Epilepsie und Schwangerschaft

Darf ich mit einer Epilepsie schwanger werden?

Die Unsicherheit, ob man mit einer bekannten Epilepsie schwanger werden kann, betrifft viele Frauen. Die Frage nach Vererbung, Nebenwirkungen von Medikamenten und Schaden für das Kind bei einem epileptischen Anfall während der Schwangerschaft sind dabei oft die Drängendsten. Im Regelfall gilt, dass eine Epilepsie eine Schwangerschaft nicht ausschließt.
Die Schwangerschaft sollte im Idealfall aber geplant sein und die Besonderheiten während der Schwangerschaft mit dem behandelnden Neurologen und Gynäkologen besprochen werden, um einerseits die größten Sorgen aus der Welt zu schaffen und andererseits die vorhandenen Risiken zu reduzieren. Dies kann durch eine Anpassung der aktuellen Medikation, regelmäßigen Blutkontrollen und Vorsorge- sowie Ultraschalluntersuchungen geschehen. In der Regel verlaufen dann Schwangerschaften bei einer bekannten Epilepsie komplikationslos.

Welche Epilepsiemedikamente darf ich nehmen?

Die Einnahme von Antiepileptika erhöht das Risiko von Fehlbildungen um das Dreifache im Gegensatz zu Kindern gesunder Mütter, die keine Medikamente einnehmen. Klinische Studien haben gezeigt, dass Monotherapien, also die Einnahme von nur einem Medikament, das Risiko deutlich senkt im Vergleich zu Kombinationstherapien. Diese sollten daher möglichst vermieden werden. Außerdem sollte die geringste wirksame Tagesdosis bestimmt werden und das Medikament gleichmäßig über den Tag verteilt eingenommen werden, um hohe Konzentrationsspitzen im Blut zu vermeiden. Vor allem unter Kombinationstherapien, aber teilweise auch unter Monotherapie kann es zu einer Abnahme der Folsäurekonzentration kommen. Diese Abnahme erhöht das Risiko von Spaltbildungen des Schädels und Neuralrohrdefekten. Deshalb sollte vor allem im ersten Drittel der Schwangerschaft täglich Folsäure eingenommen werden.

Unter diesen Voraussetzungen kann prinzipiell in der Schwangerschaft jedes Antiepileptikum eingenommen werden. In den ersten drei Monaten sollte jedoch möglichst die Einnahme von Valproinsäure vermieden werden, da unter dieser Therapie die höchste Fehlbildungsrate besteht. Da Valproinsäure jedoch vor allem bei generalisierten Epilepsien sehr wirksam ist und schwer darauf verzichtet werden kann, sollten zumindest Tagesdosen über 1000mg und Blutspiegel über 80mg/l nicht überschritten werden.
Enzymreduzierende Antiepileptika (z.B. Phenytoin, Phenobarbital, Primidon, Carbamazepin) können zu Gerinnungsstörungen und damit erhöhter Blutungsneigung führen, welche im schlimmsten Fall Hirnblutungen beim Kind und Bauchraumblutungen bei der Mutter während oder kurz nach der Geburt auslösen können. Um dies zu vermeiden, sollte der Mutter kurz vor und dem Kind kurz nach der Geburt Vitamin K verabreicht werden.
Phenytoin und Phenobarbital können zu einem Mangel an Vitamin D führen. Eine Vitamin-D-haltige Ernährung und ausreichend Sonne können diesem Mangel vorbeugen.
In jedem Fall sollte beachtet werden, dass auch der mütterliche Körper während der Schwangerschaft unter Umständen anders arbeitet. Das bedeutet, dass die Medikamente gegebenenfalls besser oder schlechter aufgenommen oder abgebaut werden können, was die Konzentration des Medikaments im Blut beeinflusst. Um eine Über- oder Unterdosierung des jeweiligen Antiepileptikums zu verhindern, sollte also regelmäßig eine Blutkontrolle durchgeführt werden.

Lamotrigin

Lamotrigin ist das Medikament der ersten Wahl bei fokalen Epilepsien mit und ohne sekundäre Generalisierung, primär generalisierten Anfällen und therapieresistenten Anfällen. Es wird bevorzugt eingesetzt bei depressiven Patienten mit Anfallsleiden. Vorteile sind, dass es keinen beruhigenden und einschläfernden Effekt hat und die intellektuellen Leistungen erhöht. Insgesamt hat Lamotrigin wenige Nebenwirkungen und ist nicht schädlich für das ungeborene Kind und ist deshalb das Mittel erster Wahl in der Schwangerschaft. Die einzige schwere Nebenwirkung ist das Steven-Johnson-Syndrom (akut auftretende Hautausschläge).

Schaden die Medikamente gegen Epilepsie meinem Kind?

