Musculus sternocleidomastoideus

Einleitung

Der Musculus sternocleidomastoideus wird umgangssprachlich nach seinen Funktionen auch als "großer Kopfwender" oder "Kopfnicker" bezeichnet.
Er ist als oberflächlicher Muskel an der Vorderseite der gesamten Länge des Halses nach tastbar und aus zwei Köpfen aufgebaut.
Der mittlere Kopf (Caput mediale) entspringt am oben liegenden Abschnitt des Brustbeins (Manubrium sterni), der seitliche Kopf (Caput laterale) am mittleren Drittel des Schüsselbeins.
Beide verlaufen schräg von vorne nach hinten, sowie von unten nach oben über den Hals und setzen gemeinsam am Hinterhaupt, genauer gesagt an einem dort gelegenen Knochenvorsprung, dem Processus mastoideus, an.
In ihrem Verlauf vereinigen sich die beiden Muskelköpfe zu einem großen Muskelbauch.

Der Muskel ist paarig angelegt, sprich der Mensch besitzt auf jeder Seite des Halses einen Musculus sternocleidomastoideus.

Innerviert, sprich mit für seine Funktion wichtigem Nervengewebe versorgt, wird der Muskel zum einen durch einen Hirnnerven, den Nervus accessorius, sowie über direkte Äste aus dem Nervengeflecht des Halses (Plexus cervicalis).

Funktion

Kontrahiert nur einer der beiden Muskeln, so führt dies zu einer Neigung des Kopfes in Richtung Schulter, sowie zu einer Rotation zur Gegenseite. Zieht sich also beispielsweise der rechte Musculus sternocleidomastoideus zusammen, dreht sich der Kopf nach links und neigt sich leicht in Richtung der rechten Schulter.

Kontrahieren beide Muskeln, also sowohl der rechte als auch der linke Musculus sternocleidomastoidus, ziehen beide Muskeln an ihrem Ansatzpunkt am Hinterhaupt des Kopfes, was zur Folge hat, dass das Gesicht angehoben wird.

Die Muskeln können des Weiteren als Atemhilfsmuskeln fungieren, indem sie die Schlüsselbeine leicht anheben und absenken und dadurch die Atmung, zum Beispiel nach großer körperlicher Anstrengung, verbessern und erleichtern können.

Schmerzen und Verspannungen

Wie jeder andere Muskel kann auch der Musculus sternocleidomastoideus verspannen.
Die Folge sind Schmerzen im Bereich des Kopfes, vor allem an Ohren, Augen und im Gesichtsbereich. Der verspannte Muskel kann zudem auch Kopfschmerzen generieren.

Da sich der Muskel aus zwei Teilen zusammenfügt, können auch grob zwei Schmerzzonen voneinander unterschieden werden. Von der Lokalisation der Schmerzen innerhalb einer entsprechenden Schmerzzone kann dann auch rückschließend gefolgert werden, welcher Teil des Muskels verspannt sein muss.

Wie bereits oben beschrieben, entspringt der Muskel zum einen am Brustbein (sternaler Teil) und zum anderen am Schlüsselbein (claviculärer Teil).
Liegt vor allem eine Verspannung im sternalen Teil vor, empfinden die Betroffenen oftmals Schmerzen im Bereich des Ober- und Hinterkopfes.
Ist der claviculäre Teil verspannt, so sind die Schmerzen eher im Bereich von Stirn und Ohr lokalisiert.

Nicht selten ist es jedoch der Fall, dass beide Muskelteile in gewissem Maße verspannt sind und die Schmerzzonen „verwischen“, also nicht mehr genau abgrenzbar sind.

Starke Verspannungen äußern sich häufig als scharfe, plötzlich in den Hals einschießende Schmerzen. Vor allem bei Frauen kann ein verspannter Musculus sternocleidomastoideus ein Kloßgefühl im Hals verursachen. Fachsprachlich bezeichnet man dieses Problem als Globus hystericus.

Oftmals haben die Verspannungen und die damit verbundenen Schmerzen eine harmlose Ursache, wie beispielsweise eine über Nacht eingenommene ungünstige Kopfposition, das längere Sitzen in Zugluft, aber auch das unbewusste Anspannen der Muskulatur bei Stress.

Der Muskel wird bei erschwerter Atmung auch als Atemhilfsmuskel genutzt, um diese zu erleichtern. Aus diesem Grund verspannt der Musculus sternocleidomastoideus auch sehr oft bei Patienten, die unter einer Lungenkrankheit, wie beispielsweise COPD (chronisch obstruktive Lungenerkrankung) leiden und aus diesem Grund auf die genannte Zusatzfunktion des Muskels angewiesen sind.

