Symptome einer Polyneuropathie

Symptome

In den allermeisten Fällen treten folgende Symptome auf, die distal an den unteren Extremitäten beginnen:

  • Schmerzen
  • Empfindungsstörungen, Störungen des Tastsinns (Sensibilitätsstörungen), nächtliches Missempfinden im Bereich der Zehen oder Fußsohlen
  • Unangenehmes Temperaturempfinden
  • Quälendes Kribbeln bzw. Ameisenlaufen
  • Brennen der Füße, vor allem der Fußsohlen („burning feet“)
  • Strumpf- bzw. handschuhförmig Sensibilitätsausfälle („gehen wie auf Socken“)
  • Verminderter oder fehlender Vibrationssinn
  • Fehlender Achilles-Sehnen-Reflex
  • Lähmung der Muskeln am Fußrücken, sodass ein Spreizen der Zehen nicht mehr möglich ist und die Fußspitze beim Gehen hängen bleibt
  • Später zusätzlich Sensibilitätsstörungen und Lähmungen im Bereich der Hände und Arme (obere Extremitäten)
  • Kurz andauernde Bewusstlosigkeit (Synkope) und Blasenstörungen
  • Schwindel, Gangunsicherheit
  • Störungen der Hirnnerven

Beim Auftreten der Symptome gibt es symmetrische und asymmetrische Verteilungsmuster, die teilweise auf die Ursache der Polyneuropathie schließen lassen.

Symmetrisch: Häufigster Typ mit handschuh- und strumpfförmigen Sensibilitätsstörungen und distaler Reflexabschwächung und/oder Lähmung.

Asymmetrisch: Hier gibt es drei verschiedene Typen:

  • Bei einer Mononeuropathie sind nur Störungen in dem Versorgungsgebiet eines peripheren Nervs zu erkennen.
  • Bei der Mononeuropathia (Mononeuritis) multiplex (Multiplex-Typ) sind Störungen in Versorgungsgebieten mehrerer peripherer Nerven zu erkennen, allerdings sind die benachbarten Nerven kaum oder gar nicht beeinträchtigt.
  • Die Schwerpunktneuropathie ist eine Kombination aus Mononeuropathia multiplex und einer symmetrischen Polyneuropathie.

Symptome an den Füßen

Häufig sind die Füße und auch die Beine der Ort, an dem eine Polyneuropathie zuerst symptomatisch wird.

Insbesondere an den Fußzehen macht sich eine Polyneuropathie sehr früh bemerkbar. Neben den bereits aufgeführten möglichen Symptomen, wie zum Beispiel den Missempfindungen in Form von Kribbeln oder Taubheit ist für eine Polyneuropathie der Füße eine Gangunsicherheit und ein Schwindel typisch.

Lesen Sie dazu auch unseren Artikel über Brennen in den Zehen und Brennende Füße

Dies tritt besonders im Dunkeln auf und kann dadurch erklärt werden, dass neben dem Gleichgewichtssinn auch das Sehen und die Wahrnehmung der Stellung der Extremitäten im Raum, die so genannte Propriozeption, eine Rolle im Gleichgewichtssystem spielen.
Die Propriozeption wird durch die Nerven in den Extremitäten vermittelt, die dem Gehirn Informationen über die Position der Arme und Beine liefern.

Bei einer Polyneuropathie sind häufig genau jene Nerven beschädigt, wodurch dieser Bestandteil des Gleichgewichts nur noch eingeschränkt oder sogar überhaupt nicht mehr funktioniert. Wird dann noch das visuelle System durch Dunkelheit ausgeschaltet, kann das Gleichgewichtssystem nicht mehr ordnungsgemäß funktionieren und es kommt zu Schwindel und Gangunsicherheit, die sich in Stürzen äußern können.

Ein weiteres Symptom, das für die Polyneuropathie der Füße charakteristisch sein kann, ist die so genannte Allodynie, also eine Schmerzreaktion auf einen Reiz, der beim Gesunden als nicht schmerzhaft wahrgenommen wird. So kann beispielsweise schon das Anziehen von Socken oder Schuhen zu starken Schmerzen führen.

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Im Gegensatz dazu können die Nerven der Füße durch die Polyneuropathie aber auch so geschädigt sein, dass sie Reize weniger gut detektieren und somit die Reizwahrnehmung qualitativ herabgesetzt oder erst verspätet möglich ist.
Daher werden auch Temperaturen oder Verletzungen, die beim Gesunden Schmerzen als Warnsignal auslösen, verzögert oder überhaupt nicht wahrgenommen. Folglich können auch die Schutzreflexe nicht stattfinden, die physiologisch durch Schmerz ausgelöst werden, wodurch es zu schwerwiegenden Verletzungen kommen kann, die unter Umständen erst sehr spät bemerkt werden.

Dieses Symptom kommt oft bei der durch Diabetes mellitus ausgelösten Polyneuropathie vor, weshalb es die typischen „diabetischen Füße“ gibt, die durch unbemerkte Verletzungen und Entzündungen ernsthaft geschädigt sind und manchmal sogar amputiert werden müssen.

Ebenfalls typisch für die diabetische Polyneuropathie der Füße ist ein brennender Schmerz an der Fußsohle, der als „burning feet“ bezeichnet wird. Diese Missempfindungen verschlechtern sich gewöhnlich nachts. Durch Schädigung motorischer Nerven, die eigentlich durch Erregung der Muskulatur an den Füßen und Beinen für deren Bewegung zuständig sind, kann es zu Schwäche der Füße, schneller muskulärer Ermüdung und Kraftabnahme kommen. Dies kann sogar objektiv erfasst werden, wenn es auf Grund verminderter Erregung der Muskulatur zu deren Abbau kommt (Atrophie) und der Betroffenen sehr dünne Beine bekommt.
Ebenfalls eine objektive Erfassungsmethode für eine Polyneuropathie ist der Ausfall spezifischer Reflexe am Fuß.

