Cortisontherapie bei einem Hörsturz

Einleitung

Der Grund für einen Hörsturz ist häufig nicht bekannt. Viele verschiedene Behandlungsstrategien wurden in den vergangenen Jahrzehnten ausprobiert. Keine Therapie hat bisher einen wissenschaftlich bewiesenen Vorteil gegenüber den restlichen Therapien. Die Vermutung, dass ein Hörsturz durch einen entzündlichen Prozess ausgelöst wird, führte dazu, dass in den 1970er Jahren eine Cortisontherapie entwickelt wurde. Die Glukokortikoidtherapie (Cortison) wurde damals in den USA eingeführt und hat sich seitdem in der Therapie eines Hörsturzes etabliert. Hierbei werden die Glukokortikoide als Infusion oder in Tablettenform verabreicht.

Indikationen für eine Therapie mit Cortison bei Hörsturz

Ein Hörsturz kann ganz spontan auftreten. Plötzlich ist das Hörerlebnis sehr dumpf, als würde man sich unter einer unsichtbaren Glocke befinden. Auch ein Geräusch im Ohr oder, in extremen Fällen, starker Schwindel können auftreten. Da der Hörsturz durch verschiedenste Ursachen bedingt sein kann, ist die Behandlung schwierig. Sowohl Störungen der Durchblutung, Einblutungen, Entzündungsprozesse oder Infektionen werden als Ursache diskutiert. Keiner der Gründe ist wirklich bewiesen.

Die Indikation für eine Cortisontherapie ist ein entzündlicher Prozess in Verbindung mit einem Hörsturz. Auch Schwellungen, welche den Hörsturz bedingen können, werden mithilfe des Cortisons verringert. Da ein Hörsturz jedoch in ca. der Hälfte der Fälle von selbst  verschwindet, wird häufig dazu geraten, zuerst abzuwarten.

In sehr starken und akuten Fällen des Hörsturzes sollte jedoch bald eine Behandlung erfolgen. Falls keine Besserung durch Abwarten eintritt, wird Leitliniengemäß eine hoch dosierte Cortisontherapie angewendet.

Tritt nach der Behandlung mit Cortisontabletten oder –infusionen noch keine Besserung ein, kann auch direkt Cortison ins Mittelohr gespritzt werden.

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Wirkung von Cortison bei Hörsturz

Die Glukokortikoide, welche verabreicht werden, ähneln dem menschlichen Hormon Cortisol.

Genauer gesagt werden cortisonhaltige Medikamente eingenommen und in der Leber zu Cortisol umgewandelt. Cortisol wird normalerweise in der Nebennierenrinde gebildet und hat verschiedene Wirkungen auf den menschlichen Organismus. Man kann es als Stresshormon ansehen, welches ähnlich wie die Katecholamine Adrenalin und Noradrenalin wirkt. Zum einen hat Cortisol Auswirkungen auf den Kohlenhydrat- und Fettstoffwechsel. Hierbei werden Zucker vermehrt gebildet und Fettgewebe stärker abgebaut. Zusätzlich wirkt Cortisol entzündungshemmend und immunsuppressiv. Das bedeutet, dass das Immunsystem unterdrückt wird und sich die Aktivität der weißen Blutkörper (Leukozyten) verringert.

Diese verringerte Immunantwort kann man sich bei Entzündungen, welche nicht bakteriell bedingt sind, zunutze machen. Beispielsweise bei Autoimmunkrankheiten (Erkrankungen, bei denen das Immunsystem Zellen des eigenen Körpers angreift) wird das Immunsystem so weit unterdrückt, dass die Symptome zurückgehen.

Dasselbe Prinzip greift bei der Behandlung des Hörsturzes. Man geht davon aus, dass eine Entzündung im Ohr den Hörsturz auslöst. Nun verabreicht man Glukokortikoide wie z.B. Prednisolon und versucht dadurch, die Entzündung zu unterdrücken. Ist die Entzündung verschwunden, sollte der Hörsturz ebenfalls zurückgehen.

