Strukturierung sportlicher Leistung

Definition

Die Strukturierung der sportlichen Leistung ist ein sehr wichtiger Teilbereich der Trainingswissenschaft. Ziel ist dabei, herauszufinden, welche Merkmale (Teilleistungen, Fähigkeiten etc.) Einfluss auf das Zustandekommen der sportlichen Leistung haben.
Bsp. 100 Meter Sprint: Über welche Fähigkeiten/ Fertigkeiten muss ein Sportler Verfügen, um optimale Leistung im 100 Meter- Sprint zu erreichen.
Neben der Strukturierung zählen 2 weitere Aufgabenbereiche zur Trainingswissenschaft:

  1. Bereitstellung aussagekräftiger/ authentischer Kontrollverfahren (Mit welchen Messverfahren können Merkmale geprüft werden?)
  2. Bestimmung von Vergleichsnormen (Über welche Fähigkeiten/ Fertigkeiten sollten Sportler einer bestimmten Gruppe, z.B. Schüler der 5. Klasse, verfügen?)

Einleitung

Die Strukturierung sportlicher Leistung versteht sich als eine Art der Modellbildung.
Ein Modell versteht sich dabei als ein verkleinertes Abbild der Realität, das sich auf die wesentlichen Aspekte des Originals bezieht.
3 Arten der Modelle:

  1. Deterministische Modelle
  2. Indeterministische Modelle
  3. Kombinierte Modelle

1. Deterministische Modelle ermöglichen eine komplette Aufklärung der sportlichen Leistung. Somit können Unterschiede in der Wettkampfleistung zu 100% erklärt werden. (Bsp. 400 Meter- Sprint: Zerlegung der Gesamtzeit in 4 100 Meter Zeiten)

t400 = f(t1, t2, t3, t4)

Auch in der Biomechanik sind vollständige Varianzaufklärungen möglich. Somit resultiert die exakte Weite im Kugelstoßen aus der Abfluggeschwindigkeit (V0), der Abflughöhe (h0) und des Abflugwinkels (?0)

2. Indeterministische Modelle liefern keine 100% Aufklärung der sportlichen Leistung. Somit resultiert die Kugelstoßweite zwar aus der Fähigkeit der (Maximalkraft, Sprungfraft, Sprintkraft, Explosivkraft etc.), eine exakte Bestimmung der Wettkampfleistung ist dadurch jedoch nicht möglich.

wKugel = f (MK,SK,EK etc)

3. Kombinierte Modelle liefern auf oberster Ebene eine exakte Aufklärung/ Varianzaufklärung, auf tieferen Ebenen nur unvollständige Varianzaufklärungen.

Vorgehen bei der Strukturierung

Die Strukturierung der sportlichen Leistung ist in drei unumkehrbaren Schritten aufgebaut:

  1. Hierarchisierung nach Merkmalsgruppen
  2. Beziehungen interner Ordnung
  3. Priorisierung der Einflussgrößen

1. Hierarchisierung nach Merkmalsgruppen

Unter der Hierarchisierung der sportlichen Leistung versteht man die Einordnung von Teilleistungen/ Einflussgrößen in verschieden Erklärungsebenen, die unumkehrbar aufeinander aufgebaut sind. (Auf welche Merkmale kommt es bei der Leistung an)
Die Hierarchisierung ist der erste Schritt in der trainingswissenschaftlichen Leistungsdiagnostik und erfolgt in vertikaler Richtung. Je höher, desto komplexer. Die Hierarchisierung erfolgt aufgrund fachwissenschaftlich- theoretischer Überlegungen.
2 Geeignete Modelle zur Hierarchisierung sind:

  1. Deduktionsketten (BALLREICH)
  2. Leistungspyramiden (LETZELTER)

2. Beziehungen interner Ordnung

Dieser Schritt bezieht sich auf den Zusammenhang der einzelnen Einflussgrößen innerhalb einer Ebene und den Zusammenhang der Einflussgrößen zwischen den Ebenen:

  • ebenenimmanten: Zusammenhänge der Merkmale innerhalb einer Ebene
  • ebenübergreifend: Zusammenhänge von Merkmalen unterschiedlicher Erklärungsebenen

Bei der Analyse der Zusammenhänge werden Korrelationsanalysen und Faktorenanalysen verwendet.

kurz: Ist die Korrelation der einzelnen Merkmale hoch, ergibt sich daraus eine Ökonomie bei der Trainierbarkeit für die Trainingspraxis. (positive Transfereffekte, Bsp. Mit dem Training der Maximalkraft verbessert sich auch die Explosivkraft)
Beispiel 10 Kampf: Welche Disziplinen im 10 Kampf haben eine hohe Korrelation? - 100 Meter Sprint und Weitsprung verbessern sich durch gleiches Training ähnlich. 100 Meter und Speerwurf korrelieren nur sehr schlecht.

