Hirnatrophie

Hirnatrophie

Was ist eine Hirnatrophie?

Eine Hirnatrophie wird umgangssprachlich auch als Gehirnschwund bezeichnet. Mit diesen Begriffen wird ein alters- oder krankheitsbedingter Verlust von Hirngewebe beschrieben.
Das heißt, wenn der Verlust von Masse und Volumen des Gehirns durch Absterben von Nervenzellen das altersbedingte Normmaß überschreitet, liegt eine Hirnatrophie vor.

Oftmals steht sie in Verbindung mit verschiedenen neurologischen Erkrankungen. Man unterscheidet eine generalisierte von einer fokalen Hirnatrophie.
Bei einer generalisierten Hirnatrophie sind alle Bereiche des Gehirns betroffen. Bei einer fokalen Hirnatrophie sind nur bestimmte Bereiche betroffen.
Je nach Ausmaß und Lokalisation des Schwunds können unterschiedliche Ausfallerscheinungen und Störungen auftreten.

Ursachen

Eine Hirnatrophie kann mannigfaltige Ursachen haben. Sie kann durch akute und chronische Erkrankungen ausgelöst werden.
Akute Auslöser können Schädel-Hirn-Traumata und ausgeprägte Schlaganfälle sein. In diesen Fällen kommt es zum akuten irreversiblen Absterben von Nervenzellen, dies kann eine Hirnatrophie zur Folge haben.

Zu den chronischen ursächlichen Erkrankungen zählen beispielsweise die Multiple Sklerose, bestimmte Epilepsien, Syphilis, AIDS und Demenzerkrankungen, wie Morbus Alzheimer. Zudem können Drogenmissbrauch, bestimmte Dauermedikationen und Alkoholismus zu einer Hirnatrophie führen.

Außerdem können verschiedene Essstörungen aufgrund einer Mangelernährung Gehirnschwund verursachen.

Laut einigen Autoren können auch schwere oder immer wiederkehrende Depressionen zum Absterben von Nervenzellen und damit zu einem Verlust von Masse und Volumen des Gehirns führen.

Welche Rolle spielt Alkohol?

In verschiedenen Studien wurde festgestellt, dass regelmäßiger Alkoholkonsum zu einer Hirnatrophie führen kann.
Hier sprechen Fachleute von der 3er Regel:

  • etwas 1/3 der Betroffenen entwickeln keine Hirnatrophie,
  • bei 1/3 kommt es zu einer reversiblen Hirnatrophie
  • und bei einem weiteren Drittel entsteht eine irreversible Hirnatrophie.

Manche Autoren vermuten eine Beziehung zwischen der Aminosäure Homocystein und der alkoholbedingten Hirnatrophie.

Die giftige Aminosäure Homocystein entsteht im Körper, wenn die Aminosäure Methionin abgebaut wird. Eine erhöhte Konzentration von Homocystein im Blut schädigt die Gefäße. Dies kann Auswirkungen auf das Herz und auf das Gehirn haben. Wenn das Gehirn nicht mehr ausreichend durchblutet wird, kann es zu Hirnatrophien kommen. Zudem besetzt Homcystein bestimmte Rezeptoren im Gehirn und verhindert damit eine physiologische Regulation. Schließlich führt dies dazu, dass Nervenzellen absterben.

Es gibt verschiedene Faktoren und Erkrankungen, die zu einem erhöhten Homocysteinspiegel führen können. Auch ein regelmäßiger Alkoholkonsum kann die Konzentration von Homocystein im Blut erhöhen. Da Folsäure der natürliche Gegenspieler ist, kann diese zum Teil die giftige Wirkung von Homocystein relativieren.

Die Schädigungen im Gehirn betreffen insbesondere den Hippocampus und Teile des Frontalhirns.

In verschiedenen Studien wurde festgestellt, dass bei Abstinenz die Hirnatrophie wieder reversibel sein kann. Das heißt, dass es theoretisch möglich ist, dass mehr als 100.000 Nervenzellen im Monat neugebildet werden können. Bei extremer und andauernder Alkoholzufuhr ist dies allerdings nicht möglich. Zudem ist zu beachten, dass ein permanenter Alkoholkonsum nicht vorhersehbare temporäre und dauerhafte, schwerwiegende Schädigungen und Erkrankungen verschiedener Organe begünstigt.  

Ursachen einer frontalen Hirnatrophie?

Eine frontale Hirnatrophie kann verschiedene Ursachen haben.

