Tinnitus

Synonym

Ohrgeräusche, Ohrensausen
engl. tinnitus

Definition

Beim Tinnitus handelt es sich um plötzlich eingetretene und konstant erhalten bleibende meist einseitige schmerzlose Ohrgeräusche unterschiedlicher Frequenz und Lautstärke.

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Epidemiologie / Vorkommen

In Deutschland leiden ca. 3 Millionen Menschen an einem Tinnitus. 800.000 davon unter Ohrgeräuschen mit extremer Beeinträchtgung des alltäglichen Lebens. Ungefähr 270.000 Neuerkrankungen gibt es im Jahr. Nach einer aktuellen Umfrage beschreiben 10% der Erwachsenen des öfteren unter Ohrgeräuschen zu leiden, die aber innerhalb von 5 Minuten wieder verschwinden. Nur 7% von ihnen konsultieren deshalb einen Arzt. Tinnitus bei Kindern kommt besonders häufig vor, wenn die Betroffenen bereits an einer Erkrankung der Ohren mit begleitender Schwerhörigkeit leiden. 2,7% der schwerhörigen Kinder zwischen 12 und 18 Jahren geben dauerhafte Tinnitusgeräusche an. Unter den Erwachsenen gibt es keine geschlechtlichen Unterschiede. Das Haupterkrankungsalter wurde mit 60-80 Lebensjahren beschrieben. Allerdings kann in den letzten Jahren eine Verschiebung in jüngere Jahre beobachtet werden.

Symptome

Die Erstsymptome eines Tinnitus sind meistens ein plötzlich eintretendes Ohrgeräusch auf einem Ohr unterschiedlicher Frequenz. Das Ohrgeräusch kann mit einem wattigen und von den betroffenen Patienten als „unwirkliches“ Hörerlebnis beschrieben werden. Wegen der meist einseitigen Hörminderung kommt es nicht selten zu Schwindelbeschwerden, die aber meistens innerhalb weniger Stunden nachlassen, während das Ohrgeräusch bleibt. Es werden Geräusche ganz unterschiedlicher Art, Frequenz und Lautstärke beschrieben. Die Geräusche können pfeifend, brummend, zischend, dumpf oder klar sein, können so leise sein, dass sie nur bei ganz ruhiger Umgebung wahrgenommen werden können (z.B. beim Schlafen) oder so laut, dass sie massive Beeinträchtigungen des täglichen Lebens verursachen. Bei extremen Verlaufsformen kommt es zu den beschriebenen Begleitsymptomen.

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Ursachen

Bei den Ursachen für einen Tinnitus, die diskutiert werden, unterscheidet man zwischen den Ursachen eines subjektiven und den Ursachen eines objektiven Tinnitus.
Der subjektive Tinnitus beruht auf subjektiven Empfindungen. Die Geräusche werden also nur von der betroffenen Person wahrgenommen. Zu den möglichen Ursachen des subjektiven Tinnitus zählen z.B. ein Verschluss, eine Verlegung oder eine Verstopfung des äußeren Gehörgangs, welche „das Klingeln im Ohr“ verursachen kann. Diese sogenannten Obstruktionen des äußeren Gehörgangs können z.B. durch Tumore oder Fremdkörper im Ohr entstehen, welche die Weiterleitung des Schalls stören. Wenn es in diesem Rahmen zu Ohrgeräuschen kommt, spricht man von einem Schallleitungstinnitus.

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Eine weitere mögliche Ursache eines subjektiven Tinnitus kann eine Schädigung der Gehörschnecke sein, die z.B. durch ein Schalltrauma ausgelöst werden kann. Die dabei entstehenden Ohrgeräusche werden als sensoneurinaler Tinnitus beschrieben. Es wird vermutet, dass dies die häufigste Ursache eines subjektiven Tinnitus ist.
Auch wird als mögliche Ursache eine Schädigung der zentralen Hörbahn, d.h. eine Schädigung im Gehirn diskutiert. In diesem Fall spricht man vom zentralen Tinnitus.
Bei allen genannten Ursachengruppen geht man davon aus, dass verschiedene psychische Faktoren und Stress einen Einfluss auf die Beschwerden eines subjektiven Tinnitus haben, bzw. Stress selber Ursache sein kann. Der objektive Tinnitus ist mit Hilfsmitteln nachweisbar.

