Sehnenriss in der Schulter

Sehnenriss in der Schulter

Definition

Die Schulter ist ein Kugelgelenk, das fast vollständig von Muskeln umfasst, geführt, bewegt und stabilisiert wird. Die Muskulatur, die einen maßgeblichen Einfluss auf die Beweglichkeit der Schulter hat, ist die sogenannte „Rotatorenmanschette“. Die Rotatorenmanschette ermöglicht mit dem Bizepsmuskel, sowie zahlreichen weiteren Muskeln und Bändern die vielen Bewegungen im Schultergelenk. Die Sehnen der Muskulatur, die den Muskel an einem Knochen befestigen, können aufgrund diverser Ursachen geschädigt werden, entzündet sein oder reißen. Die Bewegung der Schulter ist bei sämtlichen Handlungen im Alltag involviert. Schäden an der Muskulatur und dem Sehnenapparat der Schulter haben demnach erhebliche Auswirkungen auf alltägliche Bewegungen.

Ursachen

Die Ursachen für einen Sehnenriss an der Schulter können zahlreich sein. Die engen Strukturen im Gelenk, sowie die vielfache Beteiligung der Schulter an Bewegungen im Alltag und Sport führen zu einer Verletzungsanfälligkeit. So können unfallbedingte, degenerative oder entzündliche Ursachen voneinander abgegrenzt werden.

Unfallbedingter Riss

Eine der häufigsten Ursachen für Sehnenrisse in der Schulter sind Unfälle. Durch ruckartige Bewegungen oder schwere Krafteinwirkungen können Sehnen reißen. In vielen Fällen sind die Sehnen bereits durch vorherige Belastungen vorgeschädigt, weshalb ein Zusammenspiel mehrerer Ursachen vorliegt. Die wichtigsten Unfällhergänge, bei denen es zu Sehnenrissen der Schulter kommt, sind Stürze auf den ausgestreckten Arm sowie plötzliche Krafteinwirkungen auf die gebeugten Unterarme. Auch plötzliches Festhalten bei einem Sturz oder ruckartige direkte Einflüsse auf den Oberarm können zu Rissen der Sehnen führen. Dabei sind vor allem Sehnen der Rotatorenmanschette und des Bizepsmuskels im Oberarm betroffen.

Mehr Informationen zum Thema Bizepssehnenriss und welche Übungen bei der Heilung helfen finden Sie hier: Bizepssehnenriss und Krankengymnastik beim Bizepssehnenriss

Degenerativer Riss

Weitere häufige Ursachen für Sehnenrisse in der Schulter sind degenerative Veränderungen der Sehnen. Dies bedeutet, dass bereits über einen längeren Zeitraum Verschleißerscheinungen an den Sehnen entstanden sind. Sehr typisch sind Verschleißerscheinungen von Teilen der Rotatorenmanschettenmuskulatur durch die räumliche Enge im Schultergelenk. Durch das Schulterdach, das sogenannte „Akromion“, ist der Raum im Schultergelenk stark eingeschränkt. Durch knöcherne Anbauten, Kalkeinlagerungen und permanentes Reiben bei Bewegungen in der Schulter können sich die Sehnen über Jahre hinweg abnutzen und plötzlich durch kleinere Belastungen reißen. Hinzu kommt eine verminderte Durchblutung der Sehnen unterhalb des Schulterdaches, was sie anfälliger und verletzlicher werden lässt.

Entzündlich-rheumatischer Riss

In selteneren Fällen kann auch eine entzündlich-rheumatische Ursache hinter dem Sehnenriss in der Schulter stecken. Rheumatische Erkrankungen können sich in Gelenken niederschlagen und hier zu Entzündungen führen. Die Entzündungen können die Knorpel, den Schleimbeutel, die Gelenkschleimhäute, sowie Sehnen und Muskeln betreffen. Dadurch kommt es zu Entzündung der Sehnen  mit Schwellung, die aufweichen und instabil werden. Auch hier kommt es oftmals nach langer Vorschädigung durch ein sogenanntes „nicht-adäquates Trauma“ zu einem Abriss der Sehne. Das bedeutet, dass die Sehne plötzlich reißt, obwohl die Krafteinwirkung nur gering war.

