Extrapyramidale Störung

Einleitung

Zu dieser Gruppe von Krankheitsbildern zählen beispielsweise das

Bei allen ist das so genannte extrapyramidal - motorische System nicht mehr ausreichend funktionstüchtig. Dessen Aufgabe ist es die Bewegungen, die der Körper ausführen soll zu koordinieren. Geregelt wird die Kraft, Richtung und Geschwindigkeit der Bewegungen. Das extrapyramidale System löst nicht direkt die Bewegungen aus, sondern beeinflusst sie lediglich und sorgt für einheitliche, flüssige Bewegungsabläufe.

Ursache

Das extrapyramidale Syndrom bezeichnet eine Sammlung von Symptomen, wie sie bei verschiedenen neurologischen Erkrankungen auftreten, z.B. Chorea Huntington oder Parkinson. Das extrapyramidale System bezeichnet Nervenfasern, die außerhalb der Hauptbewegungsbahn (Fachbegriff Pyramidenbahn) liegen und helfen unsere Bewegungen zu steuern. Über die Pyramidenbahn  werden die bewussten Bewegungen ausgeführt. Das extrapyramidale Bewegungssystem ist zuständig für die Feinjustierung und beeinflusst die Pyramidenbahn. Es ist zuständig für die Stütz- und Haltefunktion und Muskelspannung (Fachbegriff Tonus) sowie für die rumpfnahen Bewegungen der Gliedmaßen. Extrapyramidalsystem und die Hauptbewegungsbahn arbeiten eng zusammen, nur so ist Bewegung überhaupt möglich und nur so ist gezielte Bewegung und Feinmotorik ausführbar.

Das extrapyramidale Syndrom beschreibt Störungen innerhalb des extrapyramidalen Systems, die diese Bereiche betreffen. Die genaue Störung ist je nach Krankheitsbild verschieden. Meist kommt aus verschiedenen Gründen zu einem Untergang von Nervenzellen (z.B. auch bei Parkinson und Chorea Huntington), weitere mögliche Ursachen können Folge der Einnahme von giftigen Substanzen oder Medikamenten sein oder auch infolge einer Minderdurchblutung im Gehirn (wie z.B. bei einem Schlaganfall), es kann aber auch eine genetische Ursache für bestimmte Erkrankungen vorliegen. Es kommt zum Fehlen wichtiger Teile innerhalb der Verschaltung für den Bewegungsablauf. Beim Parkinson fehlen aktivierende Aspekte, sodass es zu einer Minderbewegung kommt (Fachbegriff Hypokinesie), bei der Chorea Huntington fehlen hemmende Aspekte, wodurch es zu einem Bewegungsüberschuss kommt (Fachbegriff Hyperkinesie).

Morbus Parkinson

Das mittlere Erkrankungsalter beim Morbus Parkinson liegt bei 55 Jahren. In etwa 10 Prozent der Fälle tritt eine familiäre Häufung auf. Im Mittelhirn liegt ein Mangel an einem bestimmten Botenstoff (med.: Neurotransmitter), dem Dopamin, vor. Andere Neurotransmitter, die dem Dopamin entgegen wirken, überwiegen nun. Durch die so entstehende fehlende Hemmung bestimmter Hirnregionen führt der Dopaminmangel zu einem erhöhten Tonus (Spannung der Muskulatur) der Beuge- und Streckmuskulatur. Andere Regionen, die normalerweise angeregt werden, werden nun stärker gehemmt. Zu den typischen Symptomen des Morbus Parkinson zählen Rigor (Steife), Tremor (Zittern) und Akinese (Verlangsamung der Bewegungen) und posturale Instabilität (Unfähigkeit das Gleichgewicht zu halten, wenn man z.B. geschubst wird). Der Rigor entsteht durch die Zunahme des Muskeltonus (Spannung der Muskulatur). Der Tremor zeichnet sich dadurch aus, dass er in Ruhe auftritt und bei gezielten Bewegungen (beispielsweise dem Greifen nach etwas) nachlässt. Die Akinese lässt sich besonders gut am kleinschrittigen Gang erkennen. Meist haben die Patienten auch ein so genanntes Maskengesicht, da auch die mimische Muskulatur beeinträchtigt ist. Die Diagnose erfolgt in erster Linie klinisch, anhand des Erscheinungsbildes des Patienten. Versucht man den gebeugten Arm des Patienten zu Strecken, so stellt man ein gewisses „Stottern“ der Bewegung fest, das so genannte Zahnradphänomen.

Eine konservative Behandlung des Morbus Parkinson, sprich Krankengymnastik und Bewegungstraining, sollten ebenso erfolgen, wie die ausführliche Aufklärung des Patienten und dessen Angehörigen.
Als medikamentöse Therapie des Morbus Parkinson kann versucht werden durch die Substitution des fehlenden Botenstoffes eine Linderung der Beschwerden herbei zu führen. Nicht nur der Botenstoff selbst, sondern auch Substanzen, welche die gleiche Wirkung zeigen, werden eingesetzt. Eine Heilung der Krankheit ist bis heute nicht möglich. Lediglich das Fortschreiten kann aufgehalten bzw. verlangsamt werden.

