Sturge-Weber-Syndrom

Definition

Das Sturge-Weber-Syndrom, welches auch als enzephalotrigeminale Angiomatose bezeichnet wird, ist eine chronisch voranschreitende Erkrankung aus dem sogenannten Kreis der neurokutanen Phakomatosen.
Es handelt sich dabei um eine Gruppe von Erkrankungen des Nervensystems und der Haut, die durch Fehlbildungen gekennzeichnet sind.

Beim Sturge-Weber-Syndrom kommt es zur Bildung von Angiomen (deutsch: Blutschwamm). Angiome sind gutartige Gefäßtumore die bei diesem Krankheitsbild im Gesicht, an den Hirnhäuten und an der Aderhaut des Auges (Choroidea) auftreten können. Dadurch können weitere Folgeerscheinungen entstehen, die durch die Raumforderung im Auge und an der Hirnhaut ausgelöst werden.
Äußerlich fallen betroffene Patienten durch ein einseitiges Feuermal (Naevus flammeus) im Gesicht auf. Diese einseitigen, in der Regel dunkelroten Flecken unterschiedlicher Größe umfassen beim Sturge-Weber-Syndrom immer auch das Augenlid.

Therapie

  • Symptomatische Behandlung
  • Kortisontherapie
  • Antikonvulsiva
  • operative Behandlung
  • Laserbehandlung

Das Sturge-Weber-Syndrom kann bislang nicht kurativ (heilend) behandelt werden. Der Schwerpunkt liegt auf der Therapie der Begleitsymptomatik und einer regelmäßigen ärztlichen Kontrolle.

Hinsichtlich einer möglichst komplikationslosen Entwicklung des Kindes sollte ein besonderes Augenmerk auf die Erkennung und Behandlung einer bestehenden Epilepsieerkrankung (besonders West-Syndrom) gelegt werden. Bei Bestätigung des Verdachts wird eine medikamentöse Therapie mit Cortison, kortisonfreisetzenden Medikamenten oder Antikonvulsiva (Antikrampfmedikamente) vorgenommen.

Wenn die ursächlichen Veränderungen operativ zu erreichen sind, kann auch ein epilepsiechirurgischer Eingriff angestrebt werden. Das Glaukom kann durch augeninnendrucksenkende Medikamente oder durch einen chirurgischen Eingriff weitestgehend behandelt werden. Bereits verlorene Nervenfasern können dabei allerdings nicht gerettet werden.

Das Flammenmal kann durch eine Laserbehandlung weitestgehend entfernt werden, wobei es nur zu einer leichten Narbenbildung kommt. Da der Leidensdruck häufig mit der Intensität des Naevus flammeus zusammenhängt, wird bereits eine frühe Behandlung im Kindesalter empfohlen, bevor sich das Mal im Laufe der Zeit verändert.

Wenn es durch die Erkrankung zu neurologischen oder kognitiven (geistigen) Einbußen gekommen ist, gilt es, die Kinder mit allen Mitteln psychisch und körperlich zu unterstützen. Dazu kann sowohl eine regelmäßige Psychotherapie als auch Krankengymnastik und Ergotherapie angestrebt werden. Eine ihrem Leistungsniveau entsprechende schulische Bildung ist ebenfalls sehr wichtig.

Lebenserwartung

Die Lebenserwartung muss beim Sturge-Weber-Syndrom nicht unbedingt eingeschränkt sein.

Wenn vor allem das Feuermal im Vordergrund der Erkrankung steht und keine einschneidende Begleitsymptomatik existiert, unterscheidet sich der Patient kaum von einem gesunden Menschen.

Auch die Augenerkrankungen, welche mit dem Syndrom assoziiert sind, ändern in der Regel nichts an der Lebenserwartung, selbst wenn eine Erblindung daraus resultiert. Vor allem in Ländern wie Deutschland ist es heutzutage kein Problem mehr, ein fast uneingeschränktes Leben zu führen, obwohl man nicht sehen kann.

