Thyreostatika

Was sind Thyreostatika?

Thyreostatika sind Medikamente, die die im Körper vorhandene Menge an Schilddrüsenhormonen senken sollen. Dies kann auf unterschiedliche Weise gelingen. Einige Thyreostatika hemmen die Jodaufnahme, andere hemmen die Herstellung der Hormone direkt.

Verwendung finden diese Medikamente meistens in der Behandlung der Schilddrüsenüberfunktion. Ein weiteres Anwendungsgebiet ist die Ruhigstellung der Schilddrüse vor operativen Eingriffen.

Die Diagnose, welche zu einer solchen Einnahme führt, wird meistens mit Laborwerten und einer Ultraschalluntersuchung gestellt.

Anwendungsgebiete

Der häufigste Grund für die Einnahme von Thyreostatika ist eine Schilddrüsenüberfunktion. Dies ist besonders bei jüngeren Patienten mit keinem oder nur einer kleinen Struma eine gute Behandlungsmöglichkeit. Das Ziel ist hierbei die Reduktion der Hormone auf ein normales Niveau. Dies kann bei einigen Patienten sogar dauerhaft eine Unterdrückung der Erkrankung bedeuten.

Bei einer geplanten Operation der Schilddrüse bei einer Schilddrüsenüberfunktion können Thyreostatika einige Wochen vorher genommen werden, um das Operationsrisiko zu senken. Die Behandlung wird hierbei normalerweise vier Wochen vor der geplanten Operation begonnen.

Vor einer Radiojodtherapie bei schweren Formen der Schilddrüsenüberfunktion werden Thyreostatika ebenfalls zur Vorbereitung genommen, da so schwere Krisen während der Behandlung weniger häufig auftreten. Bei einigen Betroffenen, bei denen andere Behandlungsansätze nicht gewollt oder nicht durchführbar sind, können Thyreostatika auch dauerhaft zur Behandlung der Schilddrüsenüberfunktion eingenommen werden. Dies sollte jedoch nur die Ausnahme darstellen und die Dosierungen sollten möglichst niedrig gewählt werden.

Bei einer bekannten Schilddrüsenüberfunktion können Thyreostatika genutzt werden, wenn die Betroffenen großen Jodmengen ausgesetzt werden müssen. Dies kann bei bestimmten bildgebenden Verfahren mit Kontrastmittel erforderlich sein, da hohe Jodmengen eine thyreotoxische Krise auslösen können.

Wie wirken Thyreostatika?

Die Thyreostatika können in zwei Hauptgruppen unterteilt werden.

Die erste Gruppe sind die Iodinationshemmer, die sogenannten Perchlorate. Das bedeutet, dass die Medikamente die Aufnahme von Jod in die Schilddrüsenzellen verhindern. Die Schilddrüsenzellen benötigen das Jod für die Produktion der Schilddrüsenhormone. Durch die Hemmung der Jodaufnahme können diese Thyreostatika die Produktion von T3 und T4 hemmen und die Hormonmengen im Körper reduzieren.

Die zweite Hauptgruppe an Thyreostatika sind die Iodisationshemmer. Hierzu gehören die Medikamente Thiamazol, Carbimazol und Propylthiouracil. Die Wirkung der Iodisationshemmer findet in den Schilddrüsenzellen statt. Der Wirkstoff verhindert, dass Jod in die Aminosäure Tyrosin eingebaut werden kann und so entstehen weniger Schilddrüsenhormone.

Die bereits vorhandenen Hormone werden durch die beiden Hauptklassen nicht beeinflusst und daher ist der Beginn der Wirkung zeitlich etwas versetzt.

Neben den beiden Hauptgruppen der Thyreostatika kann auch eine hohe Dosis Jod kurzfristig die Freisetzung von Schilddrüsenhormonen hemmen. Dies ist jedoch nur zur Krisenintervention geeignet.

Nebenwirkungen der Thyreostatika

Wie bei allen Medikamenten kann man die Nebenwirkungen nach Häufigkeit sortieren. Nicht alle Präparate haben ein identisches Nebenwirkungsprofil.

