sie erst, wenn sie von ihrem abgestammten Körperort wegwandern oder verschleppt werden, z.B. wenn ein Stuhlkeim in eine Hautwunde am unteren Bauch oder am Arm gelangt. Hat der Patient ein stark geschwächtes Immunsystem (zum Beispiel nach Organtransplantation oder Knochenmarktransplantation) begünstigt dies eine erhöhte Infektanfälligkeit.

Diese Patienten bekommen Medikamente, die die Reaktionen des eigenen Immunsystems unterbinden sollen. Auch bestimmte Chemotherapien können dazu führen, dass das Knochenmark nicht mehr genug Abwehrzellen bildet. Wenn ein Körper erhöhtem Stress ausgesetzt war (schweren Krankheiten, Operationen), ist das Immunsystem ohnehin belastet und „schwer beschäftigt“ und kann andere Keime dann vielleicht nicht mehr genügend abwehren.

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Es kann zwischen zwei großen Gruppen von Keimen unterschieden werden: Pfützen- und Luftkeime.

Zu den Nass- oder Pfützenkeimen zählen: Pseudomonas, Legionellen, E. coli, Proteus, Enterobacter und Anaerobier. Sie heißen deswegen Pfützenkeime, da sie im Krankenhaus über „nasse Wege“ übertragen werden. Man findet sie in Waschbecken, Beatmungsschläuchen, Inhalationsgeräten, zu stark verdünnten Putzmitteln, selten sogar in schwachen Desinfektionsmitteln.

Die Trocken- oder Luftkeime sind: S. epidermidis (Koagulase negativ) und Staphylococcus aureus (Koagulase positiv), Enterococcus spp., Candida spp., Mykobakterien. Sie werden anders übertragen, nämlich über medizinisches Personal, das Nichttragen von Schutzkleidung, über kontaminierte Kontaktflächen (wie Bettdecken, medizinische Geräte, Nachttische), Raumluft, vor allem aber durch unzureichende Händedesinfektion (häufigster Übertragungsweg!).

Eine weitere Problemgruppe stellen die Keime der multiresistenten Erreger dar, die also von mehreren Antibiotika nicht mehr abgetötet werden können. Die genaue Entstehung von Resistenzen ist ein komplexer und noch nicht gänzlich verstandener Prozess. Es gibt aber bestimmte Risikofaktoren, die das Entstehen von Multiresistenzen begünstigen. Liegt ein Patient mehr als 4 Tage im Krankenhaus, Pflegeheim oder hat generell eine lange Liegezeit, so steigt sein Risiko im Vergleich zu einem Patienten, der nur einen kurzen Aufenthalt im Krankenhaus hat.

Wird ein Patient mit einem Beatmungsschlauch für mehr als 4-6 Tage beatmet, erhöht sich ebenfalls das Risiko für eine Infektion mit multiresistenten Keimen. Die Atemluft ist feucht und begünstigt so das Eindringen der „Pfützenkeime“ und bedarf einer gründlichen hygienischen Pflege.

Eine ebenso gefährdete Eintrittspforte stellen offene Hautwunden dar. Man weiß inzwischen auch, dass zu kurze Antiobiotikatherapien oder Therapien mit dem falschen Antibiotikum das Entstehen von Resistenzen begünstigen. Für die Trockenkeime besonders gefährdet sind Patienten, die chronische Lungenerkrankungen haben. Die Lunge ist mit einer eigenen Abwehr ausgestattet, die bei dauerhaften oder strukturellen Krankheiten geschwächt ist.

Der bekannteste der multiresistenten Erreger ist vor allem der MRSA, da in den Medien auch öfter über ihn berichtet wird. Es handelt sich dabei um einen Keim namens Staphylococcus aureus, der als Hautkeim jeden Menschen besiedelt und nur gefährlich wird wenn er zum Beispiel Wunden besiedelt oder Resistenzen entwickelt.

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Das M in MRSA steht für das Antibiotikum Methicillin, könnte aber genauso gut für „multi“ stehen, denn er ist meist gegen viele Antibiotika resistent. Weitere Multiresistenzen zeigen die VRE (Vancomycin resitstenten Enterokokken). Hierbei handelt es sich um Darmkeime, die gegen das Antibiotikum Vancomycin resistent sind. Die Gruppe der ESBL (expected spectrum beta lactamase) sind Keime, die ein bestimmtes Enzym, die beta Lactamase bilden, dass zum Beispiel die Gruppe der Penicilline außer Kraft setzt.

