Bänderriss der Schulter

Definition

Bei einem Bänderriss der Schulter handelt es sich um Rupturen der dort liegenden Bandstrukturen, die zu Stabilität des Gelenkes beitragen.
Je nach Schweregrad des Verletzungsherganges, können ein oder mehrere Bänder betroffen sein.

Ursachen eines Bänderrisses der Schulter

Häufig kommt es zum Einreißen der Bandstrukturen bei einem Sturz mit direkter Krafteinwirkung auf das Schultergelenk und bei ausgestrecktem Arm.
Durch die entstehende Hebelwirkung kann es zu unterschiedlichen Gelenkverletzungen am Schultergürtel kommen. Ein Riss der Bänder erfolgt nicht zwangsläufig, es kann sich auch um eine Überdehnung oder Einklemmung handeln.

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Symptome beim Bänderriss an der Schulter

Eine Sprengung des Schultereckgelenkes verursacht meistens direkt Schmerzen. Diese treten sowohl in Ruhe als auch unter Belastung auf.

Der Bereich um das Schultergelenk kann anschwellen. Je nach Ausmaß der Verletzung verlagert sich das Schlüsselbein nach oben und kann dann bereits von außen gesehen werden. Bei der klinischen Untersuchung geben die Patienten häufig einen Druckschmerz an. Das Schlüsselbein ist zudem verschieblich und kann wie eine Klaviertaste heruntergedrückt werden.

Um einen Bänderriss von einem Kapselriss im Schulterbereich unterscheiden zu können, ist es zu empfehlen sich auch mit folgendem Thema zu beschäftigen: Kapselriss in der Schulter

Welche Schweregrade beim Bänderriss der Schulter gibt es?

Einteilung nach Tossy

Je nach Ausmaß der Verletzung können diese in 3 Formen eingeteilt werden. Die Einteilung nach Tossy ist im klinischen Alltag sehr häufig.

Bei Tossy I handelt es sich um eine Überdehnung oder Zerrung der beiden genannten Bandstrukturen.

Bei der Tossy II – Verletzung liegt dagegen eine Ruptur des acromioclavicularen Bandes vor und eine Überdehnung des coracoclavicularen Bandes. Diese Instabilität führt zu einer unvollständigene Ausrenkung (Subluxation) des Schultereckgelenkes.
Der Gelenkkopf befindet sich noch teilweise in der führenden Gelenkkapsel.

Bei der Tossy III sind schließlich beide Bänder eingerissen und das Schultergelenk wird nicht mehr durch die kräftigen Bandstrukturen gesichert. Hier liegt eine komplette Ausrenkung (Luxation) des Acromioclaviculargelenks vor.

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Einteilung nach Rockwood

Bei dieser Einteilung werden 6 Typen der Verletzung unterschieden.

Bei Typ 1 liegt eine Dehnung des acromioclavicularen Bandes vor und der Patient verspürt einen geringen Druck- und Bewegungsschmerz.

Bei Typ 2 liegt eine Ruptur dieses Bandes vor sowie eine leichte unvollständige Ausrenkung des seitlichen Klavikularfragmentes.

Typ 3 beschreibt einen Einriss des acromioclavicularen Bandes und des coracoclavicularen Bandes. Hier ist zudem eine Stufenbildung zwischen Acromion und Clavicula zu sehen.

Bei Typ 4 bestehen die gleichen Verletzungen wie bei Typ 3, jedoch ist die Clavicula nach hinten disloziert. Dabei kann die Clavicula in oder sogar durch den M. trapezius laufen. Sie kann im Bereich des Schulterblattes getastet werden.

Bei Typ 5 befindet sich ein deutlicher Abstand zwischen der Clavicula und dem Schulterblatt.
Es besteht kein Halt mehr, sodass die Schulter nach unten sinkt, während die Clavicula nach oben entweicht. Oftmals kommt es hier auch zu einem Abriss des M. trapezius und des M. deltoideus.

Typ 6 ist eine schwere Verlagerung der ausgerissenen Clavicula unter das Acromion oder Schulterblattvorsprung (Proc. Coracoideus).
Meistens liegen bei dieser Verletzung gleichzeitg Rippenbrüche, Claviculafrakturen und Verletzungen des dort liegenden Nervengeflechts vor.