Beim objektiven Tinnitus werden „gefäßbedingte“ von „muskelbedingten“ Ursachen unterschieden. Abnormale Verbindungen zwischen einer Arterie und einer Vene, sogenannte arteriovenöse Fisteln, können Ohrgeräusche verursachen. Hier und bei anderen Gefäßfehlbildungen, die Ohrgeräusche verursachen, spricht man von einem vaskulären Tinnitus.
Ein objektiver Tinnitus, der durch heftige, rhythmische Bewegungen der Binnenmuskeln im Ohr, des Gaumensegels oder im Kiefergelenk entsteht, wird als myogener Tinnitus bezeichnet.

Manche Wissenschaftler beschreiben die oben genannten Ursachen eher als Auslöser des Tinnitus und sehen die eigentliche Hauptursache im Gehirn. Sie gehen davon aus, dass es aufgrund der oben genannten „Auslöser“ zu Umbauarbeiten in der Hörrinde im Gehirn kommt und folglich zu den quälenden Ohrgeräuschen. Wenn die Haarzellen im Innenohr, z.B. aufgrund eines Schalltraumas zerstört werden, können diese keine Informationen weiter an die Nervenzellen in der Hörrinde geben. Diese Nervenzellen sind dann quasi arbeitslos und tun nichts. Die Frequenzen für die sie zuständig sind, können dem Gehirn also nicht angeboten werden.
Wie im wahren Leben auch: dort wo an einer Stelle weniger gearbeitet wird, muss an anderer Stelle mehr gearbeitet werden. In diesem Fall bedeutet das, dass die Nachbarnervenzellen fleißiger sind und dem Gehirn eine Frequenz im Übermaß anbieten. Dadurch könnten Ohrgeräusche entstehen.

Es könnte laut einiger Forscher auch so sein, dass die arbeitslosen Nervenzellen überreagieren und es dadurch zu den Ohrgeräuschen kommt. Da oft die Ohrgeräusche in dem Frequenzbereich wahrgenommen werden, in dem sich der größte Hörverlust nachweisen lässt, könnte diese Theorie stimmen.
Weiter hatten bestimmte Forscher beobachtet, dass bei manchen Betroffenen ein bestimmter Bereich im Gehirn, der sogenannte präfrontale Cortex oft verkleinert war. Die Aufgabe des präfrontalen Cortexes ist u.a. Störgeräusche, wie einen Tinnitus zu unterdrücken.
Auch wurde festgestellt, dass bei manchen Betroffenen das anteriore Cingulum im Gehirn geschädigt sei. Dieses habe die Aufgabe bestimmten Reizen mehr oder weniger Aufmerksamkeit zu schenken. Stuft das anteriore Cingulum die Ohrgeräusche als bedeutend ein, dann kann es für den Betroffenen umso schwieriger sein wegzuhören.

Ob die Ohrgeräusche negativ, positiv oder neutral empfunden werden, kann abhängig sein von der Amygdala, einem anderen Hirnbereich im limbischen System. Bei einem chronischen Tinnitus geht man auch davon aus, dass ein sogenanntes Tinnitus-Gedächtnis im Hippocampus entsteht. Manche Autoren gehen davon aus, dass die Ohrgeräusche eine Art Spur im Gehirn hinterlassen, die die Nervenzellen einladen, erneut den „Tinnitus-Weg“ zu gehen. Die Auslöser, Ursachen und Theorien eines Tinnitus werden weiter sehr kontrovers diskutiert.

