Der Überbegriff Hypophysentumor beschreibt verschiedene Arten von Tumoren, die völlig verschiedene klinische Bilder hervorrufen können, die demnach auch einer sehr unterschiedlichen Behandlung bedürfen. Ist die Diagnose jedoch einmal gestellt, besteht für den Patienten eine gute Chance, die Krankheit in den Griff zu bekommen und ein normales Leben zu führen.
Hypophysenadenom, Tumor der Hirnanhangsdrüse
Englisch: pituitary tumor
Ein Hypophysentumor ist eine meist gutartige Neubildung von hormonbildenden Zellen der Hirnanhangsdrüse (Hypophyse). Die Hirnanhangsdrüse ist eine etwa kirschkerngroße Drüse, liegt mittig im Schädel in der Schädelbasis, etwa in Höhe der Nase, und wird in einen Vorder- und einen Hinterlappen unterteilt. Als hormonbildende Drüse, die sehr unterschiedliche Arten von Botenstoffen (Hormonen) produziert, stellt die Hypophyse die wichtige Schnittstelle zwischen dem Gehirn und dem Hormonsystem dar. Der häufigste Hypophysentumor geht vom Hypophysenvorderlappen aus und wird als Hypophysenadenom bezeichnet. Bei einem Hypophysentumor unterscheidet man die hormonell inaktiven von den hormonell aktiven, wobei letztere noch nach der Art des Hormons eingeteilt werden (Hypophysentumor).
Obwohl die Hypophyse nicht aus Hirngewebe besteht, wird der Hypophysentumor zu den Hirntumor gezählt und macht 10 bis 15% aller Gehirntumoren aus. Es erkranken jährlich etwa 3 bis 4 Personen pro 100.000, wobei weder ein bestimmtes Alter noch Geschlecht bevorzugt wird.
Bisher sind keine Ursachen für das Entstehen eines Hypophysentumors bekannt. Es gibt allerdings eine seltene Erbkrankheit, die sogenannte Multiple Endokrine Neoplasie (MEN-1), bei der die erhöhte Neigung besteht, einen Hypophysentumor zu entwickeln, wobei dieser dann meistens von einer Nebenschilddrüsenüberfunktion (Nebenniere) und Tumoren der Bauchspeicheldrüse begleitet ist.
Ein Hypophysentumor geht in der Regel von einer einzigen entarteten Zelle aus. Da die Zellen unterschiedliche Hormone bilden, lassen sich mehrere Arten von Tumoren unterscheiden, die, je nach produziertem Hormon, auch unterschiedliche Symptome hervorrufen.
Einige Symptome lassen sich auf die Lage der Hirnanhangsdrüse zurückführen und darauf, dass der Tumor bei seinem Wachstum Hirngewebe verdrängt. Die Hypophyse liegt direkt unter der Kreuzung der Sehnerven. Wenn der Hypophysentumor wächst und als Folge auf die Nerven drückt, entstehen charakteristische Gesichtsfeldausfälle, die das außen liegende Gesichtsfeld betreffen, weshalb man hier auch von „Scheuklappenblindheit“ spricht (bitemporale Hemianopsie).
Ein hormoninaktiver Hypophysentumor löst erst spät Beschwerden aus und wird deshalb auch meist erst entdeckt, wenn er bereits relativ groß ist. Auch dieser Tumor kann Hormone produzieren, die allerdings nicht wirksam sind. Symptome treten dadurch auf, dass der Hypophysentumor gesundes Gewebe verdrängt, woraus sich ein Mangel an biologisch aktiven Hypophysenhormonen entwickelt.
Weitere Informationen finden Sie auch unter unserem Thema: Gehirntumor Anzeichen.
Die hormonaktiven Hypophysentumoren zeichnen sich dadurch aus, dass sie unkontrolliert große Mengen an Hormonen produzieren.