Symptome

Das Hauptsymptom eines Sehnenrisses in der Schulter sind Schmerzen. Die Schmerzen können sich unterschiedlich stark gestalten und teilweise mit erheblichen Einschränkungen im alltäglichen Leben einhergehen. Sie können in Ruhe und bei Bewegung auftreten und auch nachts erhebliche Beschwerden hervorrufen. Schon alltägliche Tätigkeiten wie das Anziehen und das Greifen und Heben von Gegenständen können erheblich eingeschränkt sein.
Abhängig von der genauen Lokalisation des Sehnenrisses können Bewegungseinschränkungen hinzukommen. Durch den vollständigen Riss der Sehne kommt es zwangsläufig zu einer vollständigen Einschränkung des zugehörigen Muskels. Lediglich der Bizepsmuskel besitzt mehrere Sehnen und besitzt auch nach einem Sehnenriss noch den Großteil seiner Funktionen. Akut kann es durch den Verletzungsvorgang zu Blutungen, Überwärmungen und Schwellungen der Schulter kommen. Dabei kann es sich um Sehnenentzündungen oder Blutergüsse durch den Unfallhergang handeln.

Nächtliche Schmerzen

Nächtliche Schmerzen stellen für die Betroffenen eine besondere Qual dar. Der Schmerz kann in der Nacht permanent auftreten und durch Druck von außen oder Bewegungen der Arme ausgelöst werden. Insbesondere in der Seitenlage sind Betroffene oft schmerzgeplagt. Die Schmerzen führen oftmals zu einer erheblich eingeschränkten Erholung in der Nacht und verdeutlichen den schweren Leidensdruck, den Schulterpatienten oftmals haben.

Riss der Supraspinatussehne

Die Supraspinatussehne ist eine von vier Sehnen, die der sogenannten „Rotatorenmanschette“ zugerechnet werden. Diese vier Muskeln sind, wie der Name verrät, maßgeblich an der Rotation im Schultergelenk beteiligt und ziehen von Teilen des Schulterblattes zum Oberarmknochen. Die Supraspinatussehne verläuft flächig über den Oberarmkopf. Am Schulterblatt zieht sie unter dem Schulterdach, dem Akromion, hindurch. Dort befindet sich eine anatomische Enge, die bei vielen Menschen im Laufe des Lebens zu einem Verschleiß führt. An dieser Stelle ist die Durchblutung der Sehne reduziert. Weiterhin kommt es durch das Anheben des Armes zu einem Anstoßen am Schulterdach. Über Jahre hinweg kann die Sehne dadurch geschädigt und geschwächt werden. Zusätzlich zum Verschleiß bildet sich in dieser Gelenkregion oft Kalk, der sich in die Weichteile einlagert und zusätzlich zu Schmerzen führt und Sehnen schädigen kann. Nach ausreichender Vorschädigung kann eine leichte abrupte Bewegung ausreichen, um die Sehne zu zerreißen. Es ist davon auszugehen, dass mehr als die Hälfte aller Personen über 50 Jahren bereits einen Verschleiß in der Supraspinatussehne aufweisen.

Riss der langen Bizepssehne

Die Bizepssehne besitzt, wie ihr Name verrät, zwei Köpfe und damit zwei Sehnen, die an verschiedenen Punkten ansetzen. Der Bizepsmuskel ist vor allem an der Beugung im Ellenbogen und der Auswärtsdrehung des Unterarmes beteiligt und ist damit einer der größten Muskeln des Oberarms. Die lange Bizepssehne verläuft über das vordere Schultergelenk und setzt am Schulterblatt an. Dieser Sehnenanteil ist am häufigsten betroffen. Typischerweise kann die Sehne reißen oder entzündet sein und starke Schmerzen verursachen. Die Bizepssehne ist gemeinsam mit der Supraspinatussehne überdurchschnittlich häufig von Verschleiß und langjährigen degenerativen Veränderungen betroffen. Auch sie kann von einer Enge und von Kalkeinlagerungen unter dem Schulterdach beeinflusst werden. Durch permanenten Druck auf die Sehne, kann sie gereizt und entzündet sein und dadurch auffasern und instabil werden.

Eine vorgeschädigte Sehne kann zum Beispiel durch eine ruckartige Belastung auf die Unterarme bei gebeugten Ellenbogen reißen. Ein typischer Unfallhergang ist das Auffangen eines schweren Gegenstandes bei angewinkelten Armen. Neben Schmerzen kommt es häufig auch zu äußerlichen Auffälligkeiten des Muskels am Oberarm. Durch das Reißen der Sehne rutscht der Muskel tiefer in den Oberarm und fällt als prominente Delle im Oberarm auf. Nicht immer muss der Riss der Sehne behandelt werden, da die funktionelle Einschränkung aufgrund der weiterhin vorhandenen kurzen Bizepssehne kaum eingeschränkt wird.