Speziell gegen diese wurden aber Medikamente entwickelt, die diesen Mechanismus wieder hemmen und sind z.T. daher gut beherrschbar. Besonders gefürchtet ist unter Medizinern der Pseudomonas aeruginosa, da er schwere Erkrankungen verursachen kann und zunehmend mehr Resistenzen entwickelt.

Die genannten Keime sind selten nicht mehr mit Antibiotika behandelbar. In medizinischen Laboren kann mit bestimmten Untersuchungen herausgefunden werden, gegen welche Antibiotika der jeweilige Keim noch empfindlich ist und diese können dann ggf. als Therapie verwendet werden.

Wie viele nosokomiale Infektionen gibt es in Deutschland und wie viele Todesfälle entstehen dadurch?

Eine genaue Zahl feststellen zu können, ist schwierig, denn es besteht keine Meldepflicht für nosokomiale Infektionen. Auch werden manche übersehen oder fälschlicherweise als „ambulante Infektion“ eingeschätzt. Sehr selten handelt es sich um Fälle, bei denen ein „kerngesunder“ Patient plötzlich an einer nosokomialen Infektion verstirbt. Die nosokomiale Infektion ist in den häufigsten Fällen eine Komplikation und nicht Hauptursache, die für das Versterben des Patienten verantwortlich ist.

Im Jahr 2006 hat das Robert-Koch-Institut mehrere große Studien angelegt, um feststellen zu können, wie viele nosokomiale Infektionen es jährlich gibt. Die Ergebnisse nach Zählung und Schätzung zeigten folgende Daten: Insgesamt geht man von 400.000-600.000 nosokomialen Infektionen pro Jahr aus, bei denen 14.000 davon auf MRSA zurückzuführen sind. Circa 10.000-15.000 Patienten starben an nosokomialen Infektionen.

Wissenschaftler schätzen die aktuellen Zahlen höher ein, verlässlich sind diese vagen Einschätzungen aber nicht. So zeigt zum Beispiel eine Studie aus dem Jahr 2016, an der das Robert-Koch-Institut beteiligt war, eine Einschätzung von 90.000 Todesfällen, die auf nosokomiale Infektionen zurückzuführen ist. Je nachdem, nach welchen Kriterien eine solche Studie aufgebaut ist, kommen mal mehr oder wenig hohe Zahlen dabei heraus.

Wichtig ist hier aber vor allem, dass bereits früh Empfehlungen bezüglich der Vermeidung von nosokomialen Infektionen vom Robert-Koch-Institut als Konsequenz ausgesprochen wurden und regelmäßig aktualisiert werden

Welche nosokomiale Infektion ist die häufigste?

Die häufigsten Erreger sind Escherichia coli, Staphylococcus aureus, Clostridium difficile, Enterococcus faecalis und Enterococcus faecium. Eine Studie des Robert-Koch-Institutes von 2012 ergab Folgendes: Die häufigsten nosokomialen Erkrankungen sind (in absteigender Reihenfolge) die Wundinfektion (24,7%), die Harnwegsinfektionen (22,4%) und die Lungenentzündung bzw. Atemwegsinfektionen (21,5%).

Wie kann man eine nosokomiale Infektion vermeiden?

Prinzipiell kann man nosokomiale Infektionen vermeiden indem man die Krankheit, die sie begünstigt, versucht zu heilen oder möglichst gut zu behandeln. Hygienemaßnahmen und eine kritische Beurteilung, wann welche medizinischen Maßnahmen erfolgen sollte, können einen Krankenhausaufenthalt verkürzen und nosokomiale Infektionen vermeidbar machen.

Bei der nosokomialen Pneumonie (Lungenentzündung) sollte eine professionelle Hände- und Gerätedesinfektion (z.B. von Inhalationsgeräten) erfolgen. Dem Einatmen von Magensaft, Speichel oder Lebensmitteln sollte vorgebeugt werden. Dies kann erfolgen durch Absaugen des Sekrets mit speziellen Sonden und einer rechtzeitigen Intubation (also ein Einführen eines Beatmungsschlauches) bei Schluckstörungen.Mithilfe der Ergo- und Physiotherapie kann auch ein Training erfolgen, mit dem das korrekte Schlucken (wieder)erlernt werden kann, oder dass das Abhusten aus der Lunge erleichtert.

Nosokomiale Harnwegsinfekte können vermieden werden indem man keinen Dauerkatheter legt. Auch gelten besondere Hygienevorschriften bezüglich der Anlage und des Wechsels von Dauerkathetern. Das Pflegepersonal sollte geschlossene Harnablaufsysteme mit Rückflussventil und einem punktionsfähigem Entnahmesystem verwenden. So kann bei Verdacht auf eine Harnwegsinfektion eine kleine Urinprobe sauber entnommen werden um frühzeitig eine Therapie einleiten zu können.

