Spezifische Angst

Synonym im weiteren Sinne

isolierte Phobie“, Archnophobie, Angst vor bestimmten Situationen, Angst vor Spinnen, Angst vor Spritzen, Tierphobie, Flugangst

Englisch: Specific Phobia
Medizinisch: spezifische Angst

Häufige Verwechslungen mit: Panikstörung, Agoraphobie, soziale Phobie

Definition

Spezifische Angst (spezische Phobie, auch isolierte Phobie genannt) bezeichnet die ausgeprägte und länger anhaltende Angstreaktion, die sich auf spezifische Objekte (z.B. Angst vor einer Spinne, med. Arachnophobie) oder spezifische Situationen (z.B. Angst vor dem Aufenthalt in Fahrstühlen. Med. Klaustrophobie) bezieht. Die Angst der betroffenen Personen bezieht sich entweder auf das wirkliche Vorhandensein eines solchen Reizes/einer Situation, oder die Erwartung z.B. eine Spinne zu sehen.

Sobald die Person nicht mehr in der angstbesetzten Situation ist oder keinen Kontakt mehr zu den angstauslösenden Objekten hat, verspürt die betroffene Person keine Angst mehr.

Merkmale der spezifischen Phobie

Durch die Konfrontation (Begegnung) mit dem spezifischen Reiz oder der spezifischen Situation kommt es fast immer zu einer starken Angstreaktion. Diese Reaktion kann vergleichbar mit den Reaktionen sein, die im Rahmen einer Panikattacke auftreten können (z.B. Herzrasen, Schwitzen, Zittern, Atemnot, etc.). Die spezifischen Situationen oder Objekte werden von den betroffenen Personen weitgehend gemieden. Falls dies nicht möglich ist, werden sie nur mit deutlich ausgeprägter Angst oder einem Gefühl des Unwohlseins durchstanden. Die erlebte und berichtete Angst und die daraus resultierenden Reaktionen sind stark übertrieben und nicht angemessen für die jeweilige Situation.
Zu irgendeinem Zeitpunkt während des Krankheitsverlaufes bemerkt auch die betroffene Person, dass die Angstreaktionen unangemessen und übertrieben sind.
Die Übertriebenheit und Unangemessenheit des Verhaltens in den spezifischen Situationen können jedoch kaum in den Situationen von den betroffenen Personen erkannt werden. Die Personen sind nicht in der Lage die Angstreaktionen selbstständig in den Griff zu bekommen oder zu reduzieren.
Das Leben der betroffenen Person ist deutlich eingeschränkt. Die betroffenen Personen klagen oft über starke Beeinträchtigungen im sozialen (zwischenmenschlichen), beruflichen und privaten (z.B. Freizeit) Bereich, die durch die erlebten Ängste entstanden sind.
Treten die Anzeichen einer spezifischen Phobie vor dem 18. Lebensjahr auf, so müssen diese für einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten bestehen, damit die Diagnose gestellt werden kann.
Da die oben genannten Merkmale der Phobie (Vermeidungsverhalten, Gefühl der Angst / des Unbehagens etc.) zum Teil auch für andere Erkrankungen zutreffen, muss für eine gesicherte Diagnose ausgeschlossen werden, dass eine andere psychische Erkrankung vorliegt.

Mögliche andere Erkrankungen, die alternativ in Betracht gezogen werden sollten, sind:

Bei der spezifischen Phobie unterscheidet man folgende Typen:

  • Tierphobie: z.B. Angst vor Spinnen (Arachnophobie); Der Beginn liegt oftmals im Kindesalter.
    Mehr zu diesem Thema finden Sie auch unter: Arachnophobie
  • Phobien vor Situationen im natürlichen Umfeld: z.B. Angst vor Sturm, Wasser, Gewitter, Höhen (Bathophobie). Der Beginn liegt meistens im Kindesalter.
  • Blut-Spritzenphobie: z.B. Angst davor, eigenes oder fremdes Blut zu sehen (Hematophobie), Angst vor medizinischen Eingriffen (z.B. Spritzen).
  • Situative Phobien: Die Angst vor bestimmten Situationen, beispielsweise vor Fahrstühlen, Flugzeugen bzw. vorm Fliegen (Flugangst, Aviophobie), Auto fahren etc.. Der Beginn liegt meist im Kindesalter, oder zwischen dem 20. -30. Lebensjahr.
    Mehr zu diesem Thema finden Sie auch unter unserem Thema: Flugangst
  • Andere Phobie: Es gibt eine Vielzahl an anderen Phobien. Die Angst bezieht sich meistens auf einen Reiz, oder eine bestimmte Situation. Andere Typen wären: die Angst vor dem Ersticken, Angst vor Behandlungen des Zahnarztes (Dentalphobie) etc.

