Kaudasyndrom - Habe ich eine Querschnittslähmung?

Definition – Was ist das Kaudasyndrom?

Das Kaudasyndrom, bzw. das Kauda-Kompressions-Syndrom, beschreibt ein Krankheitsbild, dass durch verschiedene neurologische Ausfälle gekennzeichnet ist. Es beruht, wie die Krankheitsbezeichnung bereits andeutet, auf einer Schädigung des unteren Rückenmarks, der sogenannten Cauda equina. Dieser Teil des Rückenmarks besteht nicht mehr wie der obere Anteil aus eigentlichen Nervenzellen, sondern stellt eine Ansammlung von Nervenwurzeln (Spinalnervenwurzeln) dar. Er befindet sich unterhalb des fünften Lendenwirbelkörpers. Kommt es nun zu einer Schädigung dieses Rückenmarkabschnitts, resultieren je nach Höhe der Schädigung verschiedene neurologische Ausfälle. Zu diesen gehören Lähmungen der Unterschenkel, der Blasen- und Anusmuskulatur, das Aussetzen von Reflexen, Sensibilitätsstörungen und viele mehr. Ursachen für eine solche Schädigung können Bandscheibenvorfälle, Tumore oder traumatische Ereignisse sein.

Ursachen eines Kaudasyndroms

Es gibt viele verschiedene Ursachen, die zu einer Schädigung des unteren Rückenmarks, der Cauda equina, führen können. Die meisten Ursachen führen zunächst zu einer Einengung des Rückenmarks durch eine äußere Kompression. Diese Einengung führt dann zu einem erhöhten Druck auf die hier verlaufenden Spinalnerven, welche ihre Funktion dann nicht mehr ausführen können.

Zu den häufigsten Ursachen eines Kaudasyndroms zählen vor allem degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, wie eine Arthrose. Bei einer ausgeprägten Arthrose kann es zu knöchernen Umbauprozessen kommen, die mit der Ausbildung von kleineren Knochenfortsätzen, sog. Osteophyten, einhergehen. Diese können auf das Rückenmark drücken und so die Symptome wie Lähmungen der Unterschenkel, der Blasen- und Anusmuskulatur, das Aussetzen von Reflexen, Sensibilitätsstörungen hervorrufen. Doch auch eine Knochenschwund (Osteoporose) kann durch die verminderte Knochendichte und dem damit einhergehenden stark erhöhten Risiko für Wirbelkörperfrakturen zu diesem Krankheitsbild führen. Auch nicht-degenerative Ursachen wie Bandscheibenvorfälle oder akute Traumata können Ursachen eines Kaudasyndroms sein. Eine weitere mögliche Ursache stellt die sog. Spondylolisthesis dar, bei der sich benachbarte Wirbelkörper gegeneinander verschieben und somit zu einer Rückenmarkseinengung führen. Neben diesen mechanischen Schädigungen des Rückenmarks können auch entzündliche Prozesse im Bereich der Cauda equina zu einem Funktionsverlust der Spinalnerven führen. Weitere mögliche Ursachen sind ein Morbus Bechterew, metabolische Veränderungen, Tumore und Erkrankungen der Gefäße. 

Das komplette Kaudasyndrom

Von einem kompletten Kaudasyndrom spricht man, wenn das gesamte untere Rückenmark im Bereich der Cauda equina komprimiert wird und die Spinalnerven einen vollkommenen Funktionsverlust aufweisen. Somit ist das komplette Kaudasyndrom den sog. Querschnittssyndromen zuzuordnen. Da alle hier verlaufenden Spinalnerven komprimiert werden, kommt es meist zu dem gesamten Symptomspektrum, das für das Kaudasyndrom typisch ist. Hierzu gehören Lähmungen der Unterschenkel-, Fuß- und Zehenbeuger und der Gesäßmuskulatur, Inkontinenz durch eine Lähmung der Blasen und Anusmuskulatur, Ausfälle von Reflexen, sowie Sensibilitätsstörungen an der Oberschenkelinnenseite, sowie der Rückseite der Beine und dem äußeren Fußrand. Ein komplettes Kaudasyndrom ist ein akuter neurologischer Notfall und sollte möglichst schnell einer neurochirurgischen Behandlung zugeführt werden, da mit der Zeit das Risiko für irreversible Schäden stark zunimmt.