Medikamente gegen Epilepsie erhöhen das Risiko von Fehlbildungen beim ungeborenen Kind etwa um das Dreifache. Vor allem unter Einnahme von klassischen Antiepileptika (Valproinsäure, Carbamazepin, Phenobarbital, Phenytoin) treten Fehlbildungen des Gesichtes und der Fingerendglieder, Wachstumsverzögerungen in der Schwangerschaft und Entwicklungsstörungen des Zentralnervensystems häufiger auf. So ist etwa jedes 5. Bis 10. Kind, bei welchem während der Schwangerschaft diese Medikamente eingenommen wurde, von mindestens einer dieser Auffälligkeiten betroffen. Zu den neueren Antiepileptika, außer zu Lamotrigin (s.o.), gibt es noch nicht ausreichend Daten, um das Risiko abschätzen zu können.
Nach der Geburt können im Laufe von einigen Monaten noch Nachwirkungen der Medikamente auf das Neugeborene auftreten. Die beruhigende Wirkung vieler Medikamente kann bis zu einer Woche andauern und sich beim Kind durch Schläfrigkeit, Trinkschwäche und verminderter Muskelspannung bemerkbar machen. Entzugssymptome können einige Tage bis mehrere Monate andauern und zeigen sich zum Beispiel durch häufiges Schreien, starke Unruhe, Erbrechen, Durchfall oder erhöhter Muskelspannung. Außerdem ist häufig ein geringerer Kopfumfang des Neugeborenen zu beobachten, vor allem nach der Einnahme von Primidon und Phenobarbital.

Fehlbildungen

Fehlbildungen unterschiedlicher Ausprägung des Kindes bei Schwangeren mit Epilepsie sind zwei bis drei Mal so häufig wie im Bevölkerungsdurchschnitt. Die sogenannten „großen“ Fehlbildungen bei Kindern sind Herzfehler, Lippen-Kiefer-Gaumenspalten und Spina bifida (Spaltrücken). Zurückzuführen sind diese Fehlbildungen in der Regel auf die antiepileptische Therapie und die Art der Anfälle während der Schwangerschaft. Um Fehlbildungen zu vermeiden, sollte bereits vor der Schwangerschaft eine Therapie angestrebt werden, die sowohl Anfälle bei der werdenden Mutter verhindert, als auch möglichst geringe schädigende Wirkung auf das Kind hat.

Schadet ein epileptischer Anfall meinem Kind?

Es ist noch nicht sicher geklärt, ob Anfälle in der Schwangerschaft dem ungeborenen Kind schaden. Schwere Verletzungen der Mutter, bedingt durch einen Anfall, stellen mit großer Wahrscheinlichkeit eine Gefahr für das Kind dar, besonders, wenn diese in der Bauchregion sind.
Auch lang anhaltende Anfälle wirken sich negativ auf das ungeborene Kind aus. Bei diesen Anfällen sinkt die Herzfrequenz des Kindes, was zu einem Sauerstoffmangel führen kann. Insbesondere der Status epilepticus, also ein Anfall, der länger als fünf Minuten dauert oder mehrere Anfälle, die in kurzen Abständen hintereinander auftreten, können lebensgefährlich für Mutter und Kind sein. Dieser tritt in der Schwangerschaft allerdings sehr selten auf und bei schnell einsetzender Notfalltherapie führt er nur noch selten zum Schwangerschaftsabbruch.

Wird eine Epilepsie weiter vererbt?

Die Epilepsie im engeren Sinne wird eher selten vererbt. Die Vererbung ist Abhängig von der Epilepsieform und in den meisten Fällen keine Erbkrankheit im engeren Sinne.Trotzdem spielen genetische Faktoren eine gewisse Rolle, denn bei Kindern mit an Epilepsie erkrankten Eltern ist eine erhöhte Anfallsbereitschaft zu beobachten. Um aber im Laufe des Lebens tatsächlich eine Epilepsie zu entwickeln, spielen noch viele andere Faktoren eine Rolle, sodass nur bei etwa 3-5% der Kinder eine Epilepsie ausbricht. Mit hoher Wahrscheinlichkeit ist diese Epilepsie dann aber eine gutartige, relativ leicht behandelbare Epilepsie. Auffällig ist allerdings, dass Kinder, bei denen beide Elternteile von Epilepsie betroffen sind, ein deutlich höheres Erkrankungsrisiko haben.
Seltener sind monogene Epilepsien, also Epilepsien, die Aufgrund der Mutation eines einzelnen Genes auftreten und über dieses vererbt werden können. Ein Beispiel ist die gutartige familiäre Neugeborenenepilepsie. Diese setzt etwa am 2. oder 3. Lebenstag ein, kann relativ gut behandelt werden und endet häufig von alleine.

Beschäftigungsverbot

Ein Beschäftigungsverbot kann dann vom Arzt erteilt werden, wenn eine Gefährdung der Gesundheit von Mutter und Kind besteht. Dieses Verbot wird bei Epilepsie nicht generell ausgesprochen, sondern muss im Einzelfall geprüft werden. Schlafentzug oder Stress aufgrund des Arbeitsplatzes (beides Faktoren, die einen epileptischen Anfall begünstigen können) können Gründe sein, ein Beschäftigungsverbot auszusprechen. Diese Faktoren sollten in jedem Fall mit dem behandelnden Arzt besprochen werden und abgewogen werden, ob eine Gefährdung vorliegt.

Weiterführende Informationen

Weitere Informationen zu Symptomen, Diagnose und Therapie der Epilepsie finden Sie unter:

Eine Übersicht über bereits veröffentlichte Themen der Neurologie finden Sie unter: Neurologie A-Z.

Autor: Dr. Nicolas Gumpert Veröffentlicht: 19.07.2017 - Letzte Änderung: 22.10.2021