Lesen Sie mehr zu diesem Thema unter: Ursachen eines Tinnitus

Stress als Ursache

In verschiedenen Studien wurde ein Zusammenhang zwischen Stress und einem Tinnitus festgestellt. Allerdings muss Stress nicht unbedingt zu einem Tinnitus führen. Erst wenn der Stress als belastend wahrgenommen wird, kann er unangenehme Ohrgeräusche verursachen. Diese Art von Stress bezeichnet man als Distress.
Stressfaktoren, auch Stressoren genannt, sind alle Reize, die Stress verursachen und den Körper zu einer Anpassungsreaktion auffordern. Ein Tinnitus kann ein solcher Stressfaktor sein. Häufig sind die Ohrgeräusche bei den Betroffenen bei belastendem Stress intensiver und lauter.
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Inwieweit der Tinnitus, bzw. der erlebte Stress als belastend empfunden wird, ist individuell unterschiedlich. In Studien fand man Zusammenhänge zwischen psychischer Instabilität, Stressbewältigung und Tinnitus. Ein gesunder Lebensstil in Kombination mit Stressbewältigungsstrategien zeigte einen positiven Einfluss auf die Ohrgeräusche. Es konnte beobachtet werden, dass bei körperlich und seelisch gesunden Menschen, bei denen ein Tinnitus durch Stress ausgelöst wurde, dieser auch wieder verschwand, nach dem die Stressphase vorbei war.
Manche Autoren gehen davon aus, dass ein Tinnitus auch durch oxidativen und nitrosativen Stress verursacht werden kann. Das heißt man vermutet, dass freie Sauerstoffradikale und Stickstoffverbindungen im Körper zu Zellschäden führen und unter anderem so auch einen Tinnitus auslösen können. Ob diese Art von Stress zur Entstehung eines Tinnitus beiträgt, wird kontrovers diskutiert. Doch da der obengenannte Distress einen Tinnitus auslösen oder verstärken kann, scheint ein individuelles Stressmanagment bei Ohrgeräuschen in jedem Fall hilfreich und sinnvoll.

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Halswirbelsäule als Ursache

In welchem Ausmaß und tatsächlicher Häufigkeit die Halswirbelsäule und das Kiefergelenk in Zusammenhang mit einem Tinnitus stehen, ist noch unklar. Es werden 3 Mechanismen beschrieben, die basierend auf eine Halswirbelsäulenerkrankung einen Tinnitus verursachen können: vom Nerv ausgehend, vom Muskel ausgehend oder durch Durchblutungsstörungen.
Als ursächlich für einen Tinnitus, der von der Halswirbelsäule ausgeht, seien Blockaden, Fehlstellungen, Schleudertraumata und falsche oder zu grobe Chiropraktik zu nennen.
Wenn der Tinnitus durch Halswirbelsäulenerkrankung entstanden ist, dann tritt er meist einseitig auf. Er ist oft als tiefes Brummen oder Rauschen bei Kopfdrehung zu hören. Weiter können bei einem Tinnitus, der durch Halswirbelsäulenschädigungen entstanden ist, zusätzlich Schwindel und Hörstörungen auftreten. Wichtig ist dann eine gezielte Diagnostik der Wirbelsäule durch einen Orthopäden und eine Zusammenarbeit zwischen Betroffenem, HNO-Arzt und Orthopäde.

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Alkohol als Ursache

Der Zusammenhang zwischen Tinnitus und Alkoholkonsum ist noch nicht vollständig wissenschaftlich erforscht. Es wird bei einem akuten Tinnitus empfohlen auf Alkohol zu verzichten. Es gibt Studien, in denen beobachtet wurde, dass Alkoholkonsum den Tinnitus verstärken und ihn sogar auslösen kann.
Es wird ein Zusammenhang vermutet, da Alkohol direkt auf das Gehirn wirkt und das Gehirn auch bei der Entstehung vom subjektiven zentralen Tinnitus eine Rolle spielt. Manche Betroffene berichteten von einem kurzfristig geringerem Ohrgeräusch nach Alkoholkonsum. Man vermutet, dass dies durch eine kurzfristige Entspannung möglich sein könne. Da man jedoch von der längerfristigen toxischen Wirkung des Alkohols weiß, wird dringend davon abgeraten, diesen regelmäßig oder in größeren Mengen zu konsumieren.
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Diagnose

Eine wesentliche Bedeutung in der Diagnostik kommt der Patientenbefragung (Anamnese) zu, bei der darauf eingegangen werden sollte, wie lange die Beschwerden schon anhalten (Unterscheidung zwischen akut, subakut und chronisch), ob das Ohrgeräusch so leise ist, dass es durch Umweltgeräusche überdeckt werden kann, ob zusätzliche Hörminderungen auf dem betroffenen oder auf dem anderen Ohr bestehen, ob das Ohrgeräusch durch psychische Einflüsse oder bei körperlichen Belastungen beeinflusst wird, ob es zu einer Veränderung des Geräusches bei unterschiedlichen Körper oder Kopflagen kommt, ob die Art des Tinnitus durch bestimmte Getränke oder Speisen verändert werden kann und ob Begleiterkrankungen, wie Herz-Kreislauferkrankung, Arteriosklerose, Stoffwechselstörungen bestehen. Des Weiteren sollte der Patient gefragt werden, welche Medikamente er einnimmt. Es gibt verschiedene Medikamente, die eine ohrschädigende Wirkung haben und auch zu tinnitusähnlichen Beschwerden führen können.

