Myelopathie

Definition

Unter einer Myelopathie versteht man eine Schädigung der Nervenzellen des Rückenmarks. Der medizinische Fachbegriff wird aus den zwei altgriechischen Wörtern myelon – Mark und pathos – Leiden gebildet. Je nach Ursache der Rückenmarksschädigung unterscheidet man verschiedene Formen. Für die Symptome ist die Lokalisation der Rückenmarksschädigung entscheidend; ob das Rückenmark der Hals-, Brust- oder der Lendenwirbelsäule betroffen ist. Der geschädigte Rückenmarksabschnitt kann seine normale Funktion nicht mehr ausführen und es kommt zu neurologischen Ausfällen wie Lähmungen oder Sensibilitätsstörungen. Die Diagnose wird mithilfe bildgebender Verfahren (zum Beispiel MRT) gestellt. Die Therapie ist abhängig von der Ursache der Myelopathie.

Symptome

Die Symptome der Myelopathie können sehr vielfältig sein und hängen in erster Linie von der Region der Rückenmarksschädigung ab. Die Ursache der Myelopathie kann ebenfalls Einfluss auf die klinische Symptomatik nehmen.
Für alle Formen der Myelopathie gilt, dass die geschädigten Rückenmarksabschnitte ihre Funktion im Nervensystem nicht mehr korrekt ausführen können, so dass es zu neurologischen Ausfallserscheinungen kommt. Dies sind zum einen Sensibilitätsstörungen wie kribbelnde Schmerzen oder ein Taubheitsgefühl. Zum anderen klagen die Patienten über Störungen des Bewegungsapparats wie zum Beispiel Muskelschwäche bis zu Lähmungen der Muskulatur. Hiervon kann sowohl die Arm- als auch die Beinmuskulatur betroffen sein. Dies kann im Verlauf zu Gangstörungen führen. Neben Störungen der Beweglichkeit können auch Probleme der Darm- oder Blasenentleerung (Blasen-Mastdarm-Störung) auftreten. Bei Bandscheibenvorfällen bestehen klassischer Weise zusätzlich starke Schmerzen im betroffenen Abschnitt der Wirbelsäule, welche gegebenenfalls beidseits in die Arme und oder Beine ausstrahlen können.

Ursachen

Die Schädigung des Rückenmarks kann durch verschiedene Mechanismen verursacht werden.
Bei der Kompressionsmyelopathie kommt es durch Druck auf das Gewebe zur Schädigung des Rückenmarks. Dieser Druck kann unter anderem durch Tumore verursacht werden, wie beispielsweise Metastasen von Wirbelsäulen- oder Hirnhauttumoren. Nicht selten sind Bandscheibenvorfälle die Ursache. Durch das Hereinrutschen des inneren Kerns der Bandscheibe in den Wirbelkanal kommt es zu Druck auf das sich darin befindende Rückenmark. Eine Einengung des Spinalkanals wie bei einer Spinalkanalstenose kann ebenfalls eine Kompressionsmyelopathie hervorrufen. Eine seltenere Ursache ist die Osteosklerose, bei der es infolge übermäßiger Bildung von Knochengewebe zu einer Einengung des Spinalkanals kommt.

Neben der Kompressionsmyelopathie führt auch eine verminderte Durchblutung zu einer Schädigung der Nervenzellen im Rückenmark. Zu Durchblutungsstörungen kommt es bei Gefäßfehlbildungen oder Gefäßengstellen (Stenosen). Auch bei einem akuten Blutverlust kann es im Schock zu einer Unterversorgung des Rückenmarks kommen. Diese durch Durchblutungsstörungen verursachten Formen der Myelopathie nennt man auch vaskuläre Myelopathie.

Die dritte Gruppe bildet die Strahlenmyelopathie, welche im Rahmen einer Strahlentherapie zu Schäden am Rückenmark führen kann.

Des Weiten kann es nach einer Wirbelkörperfraktur zu einer Verletzung des Rückenmarks kommen. 

Spinalkanalstenose

Der Spinalkanal ist ein Kanal, der durch die Wirbelbögen am hinteren Rand der Wirbelsäule gebildet wird; in ihm verläuft das Rückenmark. Unter der Stenose versteht man folglich die Einengung dieses Kanals. Diese kann zum Beispiel durch die mit zunehmendem Alter entstehenden Knochenneubildungen im Rahmen von degenerativen Veränderungen bedingt sein, wobei diese osteophytären Anbauten in den Spinalkanal reichen und die Nervenfasern des Rückenmarks verdrängen können.

Ein typisches Symptom der Spinalkanalstenose ist, dass man nach einer kurzen Strecke das Gehen schmerzbedingt einschränken muss. Wohingegen beim Fahrradfahren keine Beschwerden angegeben werden. Dies beruht auf der nach vorne gebeugten Haltung, welche das Rückenmark entlastet.

Zur Diagnosestellung wird eine Magnetresonanztomografie durchgeführt. Eine operative Therapie zur Entfernung des überschüssigen Knochenmaterials im Spinalkanal, so dass das Rückenmark wieder mehr Platz hat.