Bei den Iodisationshemmern ist die häufigste Nebenwirkung eine leichte allergische Reaktion der Haut, welche nach einigen Tagen wieder nachlässt.

Gelegentlich, also bei unter einem Prozent der Betroffenen, treten folgende Nebenwirkungen auf:

  • Agranulozytosen, also Blutbildveränderungen, welche sofort behandelt werden müssen,
  • Geschmacksstörungen,
  • Arzneimittelfieber und
  • Wassereinlagerungen.

Sehr selten kommt es zu:  

  • anderen Blutbildveränderungen, wie der Thrombozytopenie oder der Panzytopenie,
  • dem Insulin-Autoimmun-Syndrom,
  • Polyneuropathien,
  • Gefäßentzündungen,
  • Leberentzündungen,
  • medikamentös induzierter Lupus,
  • Nierenentzündungen und
  • Gelenkentzündungen.

Bei den Iodinationshemmern gehören Übelkeit und Erbrechen zu den häufigeren Nebenwirkungen. Das Arzneimittelfieber tritt hierbei etwas häufiger auf als bei den Iodisationshemmern.

Aufgetretene Nebenwirkungen sollten immer mit dem behandelnden Arzt besprochen werden, sodass eine Dosisanpassung oder eine Medikamentenumstellung erfolgen kann.

Gewichtszunahme

Die Hauptindikation für eine Einnahme von Thyreostatika ist die Schilddrüsenüberfunktion. Bei einer Schilddrüsenüberfunktion haben Betroffene eine gesteigerte Stoffwechselleistung und einen erhöhten Kalorienbedarf. Die Einnahme der Thyreostatika soll die Stoffwechsellage normalisieren. Da die Betroffenen ihre Ernährung jedoch dem höheren Bedarf angepasst haben, kommt es zunächst zu einer Gewichtszunahme. Diese lässt sich jedoch mit einer Normalisierung der täglichen Kalorienaufnahme wieder eingrenzen.

Wechselwirkungen

Thyreostatika haben relativ wenige direkte Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten, da diese sehr spezifisch an der Schilddrüse wirken. Erhöhte oder erniedrigte Jodmengen können Einfluss auf die Wirkung der Thyreostatika haben und somit können auch jodhaltige andere Medikamente hierauf einwirken.

Sekundär kann die Wirkung anderer Medikamente gesteigert werden, da die Thyreostatika den Stoffwechsel runterregulieren und die Medikamente langsamer abgebaut werden können. In diesem Fall ist eine Dosisanpassung der anderen Medikamente erforderlich.

Wechselwirkung mit der Pille

Die Thyreostatika sind sehr spezifisch wirksame Medikamente, welche auf den Jodhaushalt und den Jodeinbau wirken. Dies hat keinen Einfluss auf die Verstoffwechselung der Anti-Baby-Pille.

Da jedoch einige Thyreostatika Übelkeit und Erbrechen auslösen können, sollten betroffene Frauen während dem Auftreten von Nebenwirkungen auf eine zusätzliche Verhütung achten.

Thyreostatika und Alkohol

Die Thyreostatika haben relativ wenige Wechselwirkungen mit anderen Stoffen, da sie sehr spezifisch auf die Schilddrüsenhormonproduktion wirken und Jod nur dort erforderlich ist. Daher ergeben sich auch mit Alkohol keine direkten Wechselwirkungen.

Insgesamt können Thyreostatika jedoch den Stoffwechsel runterregulieren und damit auch dafür sorgen, dass Alkohol und andere giftige Substanzen langsamer als gewohnt abgebaut werden. Die Wirkung kann sich daher verstärken.

Gegenanzeigen

Bei einer Überempfindlichkeit gegenüber den Wirkstoffen selbst oder weiteren Bestandteilen der Medikamente dürfen diese nicht weiter genommen werden, da anderenfalls ein lebensbedrohlicher allergischer Schock ausgelöst werden kann.

Blutbildveränderungen sind ebenfalls ein Ausschlussgrund für die Behandlung mit Thyreostatika.