Mit knapp 40% stellt das Prolaktinom den häufigsten Hypophysentumor dar. Wird zu viel von dem körpereigenen Hormon Prolaktin gebildet, kann es bei Frauen zum Ausbleiben der Periode und zur Milchbildung kommen, bei Männern lässt sich häufig eine Vergrößerung der Brust beobachten, die auch mit Milchbildung verbunden sein kann.
Am zweithäufigsten findet sich ein wachstumshormonproduzierender Hypophysentumor. Hierbei wird das Growth Hormone (HG; auch: somatotropes Hormon, STH) vermehrt gebildet, welches das Längenwachstum und auch den Blutzuckerspiegel reguliert. Bei einer Überproduktion im Kindesalter kann deshalb ein sogenannter Riesenwuchs entstehen. Bei Erwachsenen ist dies nicht mehr möglich, hier wachsen vermehrt Körperendglieder wie Hände und Füße, Kinn, Nase oder Augenbrauenwülste(Akromegalie). Häufig klagen betroffene Erwachsene als erstes darüber, dass Ringe, Hüte oder (Hand-)Schuhe nicht mehr passen. Bis zu 20% der Patienten entwickeln außerdem einen Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit).
Noch seltener tritt ein ACTH-produzierender Hypophysentumor auf. Dieser bewirkt eine gesteigerte Stimulation der Nebennierenrinde, die daraufhin vermehrt verschiedene Hormone ausschüttet, wobei hier das Cortisol eine zentrale Rolle spielt. Dieses Hormon beeinflusst den Blutzuckerspiegel, den Wasserhaushalt des Körpers und das Abwehsystem. Ein Überschuss führt zu erhöhtem Blutzucker, verminderter Knochendichte (Osteoporose), Stammfettsucht, Stiernacken und einem Vollmondgesicht. Bei dieser Erkrankung handelt es sich um das sogenannte Morbus Cushing.
Lesen Sie hier mehr zum Thema: Morbus Cushing.
Ein häufiges Symptom bei großen Hypophysentumoren sind Sehstörungen mit Gesichtsfeldausfällen. Seitlich und oberhalb der Hypophyse verlaufen die großen Sehnerven, die am jeweiligen Auge entspringen und unmittelbar im Bereich der Hypophyse verschaltet werden (Chiasma opticum).
Durch das Größenwachstums eines Hypophysentumors kann es zu einer Kompression der inneren Bahnen des Sehnervs kommen. In der Folge kommt es beim Patienten zu seitlichen Gesichtsfeldausfällen mit verminderter Sehschärfe (‚Scheuklappen’). Dabei spricht der Fachmann auch von einer bitemporalen Hemianopsie.
Ein weiteres häufiges Symptom eines Hypophysentumors sind Kopfschmerzen. Diese treten vor allem bei größeren Tumoren auf.
Durch die zentrale Lage der Hypophyse im Türkensattel des Schädels (Sella turcica) wird sie von zahlreichen Gefäßen und Nerven umgeben. Bei einem starken Größenwachstum können sowohl die umgebenden Nerven, als auch die sensiblen Nerven der Hirnhäute im Bereich des Türkensattels gereizt werden. In der Folge können beim Patienten zum Teil diffuse und über den ganzen Kopf verteilte Kopfschmerzen auftreten.
Häufig berichten die Patienten dabei zu Beginn von einem plötzlichen einsetzenden Kopfschmerz im Bereich der Stirn und der Augen, der sich im weiteren Verlauf zunehmend über den ganzen Kopf verteilt.
Für weitere ausführlichere Informationen zu diesem Thema empfehlen wir Ihnen unsere Seite zu: Diese Symptome weisen auf einen Hypophysentumor hin!
Die Anzeichen eines Hypophysentumors sind vielfältig. Durch sein verdrängendes Wachstum im knöchern begrenzten Türkensattel (Sella turcica) werden umliegende Strukturen komprimiert oder irritiert. Dazu zählt unter anderem der Sehnerv, der unmittelbar oberhalb der Hypophyse verläuft.
