Typen von Hörgeräten

Synonyme

Hörhilfe, Hörsystem, Hörbrille, Cochlea Implantat, CI, Im-Ohr-Hörsystem, IdO, RIC-Hörsystem, Hinter-dem-Ohr-Gerät, HdO, Hörmaschine, Hörrohr, Concha-Hörsystem, Micro-CiC, Rauschgerät, Tinnitus-Noiser, Tinnitusmasker, receiver-in-canal, tinnitus control instrument

Englisch: hearing aid

Welche Hörsysteme gibt es nun, wie sind diese heutigen Hörhilfen im Detail aufgebaut und was unterscheidet sie?

Zunächst einmal sollen die Hinter-dem-Ohr-Geräte (HdO) genannt werden. Sie werden hinter das Ohr gelegt und durch einen kleinen Schlauch, der über dem Ohr nach vorne läuft mit dem Ohrpassstück verbunden.
Hinter-dem-Ohr-Hörsysteme sind je nach Ausführung dazu geeignet, fast alle Arten von Schwerhörigkeit, von leichtem Hörverlust bis hin zu einer hochgradigen Schwerhörigkeit, auszugleichen. Da sich die heutige Bauform immer kleiner darstellt – Ausnahme bilden die etwas größeren SuperPower-Systeme - und eine speziell-individuelle Anpassungstechnologie verwand wird, fällt das Tragen eines solches Hörgerätes so gut wie nicht mehr auf. Häufig ist ein HdO-System mit einem Mikrofon mit Kugelcharakteristik ausgestattet, das den Schall gleichmäßig von allen Seiten aufnimmt (multidirektionales Mikrofonsystem). Hierdurch wird das Hörverständnis in lauter Umgebung erleichtert.
HdO-Hörgeräte lassen sich in „offene“ und „geschlossene“ Systeme unterteilen. Letztere füllen mit dem Ohrpassstück Außenohr und Gehörgang jedoch fast vollständig aus. Das „geschlossene“ System ist flexibel und individuell anpassbar, wodurch sie sich für ganz unterschiedliche Formen der Schwerhörigkeit eigenen. Dieses herkömmliche HdO-System ist leistungsstärker, wenn auch etwas größer als die im Folgenden beschriebenen. Doch dadurch lässt es sich zum Beispiel beim Wechseln der Batterie oder beim Reinigen auch leichter pflegen.
Für das Ohrpassstück wird ein individueller Ohrabdruck des Trägers angefertigt. Dadurch bekommt es einen nahezu perfekten Sitz. Es bildet die Brücke zwischen dem HdO-System und dem Ohr. Als wichtigstes Bauteil des Hörgerätes besitzt das Ohrpassstück zahlreiche akustische Funktionen. Seine Hauptaufgaben sind die Weiterleitung der verstärkten Schallsignale an das Trommelfell und den angenehmen störungsfreien Sitz im Ohr und damit auch den zuverlässigen Halt des hinter dem Ohr befindlichen Teils des Hörsystems sicher zu stellen.