Der frontale Bereich entspricht der Region des Gehirns, welches sich hinter der Stirn befindet. Akute Ereignisse in dem Bereich, wie beispielsweise ein ausgeprägter Schlaganfall oder ein schweres Schädel-Hirn-Trauma können zu einer frontalen Hirnatrophie führen.
Zudem können chronische Erkrankungen, wie der Morbus Pick, einen Schwund von Gehirngewebe im Stirn- und Schläfenbereich verursachen. Diese Erkrankung wird auch als frontotemporale Demenz bezeichnet.

Des Weiteren gibt es Subtypen vom Morbus Alzheimer, die im frontalen Bereich lokalisiert sind und dort eine Hirnatrophie auslösen können.

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Hirnatrophie bei Multiple Sklerose?

In verschiedenen Studien wurde nachgewiesen, dass im Rahmen von Multiple Sklerose eine Hirnatrophie entstehen kann und dass diese bestimmte Beschwerden verursacht.
Manche Autoren schätzen den Gehirnschwund pro Jahr bei einer Person, die an Multiple Sklerose erkrankt ist, etwa in der Größe von einem Esslöffel ein.

Diese Schätzung betrifft Personen, deren Erkrankung mittelstark ausgeprägt ist. Bei sehr leichten und sehr schweren Formen passt diese Angabe nicht.
Inzwischen kann durch neue Behandlungsmöglichkeiten der Gehirnschwund auf etwa einen Teelöffel reduziert werden.

Lange dachte man, dass die Beschwerden und Schübe der Erkrankung auf die geschädigten Myelinscheiden zurückzuführen seien. Nun wurde aber festgestellt, dass es durch die Hirnatrophie zu Schäden in der grauen Gehirnsubstanz kommen kann. Ein verstärkter Abbau der Nervenzellfortsätze und den Synapsen bewirkt eine Verstärkung und ein Fortschreiten der Symptome. Daher ist neben der Vermeidung der Schübe auch die Reduzierung des Gehirnschwunds essentielles Behandlungsziel bei Multiplen Sklerose.

Da die Hirnatrophie schleichend passiert, wird sie oftmals erst bemerkt, wenn sie bereits irreversibel ist. Daher sind bei vorhandener Multiple Sklerose regelmäßige Kontrolluntersuchungen unbedingt notwendig.

Der nächste Artikel könnte für Sie ebenfalls von Interesse sein: Therapie von Multipler Sklerose

Diagnose

Je nachdem wodurch die Hirnatrophie verursacht wurde und ob sie akut oder schleichend entstanden ist, wird sie zu einem früheren oder späteren Zeitpunkt von den Patienten oder den Angehörigen erkannt.

Bei einem schleichenden Beginn wird oftmals erst spät ein Arzt aufgesucht. Dieser führt eine Eigen- und eine Fremdanamnese durch.
Das heißt er befragt den Patienten selbst und zusätzlich die Angehörigen.

Bei Auffälligkeiten werden entsprechende Screeningverfahren zur Testung der kognitiven, sprachlichen, neuropsychologischen und sensomotorischen, Leistungen durchgeführt. Das heißt Orientierungsleistungen, verschiedene Gedächtnis-, Konzentrations-, Aufmerksamkeitsleistungen, sowie die visuelle-räumliche Wahrnehmung, Reaktionsfähigkeit, die Koordination, die Sprachmotorik und das Sprachverständnis werden geprüft. Außerdem werden Stimmungsschwankungen und Stimmungstiefs, Persönlichkeitsveränderungen und der Antrieb erfasst.

Sollten in einem der Bereiche Einschränkungen auffallen, werden diese genauer betrachtet. Zudem ist es notwendig bildgebende Verfahren wie die Computertomographie (CT), die Magnetresonanztomographie (MRT) oder die Positronen-Emissions-Tomographie (PET) durchzuführen.

Weitere Informationen zu diesem Thema können Sie hier nachlesen:

Was sieht man im MRT vom Gehirn?

Man kann in der Magnetresonanztomographie (MRT) vom Gehirn die unterschiedlichen Gewebearten des Gehirns sichtbar machen.
Es entstehen durch mathematische Rechnungen des Computers Schnittbilder, in denen die verschiedenen Ebenen und Schichten des Gehirns angezeigt werden. Zudem lassen sich Tumore und Entzündungen darstellen. Knochen sind jedoch nicht gut erkennbar. Die unveränderten Bilder vom MRT sind schwarz-weiß.

Ob Stellen dunkler oder heller erscheinen, ist abhängig vom Wasserstoffgehalt des jeweiligen Gehirngewebes. Ein noch differenzierteres Bild erlangt man, in dem ein Kontrastmittel gespritzt wird. Das Kontrastmittel hat eine hellere Farbe und macht es möglich, dass Blutgefäße vom Nachbarschaftsgewebe unterschieden werden können.