Viele weitere hilfreiche Informationen erhalten Sie unter unserem Thema: Morbus Parkinson.

Chorea Huntington

Bei der Erkrankung der Chorea gibt es mehrere Unterformen. Die bekannteste ist wohl die Chorea major (Chorea Huntington). Auch eine minor- Form tritt auf. Es handelt sich um eine erbliche Krankheit. Eine defekt vererbte Genkopie reicht aus, um zu erkranken. Im Gegensatz zum Parkinson liegt hier eine verstärkte Wirkung desselben Botenstoffes (Dopamin) vor („umgekehrter Parkinson“). Aufgrund der gegensätzlichen Ursache zum Morbus Parkinson, sind auch die Beschwerden der Patienten im Grunde gegensätzlich. Bei der Chorea kommt es zu hypotonen (schlaffen) Muskeln und Bewegungssteigerung (Hyperkinesien).
Unter Hyperkinesen versteht man plötzliche, blitzartige und vor allem unwillkürliche schleudernde Bewegungen. Bei der Chorea Huntington speziell kommen ergänzend Persönlichkeitsänderungen hinzu.
Da es sich um eine erbliche Erkrankung handelt, spielt die Befragung (nach) der Familie und ähnlichen Krankheiten eine große Rolle. Neurologische Untersuchungen, CCT (Computertomographie des Schädels), EEG (Elektro-Enzephalo-Gramm = Messung der Hirnströme) und Blutentnahmen folgen.
Die Ursache kann leider nicht beseitigt werden, die Krankheit ist also unheilbar. Gegen die plötzlichen unwillkürlichen Bewegungen können Medikamente verabreicht werden, die das Auftreten verringern sollen. Prognose der Chorea Huntington beträgt 15 – 20 Jahre Überlebenszeit. Bei der Chorea minor besteht einegute Prognose mit einer Erkrankungsdauer von 1 – 6 Monaten, eine Ausheilung ist möglich.

Weitere Informationen zu diesem Thema finden Sie unter: Chorea Huntington

Dystonie

Es handelt sich bei der Dystonie um einen Spannungszustand der Muskulatur mit abnormen Haltungen. Diese können vereinzelt (z.B. nur die rechte Halsseite), einseitig oder generalisiert auftreten. Die Ursache liegt im Untergang von Nervenzellen, welche für die Koordination von Bewegungen wichtig sind. Es treten familiäre Häufungen auf. Auch Tumore (gut- oder bösartig) sind möglich. Es liegen also primäre und sekundäre, durch andere Erkrankungen ausgelöste, Formen vor. Je nach Lokalisation der Läsion im Nervengewebe kommt es zu verschiedenen Beschwerden. Häufig ist die so genannte Torticollis spasmodicus. Hierunter versteht man eine langsam fortschreitende spastische Hals- und Nackenmuskulatur- Kontraktion. Der Kopf dreht sich dann zur Gegenseite.
Auch andere Körperteile (Hände, Arme) können sich durch Muskelkontraktionen verkrampfen.

Die Diagnose wird durch Anamnese (Befragung) des Patienten und einer neurologischen Untersuchung gestellt. Die Therapie erfolgt durch die Gabe von Medikamenten, die die Muskelverkrampfungen verhindern sollen. Die Injektion von Botulinum - Toxin (Botox®) zeigt ebenfalls gute Wirkung, ist aber noch in der genaueren Erprobung und sollte nur von Fachärzten der Neurologie angewendet werden, da sie bei unprofessioneller Anwendung zu erheblichen Nebenwirkungen (z. Bsp. Schluckbeschwerden) führen kann. Das Botox® blockiert die Rezeptoren, an denen sich normalerweise die Botenstoffe, welche die Muskelkontraktion vermitteln, anheften. Dieses Gift ist nach etwa 3 bis 4 Monaten abgebaut, so dass eine erneute Injektion erfolgen muss. Diese Krankheit schreitet immer weiter fort.

Tourette-Syndrom

Das Tourette - Syndrom ist eine vererbbare Krankheit, die Männer häufiger betrifft, als Frauen. Auch hier ist eine bestimmte Hirnregion, die Basalganglien, betroffen. Letztendlich werden aktuell viele verschiedene Ursachen der Tourette-Syndroms diskutiert. Keine Theorie ist jedoch soweit belegt, dass man von einer gesicherten Ursache sprechen kann. Die Patienten leiden unter motorischen Tics (Augenzwinkern, Mundzuckungen, Zungenschnalzen, Schulterzuckungen). Tics sind unkontrollierbare Muskelbewegungen. Auch vokale Tics sind möglich (Geräusche, Räuspern, Grunzen, auch ganze Wörter). Zwangsstörungen gehören ebenso zu den Symptomen. Zur Diagnosestellung dient die Befragung des Patienten, neurologische Untersuchungen und das EEG. Als Therapie kommen Spiel- und Gesprächstherapie in Frage. Die Zwangssymptome können medikamentös behandelt werden. Auch die Tics werden versucht mittels Medikamenten einzudämmen.