Nicht zuletzt sollen Rückkopplungen, diese hohen, pfeifenden Geräusche - häufig von Personen der Umgebung als äußerst störend empfunden – verhindert werden. Dies wird dadurch erreicht, dass das Ohrpassstück den Gehörgang möglichst dicht verschließt.
Als Vorteil der „offenen“ Hinter-dem-Ohr-Hörgerät-Versorgung kann man durchaus sehen, dass sie das Ohr meist nur geringfügig verschließt. Statt eines Ohrpassstücks befindet sich hier ein dünner Schallschlauch (Slim-Tube) als Verbindungsglied zwischen dem Hörgerät und Trommelfell. Dadurch können diese Systeme durch hohe Klangqualität, mehr Tragekomfort und eine optimale Gehörgangbelüftung punkten. Das alles verhindert, dass sich Feuchtigkeit ansammelt. Leider ist dieses Hörgerät jedoch lange nicht für ein so breites Spektrum der Schwerhörigkeit einsetzbar, wie die konventionellen „geschlossenen“ Modelle.
Dem eben vorgestellten „offenen“ Hörgerät gleicht das Hörer-im-Gehörgang-Hörsystem (RIC-Hörsystem, receiver-in-canal), bei dem im Unterschied zu den meisten anderen HdO-Hörgeräten, der Lautsprecher nicht mehr hinter dem Ohr, sondern direkt im Gehörgang sitzt und durch einen dünnen Schlauch mit dem Hörsystem verbunden ist. Das macht diese Hörsysteme besonders klein, leicht und unauffällig.
Doch es gibt auch noch so genannte Im-Ohr-Hörsysteme (IdO). Diese werden individuell maßgefertigt und direkt und vollständig in Ohrmuschel und Gehörgang platziert. ?Hierfür wird zur genaueren Einpassung ins Ohr ein Ohrabdruck angefertigt. Auch bei diesem System gibt es wieder verschiedene Arten, die je nach Hördefekt leichte bis allerdings nur mittlere Hörstörungen ausgleichen können.
Verschiedene Bauvarianten geben auch hier eine gute Auswahl: Vom Ohrmuschel ausfüllenden Concha-Hörsystem bis zum kleinsten Hörgerät, das vollständig im Gehörgang verschwindet und als Micro-CiC bezeichnet wird.
Zusätzlich gibt es die Hörbrille. Das ist eine Brille, die entweder in ihren Bügeln eine Hörgerätetechnik integriert, oder an deren Bügel ein Hörgerät montiert ist. Häufig befinden sich hinten am Bügel das Ohrpassstück (Otoplastik) und das Batteriefach. Eine leicht bedienbare Steckverbindung ermöglicht ein einfaches Wechseln der Brillenfront.
Für spezielle Erkrankungen besonders des äußeren Ohres kann auf Knochenleitungshörsysteme zurückgegriffen werden. Bei diesen Hörgeräten wird der Schall nicht über die Luft im Gehörgang zum Trommelfell übertragen, sondern über den Knochen direkt in das Innenohr geleitet. Dies ist zum Beispiel dann notwendig, wenn kein Gehörgang vorhanden ist, oder im Gehörgang Sekret abgesondert wird, was die Versorgung mit einem HdO- oder IdO-Hörgerät unmöglich macht.
Ein solches Gerät besitzt einen Schallwandler, der Vibrationen auf den Warzenfortsatz (Mastoid) überträgt, einen Knochen hinter dem Ohr, der zum Schläfenbein gehört. Damit wird das Innenohr in Schwingungen versetzt, die der Schwerhörige als Schallinformation hören kann. Meistens werden Knochenleitungshörgeräte als Hörbrillen hergestellt. Es gibt aber auch die Möglichkeit, ein Taschenhörgerät mit einem Knochenleitungshörer zu tragen. Dieser wird dann an einem Kopfbügel oder Stirnband befestigt.
Meist bei kleinen Kindern mit angeborenen Gehörgangmissbildungen, werden knochenverankerte Hörgeräte verwandt. Hierbei wird von einem HNO-Arzt operativ eine Titanschraube im Schädelknochen implantiert. Auf dieser Schraube wird dann das Hörgerät befestigt (BAHA = bone anchored hearing aid, engl. für Knochen-verankertes-Hörgerät). Durch die direkte Ankopplung übertragen diese Hörhilfen größere Schalldrücke und finden damit selbst bei hochgradigen Schwerhörigkeiten Verwendung.
Darüber hinaus gibt es noch das Cochlea Implantat, kurz CI. Dies ist ein hochtechnisiertes, medizintechnisches Hilfsmittel, das Menschen, die unter einer extrem hochgradigen Innenohrschwerhörigkeit oder Taubheit leiden, zu besserem bzw. überhaupt erst zum Hören verhilft. Etwa 700 Cochlea Implantationen werden momentan pro Jahr durchgeführt. Und die Zahl steigt stetig. Von einer extrem hochgradigen Innenohrschwerhörigkeit betroffene Personen heben herkömmliche Hörgeräte zumeist nicht den gewünschten Erfolg, da das Problem nicht in der unzureichenden Übertragung der Schallreize zu den Rezeptoren in der Hörschnecke (Cochlea) liegt, sondern darin, das der Prozess der Umwandlung des Schalls in für das menschliche Gehirn verwertbare Informationen gestört ist. Eine reine Verstärkung der Schallwellen hat also keinen Erfolg.

Diese schwere Hörschädigung hat besonders bei Kindern gravierende Auswirkungen, da sie keine oder nur eine unzureichende und deshalb verzögerte Möglichkeit haben, das Sprechen zu erlernen. Bei ihnen können und sollten Hörhilfen schon im 4. - 6. Monat angepasst werden. Denn normalerweise durchläuft die normale Sprachentwicklung eine relativ geregelte Abfolge von Stadien: Ab dem 2. Monat beginnen die Kinder zu Lallen, ab 8. Monat erfolgt das erste Sprachverständnis, dann folgen im Alter von einem, zwei und drei Jahren Ein-, Zwei-, Dreiwort- und Mehrwortsätze, bis dann mit 4 Jahren die Sprachentwicklung vollständig abgeschlossen ist. Daher ist gerade bei nach dem Spracherwerb ertaubten Kindern und erwachsenen, extrem hochgradig Schwerhörigen mit einem nachweislich zu geringen Hörgewinn durch ein Hörgerät und besonders bei gehörlos geborenen Kindern eine möglichst frühe Diagnosestellung und entsprechende Behandlung dringend angezeigt.