Überdies sammelt sich das Kontrastmittel häufig in Tumoren und ermöglicht diese besser darzustellen und deren genaue Lokalisation und Größe zu erfassen.

Lesen Sie mehr zum Thema unter: Ablauf eines MRT

Symptome - welche Symptome deuten auf eine Hirnatrophie hin?

Je nach betroffenem Gehirnareal können die Symptome sehr unterschiedlich ausfallen. Oftmals können eine Antriebsminderung und eine Veränderung der Persönlichkeit mit Interessenverlust und sozialer Rückzug erste Anzeichen sein.

Im Fachjargon wird dieses Symptom auch als Apathie bezeichnet.
Außerdem können psychische Veränderungen, die sich in Stimmungsschwankungen, Affektlabilität, Enthemmtheit und Depressionen äußern, auf eine Hirnatrophie hinweisen.
Dies birgt die Gefahr, dass eine Hirnatrophie fälschlicherweise „nur“ als Depression interpretiert und entsprechend falsch behandelt wird.

Zudem können kognitive Einschränkungen auftreten, die vom Pateinten selbst oftmals nicht bemerkt werden. Je nach vorhandenem Bildungsstand und Intelligenz können diese Einschränkungen lange kompensiert werden.

Die kognitiven Einschränkungen können sich als Störungen

  • in der Merkfähigkeit,
  • des Problemlöseverhaltens,
  • der Orientierung,
  • der Aufmerksamkeit,
  • der Konzentration,
  • der räumlich-visuellen Wahrnehmung,
  • im Denken
  • und im Handeln zeigen.

Des Weiteren können eine eingeschränkte Sprachproduktion, motorische Einschränkungen und auch eine eingeschränkte Riechfähigkeit auf eine Hirnatrophie hinweisen.
Bei ausgeprägter Hirnatrophie kann es zu Krampfanfällen und Halluzinationen kommen.

Lesen Sie mehr zum Thema unter: Medikamente gegen Depressionen

Behandlung und Therapie

Die Therapie einer Hirnatrophie richtet sich nach der auslösenden Erkrankung. Ziel jeglicher Behandlung ist es, das Fortschreiten der Hirnatrophie zu stoppen. Entsprechend wird versucht die ursächliche Grunderkrankung adäquat zu behandeln.

Sollte der Gehirnschwund aufgrund Drogen- oder Alkoholmissbrauch entstanden sein, sollte eine Entzugstherapie durchgeführt werden. Wenn die Hirnatrophie durch bakterielle Infektionen ausgelöst wurde, werden Antibiotika eingesetzt.

Falls Viren für die Hirnatrophie verantwortlich sind, werden Virustatika verabreicht. Bei dementiellen Erkrankungen, Multiple Sklerose und Epilepsie wird versucht individuell einen Weg zu finden den Verlust der Hirnmasse zu reduzieren.

Die Behandlung kann sowohl medikamentöse, als auch Ergo-, Physio-, Sprach- und Neuropsychotherapie und neurochirurgische Maßnahmen beinhalten.

Sehr wichtig ist daneben eine empathische sowie kompetente Beratung und die Unterstützung der Angehörigen.

Noch mehr Informationen zur Therapie einer Hirnatrophie lesen Sie unter: Ergotherapie

Verlauf einer Hirnatrophie

Eine Hirnatrophie kann durch ein akutes Ereignis, wie beispielsweise einem schweren Schlaganfall plötzlich auftreten und ein Absterben von Nervenzellen in kürzester Zeit verursachen. Die Hirnatrophie muss in diesen Fällen nicht generell fortschreiten.

Falls eine Hirnatrophie aufgrund degenerativer Erkrankungen entstanden ist, ist der Beginn meist schleichend. In diesen Fällen verläuft die Hirnatrophie progredient (fortschreitend).

Häufig gestellte Fragen

Ist eine Hirnatrophie reversibel?

Insgesamt ist die Hirnatrophie häufig irreversibel. Das bedeutet, dass die Nervenzellen, die abgestorben sind, meist nicht wieder regenerieren.
Es ist aber in gewissen Rahmen möglich, dass sich neue Nervenzellen bilden.

Je nach Ursache der Hirnatrophie, kann diese gestoppt werden. Das heißt, dass beispielsweise bei einem Verzicht von Alkohol und Drogen auch die Hirnatrophie nicht mehr andauert.
Bei degenerativen Erkrankungen, wie die Multiple Sklerose oder Morbus Alzheimer kann das Fortschreiten nur verzögert, aber nicht gestoppt werden.