Es können auch mehrere Phobien zusammen auftreten. Beispielsweise kann eine Person seit der Kindheit an einer Spinnenphobie (Arachnophobie) leiden. Im frühen Erwachsenenalter ist dann zusätzlich eine soziale Phobie bei der Person diagnostiziert worden. Da die Spinnenphobie nicht behandelt worden ist, leidet die Person nun an zwei verschiedenen Phobien.
Die Angst bzw. Angstreaktion kann auf drei verschiedenen Ebenen auftreten:

  • subjektiv: die Person berichtet beispielsweise verbal von der erlebten Angst.
  • im Verhalten: angstbesetzte Ort oder Objekte werden vermieden, etc..
  • körperlich: Die betroffene Person zeigt körperliche Reaktionen (Schwitzen, Zittern, beschleunigter Herzschlag etc.), die in Zusammenhang mit dem spezifischen Objekt/der spezifischen Situation stehen.

Epidemiologie / Vorkommen

Eine spezifische Angst (Spezifische Phobie) tritt, im Vergleich zu den anderen Angsterkrankungen (soziale Phobie, Agoraphobie etc.), in der Bevölkerung am häufigsten auf. Innerhalb der spezifischen Phobie kommen die folgenden Typen vermehrt vor:

  • Tierphobien (besonders Arachnophobie)
  • Gewitterphobien (Angst vor Gewitter)
  • Höhenphobien (Angst vor großer Höhe)
  • Blutphobien (Angst vor Blut und Spritzen)
  • Verletzungsphobien.

Untersuchungen haben gezeigt, dass 5-20 % der Bundesbürger jährlich neu erkranken. Hierbei zeigen sich auch geschlechtsspezifische Unterschiede, da Frauen viel häufiger an einer spezifischen Phobie erkranken als Männer.

Nur wenige werden behandelt!

Auch wenn die spezifische Phobie so weit verbreitet ist, trifft man in der klinischen Praxis kaum auf Betroffene, da nur wenige etwas gegen ihre Ängste tun.


Bei spezifischen Phobien ist es, im Gegensatz zu der sozialen Phobie (Angst, mit Menschen in Kontakt zu treten), noch möglich, die angstbesetzten Reize zu vermeiden (z.B. Fahrstühle).
Je nach Art der Phobie, liegt der Krankheitsbeginn unterschiedlich weit zurück. Mit sieben Jahren kann beispielsweise eine Tierphobie beginnen. Bei situationsspezifischen Phobien sieht man den Beginn meistens im Erwachsenenalter.

Ursachen

Spezifische Phobien entwickeln sich meist erst im Laufe des Lebens und lassen sich durch viele Faktoren erklären:
Die verschiedenen Faktoren lassen sich in drei Gruppen zusammenfassen:

  • Lerntheoretische Faktoren
  • Neurobiologische Faktoren
  • individuelle Unterschiede

Lerntheoretische Erklärungen

1. Klassische Konditionierung

Die betroffene Person erlebt ein traumatisches Ereignis in einer bestimmten Person. Ab diesem Zeitpunkt wird die ursprünglich neutrale Situation mit Angst besetzt. Die Situation wird also in Zukunft stets immer mit Angstgefühlen in Verbindung stehen.

Beispiel: klassische Konditionierung

Frau S., die zuvor nie Angst vor dem Kontakt mit Hunden gehabt hat, wird eines Tages von einem Hund gebissen. In dieser Situation hat Frau S. starke Angstreaktionen gezeigt. Ab sofort verbindet Frau S. diese Angst aus der einmaligen Situation mit der Begegnung von allen Hundearten. Frau S. wechselt jedes Mal, wenn sie einem Hund begegnet, die Straßenseite. Sie begibt sich erst gar nicht wieder in den Kontakt mit anderen Hunden und kann somit keine positiven Erfahrungen mit Hunden mehr machen. Da Frau S. eine körperliche Angstreaktion zeigt (z.B. Schwitzen, Herzrasen etc.), sobald sie nur an die Situation denkt oder mit einem Hund in Kontakt geraten würde, führt dies zu einer subjektiven Gefahrendeutung. Somit entsteht ein Teufelskreis, dem Frau S. ohne Hilfe kaum entfliehen kann.

 

2. Lernen am Modell

Häufig werden die Ängste und Befürchtungen von Eltern, Verwandten und von Freunden übernommen. Die betroffenen Personen beobachten beispielsweise schon in jungen Jahren bei der Mutter, dass diese aus Angst enge Räume (Fahrstühle) meidet und starke Angstreaktionen zeigt. Über die Jahre eignet sich die Person die Verhaltensweisen der Mutter an und leidet später oftmals auch an den gleichen Ängsten. Aber auch im Erwachsenenalter können Ängste von anderen nahe stehenden Personen automatisch übernommen werden.