Nebenwirkungen einer Cortisontherapie bei Hörsturz

Die Nebenwirkungen von Glukokortikoide sind leider, wie die Wirkungen, sehr breit gefächert. Da die Glukokortikoide über Tabletten oder Infusionen (häufiger) aufgenommen werden, wirken sie systemisch. Das bedeutet, dass sie von der Schleimhaut des Verdauungstrakts in den Blutkreislauf aufgenommen werden und somit im gesamten Körper wirken.

Bei einer Infusion ist das Cortison direkt im Blutkreislauf. Das hat den positiven Effekt, dass auch das Ohr erreicht wird und dort die Entzündung oder Schwellung bekämpft wird.

Auf der anderen Seite bedeutet das jedoch auch, dass viele unerwünschte Nebenwirkungen am gesamten Körper auftreten können.

Zum einen kann über die Zuckerneubildung der Blutzucker ansteigen. Das kann besonders bei Diabetikern problematisch werden. Auch eine Erhöhung des Fettspiegels im Blut ist zu beobachten. Zusätzlich kann es zu einem Aufquellen durch Wasseransammlungen im Gewebe kommen (sogenannte Ödeme). Es kann bei längerer Einnahme von Cortison zu einem sogenannten „Vollmondgesicht“ kommen, was sich in einer rundlichen Gesichtsform mit aufgedunsenen Wangen äußert.

Neben den Stoffwechselprozessen wird auch die Haut und Muskulatur beeinflusst. Die Muskulatur wird durch den veränderten Proteinstoffwechsel abgebaut und die Haut wird dünner. Auch der Kreislauf und die Psyche können beeinflusst werden. Schlussendlich geht mit der Verringerung der Immunaktivität auch eine höhere Infektanfälligkeit einher.

Die gewünschte Wirkung kann auch ihre Schattenseiten haben. Aus diesem Grund wird auch empfohlen, vor der Cortisontherapie zuerst eine eventuelle Besserung abzuwarten und nur bei ausbleibender Besserung Glukokortikoide einzunehmen. Bei einer Cortisonspritze, welche nur lokal im Mittelohr wirkt, sind die systemischen Nebenwirkungen jedoch nicht zu befürchten.

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Wechselwirkungen von Cortison

Neben den zahlreichen Nebenwirkungen hat die Cortisontherapie auch diverse Wechselwirkungen aufzuweisen. Beispielsweise bei der Behandlung von akuten viralen oder bakteriellen Infektionen sollte vom Einsatz des Cortisons abgesehen werden. Bei einem schweren Diabetes mellitus oder Bluthochdruck sollten die Glukokortikoide nur mit besonderer Vorsicht eingenommen werden. Und auch in Verbindung mit Schutzimpfungen sollte von der Cortisontherapie Abstand genommen werden.

In jedem Fall sollten aktuelle Erkrankungen und die Einnahme von anderen Medikamenten in Verbindung mit der Cortisontherapie mit dem behandelnden Arzt abgesprochen werden!

Weitere begleitende Therapie bei Hörsturz

Neben der Cortisontherapie gibt es diverse begleitende Therapieansätze, welche ausprobiert werden können. Ein Beispiel ist die Sauerstoffüberdruck-Therapie.

Hierbei befindet sich der Patient in einer Überdruckkammer und atmet reinen Sauerstoff ein. Die Theorie dahinter ist, dass über die erhöhte Sauerstoffkonzentration im Blut die Haarzellen des Innenohres besser mit Sauerstoff versorgt werden. Studien haben jedoch ergeben, dass die Wirksamkeit geringer ist als die Therapie mit Glukokortikoiden.

Alternativ gibt es Behandlungsmethoden, welche sich auf die Durchblutung des Ohrs konzentrieren. Eine neue und bisher selten eingetzte Methode ist die „Blutreinigung“. Hierbei wird über ein Dialyseverfahren das Blut über einen kleinen Schlauch aus der Vene entnommen, in einer Maschine gereinigt und wieder in die Vene gegeben. Die Reinigung beinhaltet vor allem die Entfernung von Fetten (LDL-Cholesterin, Lipoprotein a) und Gerinnungsfaktoren (z.B. Fibrinogen). Durch die Reinigung soll das Blut besser fließen und eine verbesserte Durchblutung des Innenohrs gewährleisten. Diese Therapieform wird jedoch nicht von der Krankenkasse übernommen und ist vor allem bei erhöhten Fibrinogenspiegeln zu empfehlen.