Das inkomplette Kaudasyndrom

Bei einem inkompletten Kaudasyndrom sind nur Teile des Spinalnervenbündels komprimiert. So besteht hier kein kompletter Funktionsverlust. Bei einem inkompletten Kaudasyndrom hängt die genaue Symptomausprägung somit von der genauen Lokalisation der Kompression auf das Rückenmark ab. Es kann somit beispielweise nur zu Lähmungserscheinungen auf einer Körperhälfte kommen, wohingegen die andere Seite nicht betroffen ist. Weiterhin ist es möglich, nur Ausfälle der Motorik oder Sensibilitätsausfälle nachweisen zu können, ohne dass eine Funktionseinschränkung der Harn-und Stuhlkontinenz zu erkennen ist.

Symptome bei einem Kaudasyndrom

Das komplette Kaudasyndrom geht neben den Lähmungserscheinungen der Unterschenkel-, der Fuß-, Zehenbeuger- und Gesäßmuskulatur noch mit weiteren, teils sehr belastenden, Symptomen einher. Da die Kontinenz der Blase und des Enddarms durch Spinalnerven gesteuert wird, die unter L5 liegen, kommt es bei einem Kaudasyndrom meist zu einer vorübergehenden Inkontinenz, die je nach Dauer bis zu Therapiebeginn, auch irreversibel sein kann. Weiterhin geht ein Kaudasyndrom für die Betroffenen oft mit starken Schmerzen einher, die durch die Kompression der Spinalnerven hervorgerufen werden. Ein weiteres Symptom des kompletten Kaudasyndroms stellen Sensibilitätsausfälle im Bereich der Beininnenseiten, der Dammregion und der Rückseite der Beine dar. Zudem können bei Männern Erektionsstörungen auftreten.

Harnverhalt beim Kaudasyndrom

Die Bezeichnung Harnverhalt bedeutet, dass die Harnblase nicht mehr ihrer Funktion der Harnausscheidung nachkommen kann und sich der Urin in ihr staut. Die Folge eines Kaudasyndroms ist die sogenannte schlaffe Blase. Hierbei erhalten die Muskeln der Harnblasenwand keine Informationen mehr durch das Rückenmark und bleiben somit schlaff. Reflexe sind ebenfalls nicht mehr vorhanden. Da die Muskeln der Harnblase nun keine Information bekommen, sich anzuspannen und somit die Harnblase zu entleeren, sammelt sich folglich der Urin in der Blase. Dieser Prozess kann durch den Harnaufstau, neben immer wiederkehrenden Harnwegsinfekten, im Verlauf zu einer zunehmenden Schädigung der Nieren führen. Um diesem Prozess entgegen zu wirken, greift man zu dem sogenannten intermittierenden Selbstkatheterismus. Hierbei können Betroffene selbst einen Katheter in ihre Blase einführen und diese somit entleeren.

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Inkontinenz beim Kaudasyndrom

Neben dem oben beschriebenen Fall des Harnverhalts kann es bei einem Kaudasyndrom ebenfalls zu einer Harn- und Stuhlinkontinenz kommen. Erstere stellt hierbei häufig eine sogenannte Überlaufinkontinenz dar, die entsteht, wenn die Harnblase so stark mit Urin gefühlt ist und ein zu hoher Druck entsteht. Die Folge ist eine ungewollte Urinausscheidung. Bei der Stuhlinkontinenz steht vor allem die Erschlaffung des äußeren Schließmuskels eine Rolle, wodurch die Stuhlentleerung nicht mehr willentlich kontrolliert werden kann.

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Blasen-Mastdarm-Störung beim Kaudasyndrom

Die Bezeichnung Blasen-Mastdarm-Störung beschreibt ein Symptomspektrum, dass neben einer Harn- und Stuhlinkontinenz Sensibilitätsstörungen im Genital- und Analbereich und ein Restharngefühl umfasst. Diese Störung stellt einen neurologischen Notfall dar und bedarf umgehender Abklärung und Behandlung, um irreversible Folgeschäden zu verhindern. Die häufigste Ursache für eine Blasen-Mastdarm-Störung stellt das Kaudasyndrom dar.

Behandlung eines Kaudasyndroms

Das Kaudasyndrom stellt einen neurochirurgischen Notfall dar, der umgehend einer operativen Therapie zuzuführen ist. Eine konservative Therapie sollte bei bestehender Symptomatik, wie Lähmungserscheinungen, nicht angestrebt werden. Ziel ist es, die Kompression dieses Rückenmarkabschnitts möglichst schnell zu beheben, um irreversible Folgeschäden, wie Inkontinenz, zu verhindern. Um dieses Ziel zu erreichen gibt es heute viele verschiedene Methoden, die von größeren offenen Operationen bis hin zu minimal-invasiven Technik reichen. Welche Operationsmethode zum Einsatz kommt hängt zum einen von der zugrundeliegenden Ursache ab, aber auch von dem Kompressionsmuster und der Erfahrung des Operateurs.