Unter diesen Gesichtspunkten kann man den häufigen Tinnitus unbekannter Ursache von den durch Medikamenten , Stoffwechselerkrankungen und Erkrankungen des Kreislaufsystems bedingtem Tinnitus unterscheiden. Nach der Befragung des Patienten sollte man dann individuell und nicht nach einem strengen Schema entsprechende Untersuchungen am Patienten durchführen. Zur Auswahl stehen hier eine HNO - ärztliche Untersuchung des Ohres inklusive des Trommelfells und eine Nasopharyngoskopie (Untersuchung und Spiegelung des Nasen-Rachenraumes) und die Untersuchung der Tubendurchgängigkeit. Von internistischer Seite sollte die Arteria carotis mit einem Stethoskop abgehört (auskultiert) oder eine sogenannte Dopplersonographie durchgeführt werden, um atherosklerotische Veränderungen und damit verbundene Durchblutungsstörungen auszuschließen.

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Eine Tonaudiometrie mit Erfassung der Unbehaglichkeitsschwelle (der Punkt, an dem das Hören eines normalen Tones schmerzhaft wirkt), Bestimmung der Lautheit des Tinnitusgeräusches sowie Bestimmung der Art des Tones und die Frequenz, Bestimmung des sogenannten Maskierungslevel (welchen Ton muss man von außen zuführen, damit der Patient seinen Tinnituston nicht mehr wahrnimmt), Untersuchung des Trommelfels und des Stapediusreflex in Bezug auf Atemtätigkeit, eine Hirnstammaudiometrie, neuronale Prüfung des Nervus vestibularis, Untersuchung der Haltung und der Wirbelsäule (damit soll gesichtet werden, ob unter Umständen wirbelsäulebedingte Haltungsschäden ein Gefäß oder einen Nerv so beeinträchtigen, dass das Ohr unterversorgt wird) sowie Untersuchung des Gebiss und des Kauapparates sollte bei jedem Patienten mit einem Tinnitus durchgeführt werden. Dieser zur Grunddiagnostik gehörenden Untersuchungselemente können im Einzelfall noch weitere Untersuchungen angeschlossen werden. Bei Verdacht auf eine Raumforderung (Tumor), die zu einer Beeinträchtigung des Hörnerven mit einem daraus resultierenden Tinnitus führt, kann ein Computertomographie (CT) oder eine Magnetresonanztomographie (MRT) angefertigt werden. Um bestimmte Autoimmunerkrankungen oder Infektionen ausschließen zu können, kann ein entsprechendes Blutbild des Patienten durchgeführt werden. Das Blut sollte untersucht werden auf: Borreliose, HIV/ AIDS, Lues, Rheumafaktoren, gewebsspezifische Antikörper, Blutzucker, Blutfette, Leberenzyme und Schilddrüsenhormone. Bei Verdacht auf eine Mitbeteiligung des zentralen Nervensystem sollte eine Liquordiagnostik (Hirnwasseruntersuchung) durchgeführt werden. Neben der internistischen Untersuchung der Gefäße sollte auch eine psychische Komponente des Tinnitus bedacht und durch eine entsprechende psychosomatische Befundung durch einen Psychiater durchgeführt werden. Eine Tinnitusdiagnostik ist eine disziplinübergreifende Aufgabe, die HNO- Fachärzte, Internisten, Zahnmediziner, Neurologen und Psychologen beschäftigen kann.

Fragebogen zur Tinnitus-Diagnostik

Ein häufig zu Anwendung kommender Fragebogen wurde von Goebel und Hiller entwickelt. Er beinhaltet 51 Fragen, die dem Patienten gestellt und die im Anschluss ausgewertet werden. Die gestellten Fragen werden in Skalen unterteilt, die folgendermaßen benannt sind: emotionale Beeinträchtigungen, kognitive Beeinträchtigungen, Penetranz des Tinnitus, Hörprobleme, Schlafstörungen, somatische körperliche Störungen. Je nach Beantwortung der Fragen kann eine Klassifizierung des Tinnitus durchgeführt werden.