Massagen können helfen, die Verspannungen zu lösen und dadurch nachfolgend die Schmerzen zu lindern.
Der Muskel ist der gesamten Länge nach gut mit den eigenen Händen zu erreichen, weshalb die Massagen auch selbstständig ganz gezielt an den Verspannungspunkten durchgeführt werden können.
Die Verspannungen sind als Muskelverhärtungen mit lokalem Druckschmerz tastbar.

Eine Behandlung mit lokaler Wärme, sowie Entspannungsübungen können ebenfalls dazu beitragen, die Verspannungen zu lösen.

Bei der Massage des Muskels sollte darauf geachtet werden, dass die sich unmittelbar vor dem Muskel befindliche Hauptschlagader, welche an dem tastbaren Puls detektiert werden kann, nicht massiert wird.
Dies könnte nämlich im schlimmsten Fall Ohnmachtsanfälle nach sich ziehen.

Dehnen des Muskels

Da der Musculus sternocleidomastoideus zu den Muskeln zählt, die zu Verkürzungen neigen, ist vor allem bei Menschen, die vorbelastet sind, eine regelmäßige Dehnung des Muskels sinnvoll.

Dazu nehmen Sie zunächst eine Ausgangsposition im aufrechten Stand ein. Nun drücken Sie eine der beiden Handflächen Richtung Boden, sodass sich die Schulter dieser Körperhälfte ebenfalls Richtung Boden bewegt. Beginnen Sie beispielsweise mit der linken Handfläche. Um die folgenden Übungen auch mit der anderen Seite durchzuführen, spiegeln Sie diese einfach.
Atmen Sie tief ein und bewegen Sie jetzt ihr Kinn in Richtung der rechten Schulter. Der Kopf neigt sich dadurch automatisch mit.
Dabei wird der linke Musculus sternocleidomastoideus gedehnt.
In dieser Dehnungsstellung angekommen atmen Sie langsam und kontinuierlich aus und verharren ca. 15-20 Sekunden in dieser Position.
Wechseln Sie zwischen den Dehnungen immer die Ausgangsposition und die Seiten, sodass jede Seite und damit jeder Muskel drei Mal gedehnt wird.

Die zweite Übung beginnt damit, dass Sie mit der linken Hand über den Kopf hinweg an Ihr rechtes Ohr fassen. Nun drehen Sie Ihren Kopf in die zum Ohr entgegengesetzte Richtung. In unserem Beispiel also nach links.
Wechseln Sie auch hier Ausgangsposition und Seiten drei Mal.

Bei der letzten Übung lehnen Sie Ihren Kopf nach hinten. Es empfiehlt sich, diese Übung sitzend auf einem Stuhl mit nicht allzu hoher Lehne durchzuführen.
Haben Sie ihren Kopf nach hinten gelehnt, drehen Sie Ihn abwechselnd langsam nach links und rechts, bis sie eine maximale Dehnung an dementsprechenden Muskel verspüren .
Bei der Drehung nach links wird der rechte Musculus sternocleidomastoideus gedehnt, bei der Drehung nach rechts wird der linke Muskel gedehnt.
Wiederholen Sie auch diese Übung drei Mal und verharren Sie in den jeweiligen Position ebenfalls 15-20 Sekunden.

Zudem arbeitet der Muskel beim Schulterkreisen mit. Um einen maximalen Effekt zu erzielen, sollten Sie die Kreisbewegung rückwärts und nach unten besonders betonen.

Vor der Durchführung der letzten Übung sollte ein aufrechter Stand eingenommen werden. Heben Sie nun beide Arme so an, dass diese eine waagerechte Linie in Schulterhöhe bilden, also so, dass die Arme jeweils im 90°-Winkel zur Körpermitte stehen. Dabei zeigt die Handfläche eines Armes, zum Beispiel des rechten Richtung Decke und die des anderen Armes, in unserem Beispiel jetzt die Handfläche des linken Armes Richtung Boden.
Im Laufe der Übung wird der Kopf immer in Richtung der Handfläche gedreht, die zur Decke zeigt. In unserem Beispiel also zunächst nach rechts.
Zum Seitenwechsel wird nun die linke Handfläche in Richtung Decke gedreht und der Kopf nach links gedreht. Vor dem Beginn der Kopfdrehung sollten Sie tief ein- und während der Drehung langsam und bewusst ausatmen, bis der Kopf in der gewünschten Blickrichtung verbleibt.
Wechseln Sie die Blickrichtungen, sowie die Positionen der Handflächen jeweils 10-15 Mal.

Trainieren des Muskels

Wie bei jedem Muskel empfiehlt es sich, auch den Musculus sternocleidomastoideus vor dem Training „aufzuwärmen“.
Zu diesem Zwecke können die oben beschriebenen Dehnübungen durchgeführt werden.