Interessieren Sie sich weitergehend für die Thematik, dann lesen Sie: Spinalkanalstenose

Diagnose

Hinweise auf eine vorliegende Myelopathie liefert bereits die Anamnese. Es ist wichtig konkrete Symptome, wie Lähmungen, Sensibilitätsstörungen oder Schmerzen im Bereich der Wirbelsäule zu erfragen. Die klinische Untersuchung bringt weitere Sicherheit, da beispielsweise die Reflexe auffällig sein können, sowie das Gangbild verändert ist.
Zur Diagnosesicherung wird die Magnetresonanztomographie als bildgebende Diagnostik zu Rate gezogen. Bei speziellen Fragestellungen, wie dem Verdacht auf eine vaskuläre Myelopathie, ist eine spinale Angiografie sinnvoll. Auch eine Myelografie kann angezeigt sein. Bei diesem Verfahren wird unter Röntgendarstellung Kontrastmittel in den Rückenmarkskanal gespritzt, um die Platzverhältnisse des Rückenmarks und der austretenden Nerven darzustellen.

Sie interessieren sich weitergehend für die bildgebenden Verfahren im Rahmen der Diagnostik, dann lesen Sie: MRT der Wirbelsäule und Myelografie

MRT

Die Magnetresonanztomografie ist die wichtigste Untersuchungsmethode um eine Myelopathie festzustellen. Zum einen kann man das Rückenmark komprimierende Strukturen, wie beispielsweise einen Bandscheibenvorfall oder Tumore mittels MRT sehen. Gefäßveränderungen sind ebenfalls darstellbar.
Zum anderen lassen sich geschädigte Rückenmarksregionen im MRT Bild von gesundem Nervengewebe unterscheiden. Bei Fragestellungen die knöcherne Strukturen betreffend, kann in Einzelfällen auch eine Computertomografie zur Ergänzung sinnvoll sein.

Was ist ein Myelopathiesignal?

Der Begriff Myelopathiesignal kommt aus der bildgebenden Diagnostik. Er wird von den Radiologen vor allem zur Beschreibung von Kernspin (MRT) Untersuchungen verwendet. Man spricht von einem Myelopathiesignal, wenn es in der Bildgebung einen Hinweis auf eine Schädigung des Rückenmarks (Myelon) gibt. Dies kann zum Beispiel bei einem Ödem (Flüssigkeitsansammlung) oder einem Tumor im Rückenmark der Fall sein. Ein Myelopathiesignal ist unspezifisch, d.h. es tritt unabhängig von der Ursache der Rückenmarksschädigung auf.

Die Rückenmarksschädigung kann also durchaus nur temporär sein. Nicht immer bestehen bei dem Patienten gravierende Symptome. Daher sind neben einem Myelopathiesignal auch dessen Ursache und die Beschwerden des Patienten entscheidend für die Therapie. In einem konventionellen Röntgenbild kann man das Rückenmark nicht wirklich gut beurteilen. Auch in einer CT Untersuchung kann eine Schädigung des Rückenmarks nicht mit letzter Sicherheit ausgeschlossen werden. Daher ist die MRT Untersuchung das Mittel der Wahl für die Diagnostik einer Myelopathie.

Weitere Informationen erhalten SIe auch unter: MRT der Wirbelsäule

Behandlung der Myelopathie

Je nach Ursache der Myelopathie unterscheidet man verschiedene Therapiemöglichkeiten.
Zunächst gibt es die Möglichkeit der konservativen Therapie, welche symptomorientiert ausgerichtet ist. Bei Schmerzen bekommt der Patient Schmerzmittel, wobei sich hierfür die sogenannten NSAR (nicht-steroidale Antirheumatika, wie Ibuprofen, Diclofenac) besonders eignen, da diese auch entzündungshemmend und abschwellend wirken. Ein muskelentspannendes Medikament führt oft ebenfallls zur Linderung der Beschwerden. Ergänzend kommt eine physiotherapeutische Behandlung zum Einsatz.

Die eigentliche Ursache der Myelopathie muss meistens operativ behandelt werden, so dass beispielsweise bei der Kompressionsmyelopathie der Druck auf das Rückenmark beseitigt wird.

Generell gilt, dass bei einer frühzeitigen Diagnosestellung mit Einleitung einer schnellen adäquaten Therapie die Prognose der Erkrankung am besten ist. Je schneller der Schädigung der betroffenen Nervenzellen entgegengewirkt wird, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit dass sich der entsprechende Rückenmarksabschnitt wieder regenerieren kann.

Operatives Vorgehen

Bei einem operativen Eingriff an der Wirbelsäule versucht man das durch Druck geschädigte Rückenmark zu entlasten. Hierbei kommen verschiedene operative Techniken zum Einsatz, wobei zwischen einem Zugang von vorne beziehungsweise hinten unterschieden wird. Beispielsweise wird im Bereich der Halswirbelsäule mittlerweile häufiger ein Zugang von vorne gewählt, wobei der Patient während der Operation in Rückenlage auf dem OP-Tisch liegt.