Behandlung

Der akute Tinnitus verschwindet in etwa 70-80% der Fälle durch eine Behandlung der Ursache oder verschwindet von allein. In 20-30% der Fälle des akuten Tinnitus bleiben die Ohrgeräusche. Wichtig ist eine Diagnostik durch einen HNO-Arzt und ggf. anderen Ärzten, z.B. Orthopäden oder Internisten, je nach Ursache des Tinnitus.
Der chronische Tinnitus verschwindet nicht mehr, aber es gibt inzwischen verschiedene Möglichkeiten wie Betroffene gut damit umgehen können.
Durch mangelhafte oder fehlerhafte Aufklärung und Information, sowie durch Resignation oder Angst kann der Tinnitus Krankheitscharakter annehmen. Hierbei können weitere Erkrankungen, sowie Einschränkungen in der Bewältigung und Teilhabe des Alltags resultieren. Daher ist es wichtig, dass der Betroffene sich informiert, selbst Verantwortung für sein Wohlergehen übernimmt und Unterstützungsangebote nutzt. Eine Möglichkeit ist der Besuch einer Selbsthilfegruppe um sich mit Betroffenen auszutauschen. Manche Betroffene benötigen (zusätzlich) therapeutische Unterstützung von einer Fachperson. Adressen und Informationen sind bei der Deutsche Tinnitus Liga hinterlegt.

Lesen Sie mehr zu diesem Thema unter: Behandlung eines Tinnitus

Medikamente

Es gibt keine speziellen Medikamente gegen den Tinnitus. Bisher wird noch daran geforscht, aber spezielle Präparate gegen die Ohrgeräusche gibt es aktuell noch nicht. Es gibt allerdings verschiedene Psychopharmaka, die auf das Gehirn wirken und den von dort ausgehenden Tinnitus reduzieren und die Ohrgeräusche mildern. Gleichzeitig wirken Sie gegen Schlafstörungen und können durch einen verbesserten Schlaf, auch indirekt Wirkung auf den Entspannungszustand haben. Bei einem chronischen Tinnitus sind Ein- und Durchschlafprobleme sehr häufig. Ein mangelnder oder eingeschränkter Schlaf kann den Entspannungszustand negativ beeinflussen und sich als Distress äußern. Dieser kann wiederum den Tinnitus verstärken.

Tebonin®

Bei einem akuten Tinnitus kann es förderlich sein, dass die Durchblutung und der Nährstofftransport im Innenohr und im Gehirn unterstützt wird. Dies kann z.B. durch die Einnahme von Tebonin® erreicht werden. Blutzellbestandteile werden dehnbarer gemacht, so dass der Sauerstoff- und Nährstofftransport ins Innenohr und Gehirn leichter erfolgen kann.
Bei einem chronischen Tinnitus kann Tebonin® die Zusammenarbeit der Nervenzellen im Gehirn beeinflussen. Es kann eine Verbesserung der Anpassungsfähigkeit des Gehirns bewirken und somit die Wahrnehmung störender Ohrgeräusche vermindern. Dies kann bei einem chronischen, subjektiven Tinnitus dazu beitragen, dass weitere Maßnahmen, wie das gezielte „weghören“ besser gelingen kann. Dadurch, dass der Tinnitus leiser wahrgenommen wird, kann es zu einer Stressentlastung, besserem Schlaf und einem gesteigerten Wohlbefinden kommen und somit zu einer Steigerung der Lebensqualität führen.

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Cortison

Die Deutsche Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde empfiehlt in ihrer Leitlinie „Tinnitus“ eine Behandlung mit Cortison bei einem akuten und subakuten Tinnitus. Wenn die Phase einer möglichen Selbstheilung (1-2 Tage) nach einem akut auftretenden Tinnitus vorüber ist, wird laut Leitlinie empfohlen eine Cortisonbehandlung in Betracht zu ziehen.
Cortison ist kein spezifisches Medikament gegen den Tinnitus. Man beobachtete aber eine Verbesserung der Durchblutung und positive Auswirkungen auf das Immunsystem, sowie eine entzündungshemmende Wirkung. Auch beobachtete man, dass es zu einer Abschwellungen im Gehörgang und im Innenohr beiträgt. Die genaue Wirkung des Cortisons bei Tinnitus wird noch wissenschaftlich erforscht. Man vermutet, dass das Cortison an den Empfängern, den sogenannten Rezeptoren, in der Gehörschnecke wirkt.

