Bizepssehnenriss

Einleitung

Der Bizeps ist ein Muskel des Oberarms und besteht aus zwei Muskelanteilen – dem kurzen und dem langen Kopf. Diese entspringen von zwei unterschiedlichen Stellen der Schulter und vereinigen sich dort, wo der Muskel von außen sichtbar wird, zu einem gemeinsamen Muskelbauch. Dieser ist durch eine Sehne an der Speiche, dem daumenseitigen Unterarmknochen, befestigt. Sehnen sind die aus Bindegewebe bestehenden Enden von Muskeln, die diese am Knochen befestigen. Der Bizeps hat durch seinen zweiteiligen Aufbau drei Sehnen.
Grundsätzlich kann ein Riss alle drei Sehnen des Muskels betreffen. Die bei weitem am häufigsten betroffene Stelle ist jedoch die schulternahe Sehne des langen Bizepskopfes (= „lange Bizepssehne“) am dominanten Arm (bis zu 96% aller Bizepssehnenrisse). Mit ca. 1% sind Risse der Sehne des kurzen Muskelkopfes (= „kurze Bizepssehne“) die seltensten Verletzungen. Die Sehne, die den Muskelbauch mit dem Unterarm verbindet (= „distale/körperferne Sehne“), reißt mit ca. 3% ebenfalls relativ selten.

Symptome

Bei einem Bizepssehnenriss entstehen je nach betroffener Sehne unterschiedlich starke Einschränkungen der Funktion des Muskels. Er ist hauptsächlich für die Beugung und die Außendrehnung des Unterarmes zuständig, unterstützt jedoch auch das Anheben des Armes zur Seite und nach vorne sowie die Einwärtsdrehung des ganzen Armes. Zu beachten ist, dass andere Muskeln des Ober- und Unterarmes diese Bewegungen bei einem Ausfall zumindest teilweise übernehmen und die durch den Riss entstandene Funktionseinschränkung kompensieren können.
Beim Abriss selbst verspüren Betroffene einen plötzlichen, stechenden Schmerz. Dieser kann anhalten, ist meist jedoch nicht sehr stark. Schwellungen und Blutergüsse können ebenfalls auftreten.
Ist eine der schulternahen Sehnen betroffen, sieht man oft eine Verschiebung des Muskelbauches in Richtung des Ellenbogens sowie eine Delle im Arm über dem Muskel. Die Einschränkung der Muskelkraft beim Heben und Drehen des Unterarmes ist oftmals nur gering, weil die jeweils andere Bizepssehne die entsprechenden Bewegungen kompensieren kann. Dies führt oft dazu, dass die Symptome zu Beginn noch gering ausgeprägt sind und Betroffene den Arzt erst spät aufsuchen.
Reißt die distale Sehne, entfällt die einzige Verbindung des Muskels zum Unterarm. So kann keine Kraft mehr auf den Unterarm übertragen werden und es entstehen starke Funktionseinschränkungen von bis zu 60% beim Heben und Auswärtsdrehen des Unterarmes. Zusätzlich lassen sich dann ein Verschieben des Muskelbauches zur Schulter hin und eine Wulstbildung bei Anspannung beobachten.

Schmerzen bei einem Bizepssehnenriss

Reißt die Bizepssehne in der Nähe des Ansatzes am Schultergelenk (proximaler Anteil), geht dieser Riss generell mit nur wenig Schmerzen einher. Es können allerdings unspezifische Schulterschmerzen auftreten. Außerdem besteht häufig eine Druckschmerzhaftigkeit im Sulcus intertubercularis. Der Sulcus intertubercularis ist eine Rinne am Oberarm, in der die lange Bizepssehne verläuft. Reißt die Bizepssehne im Bereich des Ansatzes am Ellenbogen (distaler Anteil) kommt es meist zu akut stechenden Schmerzen, die von einer Schwäche in der Ellenbogenbeugung begleitet sind.

Bluterguss bei einem Bizepssehnenriss

Durch den Riss der Sehne kann es zu einem Bluterguss (Hämatom) kommen. Dieser zeigt sich nach dem Sehnenriss meist schon nach sehr kurzer Zeit deutlich und kann auch als harte Schwellung im Bereich des Risses getastet werden. Der Bluterguss ist zudem oftmals bei Berührung oder Druck schmerzhaft. Zum Hämatom kommt es öfter, wenn die distale, weiter zum Ellenbogen gelegene, Sehne reißt.