Neurobiologische Verstärker

Neben dem Erlernten gibt es auch noch einen Erklärungsansatz, der die Ursachen für die Entstehung einer solchen Phobie im Inneren der Person sieht. Da das autonome Nervensystem u.a. für das Herz und die Atmung verantwortlich ist (hier zeigen sich die Angstreaktionen sehr deutlich), wird davon ausgegangen, dass bei Personen, die an einer Phobie leiden, ein sehr instabiles autonomes Nervensystem vorliegt, was kaum belastbar ist. Somit zeigen sich Angstsymptome viel eher. Auch die Vererbbarkeit eines solchen instabilen Nervensystems wurde diskutiert, bisher jedoch gibt es keine richtigen Beweise hierfür.

Individuelle Unterschiede

Im letzten Jahrhundert wurde noch sehr lange die Meinung vertreten, dass die Existenz von psychischen Erkrankungen durch eine sehr starke Ausprägung von Persönlichkeitseigenschaften erklärbar sei.
Dieser Gedanke führt zu der Vorstellung, dass es einen Zusammenhang zwischen dem Vorliegen von bestimmten Persönlichkeitseigenschaften und der Entwicklung einer psychischen Erkrankung geben könnte. Im Falle der spezifischen Angst (spezifischen Phobie) sollte man also davon ausgehen, dass Personen, die generell ängstlich sind, auch eher eine Angsterkrankung entwickeln könnten. Auch im Tierversuch mit Ratten konnte dies bestätigt werden. Insgesamt geht man davon aus, dass individuelle Unterschiede in der Persönlichkeit der Personen sowie bisherige Erfahrung einen wesentlichen Teil zur Entwicklung einer psychischen Erkrankung (hier: einer Angsterkrankung) beitragen.
Betrachtet man alle drei Bereiche (Lernerfahrungen, neurobiologische Reaktionen, individuelle Unterschiede), so kann man annehmen, dass ein Zusammenwirken der Faktoren zur Entstehung einer Angst (Phobie) als Erklärung herangezogen werden kann.

Diagnose

Die Diagnose einer spezifischen Phobie kann ein Arzt in einem persönlichen Gespräch stellen. Innerhalb des Gespräches versucht er, die genauen Ängste des Patienten zu erkennen. Dies geschieht mit Hilfe eines standardisierten Fragebogens, der ein gezieltes Nachfragen des Arztes ermöglicht.

1. Klinisches Interview

Ein anerkanntes und weit verbreitetes Verfahren ist das strukturierte klinische Interview (SKID). Mit Hilfe dieses Interviews lässt sich die Diagnose anhand standardisierter Kriterien (Kriterien, mit deren Hilfe die Diagnose für eine bestimmte Erkrankung gestellt werden kann). Dieses Interview wird von meist von erfahrenen Therapeuten verwendet.
Im ersten Teil des Interviews werden allgemeine Informationen über die betroffene Person erhoben. Unter anderem wird auch der Symptomatikverlauf detailliert erfragt. Dies geschieht mit Hilfe eines vorgegebenen Leitfadens, der den Therapeuten durch das Interview führt, so dass dieser die richtigen Fragen stellen kann.
Anschließend erfolgt der eigentliche „strukturierte“ Teil des Interviews. Schrittweise wird die Person bezüglich verschiedener Störungsbereiche befragt.
Es wird nach dem vorliegen von affektiven Symptome (Depression) gefragt. Sofern dies nicht zutrifft, wird der nächste Bereich (psychotische Symptome) erfragt. Insgesamt lassen sich durch das Interview zehn verschiedene Krankheitsbereiche austesten.
Je nach Antwort der Person, mit der das Interview durchgeführt wird, kann der Therapeut ein Kriterium für ein Krankheitsbild ausschließen oder nicht

2. Selbstbeurteilung

Der Patient hat auch mit Hilfe eines speziellen Fragebogens die Möglichkeit, sein eigenes Verhalten selber zu beurteilen, in dem er seine Symptome genau beobachtet und anschließend detailliert aufschreibt. Der behandelnde Arzt kann so ein noch genaueres Bild von den Beschwerden des Patienten bekommen.
Mit Hilfe eines solchen Verfahrens lassen sich andere Erkrankungen, die in Betracht gezogen werden müssen (z.B. soziale Phobie, Agoraphobie etc.) ausschließen.

Weitere Info´s zur Therapie

Weitere Informationen zur Therapie der spezisfischen Angst finden Sie unterunserem Thema: Therapie spezifische Phobie

Medikamente aus dem Bereich der Angsstörung:

Autor: Dr. Nicolas Gumpert Veröffentlicht: 06.08.2008 - Letzte Änderung: 22.10.2021