Mehr Informationen zum Thema Bizepssehnenriss und welche Übungen bei der Heilung helfen finden Sie hier: Bizepssehnenriss und Krankengymnastik beim Bizepssehnenriss

Diagnose

Die Diagnosestellung beginnt zunächst mit einer ausführlichen Befragung und körperlichen Untersuchung des Patienten. Schmerzen in Kombination mit typischen Bewegungseinschränkungen deuten bereits auf Schäden an den Sehnen der Schulter hin. Abhängig von der betroffenen Sehne sind unterschiedliche Bewegungen in der Schulter eingeschränkt.
Ein erfahrener Orthopäde kann anschließend mit einer Ultraschalluntersuchung Entzündungen, degenerative Veränderungen und Risse in den Sehnen der Schultermuskulatur erkennen.
Mithilfe einer Röntgenuntersuchung können zusätzlich die knöchernen Strukturen der Schulter und eventuelle Kalkeinlagerungen im Schultergelenk untersucht werden. Auffälligkeiten der Knochen oder Kalkeinlagerungen können wichtige Hinweise auf die Ursache der Verletzung und Degeneration der Sehnen liefern. In den meisten Fällen reichen diese Maßnahmen zur Diagnosestellung eines Sehnenrisses aus.
Um kompliziertere Sehnenverletzungen, Teilrisse und kleine degenerative Veränderungen besser diagnostizieren zu können, kann eine MRT Untersuchung durchgeführt werden.

Was sieht man im MRT der Schulter?

Die MRT Untersuchung kann ergänzend zur Ultraschall- und Röntgendiagnostik durchgeführt werden. Im MRT lassen sich zwar die knöchernen Anteile schlecht darstellen, die Weichteilgewebe, Knorpel, Sehnen und Muskel können hingegen dargestellt werden. Die MRT Untersuchung kommt dabei gänzlich ohne Strahlen aus und liefert hochauflösende dreidimensionale Bilder aus dem Inneren der Schulter.
Vollständige Risse von Sehnen der Schulter können hier eindeutig dargestellt werden, aber auch Teilrisse, Verdickungen, degenerative Entzündungen und Begleitverletzungen lassen sich gut erkennen. Das MRT kann zusätzlich entzündliche Veränderungen der Sehnen darstellen. Insbesondere die lange Bizepssehne ist nach akuten Verletzungen, degenerativen Veränderungen und bei starker Schulterenge oft gereizt und entzündet.

Therapie

Verletzungen der Sehnen an der Schulter können auf vielfache Weise konservativ und operativ behandelt werden. Manche Sehnenrisse, die keine Symptome verursachen, müssen nicht in allen Fällen operiert werden. Ein Riss der langen Bizepssehne verursacht kaum funktionelle Einschränkungen, weshalb er in vielen Fällen nicht behandelt werden muss. Reizungen der Sehnen können vielfach durch Schonung und medikamentöse Therapien abklingen. Auch Kalkeinlagerungen können sich von selbst oder mithilfe von Stoßwellentherapien auflösen, wodurch die Symptome in der Schulter nachlassen.
Vollständige Sehnenrisse oder Teilrisse können behandelt und fixiert werden. Dies geschieht im Rahmen einer Arthroskopie oder mithilfe einer offenen Operation. Nur sehr selten sind die Schmerzen und Schäden an der Schulter so schlimm, dass eine Schulterprothese notwendig wird.

Übungen

Wenn die Schulter schmerzt, wird das Gelenk oftmals geschont und ruhiggestellt, um Schäden, Reizungen und Entzündungen an Sehnen, den Schleimbeuteln oder anderen Strukturen in der Schulter zu verhindern. Um die Beweglichkeit in der Schulter zu erhalten und alltägliche Aufgaben wieder durchzuführen, können jedoch leichte Übungen Linderung für die Schulter verschaffen.
Zunächst können die Schultern im Stehen in einer kreisenden Bewegung vor und zurück geführt werden, um das Gelenk und die Muskulatur zu lockern.
In einer anschließenden Übung kann eine kniende Position auf allen Vieren eingenommen werden. Anschließend sollte versucht werden mit dem Rücken langsam in ein Hohlkreuz zu gehen und bei ausgestreckten Armen den Oberkörper auf den Boden abzusenken.
In einer dritten Übung können die gestreckten Arme im Stehen langsam nach hinten geführt werden. Stellt man sich etwa 30 cm mit dem Rücken vor eine Wand können die gestreckten Arme mit langsam steigender Kraft gegen die Wand gedrückt werden.
Wichtig bei Verletzungen der Schulter ist, das alle Übungen nicht gegen den Schmerz durchgeführt werden sollten.