Therapie

Zur Therapie eines Bizepssehnenrisses stehen mehrere Optionen zur Auswahl. Bei der Entscheidung für die endgültige Therapie richtet sich der Arzt hauptsächlich nach der betroffenen Sehne, dem Alter des Patienten und der bestehenden Einschränkung. Jedoch können auch kosmetische Veränderungen ausschlaggebend für die Entscheidung zur Operation sein.
Ist die lange Bizepssehne betroffen, muss grundsätzlich entschieden werden, ob eine Operation notwendig ist oder nicht.

Konservative Therapie

Ältere Menschen, die ihren Alltag mit einer leichten Kraftminderung des Bizeps weiterhin meistern und das veränderte Aussehen des Oberarmes akzeptieren können, werden aufgrund der im Alter erhöhten Operationsrisiken typischerweise konservativ, also ohne operatives Vorgehen, behandelt. Dabei wird der Oberarm für ca. 6 Tage in einem Verband ruhiggestellt und daraufhin ein langsamer Bewegungsaufbau durchgeführt. Der permanente Kraftverlust beim Heben und Drehen des Unterarmes ist dann meist nur gering (bis zu 20%).

Operative Therapie

Bei jüngeren Menschen und Sportlern sollte hingegen eine Operation erfolgen, die den ursprünglichen Kraftgrad nahezu vollständig wiederherstellt. Bei der Operation wird ein Schnitt an der Vorderseite der Schulter gesetzt und die Sehne freipräpariert. Sie wird dann entweder an den Oberarmknochen (z.T. mithilfe von Bohrkanälen) oder an die kurze Bizepssehne fixiert. Nur in wenigen Fällen ist die abgerissene Sehne noch lang genug, um sie wieder an der Schulter anbringen zu können. Manchmal kann es erforderlich sein, den an der Schulter verbliebenen Rest (z.B. bei Abklemmung) in einer Arthroskopie zu entfernen.
Bei einem Riss der distalen Sehne wird aufgrund der starken Einschränkung bei Beugung und Außendrehung des Unterarmes, die ohne Operation zum größten Teil bestehen bleiben würde, praktisch immer eine operative Vorgehensweise gewählt. Dabei wird ein kleiner Schnitt in der Armbeuge gesetzt und die abgerissene Sehne aufgesucht. Im Anschluss wird sie möglichst stabil an der Speiche fixiert. Dies kann direkt über eine Naht an den Knochen oder über stabilisierende Anker geschehen. Wird die Operation an einem bereits seit Wochen bestehenden Sehnenriss durchgeführt, kann die Transplantation der Sehne eines anderen, weniger wichtigen Muskels notwendig werden.
Typischerweise werden Operationen an den Bizepssehnen in Vollnarkose durchgeführt. Zur Schmerzstillung kann zusätzlich eine lokale Betäubung des Nervengeflechts des Armes durchgeführt werden. Diese findet am Hals statt, weil die Nerven von dort zum Arm ziehen. Oft wird eine Drainage, also ein Schlauch mit Auffanggefäß am äußeren Ende, in die Wunde gelegt. Sie dient der Ableitung der entstehenden Wundflüssigkeit und somit der Reduktion von Schwellungen im operierten Bereich. Lesen Sie mehr zum Thema: Schwellung nach OP
Die Entlassung aus dem Krankenhaus erfolgt ca. zwei Tage nach der Operation. Der Arm muss zwar geschont, aber auch früh beübt werden. Wichtig ist, dass spätestens einige Tage nach der Operation eine Physiotherapie begonnen wird. So können dauerhafte Bewegungseinschränkungen in Ellenbogen- und Schultergelenk verhindert werden. Sport ohne Belastung des Armes kann nach ca. vier Wochen, eine größere Belastung nach frühestens 12 Wochen begonnen werden. Bei beruflichen Tätigkeiten mit starker Belastung des Armes muss daher mit einer Arbeitsunfähigkeit von mindestens drei Monaten gerechnet werden.
Neben den typischen Operationsrisiken wie Blutungen, Verletzungen des Weichteilgewebes oder von Nerven und Infektionen kann die Fixierung der Sehne am Arm nicht stark genug sein und sich lösen. Dies kann eine erneute Operation nötig machen. Wird bei einem Riss der distalen Sehne der im Operationsbereich verlaufende Radialisnerv verletzt, kann eine (meist nur vorrübergehende) Hebeschwäche der Finger und des Daumens auftreten.