Übungen, die speziell diesen Muskel trainieren, sind im Vergleich zu Trainingseinheiten für andere Muskeln leider rar. Die gute Nachricht ist jedoch, dass der Muskel allerdings bei vielen Übungen, vor allem bei solchen zur Kräftigung der Nacken- und Halsmuskulatur, mit beansprucht und somit auf diesem Weg trainiert werden kann.
Auch bei der Durchführung von Sit-Ups werden die Muskeln mit angespannt.

Eine gut trainierte Nacken- und Halsmuskulatur ist vor allem bei bestimmten Sportarten, wie Boxen oder Rugby von großer Bedeutung, da sie der Halswirbelsäule Stabilität und einen gewissen Maß an Schutz bietet.

Die nachfolgenden Übungen konzentrieren sich speziell auf das Training der großen Kopfwender.

Zu Beginn der ersten Übung wird ein aufrechter Stand eingenommen und der Handballen einer Handfläche, beispielsweise die linken, auf das Ohr derselben Körperseite gelegt.
Der Oberarm steht dabei im 90°-Winkel zum Körper, sodass der Ellenbogen eine Weiterführung der Schulterlinie bildet.
Im nächsten Schritt drücken Sie mit der Hand gegen Ihren Kopf, wobei Sie gleichzeitig mit dem Kopf versuchen, gegen diesen Druck Widerstand zu leisten, indem Sie ihn in die entgegengesetzte Richtung drehen.
Drücken Sie also beispielsweise mit der linken Hand am linken Ohr, so drehen Sie den Kopf nach links, da Ihre Hand ihn in diesem Fall nach rechts drücken würde.
Es empfiehlt sich die Übung drei Mal auf jeder Seite zu wiederholen und jeweils 15-20 Sekunden Druck aufzubauen, beziehungsweise Wiederstand gegen diesen zu leisten.

Die nächste Übung trainiert vor allem beide Kopfnicker, stärkt jedoch auch die Nackenmuskulatur. Als Ausgangsposition legen Sie sich mit dem Rücken auf den Boden. Nun legen Sie Ihre Handflächen auf Ihre Stirn und Heben den Kopf an, sodass das Kinn die Brust berührt. Dabei üben Sie gleichzeitig mit den Handflächen entgegengesetzten Druck auf die Stirn aus .
Versuchen Sie diese Position 10-15 Sekunden zu halten und führen Sie anschließend den Kopf wieder Richtung Boden, ohne diesen abzulegen. Die Übung sollte 3-4 Mal wiederholt werden.

Lesen Sie mehr zum Thema unter: Nackenschule

Schiefhals/ Torticollis

Unter einem Schiefhals versteht man, eine Schiefhaltung des Kopfes. Diese Fehlstellung kann angeboren oder erworben sein.
Einem angeborenen muskulären Schiefhals, der in der Regel schon im Säuglingsalter sichtbar wird, liegt in fast allen Fällen eine Fehlbildung des Musculus sternocleidomastoideus zu Grunde.

Die Ursachen für diese Form des Torticollis sind noch nicht vollständig geklärt. Es werden jedoch Unterversorgung des Muskels mit Blut während der Schwangerschaft, sowie Muskelverletzungen und –einblutungen während des Geburt als Ursachen diskutiert.
Des Weiteren kann eine ungünstige Lage des Kindes im Mutterleib zur Entstehung eines Schiefhalses beitragen.

Man hat beobachtet, dass der Schiefhals oft in Kombination mit anderen Fehlbildungen, wie Klumpfüßen oder Hüftdysplasien auftritt.

Der Musculus sternocleidomastoideus ist bei dieser angeborenen Krankheitsform verkürzt.
Des Weiteren findet sich ein Ersatz von Muskelgewebe durch Bindegewebe, welches weniger elastisch ist und die Funktionen des Muskelgewebes nicht ersetzen kann.

Die Gefahr der angeborenen muskulären Fehlbildung besteht darin, dass sich die Wirbelsäule in ihrer Position der ständigen Kopffehlhaltung anzupassen versucht.
Im Laufe der Zeit entwickeln die Betroffenen schließlich sehr oft eine so genannte Skoliose, worunter man eine Verkrümmung der Wirbelsäule versteht.

Durch den ständigen Zug, der auf dem fehlgestellten Muskel lastet, kommt es bei einem Teil der Betroffenen zu einem Einriss und in Folge dessen zu einer Einblutung in den noch vorhandenen Muskelteil. Daraufhin entsteht ein Bluterguss, fachsprachlich als Hämatom bezeichnet, in diesem Muskel.
Das Kopfnickerhämatom ist bei den Kindern meist als kleine Schwellung unterhalb des Ohres tastbar.