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Therapie eines Bänderrisses an der Schulter

Konservative Therapie

Die Bandverletzungen nach Tossy I und II können konservativ, also ohne Operation behandelt werden. Die Behandlung beinhaltet eine sechswöchige Ruhigstellung des Gelenkes mittels einer Gilchristbandage.
Die Ruhigstellung vermindert den Zug, der durch die Körperschwere erzeugt wird, auf das Gelenk. Dadurch können die Bandstrukturen von selbst adaptieren und vollständig ausheilen.
Zur Linderung der Schmerzen kann zusätzlich ein Schmerzmedikament verordnet werden. Physiotherapie kann die Heilung unterstützen und vermeidet die Entwicklung von Kontrakturen.

Lesen Sie mehr zu diesem Thema unter: Therapie einer Schultergelenkssprengung

Tapen beim Bänderriss

Leichtere Verletzungen wie Überdehnung oder Zerrungen an den Bandstrukturen der Schulter können mittels den Kinesio-Tapes behandelt werden.

Mit der richtigen Anlegetechnik hat das Tape eine unterstützende und stabilisierende Wirkung auf das Schultereckgelenk. Häufig wird im Bereich der Schulter die Tapes in Längsverlauf des Muskulus deltoideus angebracht.
Das Band wird dazu in der Mitte gespalten. Der untere zusammenhängende Teil wird an unteren Ende des Deltamuskels angebracht. Nun wird eine Hälfte des Bandes am vorderen Rand, die andere Hälfte am hinteren Rand des Muskels entlang geklebt. Das Band umschließt schließlich den Muskel.

Dadurch werden die verletzten Bandstrukturen entlastet oder eben bei Bewegung unterstützt. Nach einer längeren Schonzeit können die Bänder auch bei Wiederaufnahme sportlicher Aktivitäten zum Schutz angebracht werden.

Operative Therapie

Verletzungen nach Tossy III oder die Typen 3, 5 und 6 nach Rockwood sind aufgrund ihrer Instabilität in den ersten 12 Tagen operativ zu behandelt. Besonders bei jüngeren Patienten mit Belastung im Alltag und Beruf besteht eine Indikation zur Operation.
Zudem wird das hochstehende Schlüsselbein als störend empfunden und sollten reponiert werden.

Mittlerweile werden die Operationen am Schultergelenk arthroskopisch durchgeführt. Durch einen circa 3cm großen Längsschnitt oberhalb des Acromions wird ein Endoskop eingeführt, das dem Operateur das Innere des Gelenkes sichtbar macht. Über entsprechenden Instrumente kann schließlich die Clavicula wieder fixiert werden.
Je nach Operationsmethode stehen Drähte, Schrauben oder Kunstbänder zur Auswahl, über die die Clavicula wieder am Rabenschnabelfortsatz fixiert wird.
Die anatomischen Strukturen werden so wieder in ihre ursprüngliche Lage gebracht und das Schultergelenk ist nach Ausheilung wieder stabil. Dieser minimal- invasive Eingriff dauert je nach Schweregrad der Verletzung ca. 2 Stunden oder länger.

Wenn eine Schultergelenkssprengung unzureichend versorgt wurde, kann sich eine chronische Instabilität im Schultergelenk entwickeln. Auch diese Komplikation kann operativ behandelt werden, indem man eine Sehnentransplantat aus eigenem Körpermaterial einsetzt. Dazu werden Sehnen aus dem Kniebeugerbereich wie zum Beispiel die Semitendinosussehne verwendet.
Das Transplantat wird durch ein Bohrloch zwischen den Rabenschnabelfortsatz und dem Schüsselbein angebracht. Das körpereigene Gewebe ersetzt das dort vorher instabile Verbindungsband.
Oftmals führt diese Operation zu einer deutlich besseren Sicherung des Schultereckgelenks und die Belastung kann wieder gesteigert werden.

Weitere Informationen zu diesem Thema finden Sie unter: OP einer Schultergelenkssprengung

Nachbehandlung eines Bänderrisses an der Schulter

Nach der Operation wird eine Ruhigstellung mittels einem Gilchristverband verordnet. Die Dauer hängt von den Angaben des Operateurs ab und beträgt zwischen 4 bis 8 Wochen. In dieser Zeit haben die Bandstrukturen die Möglichkeit, sich wieder zu adaptieren und auszuheilen.
Zur Unterstützung der Heilung kann Physiotherapie verordnet werden, die mit dem Patienten Bewegungsübungen im Handgelenk und Ellenbogengelenk durchgeht um Komplikationen zu vermeiden.

Dennoch ist die komplette Heilung ein längerer Prozess, sodass viele Patienten noch 3-6 Monate nach der Operation mit Restbeschwerden kämpfen. Die Dauer der Ausheilung hängt zudem vom Schweregrad der Verletzung ab, aber auch vom Alter und allgemeinen Zustand des Betroffenen.