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Dosierung von Cortison bei der Therapie des Hörsturzes

Die Dosierung des Cortisons bei einem Hörsturz ist für den Erfolg der Behandlung sehr wichtig. Neuere Studien haben ergeben, dass eine niedrig dosierte Cortison-Behandlung nicht sehr wirksam ist. Aus diesem Grund wird bei einem Hörsturz in der Regel eine hohe Dosis an Cortison verwendet.

Es handelt sich hierbei um eine Dosis von jeweils 200-250 Milligramm pro Injektion. Die Behandlung erfolgt meistens innerhalb von drei bis fünf Tagen, wobei täglich die genannte Dosis intravenös (In eine Vene injiziert) verabreicht wird.

Im Anschluss kann noch ein Cortisonschema in Tablettenform (10 Stück) eingenommen werden. Dieses Schema hat einen absteigenden Aufbau, das bedeutet, dass die Dosis sich pro Tablette verringert. Die Dosis geht von anfangs ca. 100 Milligramm pro Tag herunter auf 50 Milligramm am letzten Tag. Die Einnahme der Tabletten ist aber nicht zwingend. 

Wie teuer ist eine Cortisontherapie bei Hörsturz?

Das Problem der Cortisontherapie bei einem Hörsturz ist, dass die Kosten momentan nicht von den Krankenkassen übernommen werden.

Es handelt sich bei der Behandlung um einen sogenannten „off-label-use“. Das bedeutet, dass das Medikament ursprünglich nicht für die Behandlung der Krankheit vorhergesehen ist. Die Kosten der Infusion betragen ca. 20 €.

3 Ampullen, welche jeweils 250mg Prednisolon (Cortison) enthalten, sind für 50-60€ zu erwerben. Falls man noch auf das Tablettenschema zurückgreift, muss man ca. 15 € zusätzlich zahlen.

Cortison und Alkohol - verträgt sich das?

Wie bei allen Substanzen kommt es sehr auf die Menge an. Wenn während der Cortisontherapie bei einem Hörsturz sehr wenig Alkohol konsumiert wird, stellt das in der Regel kein Problem dar.

Wird Alkohol in größeren Mengen konsumiert, kann es schnell zu unerwünschten Folgen kommen. Vor allem die Nebenwirkungen des Cortisons können durch den Alkohol erhöht werden. Sowohl Alkohol als auch Cortisol (die aktive Form des Cortisons) werden in der Leber abgebaut. Dadurch, dass der Abbau des Alkohols bestimmte Enzyme in Anspruch nimmt, können diese Enzyme nicht mehr für den Abbau des Cortisols verwendet werden.

Andersherum wird ebenfalls der Alkohol langsamer abgebaut, sodass die Wirkung des Alkohols länger anhält. Zusätzlich kann es schneller zu Schleimhautschäden des Magens kommen, da sowohl Cortison als auch Alkohol die Magenschleimhaut schädigen.

Schlussendlich ist auch der Elektrolythaushalt (Mineralien im Blut) betroffen, da vor allem die Aufnahme von Kalium in den Blutkreislauf gestört werden kann. Eine geringe Konzentration von Kalium kann sich negativ auf die Funktion der Nerven und Muskeln ausüben.

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Darf man bei der Einnahme von Cortison Sport machen?

Man ist prinzipiell der Auffassung, dass Sport und körperliche Bewegung die Nebenwirkungen des Cortisons sogar reduzieren. Aus diesem Grund ist die Kombination von Sport und einer Cortisontherapie an sich nicht problematisch. Die Frage ist hierbei eher, ob der Patient, welcher einen Hörsturz erlitten hat, sich fit und sicher genug fühlt, um Sport zu machen.

Autor: Dr. Nicolas Gumpert Veröffentlicht: 08.09.2017 - Letzte Änderung: 12.01.2023