Um die möglichst beste Wirkung von Cortison zu erreichen, wird es über Spritzen oder über eine Tropfbehandlung gegeben. Meist wird das Cortison über 3 Tage hochdosiert verabreicht. Danach wird es langsam reduziert. In der Regel dauert eine Cortisonbehandlung bei einem akuten oder subakuten Tinnitus etwa 10 Tage.

Lesen Sie mehr zu diesem Thema unter: Cortison

Physiotherapie

Bei einem Tinnitus, der durch eine Halswirbelsäulenerkrankung verursacht wurde, wirkt manchmal eine physiotherapeutische Behandlung unterstützend. Die Inhalte der Behandlung sollten individuell abgestimmt werden. Oft wird ein Physiotherapeut mit einer Zusatzausbildung in der manuellen Therapie empfohlen. Manche Betroffene haben positive Erfahrungen mit Ansätzen aus der Osteopathie oder Kinesologie gemacht. Es wurden Inhalte wie die manuelle Behandlung von Sehnen, Bändern, Muskeln, Haut und Unterhautgewebe, sowie aktive Bewegungsübungen als unterstützend empfunden.
Auch das Erlernen einer günstigen Körperhaltung, das Erlernen und das Durchführen individueller Übungen, das Erlernen einer Balance zwischen sportlicher Aktivität und körperlicher Ruhe, sowie die Verbesserung der Körperwahrnehmung hatten positive Effekte auf den Betroffenen. Auch Kältebehandlungen zur Durchblutungsförderung und damit Förderung der Entspannung, Linderung von Schmerzen und Verbesserung des Dehnungszustandes der Muskeln wurden bei manchen Betroffenen als wirksam empfunden.

Homöopathie

Fachärztliche Autoren beschreiben eine mögliche, unterstützende homöopathische Behandlung bei Vorliegen eines Tinnitus. Bei der Anwendung sind eine ausführliche Befragung des Betroffenen und ein umfangreiches Wissen des Behandelnden notwendig. So unterschiedlich die Ursachen des Tinnitus und dessen individuelle Ausprägung sein können, so unterschiedlich kann die Anwendung von homöopathischen Mitteln sein. Es werden Globuli eingesetzt, die gern von Kindern eingenommen werden. Beispiele sind Phosphorus, Petroleum, Rectificatum, Cocculus, Nux vomica und Arnica.
Es erfolgt in der Regel eine Anwendung in der Potenz D12 und als Dosierung werden meistens 5 Globuli 3x täglich empfohlen. Welche Globuli angewendet werden, richtet sich nach dem Charakter der Ohrgeräusche, zusätzlichen Beschwerden und der Krankengeschichte des Betroffenen.

Phosphorus wird manchmal bei Betroffenen eingesetzt, die empfindlich gegen schwache Geräusche und andere Reize reagieren und schnell bzw. häufig über seelische und körperliche Erschöpfung klagen. Betroffene, die über Hörverlust und ein „dumpfes“ Geräusch, sowie über ein Jucken, Klopfen und Brennen im Ohr klagen, werden manchmal mit Phosphorus behandelt.
Petroleum wird z.B. bei klopfenden Ohrgeräuschen eingesetzt, manchmal in Verbindung mit Schwindel und Juckgefühl im Rachen und äußerem Gehörgang, sowie Übelkeit.
Ein anderes Beispiel ist Arnica, welches beim akuten Lärmtrauma gegeben wird. Beim Lärmtrauma kann es zu Schwellungen kommen, auf die Arnica eine abschwellende Wirkung haben kann.

Wichtig ist, dass die Ursache des Tinnitus vor einer homöopathischen (Selbst)-Behandlung fachärztlich abgeklärt wird.

Noiser

Bei einem chronischen Tinnutis kann ein „Rauscherzeuger“, ein sogenannter Noiser in manchen Fällen Abhilfe schaffen. Ein Noiser kann hinter oder im Ohr angebracht werden. Wichtig ist jedoch darauf zu achten, dass der äußere Gehörgang frei bleibt, damit weiter alles gehört werden kann. Ein Noiser muss sehr individuell ausgesucht und angepasst werden.