Welche Komplikationen treten beim Bänderriss an der Schulter auf?

Zu den Komplikationen zählen neben wiederkehrenden Schmerzen auch die Entwicklung einer chronischen Instabilität trotz Operation. Häufig muss dann über eine erneute Operation mit Sehnentransplantat nachgedacht werden.
Weiterhin kann durch eine schlechtere Heilung eine Arthrose entstehen. Auch Verkalkungen in der Schulter können auftreten. Die Folgen sind eine Bewegungseinschränkung und zunehmender Abrieb der schützenden Knorpelsubstanz. Längerfristig führen die Komplikationen wiederum zu einer zunehmenden Instabilität im Schultereckgelenk.

Mehr zu diesem Thema: Schulterarthrose

Diagnostik eines Bänderrisses der Schulter

Neben der Anamnese zum Unfallhergang und einer klinischen Untersuchung sichert das Röntgen die Diagnose eines Bänderrisses und zeigt das Ausmaß der Verletzung.

Bei der Untersuchung durch den Arzt wird bei einer Tossy III Verletzung häufig das „Klaviertastenphänomen“ beobachten. Durch die Ruptur beider Bänder, steht die Clavicula sehr weit nach oben vor und kann wie Klaviertasten runter gedrückt werden und springt dann wieder nach oben.

Röntgenaufnahmen des Schultergelenks werden in 2 Ebenen gemacht.
In den angefertigten Bildern sieht man schließlich eine deutliche Verbreiterung des Gelenkspaltes und meistens eine Verschiebung der Clavicula.
Zudem können noch Röntgenbilder unter Belastung zur Sicherung der Diagnose gemacht werden. Dabei hält der Patient eine 10- 15 kg schwere Last am betroffenen Arm. Im Röntgenbild zeigt sich dann ein deutliches Höhertreten des lateralen Claviculaendes.

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Dauer eines Bänderrisses der Schulter

Bei ausgeprägteren Bänderrissen (Rockwood IV-VI und III bei jungen Patienten) wird mit verschiedenen Techniken operativ vorgegangen.  Dabei ist mit einer Dauer von 3-4 Monaten zu rechnen bis die Schulter wieder voll belastbar ist. Starke und übermäßige Belastung bei Sport und Arbeit sollte nicht vor 6 Monaten aufgenommen werden.

Generell kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Patient arbeitsunfähig ist. In den ersten Wochen kann aber durchaus eine Krankschreibung vom behandelnden Arzt ausgestellt werden. Für die Zeit danach muss gegebenenfalls mit dem Arbeitgeber besprochen werden, ob anderen Einsatzmöglichkeiten im Arbeitsablauf möglich sind.

Die Zeit der Ausheilung kann sehr unterschiedlich sein und hängt ab von der Größe der Verletzung, der Mitarbeit des Patienten und dem Fitness-Zustand der Schulter. Hat ein Patient ausgeprägt Muskulatur und hat sich vor dem Bänderriss sportlich betätigt, kann von einem schnelleren Ausheilen ausgegangen werden. Erneute Bänderrisse sind aber durchaus möglich. Daher sollten Patienten mit Eigenübungen die Schulter dauerhaft stärken und so weiteren Problemen vorbeugen.

Bei Bänderrissen, die weniger stark ausgeprägt sind (Rockwood I-III: Überdehnungen und Teileinrisse) wird von konservativ vorgegangen.

Aufbau des Schultergelenks

Die Schulter besteht aus mehreren Gelenken. Neben dem eigentlichen Kugelgelenk gibt es dort noch das Schultereckgelenk. Es wird aus dem Ende des Schlüsselbeins und einem Teil des Schulterdaches, dem sogenannten Acromion, gebildet.
In der medizinischen Fachsprache wird dieses Gelenk als Acromioclavikulargelenk bezeichnet. Es ist von einer kräftigen Gelenkkapsel umgeben und wird von oben, unten, vorne und hinten durch dicken Bandstrukturen gesichert.

Zwischen Acromion und Schlüsselbein befindet sich das acromioclaviculare Band und zwischen dem Rabenschnabelfortsatz, einem Vorsprung des Schulterblattes nach vorne, und dem Schlüsselbein befindet sich das Coracoclaviculare Band.
Letzteres übernimmt etwa 80% der Kraft des Schultergelenks, was verdeutlicht wie wichtig diese Bänder für eine optimale Bewegung im Bereich der Schulter sind.

Autor: Dr. Nicolas Gumpert Veröffentlicht: 06.07.2015 - Letzte Änderung: 30.03.2024