Das heißt, der Abbau von Hirngewebe dauert an.

Ist eine Hirnatrophie vererbbar?

Die Hirnatrophie an sich ist nicht vererbbar, aber ein paar Grunderkrankungen, die eine Hirnatrophie auslösen können, können vererbt werden.

Beispielsweise wird Morbus Pick vererbt.

Wie beeinflusst eine Hirnatrophie die Lebenserwartung?

Früher war es so, dass eine Hirnatrophie eine Minimierung der Lebenserwartung beinhaltete. Inzwischen haben sich die medizinischen Möglichkeiten weiter entwickelt, so dass die Annahme, dass eine Hirnatrophie die Lebenserwartung verringert, nicht (mehr) behauptet werden kann.

Mittlerweile gibt es sowohl effizientere Untersuchungsmöglichkeiten, als auch zielführendere medikamentöse, chirurgische und nicht-medikamentöse Maßnahmen, die einer Hirnatrophie im gewissen Maße entgegen wirken können oder kompensatorischen Nutzen haben.

Eine Hirnatrophie korreliert demnach nicht grundsätzlich mit der Lebenserwartung. Das bedeutet, dass nicht generell eine geringere Lebenserwartung bei entstandener Hirnatrophie gegeben ist.

Je nachdem welche weiteren Symptome, Einflüsse und Bedingungen der Erkrankung, die die Hirnatrophie ausgelöst haben, vorliegen, kann die Lebenserwartung unterschiedlich hoch oder niedrig ausfallen.

Welcher Zusammenhang besteht zwischen einer Hirnatrophie und Demenz?

Bei dementiellen Erkrankungen kommt es aufgrund verschiedener Pathomechanismen zu einem Absterben von Nervenzellen und somit zur Hirnatrophie.
Die Ursache der jeweiligen Demenzform kann unterschiedlich sein.

Bisher hat man 4 mögliche Ursachen festgestellt.
Dazu zählen Durchblutungsstörungen, das Vorhanden sein von Lewy Körperchen, Amyloidplaques und Ablagerungen von einem Protein, das als Tau bezeichnet wird.
Die verschiedenen Demenzformen unterscheiden sich durch ein paar typische Merkmale, aber alle bewirken Störungen im Denken, Handeln, der Sprache und der Koordination.

Lesen Sie mehr zum Thema unter: Durchblutungsstörungen

Was ist eine Kleinhirnatrophie?

Bei einer Kleinhirnatrophie schwindet Gehirnsubstanz des Kleinhirns.
Die Ursachen werden in drei Gruppen eingeteilt:

  • die hereditäre,
  • die sporadische und
  • die symptomatische Form.

Die hereditären Formen, sind die Kleinhirnatrophien, die vererbt werden.
Die symptomatischen Formen werden beispielsweise durch Medikamente, Viren oder Alkohol ausgelöst. Die sporadischen Formen werden angenommen, wenn beide anderen Formen ausgeschlossen werden konnten.

Die Formen unterscheiden sich nach der Symptomatik und haben charakteristische Merkmale, aber alle haben gemeinsam, dass das Kleinhirn atrophiert. Folglich kommt es zu Ausfällen, die die eigentlichen Aufgaben des Kleinhirns betreffen. Das bedeutet, dass die Betroffenen häufig Probleme in der Bewegungskoordination des Körpers, Sensibilitätsstörungen, Einschränkungen der Augenmotorik, sowie kognitive Defizite haben.

Die klassischen vier Symptome bei einer Kleinhirnatrophie sind eine Ataxie, eine Dysmetrie, ein Intentionstremor und eine Dysarthrie.

  • Eine Ataxie ist gekennzeichnet durch unkoordinierte, unkontrollierte Bewegungen vom Rumpf, Armen und Beinen.
  • Eine Dysmetrie beschreibt ein Greifen oder Zielen oder Zeigen an einem Ziel vorbei.
  • Ein Intentionstremor ist ein Zittern der Arme, welches sich beim zielgerichteten Greifen zeigt.
  • Eine Dysarthrie ist eine Sprechstörung, die sich in einer abgehackten, verwaschenen oder anders veränderten Artikulation äußert.

Lesen Sie mehr zum Thema unter: Kleinhirnatrophie und Kleinhirnschädigung

Weitere Informationen

Weitere Informationen zum Thema finden Sie unter:

Autor: Dr. Nicolas Gumpert Veröffentlicht: 30.04.2019 - Letzte Änderung: 18.09.2024