Plexus brachialis Lähmung

Einleitung

Als Plexus brachialis bezeichnet man ein Geflecht von mehreren Nerven, die im Halsbereich aus dem Rückenmark austreten und der Innervation der Muskulatur des Schulter- und Armbereichs dienen.

Die Nerven bilden einen komplex verwobenen Strang, der zwischen Schlüsselbein und erster Rippe beidseits Richtung Arm zieht. Im Bereich dieser Engstelle kann es durch verschiedene Ursachen leicht zu einer Verletzung des Nervengeflechtes kommen, woraus unterschiedliche neurologische Ausfälle resultieren können, je nachdem welche Nerven besonders geschädigt sind.
Derartige Verletzungen können auch zu einem kompletten Ausfall des Plexus brachialis führen, was dann als komplette Plexus brachialis Lähmung bezeichnet wird.

Ursachen

Die Ursachen für eine Plexus brachialis Lähmung sind vielfältig.

Eine häufige Ursache sind Unfälle, beispielsweise Verkehrsunfälle mit dem Motorrad oder Stürze aus großer Höhe. Durch den Aufprall kann es zu einer Einklemmung der Nerven zwischen Schlüsselbein und erster Rippe kommen, gleichzeitig werden die Nerven bei Überstreckung des Kopfes stark gedehnt.
Dieser abrupten Belastung können die Nerven nicht standhalten und reißen.

Auch unter der Geburt kann es zu einer Plexus brachialis Lähmung kommen, wenn die Hebamme am Kopf des Kindes zieht. Auch dabei wird der Kopf überstreckt und es kommt zu starken Zugkräften am Plexus brachialis. Dabei können die Nerven dann ebenfalls reißen.

Des Weiteren kann eine Lähmung des Plexus brachialis auch als Komplikation einer Operation auftreten. Dabei handelt es sich dann häufig um sogenannte Lagerungsschäden, wenn der Arm des Patienten während einer lange dauernden Operation ungünstig liegt und Druck auf das Nervengeflecht ausgeübt wird.

Letztlich können auch Entzündungen jeglicher Art die Nerven in ihrer Funktion beeinträchtigen. Bösartige Erkrankungen, die in Armnähe entstehen, beispielsweise Brustkrebs (Mamma-Karzinom) oder Knochentumoren können sich im fortgeschrittenen Stadium bis in umgebende Strukturen ausbreiten und auch in den Plexus brachialis einwachsen. Folge ist ebenfalls eine Lähmung des Nervengeflechts.

Des Weiteren kann der Nervenplexus des Arms kurzzeitig bei einer Blockade des Nervengeflechts Ganglion stellatum mit betäubt werden. Betroffene können vorübergehend den Arm/Hand erschwert bewegen. Lesen Sie mehr zu diesem Thema unter: Ganglion Stellatum Blockade

Symptome

Die Plexus brachialis Lähmung kann sich, je nachdem welche Nerven besonders geschädigt sind, durch unterschiedliche Symptome manifestieren.

An unterschiedlichen Stellen des betroffenen Armes können Gefühlsstörungen, Lähmungserscheinungen und/oder Schmerzen auftreten. Besonders wenn Nervenwurzeln im Rückenmarksbereich ausreißen, treten oftmals Schmerzen auf.
Diese sind scharf, brennend und ziehen bis in den betroffenen Arm oder die Hand.

Bei Schädigung der Nerven erleiden die davon versorgten Muskeln einen Funktionsverlust, somit kann es zu einer Lähmung der unterschiedlichen Muskelgruppen an Arm und Hand kommen.

Wenn nur der untere Teil des Plexus brachialis geschädigt ist, ist eine Lähmung der Handmuskulatur typisch. Diese Form der Lähmung wird auch als Klumpke-Lähmung bezeichnet. Die Patienten können häufig ihr Handgelenk nicht mehr bewegen. Langfristig führt die fehlende Innervation der Muskulatur zu einem Muskelschwund (Muskelatrophie). Der entsprechende Arm wird dann deutlich dünner, da die inaktive Muskulatur vom Körper abgebaut wird. Gefühlsstörungen treten bei einer Lähmung des Plexus brachialis am häufigsten an der Außenseite von Ober- und Unterarm auf. Sie finden sich jedoch nicht bei jedem Patienten.

Wenn ein Neugeborenes durch Geburtskomplikationen von einer Lähmung des Plexus brachialis betroffen ist, so äußert sich dies oftmals dadurch, dass es keine Bewegungen im Schultergelenk ausführt. Dies gibt sich häufig mit der Zeit von selbst, es besteht jedoch auch ein gewisses Risiko, dass langfristig Wachstumsstörungen des betroffenen Arms auftreten.

Diagnose

Um eine Läsion des Plexus brachialis festzustellen, wird sich der Arzt zunächst den stattgefundenen Verletzungsmechanismus erklären lassen.
Dies gibt bereits erste Hinweise darauf, dass der Plexus geschädigt worden sein könnte.