Medikamente

Eine medikamentöse Schmerztherapie ist bei Beschwerden der Schulter sehr sinnvoll. Gerissene Sehnen in der Schulter können zu erheblichen Schmerzen nachts und tagsüber bei alltäglichen Aktivitäten führen. Um für die Dauer der Behandlung den Alltag zu ermöglichen, sollten die Schmerzen mit entsprechenden Schmerzmedikamenten behandelt werden. Anfangs können Medikamente aus der Gruppe der NSAR eingenommen werden. Dazu zählen Mittel wie „Ibuprofen“, „Diclofenac“ und „Indometacin“. Sie können gegebenenfalls miteinander kombiniert werden, wobei jedoch auf die Höchstdosis geachtet werden muss.
Ergänzend bei sehr starken Schulterschmerzen können verschieden starke Opioide  wie „Tilidin“ oder „Morphin“ eingesetzt werden.
Die Schmerzmedikamente sollten nur vorübergehend eingenommen werden, bis eine kausale Therapie des Sehnenrisses eingeleitet ist.

Indikationen und Ablauf einer Operation

Schulterschmerzen können durch Sehnenrisse, Sehnenentzündungen, Kalkeinlagerungen, Einengungen unter dem Schulterdach, Verschleiß und zahlreiche andere Erkrankungen verursacht werden. Bestehen die Schmerzen für einen längeren Zeitraum auch nach Schonung und Ruhigstellung des Gelenks, ist oftmals eine Operation notwendig.
Mithilfe der Arthroskopie können entzündliche Strukturen in der Schulter entfernt, Schulterengen behoben und entzündete Sehnen durchtrennt werden. Zahlreiche weitere Defekte der Schulter können mithilfe der Gelenkspiegelung unkompliziert behandelt werden. Anschließend können gerissene Sehnen neu fixiert werden. Schwer geschädigte Schultergelenke können oftmals auch mit der Gelenkspiegelung keiner Besserung zugeführt werden. Abhängig vom Leidensdruck des Patienten kann eventuell ein Gelenkersatz angezeigt sein.

Dauer der Heilung

Die Heilungsdauer ist bei Schultererkrankungen und nach Schulteroperationen oft langwierig. Schulterschmerzen jeder Art können in vielen Fällen chronisch verlaufen und unbehandelt über Monate und Jahre bestehen bleiben. Auch nach Operationen der Schulter ist die Dauer der Nachbehandlung oftmals langwierig.
Nähte gerissener Sehnen müssen fest einheilen, um zukünftig Stabilität zu gewährleisten und ein gutes Behandlungsergebnis zu erzielen. Zu diesem Zweck muss die Schulter nach einer Operation für etwa 6 Wochen entlastet werden. Auch anschließend können vollständige Belastungen und Sportausübungen erst nach langsamem Training über mehrere Wochen aufgebaut werden.

Dauer der Krankschreibung

Die Dauer der Krankschreibung hängt von der genauen Verletzung an der Schulter sowie dem Beruf ab. Schultererkrankungen können oftmals langwierig sein und erfordern in vielen Fällen eine mehrwöchige Entlastung des Armes. Nach Schulteroperationen mit Nähten einer gerissenen Sehne sind vielfach 6-wöchige Entlastungen erforderlich. In diesem Zeitraum können weder Bürotätigkeiten noch körperlich anstrengende Berufe ausgeführt werden. Auch anschließend kann die Rehabilitationsphase weitere Wochen betragen. In Absprache mit dem Arzt und abhängig von der Art der Tätigkeit können einzelne Berufe in diesem Zeitraum wieder aufgenommen werden.

Weitere Informationen

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Autor: Dr. Nicolas Gumpert Veröffentlicht: 16.11.2018 - Letzte Änderung: 30.03.2024