Übungen bei einem Bizepssehnenriss

Übungen sollen angewandt werden, um die Beweglichkeit des Armes zu erhalten und die verbliebene Muskulatur zu stärken und zu trainieren. Es sollte allerdings beachtet werden, dass nach einem schulternahen Bizepssehnenriss mindestens eine Woche und nach einem ellenbogennahen Sehnensriss mindestens vier Wochen keine Übungen durchgeführt, sondern eine Schonzeit eingehalten werden sollte. Nach der Schonung können Kräftigungs- und Dehnungsübungen durchgeführt werden.
Zum Dehnen des Bizepses können zum Beispiel die Hände hinter den Rücken zusammengeführt werden, die Handflächen zeigen dabei auf den Boden. In dieser Haltung werden die Arme nach oben gestreckt bis eine Dehnung im Bizeps zu spüren ist. Zur Kräftigung werden die Arme auf Schulterhöhe zur Seite ausgestreckt und im gestreckten Zustand über den Kopf gehoben und wieder auf Schulterhöhe abgesenkt. Am Anfang sollte die Übung 15 Mal wiederholt und im Verlauf gesteigert werden. Die Übung kann nach und nach durch Gewichte ergänzt werden.
Um die Mobilität im Schultergelenk zu erhalten, können kreisende Bewegungen der Schultern und Arme durchgeführt werden. Die Übung wird im Stehen durchgeführt, die Arme hängen dabei neben dem Körper. Um die distale Bizepssehne zu trainieren, sollten Beugeübungen im Ellenbogen und Rotationsübungen des Unterarms erfolgen.
Auch Sportarten wie Yoga und Pilates sind für die Kräftigung, Dehnung und Mobilität im Arm vorteilhaft und können eine schnellere Ausheilung unterstützen.

Prognose

Man muss nach der Operation mit einer nur leichten Einschränkung der Kraft, insbesondere bei Heben und Außendrehung des Unterarmes, rechnen.
Nach einer konservativen Therapie ist der Kraftverlust in der Regel etwas größer, wird jedoch durch andere Muskeln kompensiert und lässt einen normalen Alltagsablauf zu.

Wie lange dauert die Heilung eines Bizepssehenriss?

Die Dauer bis zur vollständigen Ausheilung ist unterschiedlich und hängt von verschiedenen Faktoren ab. Die Therapieform, ob ein vollständiger oder nur teilweiser Riss der Bizepssehne vorlag und die Mitarbeit des Patienten bestimmen die Heilungsdauer. Daher kann sich die Therapie auch über mehrere Wochen bis sogar Monate hinziehen. Nach einer operativen Therapie muss der Arm drei bis vier Wochen geschont werden bis dieser wieder belastet werden kann. In dieser Zeit sollten allerdings eine Physiotherapie und Übungen unter Anleitung erfolgen. Wird der Arm zu früh belastet, kann dies den Heilungsverlauf deutlich verzögern. Danach sollte noch mit mehren Wochen Aufbauübungen gerechnet werden.
Ist keine operative Therapie notwendig, sollte der Arm trotzdem für mindestens eine Woche geschont werden. Nach der Schonzeit ist die Durchführung von Physiotherapie und Heimübungen sehr wichtig.

Ursachen

Die lange Bizepssehne reißt meist in Folge eines Verschleißes bereits bei geringen Belastungen. Oft reichen bereits Bagatelltraumen, wie sie beim Anheben eines mittelschweren Gegenstandes bzw. bei leichter Belastung beim Sport auftreten, um die bereits geschädigte Sehne zum Zerreißen zu bringen. Die lange Bizepssehne verläuft im Gegensatz zu den anderen Bizepssehnen innerhalb des Schultergelenks. Dort kann durch verschiedene Faktoren (wie z.B. eine Enge durch Schwellungen, knöcherne Auswüchse, vorbestehende Verletzungen etc.) einen Verschleiß begünstigt werden. Zusätzlich verläuft die Sehne am Oberarm in einem Knochenkanal, in dem die Sehne „aufgescheuert“ werden kann. Der Verschleiß ist insbesondere bei älteren Menschen und (ehemaligen) Sportlern ausgeprägt, bei denen die Sehne über Jahre stark beansprucht wird (Kraftsport, Wurfsport).
Im Gegenteil dazu reißt die distale Sehne meist aufgrund eines Traumas, bei dem der Muskel stark beansprucht bzw. überdehnt wird, während der Arm gebeugt und auswärtsgedreht und die Sehne deshalb gespannt ist. Beispielhafte Situationen sind das Heben bzw. Fangen oder Ziehen von schweren Gegenständen oder Stürze aus größeren Höhen. Häufig sind muskelstarke, junge Männer betroffen. Ein erhöhtes Risiko für einen solchen Riss besteht bei Kraftsportlern, die Steroide zu sich nehmen. In wenigen Fällen ist ein Schlag auf die Sehne oder ein Schnitt die Ursache.
Die kurze Bizepssehne reißt meist aufgrund von Unfällen.

Weiterführende Informationen

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Autor: Dr. Nicolas Gumpert Veröffentlicht: 01.09.2014 - Letzte Änderung: 21.07.2023