Harnverhalt

Synonyme

Harnretention, Harnverhaltung, Ischurie
Lat. = Retentio urinae
Engl. = retention of urine

Definition

Unter einem Harnverhalt versteht man das Unvermögen, Wasser zu lassen, obwohl die Blase gefüllt ist. Bei dem Krankheitsbild „Harnverhalt“ handelt es sich um einen urologischen Notfall.

Epidemiologie

Die Inzidenz des Harnverhalts beträgt 14 pro 100 000 Einwohner pro Jahr.

Ursachen

Für einen Harnverhalt verantwortlich sein können:

  1. mechanische Obstruktion (Einengung) unterhalb der Harnblase
  2. Trauma
  3. mangelhafte neurogene Funktion der Blase oder des Blasenschließmuskels (Blasensphinkter)
  4. Medikamente
  5. gynäkologische Veränderungen
  6. ärztliche Eingriffe und deren Folgen (iatrogene Ursache)
  7. Psyche

Obstruktionen, welche einen Harnverhalt bedingen, können durch Veränderungen der Prostata (Vorsteherdrüse) entstehen, wie Prostatavergrößerung (Hyperplasie), Prostataabszess (entzündliche Gewebseinschmelzung mit Eiterbildung) oder Prostatakrebs (Karzinom). Da die Prostata die Harnröhre umgibt, welche den Harn aus der Blase nach draußen leitet, wird bei genannten Veränderungen dieser Abflussweg eingeengt, so dass ein Stau mit Harnverhalt entsteht. Auch Krankheiten der Harnröhre selbst können solch eine Obstruktion mit anschließendem Harnverhalt zur Folge haben. Hierzu zählen Harnröhrenstriktur, Harnröhrenkrebs oder Harnröhrendivertikel (Ausstülpung der Schleimhaut). Weiterhin kann solch eine mechanische Verlegung ebenfalls durch einen Blasenstein entstehen.
Traumata, die einen Harnverhalt nach sich ziehen, können die Harnröhre oder aber die Harnblase betreffen. Ein Abriss der Harnröhre, wodurch nachfolgend der Harnabfluss unterbrochen ist oder eine sogenannte Blasentamponade stellen Beispiele für ein Trauma mit nachfolgendem Harnverhalt dar. Unter einer Blasentamponade versteht man eine massive Blutung in der Harnblase mit Blutkoagelbildung und Harnverhalt.Weiterhin kann ein Harnverhalt neurogene Ursache haben, das heißt, der Grund liegt in Veränderungen des Nervensystems.
Beispiele hierfür sind ein Bandscheibenvorfall der LWS, wobei die Bandscheibe die Nerven komprimiert, die die Blasen- sowie Schließmuskelfunktion steuern und somit eine adäquate Blasenentleerung verhindern. Auch bei multipler Sklerose (MS), Herpes-zoster-Virus-Infektion oder Borreliose können entsprechende Nerven geschädigt werden, so dass ein Harnverhalt auftritt. Außerdem entsteht bei einem sogenannten spinalen Schock ein neurogener Harnverhalt. Hierbei kommt es aufgrund eines nervalen Ausfalls zu einer Kreislaufinsuffizienz und in dessen Verlauf zu einem Harnverhalt.Ein weiterer Grund für einen Harnverhalt können bestimmte Medikamente sein. Hierzu zählen Antiallergika (Medikamente zur Behandlung allergischer Reaktionen), Analgetika (Schmerzmittel), Mittel zur Behandlung von Parkinson, Anästhetika (Narkosemittel) oder Antiarrhythmika (Medikamente gegen Herzrhythmusstörungen).

Gynäkologische Erkrankungen können ebenfalls einen Harnverhalt verursachen.
Beispiele sind eine Senkung der Gebärmutter und der Scheide (Descensus uteri et vaginae; uterus = Gebärmutter, vagina = Scheide), denn hierdurch drücken diese Organe von außen die Harnröhre zusammen. Folglich ist der Harnfluss behindert, ein Harnverhalt entsteht.Desweiteren sind iatrogene Gründe zu nennen. Bestimmte operative Eingriffe in Blasennähe lösen unter Umständen einen reflektorischen Harnverhalt aus.Als letztes gibt es noch psychogene Gründe, welche einen Harnverhalt verursachen. Psychisch bedingt ist der Patient nicht in der Lage, seine Blase zu entleeren, beispielsweise aus Schamgefühl.

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Symptome

Patienten, welche an einem Harnverhalt leiden, klagen über stärksten Harndrang, sind jedoch gleichzeitig unfähig, die Blase zu entleeren (Leitsymptom).
Weiterhin kann die gefüllte Blase als Schwellung im Unterbauch sichtbar sein, die Patienten sind blass, unruhig und Schwitzen.
Bei neurogener Ursache für einen Harnverhalt können die Schmerzen jedoch auch fehlen.

Weiterführende Informationen

Weitere interessante Informationen zum Harnverhalt finden Sie unter:

Autor: Dr. Nicolas Gumpert Veröffentlicht: 07.02.2011 - Letzte Änderung: 22.10.2021