Doch aus was besteht ein solches Cochlea Implantat?

Es ist im Wesentlichen zwei geteilt:
Von einem HNO-Chirurgen wird operativ das Implantat eingepflanzt. Hinter dem Ohr oder in der Brusttasche, am Haltegurt oder am Gürtel wird der Prozessor getragen, der aus einem Sprachprozessor, einem Batterieteil, einem Kabel und einer Spule besteht.
Die Funktionsweise lässt sich eigentlich recht einfach beschreiben: Als erstes nimmt ein Mikrofon den Schall auf und wandelt diesen in elektrische Signale um. Dann verarbeitet der Sprachprozessor diese Signale und übersetzt sie entsprechend der Programmierung in ein spezielles Impuls-Muster. Diese werden über ein dünnes Kabel zur Spule geleitet und von dort durch die Haut zum Implantat gesandt. Das Implantat steht aber seinerseits über eine in der Hörschnecke (Cochlea) befindliche Elektrode mit dem Hörnerven in Kontakt, der die Signale empfängt und weiter an das Hörzentrum im Gehirn weiterleitet. Dort wird dann die Hörwahrnehmung ausgelöst.
In der Regel ist bei schwer hörgeschädigten Erwachsenen ein Gewinn gegenüber der Hörgerät-Versorgung zu verzeichnen. Allerdings fehlt das Richtungsgehör und in geräuschvoller Umgebung treten häufig Verständnisschwierigkeiten aufgrund der überwiegenden einseitigen Versorgung auf. Kindern fällt die Gewöhnung an das CI leichter. So erfolgt häufig beim Wechsel vom Hörgerät auf das CI ein großer Entwicklungsschub.
Wenigstens ist die Wahrnehmung von Geräuschen unseres täglichen Lebens - besonders der Geräusche mit Signalfunktion (Autohupen, …) - mit einem CI fast immer möglich.
Auch die eigene Stimme kann besser kontrolliert werden, woraus meist eine verständlichere Aussprache resultiert. Doch auch in den meisten sonstigen Situationen ist mit Hilfe des CI eine Verständigung ohne Mundablesen möglich; sogar am Telefon.
Zuletzt sollte hier noch kurz auf den Tinnitusmasker - auch Rauschgerät, Tinnitus-Noiser oder tinnitus control instrument genannt - eingegangen werden, der in gewissem Maße auch als Hörhilfe bezeichnet werden kann. Wie der Name schon sagt, wird diese Hörhilfe zur Linderung von Tinnitus-Beschwerden, dem störenden Dauerton unbekannter Ursache, eingesetzt. Man bezeichnet die damit einhergehende Therapie als Tinnitus-Umschulungs-Therapie (tinnitus-retraining-therapie).
Vom Aussehen und Aufbau her ähnelt dieses Gerät einem konventioneller Hörgeräte . Allerdings besitzt es kein Mikrofon, sondern erzeugt ein in Frequenzbereich und Pegel konstantes Dauerrauschen, mit der Absicht, den unangenehmen Tinnitus zu überdecken oder wenigstens abzumildern. Dieses Dauergeräusch kann beim Tinnitusmasker auch als dezentes Meeresrauschen, das Blätterrauschen eines Baumes, Vogelzwitschern u.v.m ausgesucht werden. Dadurch soll nicht versucht werden, den Tinnitus zu überdecken, sondern ihn in eine angenehm-entspannende Geräuschkulisse einzubetten.
Bei gleichzeitig mit dem Tinnitus auftretendem Hörverlust (Hypakusis) oder Überempfindlichkeit gegen Geräusche (Hyperakusis) ist es ratsam, eine als Tinnitus-Instrument bezeichnete Kombination aus Hörhilfe und Tinnitus-Noiser zu verwenden. Dabei bessert sich der Tinnitus unter den verstärkten Alltagsgeräuschen deutlich. In Ruhe wird er dann vom Generator-Rauschen des Noisers nahezu überdeckt. Allerdings ist bei
der Geräusch-Überempfindlichkeit dringend auf eine effektive Begrenzung der Lautstärke zu achten!

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Autor: Dr. Nicolas Gumpert Veröffentlicht: 20.06.2011 - Letzte Änderung: 12.01.2023