Besteht der Verdacht auf das Vorliegen eines Schiefhalses, sollte mit dem Säugling umgehend eine physiotherapeutische Behandlung in Angriff genommen werden, da innerhalb des ersten Lebensjahres bei einigen Betroffenen noch die Möglichkeit besteht, diesen auf dem konservativen Weg erfolgreich zu behandeln.
Zudem kann mithilfe der krankengymnastischen Übungen die Kopfbeweglichkeit erhalten werden.

Ab dem ersten Lebensjahr und bei solchen Patienten, bei denen die Physiotherapie keine ausreichende Wirkung gezeigt hat, wird der Torticollis chirurgisch therapiert.
Der verkürzte Muskel wird dabei an beiden Enden mittels eines kleinen Schnittes durchtrennt und der Kopf anschließend ca. 8 Wochen mit Hilfe einer Schiene fixiert.
In dieser Zeit verwachsen die Schnittflächen in anatomisch korrekter Stellung miteinander.

Lesen Sie mehr zum Thema unter: Angeborener muskulärer Schiefhals

Neben der bereits erläuterten angeborenen muskulären Ursache für einen Schiefhals gibt es noch zahlreiche weitere Ursachen, wie den ossären, spastischen, rheumatischen oder infektiösen Torticollis.

Allen weiteren Ursachen ist gemeinsam, dass die Nacken- und Halsmuskulatur, so auch die Musculi sternocleidomastoidei (Plural von Musculus sternocleidomastoideus) indirekt in Mitleidenschaft gezogen werden.
Durch die ständige Kopffehlhaltung sind die Muskeln bei vielen Betroffenen schmerzhaft verhärtet und verspannt.

Wird die Schiefstellung nicht behoben, besteht im Laufe der Zeit die Gefahr, dass die Muskeln an der geneigten Seite des Kopfes versuchen, sich an die geänderte Position anzupassen und sich dementsprechend verkürzen.
Dies ist einer der Gründe, weshalb ein Schiefhals, vor allem wenn er schon längere Zeit andauert, unter anderem auch krankengymnastisch behandelt werden sollte.

Bezold-Abszess

Der Bezold-Abszess ist eine mögliche Folge einer akuten Mittelohrentzündung.
Diese sehr selten auftretende Komplikation ist nach ihrem Entdecker Friedrich Bezold benannt.

Unter einem Abszess versteht man allgemein eine eitrige Abkapselung, die durch bestimmte Bakterien, die so genannten Staphylokokken, ausgelöst wird.
Diese Erreger können auch die Ursache einer akuten Mittelohrentzündung sein. Ist es zu solch einer Entzündung gekommen, besteht die Gefahr, dass sich die Bakterien noch weiter ausbreiten. Gelegentlich gelangen sie so auch in den sich in der Nähe des Mittelohrs befindlichen Processus mastoideus.

Der Processus mastoideus ist ein Knochenvorsprung am Hinterhaupt, an welchem der Musculus sternocleidomastoideus ansetzt. Er besitzt einen Hohlraum, welcher mit Schleimhaut ausgekleidet ist. Diese kann von den sich ausbreitenden Bakterien besiedelt werden und ebenfalls eitrig entzünden. Man spricht dann von einer Mastoiditis.

Da der Kopfwender-Muskel an diesem Vorsprung seinen Ansatzpunkt besitzt, besteht die Gefahr, dass der Eiter nicht nur im Processus mastoideus verbleibt, sondern diesen durchbricht und sich weiter in den Musculus sternocleidomastoideus ausbreitet.

Bei dieser sogenannten Abszedierung in den Muskel spricht man von einem Bezold-Abszess. Dieser macht sich als eine schmerzhafte Schwellung am Hals bemerkbar. Die Haut oberhalb der Entzündung kann zudem gerötet und überwärmt sein.

Eine Mastoiditis und der mit einem Eitereinbruch in den Musculus sternocleidomastoideus einhergehende Bezold-Abszess müssen umgehend mit Hilfe von Antibiotika und oft auch einer kleinen Operation behandelt werden, um eine Ausbreitung der Bakterien, vor allem in Richtung Gehirn und Hirnhäute, zu vermeiden.

In vielen Fällen ist auch wie bereits erwähnt eine kleine Operation notwendig, bei der die Eiterabkapselung eröffnet, der Eiter abgelassen und die angrenzenden Strukturen, wie z.B. der Knochen, entlastet und nachfolgend auch gereinigt werden.

Lesen Sie mehr zu diesem Thema unter: Abzess Behandlung

Weitere Informationen

Eine Übersicht aller Themen aus dem Bereich der Antomie finden Sie unter: Anatomie A-Z

Autor: Dr. Nicloas Gumpert Veröffentlicht: 23.08.2016 - Letzte Änderung: 25.07.2023