PONV

Was ist eine PONV?

PONV ist die Abkürzung für postoperative nausea and vomiting und beschreibt Übelkeit und Erbrechen nach einer Vollnarkose. Neben postoperativen Schmerzen ist die PONV eine der häufigsten Beschwerden nach einer Operation. Jeder dritte leidet darunter.

Ist ein Mensch anfällig für Übelkeit, ist die Wahrscheinlichkeit bei weiteren Vollnarkosen wieder eine PONV zu entwickeln deutlich erhöht.

Die Ursachen

Die genauen Ursachen, die zur Übelkeit und Erbrechen nach einer Vollnarkose führen, sind bis jetzt noch nicht eindeutig geklärt. Botenstoffe wie Dopamin, Serotonin, Acetylcholin und Histamin stimulieren Rezeptoren des Brechzentrums im Zentralen Nervensytem. Diese Rezeptorzone liegt am Boden des 4. Hirnventrikels. An dieser Stelle ist die Blut-Hirnschranke durchlässig, Giftstoffe können aus dem Blut an die Rezeptoren gelangen, so Erbrechen auslösen und den Menschen vor schädlichen Substanzen schützen.
Die chemotherapieinduzierten Übelkeit entsteht durch die vermehrte Freisetzung von Serotonin. Welche Botenstoffe bei der PONV die entscheidende Rolle spielen ist noch nicht vollständig geklärt. Hinweise gibt die Tatsache, dass Raucher halb so oft von PONV betroffen sind wie Nichtraucher. Hier kann ein Zusammenhang mit Veränderungen an den Dopaminrezeptoren hergestellt werden.

Es ist weiterhin auffällig, dass es bei laparoskopischen Operationen, Gebärmutterentfernungen und Gallenblasenentfernungen überdurchschnittlich häufig zu PONV kommt, genaue Zusammenhänge werden aber noch kontrovers diskutiert. Als gesicherte Risikofaktoren zählen eine längere Narkose Dauer, Durchführung der Narkose mit Narkosegas, sowie die Gabe von Opioiden zur postoperativen Schmerztherapie. Darüber hinaus tritt PONV vermehrt bei Frauen, Nichtrauchern und Menschen die an Reisekrankheit leiden auf.

Erfahren Sie hier mehr zum Thema: Dopamin und Serotonin

Weitere begleitende Symptome

Durch die quälende Übelkeit und Erbrechen trotz leeren Magens ist das Wohlbefinden der Betroffenen stark reduziert. Zum Qualitätsmanagement der Anästhesie hat das Wohlbefinden des Patienten vor und nach der Narkose einen sehr hohen Stellenwert.

Im Rahmen einer PONV kann zu Kaltschweißigkeit und Schüttelfrost kommen. Durch häufiges Erbrechen können Elektrolytstörungen entstehen, was Herzrythmusstörungen, Muskelzuckungen und -krämpfe, sowie Konzentrationsstörungen und Müdigkeit zur Folge hat. Durch Blutkontrollen kann eine Störung im Elektrolythaushalt schnell erkannt und mit Infusionslösungen entgegengewirkt werden. Durch den Verlust von Flüssigkeit kann der Blutdruck abfallen, daher muss darauf geachtet werden, dass den Betroffenen viel Flüssigkeit, am besten über eine Vene zugeführt wird. Erbricht ein Patient nach einer Narkose kann Mageninhalt über die Luftröhre in die Lunge gelangen, da die Schutzreflexe noch nicht vollständig intakt sind. Es können sich Atemstörungen und Lungenentzündung entwickeln.

Lesen Sie hier mehr zum Thema: Elektrolyte.

Komplikationen

Da unmittelbar nach einer Vollnarkose die Schutzreflexe vor allem der Schluck- und Hustenreflex noch nicht vollständig zurück gekehrt sind, kann Erbrochenes verschluckt werden und in die Lunge gelangen. Der saure Mageninhalt kann das Lungengewebe schädigen, Atemwege behindern und eine Lungenentzündung auslösen.

Durch die Druckerhöhung im Bauchraum während des Erbrechens können soeben vernähte Wunden aufbrechen und starke Blutungen hervorrufen. Wiederholtes Erbrechen kann außerdem zu einer Störung im Elektrolythaushalt führen.

Näheres zum Thema Lungenentzündung können Sie hier nachlesen. 

Was ist der PONV-Score?