Vor dem Hautschnitt wird mittels eines mobilen Röntgengeräts die Lage des zu operierenden Wirbels kontrolliert. Um an das betroffene Areal zu gelangen, werden die an der Halsvorderseite liegenden Strukturen wie Muskulatur, Schilddrüse oder große Blutgefäße zur Seite geschoben. Man kann nun mittels Spezialinstrumente überschüssiges Gewebe im Bereich des Wirbelkanals entfernen. Kann die Bandscheibe nicht erhalten werden, wird ein Platzhalter aus Keramik oder Titan eingesetzt. Wenn man diesen Platzhalter mit Knochensubstanz füllt, kann man die beiden angrenzenden Wirbelkörper miteinander verbinden und somit eine gute Stabilität erreichen.

Der Eingriff wird immer stationär und in Vollnarkose durchgeführt. Er dauert ja nach Komplexität zwischen ein und mehreren Stunden. Nach dem stationären Krankenhausaufenthalt sollte sich eine Rehabilitationsbehandlung anschließen. Bis die Wirbelsäule nach dem operativen Eingriff wieder voll belastbar ist dauert es bis zu 4 Monate.

Verlauf

Der Verlauf einer Myelopathie kann ursachenabhängig sehr unterschiedlich sein. Grundsätzlich unterscheidet man eine akute und eine progrediente Form.
Akut bedeutet schnell oder plötzlich auftretend, was sich durch schlagartige Entwicklung der Symptome manifestiert. Ursache kann zum Beispiel eine Einblutung in den Wirbelkanal nach einem Trauma sein. Des Weiteren kann die Unterbrechung der Blutversorgung durch einen Infarkt zu einer akuten Myelopathie führen. Manchmal äußern sich auch Bandscheibenvorfälle in der akuten Form.

Da die Myelopathie bei einem Bandscheibenvorfall jedoch meist langsam fortschreitet, spricht man dann von einem progredienten Verlauf. Dies ist auch bei Tumoren der Fall, die meist mit der Zeit in den Wirbelkanal einwachsen und das Rückenmark langsam verdrängen. Dies führt erst nach und nach zu zunehmenden neurologischen Ausfallserscheinungen. Auch degenerative Veränderungen am Knochen, die in den Wirbelkanal einwachsen, führen erst im Verlauf zu Symptomen. Diese oft schleichende Symptomentwicklung ist das Heimtückische an der Erkrankung. Eine frühzeitige Diagnosestellung und Therapie sind für den Heilungserfolg nämlich von entscheidender Bedeutung.

Besonderheiten der unterschiedlichen Lokalisationen

Halswirbelsäule

Die Myelopathie an der Halswirbelsäule wird in der Fachsprache als zervikale Myelopathie bezeichnet. Sie ist die häufigste Form der Myelopathie und verläuft oft schleichend. Die Ursache ist meist eine Kompression. Das Rückenmark wird durch einen Bandscheibenvorfall im Halsbereich geschädigt. Auch bei degenerativen Gelenkveränderungen kommt es zu Knochenneubildung (osteophytäre Anbauten). Da der Raum im Wirbelkanal begrenzt ist, kommt es im Verlauf ebenfalls zur Verdrängung der Nervenzellbündel im Rückenmark. Symptome können sowohl Sensibilitätsstörungen als auch Störungen der Motorik sein, wobei Arme und Beine betroffen sein können.

Im Rahmen der klinischen Untersuchung klagt der Patient über Missempfindungen in den Armen, wenn man dessen Kopf passiv nach vorne beugt. In diesem Fall spricht man von einem positiven Lhermitte-Zeichen. Eine frühzeitige neurochirurgische Intervention ist die Therapie der Wahl. Je schneller die Diagnose gestellt wird und der Patient der richtigen Therapie zugeführt wird, desto besser ist der Verlauf. Bei einem akuten Bandscheibenvorfall stehen die Chancen nicht schlecht, dass sich die Beschwerden zumindest großteilig zurückbilden.

Wenn Sie weiteres Interesse an diesem Thema haben, lesen Sie unseren nächsten Artikel unter: Zervikale Myelopathie

Brustwirbelsäule

Die Myelopathie im Bereich der Brustwirbelsäule wird in in der Fachsprache als thorakale Myelopathie bezeichnet. Die Symptome und der Verlauf sind ähnlich wie bei der HWS-Form. So treten die Symptome meist schleichend auf. Es kommt zu Sensibilitätsstörungen und Muskelschwäche im Bereich der Arme und Beine. Dies führt oft zu einer Beeinträchtigung des Gangbildes. Störungen der Blasen- und Darmentleerung sind ebenfalls häufig. Kann die Erkrankung in ihrem Verlauf nicht aufgehalten werden, besteht die Gefahr, dass sich ein Querschnittsyndrom entwickelt.

Behandelt wird die Erkrankung je nach Ursache. Bei Bandscheibenvorfällen oder Tumoren ist ein operativer Eingriff oft unabdingbar. Insgesamt ist die thorakale Myelopathie allerdings deutlich seltener als die zervikale Form.

Autor: Dr. Nicolas Gumpert Veröffentlicht: 10.03.2017 - Letzte Änderung: 06.11.2021