Wenn ein Tinnitus länger als 3 Monate andauert, handelt es sich meist um einen chronischen Tinnitus. Bei mehr als der Hälfte der Betroffenen tritt gleichzeitig ein Hörverlust auf. Oft wirkt hier ein eingebauter Noiser, in einem Hörgerät, unterstützend. In verschiedenen Hörgerät-Modellen kann dieser sogenannte Tinnitus-Noiser problemlos eingebaut werden. Der Noiser erzeugt ein beruhigendes, leises Rauschen. Oft wird dieses Rauschen vom Betroffenen als angenehm empfunden.
Durch diesen Noiser wird die Hörbahn im Gehirn besänftigt. Bestenfalls reagiert das Filtersystem des Gehirns nach einer Weile so, dass es sowohl den Tinnitus, sowie den Tinnitus-Noiser als unwichtig einstuft und herausfiltert und quasi damit „beseitigt“. Wenn dies geschieht, wird der Tinnitus nicht mehr wahrgenommen.

Ein Noiser bildet die Basis für eine Retraining-Therapie. Hierbei soll der Betroffene lernen das Ohrgeräusch nicht mehr als störend und quälend zu empfinden, sowie ein gezieltes „Weghören“ erlernen. Diese Behandlungsform ist angelegt für längerfristige Erfolge. Es kann etwa 6 Monate dauern bis die ersten Erfolge für den Betroffenen wahrnehmbar sind.
Neben verschiedenen Hörgerätmodellen, die den Einbau eines Tinnitus-Noisers ermöglichen, gibt es auch eine Smartphone Tinnitus Balance App. Hier kann man Zugriff bekommen, zu einer Art Bibliothek für Klänge und Musik, die beim Tinnitus eingesetzt werden können.

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Prophylaxe

Da die Ursache eines Tinnitus weitgehend unbekannt ist, gibt es eigentlich nur die Prophylaxenempfehlung eine Atherosklerose der Gefäße zu vermeiden (Gefahr der Durchblutungsstörung des Ohres) sowie das Reduzieren von Stress und Haltungsschäden.

Prognose

In einigen Fällen kommt es auch ohne Behandlung zu einem spontanen Verschwinden der Ohrgeräusche. Bei einem akuten Tinnitus werden Heilungsverläufe in 60%-80% verzeichnet. Bei chronischen oder subakuten Tinniti ist eine Heilung oft wesentlich seltener. Auch wenn es unterschiedliche Beurteilungen einer Akutherapie und deren Wirksamkeit gibt, sollte nach den aktuellen Richtlinien nach wie vor mit einer schnellen Behandlung bei einem akuten Tinnitus begonnen und so die Heilungswahrscheinlichkeiten unter Umständen zum positiven beeinflusst werden. Bei subakuten und chronischen Verläufen kommt es zwar seltener zum absoluten Verschwinden der Ohrgeräusche, jedoch kann durch entsprechende Verhaltenstherapie der Leidensdruck gesenkt und ein normaleres Leben mit den Ohrgeräuschen ermöglicht werden.

Tinnituserkrankte Berühmtheiten

Dass Tinnitus eine sehr alte Erkrankung ist, zeigen auch diverse Überlieferungen von historischen Berühmtheiten, die ebenfalls unter Tinnitus zu leiden hatten. Darunter zählen: Martin Luther, Beethoven, Rousseau, Smetana und Goya

Geschichtliche Aspekte des Tinnitus

Das Krankheitsbild Tinnitus bzw. unbekannte Ohrgeräusche sind schon sehr früh beschrieben worden. Erste Überlieferungen konnten bereits auf alten ägyptischen Papyri, auf babylonischen Tontäfelchen und im Ayur Veda, das Buch der indischen Medizin, gefunden werden. In der babylonischen Medizin im 17. Jahrhundert vor Christus herrschte die Meinung vor, dass Ohrgeräusche verdeckte Botschaften Geistern und Göttern wären, die den Patienten zugeflüstert werden. Das Krankheitsbild wurde durch das Einbringen verschiedener Mixturen in das Ohr versucht zu behandeln. Auch das Aussprechen diverser Zaubersprüche sollte Besserung der Symptomatik bringen. Hippokrates stellte fest, dass die meisten Ohrgeräusche verschwanden, wenn sich der Patient einer lauteren Geräuschquelle näherte. Er vermutete, dass der Tinnitus ausschließlich einer Pulsation von Gefäßen zugrunde liegt. Plinius 23-79 nach Christus prägte dann erstmals den Begriff Tinnitus und empfahl zur Behandlung ein Sud aus Rosenöl, Honig und Granatapfelrinde.