Ein Urinbeutel sollte immer so liegen, dass er unterhalb des Niveaus der Harnblase liegt, der Urin also nicht einfach so zurückfließen kann. Bestenfalls sollte der abführende Schlauch auch nicht in Schlaufen liegen, damit sich kein Urin im Schlauch sammeln kann, und die Vermehrung von Bakterien begünstigt. Bei Patienten, die länger als 3 Tage einen Katheter haben sollen, ist ein Dauerkatheter keine optimale Lösung.

Besser wäre ein sogenannter suprapubischer Katheter, der direkt durch die Bauchdecke in die Harnblase führt. Manchmal ist im Krankhausalltag aber nicht absehbar, ob ein Patient länger als 3 Tage einen Katheter benötigen wird. Auch bemüht man sich, den Patient eher ohne Katheter wieder entlassen zu können, als ihn katheterabhängig zu machen. Daher werden im klinischen Alltag leider häufig noch zu viele Dauerkatheter eingesetzt.

Bei nosokomialen Wundinfektionen spielt die Wundhygiene eine große Rolle. Patienten sollten Verbände nicht selbst entfernen oder wechseln, wenn Wunden noch offen (also nicht vernarbt) sind. Beim Anlegen von Pflastern und Verbänden gelten strenge Regeln und Abfolgen, die pflegerisches und medizinisches Personal bereits früh erlernen und in der Regel pflichtgemäß einhalten. Ein weitaus größeres Risiko für schlechte Wundheilung sind Risikofaktoren wie hohes Alter und Krankheiten, wie Diabetes mellitus. Auch ein geschwächtes Immunsystem spielt hier wieder eine essentielle Rolle.

Das betroffene Körperteil (z.B. das Bein) sollte hochgelagert werden und nur von geschultem Personal gewechselt werden. Patienten können selbst darauf achten, dass nässende Verbände umgehend gewechselt werden. Nässe bezieht sich hierbei auf übermäßiges Wundsekret. Bei eitrigen Einschlüssen sollte der Eiter durch Einschnitte abfließen können. Man kann auch den Eiter oder überschüssiges Wundsekret aus der Wund rausziehen indem man eine sogenannte Lavage oder Drainage anlegt. Dabei kann auch genau der Prozess der Wundheilung überprüft werden, weil die gesammelte Menge an Flüssigkeit protokolliert wird.

Zur Spülung und Säuberung einer Wunde sollten antiseptische Lösungen wie Octenisept verwenden werden. Bei Zeichen einer Blutvergiftung kann eine Antibiotikatherapie erfolgen, die auf das gesamte Körpersystem wirkt.

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Weiterhin können auch Besucher und Patienten selbst zu verbesserten Hygienemaßnahmen beitragen indem sie die Händedesinfektion in Anspruch nehmen, die an jedem Krankenhaus- und Stationseingang verfügbar ist. Auf den Toiletten finden sich inzwischen auch genaue Anleitungen zur korrekten Händedesinfektion. Einige Krankenhäuser haben inzwischen auch das Händeschüttelnverbot eingeführt.

Einige wenige Kliniken sind inzwischen auch dazu übergegangen, das Wechseln der Kleidung von medizinischem Personal zu kontrollieren über Wäscheabhol- und –abwurfautomaten. Weiterhin gibt es Krankenhäuser, in denen Ärzte nicht mehr den mantelartigen Kittel tragen dürfen, sondern kurzärmelige Kasaks tragen.

Folgen

Die Folgen einer nosokomialen Infektion können vielfältig sein. So kann zum Beispiel eine nosokomiale Lungenentzündung zum Tod führen. Eine nosokomiale Harnwegsentzündung hingegen (wie die Blasenentzündung), kann durchaus harmloser verlaufen. 

Bei Wundinfektionen kommt es ganz darauf an, welches Körperteil betroffen ist, wie groß die Wunde ist und in welchem Allgemeinzustand sich der betroffene Patient befindet. Es können Wundheilungsstörungen resultieren, die z.B. beim Einsatz einer Prothese („neue Hüfte“) unter Umständen sogar das Entfernen der Prothese nötig machen können.

Prinzipiell kann jede bakterielle Infektion, die nicht antibiotisch behandelt wird, unzureichend behandelt oder mit dem falschen Antibiotikum behandelt wird zu einer Blutvergiftung führen. Eine Blutvergiftung ist eine gefährliche und ernstzunehme Krankheit, die unter Umständen auch zum Tod führen kann.

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Autor: Dr. Nikolas Gumpert Veröffentlicht: 12.05.2017 - Letzte Änderung: 19.07.2023