Dauer eines Kaudasyndroms

Die Dauer, während der die Symptome des Kaudasyndroms bestehen, hängt maßgeblich vom Zeitpunkt des Therapiebeginns ab. Wird ein Kaudasyndrom diagnostiziert, sollte innerhalb der nächsten 24-48 Stunden ein neurochirurgischer Eingriff durchgeführt werden. Jede weitere zeitliche Verzögerung vergrößert das Risiko für eine irreversible Schädigung der Spinalnerven, die mit dauerhaften Lähmungen, Inkontinenz und Sensibilitätsstörungen einhergehen können. Nur in sehr seltenen Fällen können sich die Spinalnerven von einer länger anhaltenden Einengung erholen.

Prognose bei einem Kaudasyndrom

Maßgeblich entscheidend für die Prognose des Kaudasyndroms ist zum einen die Dauer zwischen dem Erstauftreten der Symptome bis zu einer adäquaten Therapie. Doch auch das grundlegende Kompressionsmuster und die damit einhergehende Symptomatik haben einen großen Einfluss auf die Prognose des individuellen Patienten. So gehen beispielweise eine äußere Schließmuskelschwäche oder urologische Symptome mit einer schlechteren Prognose einher, nach der Operation wieder die vollständige Funktion zu erlangen.

Wie wird das Kaudasyndrom diagnostiziert?

Die Diagnose eines Kaudasyndroms ist ein Zusammenspiel aus einer guten klinisch-neurologischen Untersuchung, sowie verschiedener bildgebenden Maßnahmen. Die klinische Untersuchung beginnt meist mit verschiedenen Funktionstest, die mögliche Lähmungen der Bein- und Gesäßmuskulatur prüfen. Hierzu gehören beispielweise der Einbeinstand, der Zehenstand, sowie das Bein gegen einen Winderstand anzuheben. Als nächstes folgt die Testung der verschiedenen Reflexe, wie des Kniesehnenreflexes. Anschließend folgt die Überprüfung der Sensibilität im Bereich der Beine. Besteht hier bereits der Verdacht auf das Vorliegen auf ein Kaudasyndrom wird die klinische Untersuchung auf die Dammregion ausgeweitet und hier die Sensibilität, der Analreflex und die Schließmuskelkraft überprüft. Besteht nach dieser Untersuchung der Verdacht auf ein Kaudasyndrom, wird möglichst schnell ein bildgebendes Verfahren, meist ein MRT, durchgeführt, um die Einengung des Rückenmarks darzustellen. Hierdurch kann man in den meisten Fällen die Verdachtsdiagnose sichern.

MRT bei Verdacht auf ein Kaudasyndrom

Im Rahmen der Diagnostik eines Kaudasyndroms ist ein MRT der Lendenwirbelsäule ein unverzichtbarer Bestandteil. Durch dieses bildgebende Verfahren, können auch kleine Einengungen des Rückenmarks dargestellt werden und deren Ausmaß bestimmt werden. Weiterhin ist es oft möglich die genaue Ursache der Kompression auszumachen. So können Bandscheibenvorfälle, Wirbelkörperfrakturen, Tumore oder andere Ursachen des Kaudasyndroms klar voneinander unterschieden werden.

Überprüfen des Analreflexes

Der Analreflex beschreibt eine Kontraktion des äußeren Schließmuskels, die durch eine Berührung der Haut am Anus ausgelöst wird. Somit gilt der der Analreflex als ein Fremdreflex, da hierbei das sensible und das ausführende Organ unterschiedlich sind. Der Analreflex wird durch das Rückenmarksegment S3-S5 ausgelöst. Ein Fehlen dieses Reflexes deutet somit auf ein Rückenmarksproblem hin, das bei S3 oder höher liegt. Da das Kaudasyndrom definitionsgemäß die Rückenmarksabschnitte betrifft, die tiefer als der fünfte Lendenwirbelkörper liegen, kommt es bei diesem Krankheitsbild auch zu einem Ausfall des Analreflexes.

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Autor: Dr. Nicolas Gumpert Veröffentlicht: 31.10.2018 - Letzte Änderung: 06.11.2021