Die Lebenserwartung wird vor allem durch die neurologischen Störungen limitiert. Die Blitz-Nick-Salaam-Anfälle (West-Syndrom) führen bei 25% aller betroffenen Kinder – ob am Sturge-Weber-Syndrom erkrankt oder nicht – bis zum dritten Lebensjahr zum Tod. Durch die schlechte Therapierbarkeit sind die Folgen der Krampfanfälle und der Minderversorgung der betroffenen Hirnhälfte sehr vielfältig.

Trotz der Symptome kann ein Kind eine annähernd regelrechte Entwicklung durchlaufen, während ein anderes unter einer Schwerbehinderung leidet. Wenn man alle Fälle des Sturge-Weber-Syndroms zusammenfasst, muss man von einer Herabsetzung der Lebenserwartung ausgehen. Jedoch muss jeder Patient individuell betrachtet werden.  

Begleitende Symptome

  • Augenerkrankungen
  • Feuermal im Gesicht
  • Neurologische Störungen
  • Epilepsie
  • geistige Behinderung
  • Kopfschmerzattacken

Oftmals leiden die betroffenen Kinder an begleitenden Symptomen, die durch die gutartigen Gefäßtumore ausgelöst werden. Dabei teilen sich die Erscheinungen in zwei Lager: Erkrankungen der Augen und neurologische Störungen.

Bereits im Säuglingsalter kann sich eine schwere Epilepsieerkrankung ausbilden, die häufig kompliziert zu behandeln ist. Die sogenannten Blitz-Nick-Salaam-Anfälle (auch: West-Syndrom) sind durch ein charakteristisches Krampfbild gekennzeichnet und besonders schädlich für das junge Gehirn. Unbehandelt führen die Anfälle zu schweren Hirnschäden oder gar zum Tod des Kindes.

Durch das Krampfleiden und durch den schlechten Gefäßstatus im Gehirn (verursacht durch die verkalkten Angiome) kommt es zu einer Minderversorgung. Je nach Ausmaß kann daraus eine Entwicklungsverzögerung bis hin zu einer geistigen Behinderung resultieren.

Sind die Patienten bereits etwas älter, beschreiben sie oft wiederkehrende, migräneartige Kopfschmerzattacken. Durch die Schädigung des Gewebes der betroffenen Hirnseite (Hemisphäre) kann es außerdem zu einer Halbseitenlähmung (Hemiparese) kommen. Da die rechte Körperhälfte vom linken Gehirn und umgekehrt gesteuert wird, ist immer die entgegengesetzte Körperseite von der Lähmung betroffen. Geschieht dies bereits früh im Krankheitsverlauf, kann dadurch die Entwicklung der entsprechenden Extremitäten oder gar das gesamte Körperwachstum vermindert sein.

Symptome am Auge

Das wichtigste ophthalmologische Begleitsymptom (Ophthalmologie = Augenheilkunde) ist das Glaukom. Das Glaukom wird auch als "Grüner Star" bezeichnet und umfasst alle druckbedingten Schädigungen des Augennervs. Dabei kann der Druck im Augeninneren erhöht, aber auch vollkommen normal sein.

Beim Sturge-Weber-Syndrom ist auch die Aderhaut (Gefäßschicht) des Auges von den Angiomen betroffen. Durch die wuchernden Gefäßtumore wird das Abflusssystem der Augenflüssigkeit behindert, wodurch in diesem Fall der Augeninnendruck steigt. Der Nerv nimmt langsam Schaden, was sich in sogenannten Gesichtsfeldausfällen äußert. Die Patienten sehen nicht etwa „schwarz“ an den betroffenen Stellen, sondern gar nichts mehr. Der Bereich, der normalerweise von den betroffenen Nervenfasern versorgt wird, fällt weg.

Neben dem Glaukom kann es außerdem zu Netzhautablösungen kommen, was ebenfalls zu einer Erblindung des Auges führen kann.