Zur präoperativen Risikoeinschätzung wird häufig der Apfel-Score erhoben. Er umfasst vier Risikofaktoren: weibliches Geschlecht, Nichtraucher, bekannte Reisekrankheit oder bekannte postoperative Übelkeit und die voraussichtliche Gabe von Opioid-Schmerzmitteln. Für jeden Faktor wird ein Punkt vergeben. Entsprechend beträgt die Wahrscheinlichkeit für PONV bei 0 Punkten etwa 10%, bei 1 Punkt 20%, bei 2 Punkten 40%, bei 3 Punkten 60% und bei 4 Punkten 80%.

Der Apfel-Score kann allerdings nur bei Erwachsenen angewendet werden. Für Kinder gibt es einen entsprechend angepassten POVOC-Score. Er um fasst Faktoren wie OP-Dauer ≥ 30 Minuten, Alter ≥ 3 Jahre , Strabismusoperation, Adenotomie/ Tonsillektomie, Anamnese für PONV/Reisekrankheit beim Kind oder Geschwister, Eltern.

Die Diagnose

Die Diagnose kann definitiv erst nach der ersten Vollnarkose gestellt werden. Betroffene klagen nach der Operation über Übelkeit und müssen sich trotz leerem Magen übergeben. Sie sind blass, kaltschweißig und das Wohlbefinden ist stark eingeschränkt

Die Behandlung

Die Behandlung der PONV umfasst die Gabe von Antiemetika, das sind Medikamente die zentral im Gehirn am Brechzentrum oder in der Peripherie ansetzten und so Übelkeit und Brechreiz unterdrücken. Dabei stehen folgende Medikamente zur Auswahl:

Dexamethason wird als Mittel der Wahl, vor allem zu Prophylaxe und ergänzend zu anderen Antiemetika schon frühzeitig eingesetzt. Stark wirksam sind Medikamente aus der Gruppe der „Setrone“, sie blockieren die Serotoninrezeotoren im Brechzentrum. Nebenwirkungen können Kopfschmerzen und Verstopfung sein.
Ein weiteres sehr gebräuchliches Mittel ist Metoclopramid (MCP/Paspertin), die häufigste Nebenwirkung ist ein Absinken des Blutdrucks. Als letzte Stufe kann das Neuroleptikum Droperidol verabreicht werden, es wirkt am Dopaminrezeptor und kann schwere Nebenwirkungen auslösen, weshalb eine strenge Kontrolle intra- und postoperativ durchgeführt werden muss. Als ergänzende Maßnahmen kann Akupunktur oder das einatmen von Aromastoffen zum Einsatz kommen.

Tritt eine PONV trotz Prophylaxe auf, sollte postoperativ nicht das gleiche Medikament wieder gegeben, sondern auf eine Alternative ausgewichen werden. Kommt es im Rahmen einer PONV zu Komplikationen, wie Einatmen (Aspiration) von Erbrochenem muss sofort eine Antibiotika und intensivmedizinische Therapie begonnen werden.

Für weitere Informationen lesen Sie hier weiter: Medikamente gegen die Übelkeit.

Die Prophylaxe

Ist bei einem Patienten eine PONV bekannt, kann eventuell das Anästhesieverfahren gewechselt werden. Bei der Vollnarkose ist das Risiko eine PONV zu entwickeln 10mal höher als bei Regionalanästhesie. Der Einsatz von Narkosemitteln, die über die Vene verabreicht werden (z.B. Propofol), senken das PONV-Risiko bis zu 20%. Maßnahmen zur Einsparung von Opioiden z.B. Gabe von Nicht-Opioiden (NSAR, Metamizol) oder der postoperative Einsatz von Schmerzkathetern reduziert ebenfalls das Auftreten von Übelkeit.

Kann eine Allgemeinanästhesie nicht vermieden werden, wird zur Prophylaxe schon zu Beginn der Operation Dexametason über die Vene verabreicht. Die Wirkung setzt erst nach ca. zwei Stunden ein, darum muss es rechtzeitig verabreicht werden. Gegen Ende der Narkose werden weitere Antiemetika eingesetzt z.B. Droperidol oder Metroclopramid (Paspertin). Als nicht pharmakologische Verfahren kann Akupunktur zum Einsatz kommen, hier spielt vor allem der Akupunkturpunkt P6 am Handgelenk eine wichtige Rolle. Außerdem schaffen Aromastoffe wie Isopropophylalkohol und Pfefferminzöl Linderung.

Weiterführende Information

Nähere Informationen zum Thema PONV/Vollnarkose finden Sie hier:

Eine Übersicht aller Themen der Anästhesie finden Sie unter: Anästhesie A-Z.

Autor: Dr. Nicolas Gumpert Veröffentlicht: 18.02.2019 - Letzte Änderung: 22.10.2021