Zusammenfassung

Unter einem Tinnitus versteht man allgemein das Vorhandensein von Ohrgeräuschen, die nicht aus der näheren Umgebung des Patienten herrühren können. Die Beschwerden sind schmerzlos aber meistens mit einem wattigen Hören bzw. Hörstörungen und zum Teil schwindelbegleitenden Beschwerden verbunden. Grund ist das ungewohnte Einohrhören, das das Gleichgewichtssystem durcheinanderbringt. Die Ursachen eines Tinnitus sind weitestgehend ungeklärt. Die unterschiedlichen Theorien konzentrieren sich auf neuronale Faktoren, Durchblutungsstörungen sowie psychogene Faktoren. Die Ohrgeräusche werden von den Patienten meistens als permanent und zum Teil von ansteigender Lautstärke beschrieben. Die Art der Ohrgeräusche kann durch unterschiedliche Frequenzen verursacht werden und vom Patienten als pfeifende, brummende, zischende oder quietschende Töne wahrgenommen werden. Tinniti kann man zum einen nach dem Entstehungsort (objektiv= pulsierendes Gefäß oder Druck ausübender Nerv; subjektiv= Ort ist unbekannt) nach der Dauer der Erkrankung (akut= in den letzten drei Monaten, subaktut= zwischen 3 Monaten und einem Jahr; chronisch= länger als ein Jahr) und nach dem Befinden des Patienten in 4 Grade einteilen, wobei Grad 1 vom Patienten kaum wahrgenommen und eher überhört werden kann, Grad 4 aber so stark ist, dass das alltägliche Leben des Patienten stark beeinträchtigt ist. Diese Beeinträchtigungen können sich in Konzentrationsstörungen, Gereiztheit, Schlafstörungen, Angstzustände und Depressionen äußern. In ganz extremen Fällen kommt es auch zu Selbsmordgedanken oder zu durchgeführten Selbstmorden. Die Diagnostik ist individuell auf den entsprechenden Patienten anzupassen. Aus Kostengründen und aus Gründen des hohen Aufwandes sollte das Vollprogramm der Diagnostik nur bei Patienten durchgeführt werden, bei denen nach der Grunddiagnostik keine Behandlung erfolgen konnte. Wichtiges Diagnostikkriterium ist die Krankenbefragung, in der Dauer der Erkrankung, Art der Beschwerden und Beeinträchtigung im täglichen Leben erfragt werden sollte. Die Diagnostik von Tinnituspatienten ist eine disziplinüberschreitende Diagnsotik, in die HNO-Ärzte, Neurologen, Internisten und ggf. Psychologen eingebunden sein sollten. Die Behandlung von Patienten mit einem akuten Tinnitus solle schnell erfolgen, um die Prognose einer Heilung entsprechend zu erhöhen. Dabei kommen blutverdünnende Medikamente, Lokalanästhetika oder entzündungshemmendes Kortison zum Einsatz. Bei Patienten mit einem chronischen Tinnitus muss das Augenmerk eher auf die psychogene Behandlung gerichtet werden, die sich auf Verhaltenstherapie und autogenes Training konzentriert. Diesen Patienten muss vermittelt werden, dass das Ohrgeräusch vermutlich nicht komplett verschwinden, ein entsprechendes kognitives Training aber die Wahrnehmung des Tinnitus nach unten regulieren wird. Die Behandlung eines akuten Tinnitus und der subakuten Verlaufsform ist eine gemischte Behandlung aus akuter und chronischer Therapieform. Einige zum Teil vielversprechende Therapien befinden sich momentan noch in der klinischen Erprobung, wie z.B. die hyperbare Sauerstoffbehandlung, in der der Patient in einer Überdruckkammer Sauerstoff zugeführt bekommt, oder eine Behandlungsform, bei der der Patient den gleichen Ton, den er hört, durch ein kleines Hörgerät permanent zusätzlich eingespielt bekommt. Trotz vielversprechenden Ergebnissen, werden diese Behandlungen noch nicht von den Krankenkassen übernommen und müssen vom Patienten selbst finanziert werden. Der akute Tinnitus verschwindet in 60%-80% von selbst. Die Prognose der subaktuten und der chronischen Form ist weitaus schlechter und muss u.U. das gesamte Leben ertragen werden.

Autor: Dr. Nicolas Gumpert Veröffentlicht: 26.10.2010 - Letzte Änderung: 12.01.2023