Bei einer bekannten Gallenwegserkrankung sind Thyreostatika kontraindiziert.

Bei einem Struma, welches bereits in den Brustkorb gewachsen ist, sollten keine Thyreostatika eingenommen werden, da der Abfall der Hormonkonzentration die Schilddrüse zum Wachstum anregen kann und diese dann andere Körperstrukturen einengen kann.

Schwangerschaft und Stillzeit

In der Schwangerschaft muss die Einnahme von Thyreostatika gut abgewogen werden.

Eine Schilddrüsenüberfunktion erhöht unbehandelt das Risiko von Fehlbildungen und Frühgeburten, jedoch können auch Thyreostatika über die Plazentaschranke in den kindlichen Körper gelangen und dort zu Schilddrüsenerkrankungen und einer Wachstumsverzögerung führen.

In der Stillzeit sollte auf Thyreostatika verzichtet werden, da diese in die Muttermilch gelangen können und eine Schilddrüsenunterfunktion beim Kind auslösen. Hierbei sollte entweder das Kind abgestillt werden oder die Mutter die Medikamente pausieren.

Dosierung der Thyreostatika

Die genaue Dosierung der Thyreostatika hängt vom genauen Präparat und vielen individuellen Faktoren ab.

Zu Beginn der Therapie wird eine Dosis gewählt, welche die Hormonsynthese vollständig blockiert. Später wird dann eine Erhaltungsdosis gegeben, welche bei Carbimazol zwischen 5 und 20mg liegt. Diese blockiert die Herstellung nur noch teilweise. Der wichtigste Laborwert, welcher für die Dosierung genutzt wird, ist das TSH - ein Hormon, welches die Produktion von Schilddrüsenhormonen reguliert.

Die Dosierung muss häufig im Laufe der Therapie weiter angepasst werden.

Was kosten Thyreostatika?

Bei thyreostatischen Medikamenten handelt es sich um eine notwendige Therapie einer Erkrankung und die Medikamente werden daher von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen. Gesetzlich Krankenversicherte müssen also lediglich fünf Euro Zuzahlung leisten.

Eine Packung Carbimazol mit 100 Tabletten mit jeweils 10mg Wirkstoff kostet ungefähr 20 Euro. Die Kosten sind jedoch je nach Dosierung und Hersteller sehr unterschiedlich. 

Alternativen zu Thyreostatika

Thyreostatika sind nur eine Möglichkeit in der Behandlung der Schilddrüsenüberfunktion. Gerade bei einer stärkeren Ausprägung der Überfunktion reicht die Wirkung der Thyreostatika jedoch nicht aus.

Eine Operation, bei welcher ein Teil oder das vollständige Schilddrüsengewebe entfernt wird, kann die Krankheit auf Dauer beseitigen, jedoch müssen Betroffene lebenslänglich Schilddrüsenhormone einnehmen.

Auch bei einer Radiojodtherapie wird das Schilddrüsengewebe vollständig zerstört und die Überproduktion der Hormone gestoppt. Hierbei handelt es sich um eine Therapie mit radioaktivem Jod.

Die passende Therapie sollten der Betroffene und sein behandelnder Arzt gemeinsam besprechen.

Lesen Sie dazu auch unseren Artikel: Die Therapie der Schilddrüsenüberfunktion.

Gibt es rezeptfreie Thyreostatika?

Die klassischen Thyreostatika sind alle rezeptpflichtig. Bei der Einnahme von Thyreostatika handelt es sich um einen schweren Eingriff in die Körperfunktionen und eine Selbsttherapie könnte schwerwiegende Folgen haben.

Bei einer leichten Schilddrüsenüberfunktion können natürliche Präparate, wie Wolfstrappkraut, verwendet werden. Diese freiverkäuflichen Mittel haben einen leicht hemmenden Einfluss auf die Hormonproduktion, eignen sich jedoch nicht für die Therapie einer voll ausgeprägten Schilddrüsenüberfunktion.

Autor: Dr. Nicolas Gumpert Veröffentlicht: 24.04.2019 - Letzte Änderung: 22.10.2021