Symptome an den Händen

Die Hände sind in der Reihenfolge der bei Polyneuropathie auftretenden Symptome zeitlich meist erst nach den Füßen betroffen.
Hierbei wird die Nervenschädigung analog zu dem Schädigungsmuster der Füße meist zuerst in den Fingern symptomatisch. Neben allgemeinen Missempfindungssymptomen kann es bei einer Polyneuropathie der Hände zu einer Störung deren Feinmotorik und Koordination kommen.
Ist die Polyneuropathie durch Diabetes mellitus verursacht, treten Sensibilitätsstörungen typischerweise handschuhförmig auf.

Lesen Sie zu diesem Thema auch: Taubheitsgefühl in der Hand.

Symptome durch Alkohol

Wird eine Polyneuropathie durch Alkohol verursacht liegt typischerweise eine sehr langsame Entwicklung der Symptome vor.

Charakteristisch sind diese meist symmetrisch ausgeprägt und manifestieren sich insbesondere an den Füßen und Beinen.
Hierbei kommt es oft zu Störungen der Sensibilität in den betroffenen Gebieten, die aber individuell unterschiedlich ausgeprägt sein können. So kann die Vibrationsempfindung betroffen sein, aber auch die Temperatur- oder die Schmerzempfindung.

Häufig treten Schmerzen auf, die einen brennenden Charakter habend, wovon meist die Füße (burning feet) oder die Waden betroffen sind (siehe oben). Sehr häufig ist auch die Tiefensensibilität bei diesen Patienten gestört. Dann kann beispielsweise nicht mehr genau detektiert werden, wann der Fuß beim Laufen den Boden berührt, wodurch dieser häufig abrupt aufgesetzt wird. Somit ändert sich objektiv das Gangbild des Betroffenen.

Bei der durch Alkohol ausgelösten Polyneuropathie sind oft auch motorische Nerven mit betroffen, sodass es zu Muskelschwäche bis hin zu Koordinationsstörungen kommen kann. Bei dieser Form der Polyneuropathie ist häufig ein bestimmter motorischer Nerv betroffen, der als Peronaeusnerv bezeichnet wird und im Unterschenkel lokalisiert ist.
Die Funktion des intakten Nervs ist die motorische Versorgung eines Teils der Muskulatur des Fußes. Bei dessen Schädigung können folglich die Fußzehen oder sogar der ganze Fuß nicht mehr in Richtung der Nase gezogen werden und somit kann der Fuß beim Laufen nicht mehr adäquat gehoben werden.
Hierdurch kommt es wiederum zu Auffälligkeiten beim Gehen, da die fehlende Fußhebung durch vermehrtes Beugen von Knie und Hüfte kompensiert wird, was man als so genannten Steppergang bezeichnet.

Die Beteiligung motorischer Nerven führt oft auch zum Muskelabbau in betroffenen Gebieten (Atrophie), wodurch die Waden dünn erscheinen. Verläuft die durch Alkohol bedingte Polyneuropathie besonders schwer, können sogar die Augenmuskeln betroffen oder die Pupillen gelähmt sein, was zu Symptomen wie Doppelbildern führen kann. Die Polyneuropathie durch Alkohol kann also sehr leichte Verläufe aufweisen, bei denen es nur zu geringfügigen sensiblen Missempfindungen in den Füßen kommt. Sie kann aber auch in schweren Verläufen symptomatisch werden, in denen die Lebensqualität durch Koordinationsstörungen und Schmerzen stark eingeschränkt sein kann.

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Symptome nach einer Chemotherapie

Eine Polyneuropathie kann auch als unerwünschte Wirkung nach einer Chemotherapie auftreten.

Charakteristisch hierfür ist, dass vorwiegend die sensiblen Nerven betroffen sind und nur sehr selten diejenigen, die für die Motorik zuständig sind. Typische Symptome einer Polyneuropathie nach einer Chemo sind Taubheitsgefühle an Füßen oder Händen, die oft als strumpf- oder handschuhförmig angegeben werden.
Möglich sind auch veränderte Wahrnehmungen von Schmerzen, die abgeschwächt aber auch verstärkt wahrgenommen werden können. Ebenfalls tritt die Nervenschädigung nach einer Chemotherapie meist symmetrisch auf und verläuft ansteigend. Das heißt, dass zuerst die am weitesten von der Wirbelsäule entfernten Gebiete von den Symptomen betroffen sind wie beispielsweise die Fingerspitzen, wobei sich die Symptomatik im Verlauf auch auf benachbarte Regionen, zum Beispiel den Arm ausbreiten kann.

Auch können die so genannten Hirnnerven betroffen sein, was sich in verminderten Sinneswahrnehmungen wie einem schlechteren Hören oder auch Sehen manifestieren kann. Seltener sind so genannte autonome Nervenfasern von einer Polyneuropathie nach einer Chemotherapie betroffen, die eigentlich für die unbewusste Regulation von Körperfunktionen wie der Verdauung zuständig sind.
Symptome bei einer Schädigung dieser Nerven durch die Chemo können also beispielsweise Verstopfungen sein. Zusammenfassend sollten Missempfindungen jeglicher Art, die nach einer Chemotherapie wahrgenommen werden können, ein Alarmsignal für eine mögliche vorliegende Polyneuropathie sein.

Weiterführende Informationen

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Autor: Dr. Nicolas Gumpert Veröffentlicht: 10.05.2012 - Letzte Änderung: 06.11.2021