Die klinischen Symptome des Patienten, die der Arzt während einer körperlichen Untersuchung erhebt, geben weitere Anhaltspunkte. Bildgebende Verfahren, wie die Computertomographie (CT) und die Magnetresonanztomographie der Schulter (MRT der Schulter) stellen Knochen und Weichteile des Patienten dar, sodass Verletzungen direkt erkannt werden können.

Im Rahmen einer Myelografie kann auch das Rückenmark direkt dargestellt werden. Nervenausrisse oder Abrisse einzelner Nerven können so möglicherweise direkt erkannt werden.

Therapie

Bei der Therapie der Plexus brachialis Lähmung wird meist zunächst eine komplette Entlastung des betroffenen Arms versucht.
In vielen Fällen bessern sich die Beschwerden dadurch wieder, da die Nerven Zeit zur Regeneration bekommen. Dehnung oder sonstige Manipulation an dem geschädigten Nervengeflecht müssen dabei unbedingt vermieden werden. Die Heilung einer Plexus-Läsion ist oftmals ein langwieriger Prozess.

Bringt das entlastende Verfahren nach spätestens einem halben Jahr keine Besserung, so muss über einen operativen Eingriff nachgedacht werden. In manchen Fällen wird die Operation bereits auch früher durchgeführt. Abgerissene Nerven können dabei genäht werden, bei langstreckigen Abrissen kann es auch notwendig werden, eine Nerventransplantation vorzunehmen. Diese Operationen sind sehr diffizil und erfordern viel Erfahrung vom Operateur. Zu einer vollständigen Rückbildung der Symptome kommt es auch nach operativen Maßnahmen oftmals nicht.

Physiotherapie

Gezielte physiotherapeutische Übungen sind für die Behandlung einer Plexus brachialis Lähmung sehr wichtig.

Sie dienen dazu, die Funktion der nun minderaktivierten Muskulatur zu erhalten und zu fördern und damit dem Abbau der Muskulatur vorzubeugen. Auch Verkürzungen der Muskeln (Kontrakturen) sollen durch die Übungen verhindert werden. Da es durch die einseitige Rückentwicklung der Muskulatur auch zu unangenehmen Fehlhaltungen kommen kann, die ebenfalls wiederum Folgeschäden mit sich bringen können, liegt ein Fokus der Physiotherapie auch darauf, die Symmetrie des Körpers aufrechtzuerhalten.

Die Übungen müssen oftmals mehrmals täglich auch zu Hause vom Patienten durchgeführt werden, um eine optimale Aktivierung der Muskulatur zu erreichen.

Für Kinder, die direkt nach der Geburt von einer Plexuslähmung betroffen sind, gibt es spezielle, sehr intensive Therapieverfahren (zum Beispiel nach Vojta und Bobath), die viel Disziplin von Eltern und Kind erfordern. Bei Einhaltung des Therapiekonzeptes zeigt sich jedoch oftmals ein sehr gutes Ergebnis.

Prognose

Die Prognose von Lähmungen des Plexus brachialis ist sehr unterschiedlich, je nach Ausmaß der Schädigung. Generell dauert die Heilung der Nerven sehr lange.

Bei ausgeprägten Verletzungen, die auch einen operativen Eingriff erfordern, bilden sich in vielen Fällen nicht alle Beschwerden komplett zurück. Insgesamt besteht immer auch ein gewisses Risiko bleibender neurologischer Ausfallerscheinungen.

Prophylaxe

Die meisten Lähmungen des Plexus brachialis entstehen unfallbedingt.

Umsichtiges Verhalten im Straßenverkehr und in Gefahrensituationen ist daher Voraussetzung, um derartige Verletzungen zu vermeiden.

Bei Operationen ist die sachgerechte Lagerung des Patienten unabdinglich, um Druckschäden des Plexus vorzubeugen. Eine optimale Ausbildung von Geburtshelfern mindert das Risiko von Plexusläsionen bei Neugeborenen, doch auch trotz großer Vorsicht seitens des Personals kann es theoretisch zu einer Plexus-Lähmung kommen.

Erb-Lähmung

Bei den Lähmungen des Plexus brachialis können zwei Formen unterschieden werden – die sogenannte Erb-Lähmung sowie die Klumpke-Lähmung.

Während bei der Klumpke-Lähmung der untere Teil des Plexus brachialis betroffen ist, ist bei der Erb-Lähmung der obere Teil des Nervengeflechts geschädigt.

Bei der Erb-Lähmung sind daher die Rückenmarksegmente C5 und C6 betroffen. In der Folge fällt die Schulter- und Oberarmmuskulatur in ihrer Funktion aus. Der Ellenbogen kann jedoch weiterhin gestreckt werden.

Bei der Klumpke-Lähmung ist die Streckung im Ellenbogen nicht mehr möglich. Geschädigt sind die Rückenmarksegmente C7 bis Th1, was zu einem Ausfall der Unterarm- und Handmuskeln führt.

Weitere Informationen

Weitere Informationen zum Plexus brachialis finden Sie unter:

Allgemeine Informationen zum Thema Nerven:

Eine Übersicht aller neurologischen Themen finden Sie unter Neurologie A-Z.

 

Autor: Dr. Nicolas Gumpert Veröffentlicht: 14.12.2015 - Letzte Änderung: 06.11.2021