  • positive interne Beziehungen (Durch Training Merkmal A verbessert sich Merkmal B, s.o.)
  • negative interne Beziehung (Durch Training Merkmal A verschlechtert sich Merkmal B, aerobe Ausdauer und Sprintkraft)
  • unabhängige Merkmale (Durch Training von Merkmal A kommt es weder zur Verbesserung, noch zur Verschlechterung)

3. Priorisierung der Einflussgrößen

Bei der Priorisierung werden die Wertigkeiten der Trainingsziele erstellt. Es geht darum, die führenden Merkmale einer Leistung zu bestimmen.
Beispiele für führende Merkmale sind:

  • Die Anlaufgeschwindigkeit beim Weitsprung macht ca. 2/3 der Wettkampfleistung aus --> Weitspringer müssen daher über eine hohe Sprintfähigkeit verfügen
  • Die Maximalkraft mach 3/5 der Kugelstoßleistung aus --> Kugelstoßer müssen daher hohen Wert auf das Training der Maximalkraft legen.

Ziel ist es, einen Prioritätenkatalog zu erstellen, der die Trainierbarkeit bestimmt.Bemerke jedoch: Die Reihenfolge der Trainingsziele und die Reihenfolge der einzelnen Einflussgrößen müssen im Prioritätenkatalog nicht übereinstimmen. Ein Einflussfaktor ist nur dann sinnvoll, wenn er trainierbar ist.

Vier Schritte der Priorisierung von Einflussgrößen (nicht umkehrbar):

  1. Bestimmung aller hypothetisch leistungsrelevanten Merkmale. (Was könnte alles wichtig sein? nicht wissenschaftlich belegt!)
  2. Bestimmung aller logisch leistungsrelevanten Merkmale. (Sind einleuchtend)
  3. Bestimmung aller empirisch- statistisch leistungsrelevanten Merkmale. (Signifikanz wurde bewiesen, durch Varianzanalyse oder Korrelationsanalyse)
  4. Bestimmung der Reihenfolge der empirisch- statistisch leistungsrelevanten Merkmale. (Das ist der Prioritätenkatalog: bestimmt durch Korrelationskoeffizienten, In Standardwerten ausgedrückte Mittelwertsdifferenzen zwischen Leistungsgruppen, Regressionskoeffizienten aus multiplen Korrelations- und Regressionsanalysen)

Zwei weitere Schritt zur Priorisierung der Trainingsziele:

5. Bestimmung der Merkmale die nur optimiert werden und jene, die maximiert werden. (je- desto Beziehungen. Beispiel Maximalkraft: Bei Gewichthebern muss sie maximal sein, bei Sprintern nur optimal)
6. Bestimmung der Trainierbarkeit der Merkmale. (Bsp. Körpergröße bei Basketball besonders wichtig, Trainierbarkeit jedoch bei 0. Nur Einflussgrößen die trainierbar sind, sind sinnvoll. Unterscheidung in: fähigkeitsspezifisch, alterspezifisch, geschlechtsspezifisch und qualifikationsspezifisch)

Zusammenfassung

Die Strukturierung der sportlichen Leistung ist unverzichtbar für das optimale Training in der Trainingspraxis. Nur wer das Zustandekommen der Leistung versteht, kann durch richtiges Training die Wettkampfleistung verbessern. Zunächst wird in der Hierarchisierung die einzelnen Einflussgrößen ermittelt, um im weiteren Schritt der internen Ordnung die Beziehungen der Merkmale untereinander zu analysieren um im letzten Schritt den Prioritätenkatalog erstellen zu können.

Autor: Tobias Kasprak Veröffentlicht: 01.02.2014 - Letzte Änderung: 22.10.2021