Weitere Informationen zu diesem Thema finden Sie unter:

Wie sehen begleitende Symptome aus?

Äußert sich ein extrapyramidales Syndrom mit einem Bewegungsüberschuss so treten unwillkürliche Armbewegungen auf. Auch die Gesichtsmuskulatur wird häufig unwillkürlich bewegt, zum Beispiel in Form von kauenden Bewegungen.

Äußert sich ein extrapyramidales Syndrom mit einer Bewegungsarmut, so kann ein Zittern auftreten, ein Einfrieren beim Losgehen oder beim Greifen nach einem Gegenstand (das heißt der Patient will die Bewegung ausführen, aber der Fuß oder die Hand beginnt einfach nicht mit der Bewegung). Auch die Mimik kann insgesamt verarmen, sodass die betroffene Person meist nur ein ausdrucksloses Gesicht zeigt.

Die Ausprägung der Symptome kann jeweils auf bestimmte Erkrankungen hinweisen. Allgemein stürzen die Betroffenen zudem häufiger. Da viele der ursächlichen Erkrankungen dem neurodegenerativen Formenkreis angehören, tritt häufig auch eine begleitende Demenz auf. Auch die Persönlichkeit der betroffenen Person kann sich verändern. Es können zum Beispiel scheinbar grundlose Aggressionen auftreten. Bemerken die Betroffenen diese Veränderungen sind auch Depressionen keine seltene Begleiterkrankung.

Lesen Sie auch unser Thema: Symptome bei Morbus Parkinson

Wie stellt man die Diagnose?

Die Diagnose wird vor allem durch ein ausführliches ärztliches Gespräch (Fachbegriff Anamnese) und eine genaue körperliche Untersuchung gestellt. Es wird genau untersucht welche Art von Bewegungsarmut oder Bewegungsüberschuss vorliegt und wie sie sich äußert. So kann in manchen Fällen bereits eine eindeutige Diagnose gestellt werden. Da verschiedene Krankheitsbilder jedoch ineinander übergehen, wird bis zur definitiven Diagnose häufig nur über das Vorliegen eines extrapyramidalen Syndroms gesprochen. Bestimmte bildgebende Verfahren (z.B. bestimmte MRT-Untersuchungen) und bestimmte Blutwerte in manchen Fällen können die Diagnose bestätigen. Oft werden auch noch weitere diagnostische Verfahren angeschlossen, um andere Erkrankungen auszuschließen. Manchmal gehören Gentests, eine Entnahme von Rückenmarkswasser (Fachbegriff Liquor) oder das Ansprechen auf bestimmte Medikamente mit zur Diagnosefindung.

Eine allgemeine Aussage über eine Prognose ist nicht möglich. Es kommt hierbei ganz auf das spezifische Krankheitsbild und auf die verschiedenen Therapiemöglichkeiten sowie auf Vorgeschichte und Familiengeschichte an.

Wie funktioniert die Koordination von Bewegungen?

Die Koordination von Bewegungen wird in einem Teil des Gehirns gesteuert, der im Zwischen- und Mittelhirn liegt. Hier erfolgt die Steuerung der unwillkürlichen Bewegungen und Körperhaltung.
Das so genannte extrapyramidale System besteht aus mehreren Komponenten, die alle verschiedene Aufgaben erfüllen und doch perfekt zusammen arbeiten. Im Hirnstamm beispielsweise werden Halte- und Stellreflexe verschaltet. Diese sind unwillkürlich. Keiner muss bewusst über das Stehen nachdenken, um stehen zu bleiben.
Auch wenn der Bus schnell in eine scharfe Kurve fährt, fallen wir in der Regel nicht um, sondern regulieren unsere Kraft zur Gegenseite – blitzschnell und ohne darüber nachdenken zu müssen.
Als weitere Station ist der Thalamus, das „Tor zum Bewusstsein“, zu nennen. Hier werden die Informationen über die Stellung von Muskeln und Gelenken verarbeitet und wahrgenommen.
Das Kleinhirn spielt eine große Rolle beim Gleichgewicht.
In den Basalganglien werden bestimmte Bewegungsabläufe gespeichert und abgerufen.

Zusammenfassung

Zu den Störungen der Bewegungskoordination zählen unter anderem das Parkinson- Syndrom, Chorea Huntington, Tourette- Syndrom und die Dystonie. Alle haben die Tatsache gemeinsam, dass sich Bewegungen nicht mehr ausreichend koordinieren lassen.
Diese Beschwerden reichen von Zittern der Hände bis hin zum erhöhten Muskeltonus, also eher verkrampfter Muskulatur.
Je nach Krankheit sind verschiedene Körperareale betroffen. Auf Ebene des Gehirns sind verschiedene Mechanismen gestört, die jedoch alle das so genannte extrapyramidale System betreffen.

Weiterführende Informationen

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Autor: Dr. Nicolas Gumpert Veröffentlicht: 11.12.2007 - Letzte Änderung: 06.11.2021