Symptome im Gesicht

Das einzige Merkmal, welches immer alle Patienten teilen, die an einem Sturge-Weber-Syndrom leiden, ist das Feuermal im Gesicht. Der sogenannte Naevus flammeus stellt für die Betroffenen eher ein kosmetisches Problem dar, als dass er einen tatsächlichen Krankheitswert hat. Es handelt sich beim Feuermal um eine Fehlbildung kleinster Gefäße unterhalb der obersten Hautschicht. Die Lokalisation orientiert sich am Verlauf und am Versorgungsgebiet des Nervus trigeminus. Diese zu den Hirnnerven gehörende Leitungsbahn versorgt das Gesicht mit sensiblen Nervenfasern für Schmerz- und Berührungsempfindung. Beim Sturge-Weber-Syndrom umfasst die deutlich begrenzte, rötliche Veränderung immer auch das Augenlid der betroffenen Seite (hierdurch müssen noch keine Begleitsymptome am Auge auftreten).

Lesen Sie mehr zu diesem Thema unter: Feuermal

Ursachen

Die Ursache für das Sturge-Weber-Syndrom liegt auf genetischer Ebene. Es handelt sich nach heutigem Wissenstand um eine somatische Mutation.
Das bedeutet, dass die Krankheit nicht vererbt, sondern spontan durch Fehler in der DNA des Krankheitsträgers ausgelöst wird. Die Reihenfolge bestimmter Verbindungen in der DNA, sogenannter Basenpaare, legt den Bauplan aller Zellbestandteile und Enzyme im menschlichen Körper fest. Beim Sturge-Weber-Syndrom kommt es zu einem zufälligen Austausch eines solchen Basenpaars, wodurch ein fehlerhaftes Produkt entsteht. Die Folge ist eine erhöhte Signalaktivität in bestimmten Zellen, welche das Wachstum von Gefäßen – über das normale Maß hinaus – fördert. Dadurch entstehen die gutartigen Gefäßtumore, die Angiome.

Weitere Informationen zu der Entstehung von neurokutanen Syndromen finden Sie hier: Neurokutanes Syndrom

Diagnose

Bereits bei der Geburt ist das Feuermal auf dem Gesicht des Kindes zu sehen. Die Größe verändert sich mit dem Wachstum des Patienten. Auch die Färbung kann an Intensität zunehmen oder aber verblassen. In der Computertomographie kann man einen Verlust an Hirngewebe (Hirnatrophie) auf der betroffenen Seite und eine verstärkte Verkalkung der Gefäße feststellen. Falls die Veränderungen im Schädel so stark sind, dass eine Epilepsie  ausgelöst wird, wird diese mit Hilfe eines EEG (Elektroenzephalogramm) diagnostiziert. Ebenfalls sollte eine augenärztliche Untersuchung stattfinden, da verschiedene Bestandteile des Auges von den Gefäßveränderungen betroffen sein können und somit die Funktion eingeschränkt sein kann.

Lesen Sie mehr zum Thema unter: Hirnatrophie (Wasserkopf) und Epilepsie

MRT

Die Magnetresonanztomographie (MRT) wird ebenfalls in der Diagnostik bei Verdacht auf ein Sturge-Weber-Syndrom eingesetzt.
Dabei wird mit einem Kontrastmittel gearbeitet, welches die Gefäße besonders gut darstellen kann. Einerseits können durch die detaillierte Darstellung des Gefäßsystems Fehlbildungen gut erkannt werden. Geschulte Augen – wie zum Beispiel die eines Radiologen – können dann bei der Auswertung der Bilder zwischen natürlichen Varianten und krankhaften Veränderungen unterscheiden.
Andererseits kann das Kontrastmittel die sogenannte Blut-Hirn-Schranke überwinden, wenn diese gestört ist. Bei dieser Schranke handelt es sich um ein Zellsystem, welches die Gefäße bzw. das Blut vom Hirngewebe trennt und nur ausgewählten Stoffen den Übertritt erlaubt. Gelangt also das Kontrastmittel durch diese Blut-Hirn-Schranke, deutet das auf eine Schädigung des Gefäß-Zellsystems hin, was durch Missbildungen oder starke Verkalkung hervorgerufen werden kann.

Autor: Dr. Nicolas Gumpert Veröffentlicht: 15.11.2017 - Letzte Änderung: 06.11.2021