Bei besonders großen Tumoren können dabei Gesichtsfeldausfälle auftreten. Typischerweise ist dabei das Gesichtsfeld außen eingeschränkt (‚Scheuklappen’). Darüber hinaus können durch das Größenwachstum auch sensible Nerven im Bereich der Hirnhäute gereizt werden, wodurch der Patient zum Teil sehr starke Kopfschmerzen entwickelt.
Ferner können je nach Hormon-Produktion des Tumors weitere Symptome auftreten. Während der Tumor in der Regel ein Hormon im Überschuss produziert, werden die anderen Zellen der Hypophyse komprimiert und in ihrer Funktion gestört. Aus diesem Grund treten in der Regel Hormonmangelerscheinungen auf. Bei dem am häufigsten vorkommenden Prolaktinom, das sich aus Prolaktin produzierenden Zellen entwickelt, kommt es bei der Frau aufgrund der erhöhten Prolaktin-Spiegel zu einem Ausbleiben des Eisprungs und der Regelblutung.
Beim Mann können zudem Störungen der Potenz und Libido (sexuelle Lust) auftreten.
Gleichzeitig kommt es bei sehr großen Prolaktinomen zu einer verminderten Produktion des Wachstumshormons. Während es dadurch bei Kindern zu Wachstumsstörungen kommt, kann bei Erwachsenen eine Osteoporose auftreten. Im weiteren Verlauf kommt es auch zu einer verminderten Bildung von Geschlechts-, Schilddrüsen- und Steroidhormonen mit jeweils spezifischer Symptomatik.
Weiterführende Informationen zu diesem Thema finden Sie unter: Diese Symptome weisen auf einen Hypophysentumor hin!
Die oben genannten hormonellen Veränderungen lenken vorerst den Verdacht auf einen Hypophysentumor, der dann durch bildgebende Verfahren bestätigt werden muss.
Ein Röntgenbild und die Computertomographie (CT) entdecken erst größere Tumoren, weshalb die Methode der Wahl die MRT vom Gehirn ist, bei der die Hirnanhangsdrüse durch ein Kontrastmittel gut sichtbar gemacht wird.
Weiterhin kann die Untersuchung der Hormonwerte im Blut den Nachweis für einen Hypophysentumor liefern und ermöglicht es auch, zwischen den verschiedenen Typen zu unterscheiden.
Die Magnetresonanztomographie (MRT) stellt das Mittel der Wahl zum Nachweis eines Hypophysentumors (Adenom) dar. Sie erlaubt die Differenzierung zwischen Mikro- und Makroadenomen anhand der Größe des Tumors.
Im MRT-Bild vom Gehirn zeigt sich bei einem Hypophysentumors in der Regel ein typisches Bild. Durch das verdrängende Wachstum zeigt sich eine Raumforderung im Bereich des Türkensattels (Sella turcica), die umliegende Strukturen komprimiert. Dadurch werden zum Beispiel die Sehnerven angehoben, der Türkensattel aufgeweitet und in der Nähe verlaufende große Gefäße (Arteria carotis interna) nach außen verdrängt. Durch die Verabreichung eines Kontrastmittels lässt sich das Tumorgewebe gut vom normalen Hypophysengewebe unterscheiden. Der Tumor reichert dabei weniger Kontrastmittel an als das gesunde Gewebe und erscheint dadurch dunkler.
In der Regel wird ein Hypophysentumor operativ entfernt. Dabei gibt es zwei Möglichkeiten: Wegen der praktischen Lage kann der Tumor in den meisten Fällen durch die Nase und die Nasennebenhöhlen entfernt werden. Nur wenn der Tumor sehr groß ist, muss doch die Schädeldecke geöffnet und auf diesem Wege operiert werden.
Häufig kann der Tumor nicht vollständig entfernt werden, weshalb es nach der Operation wichtig ist, regelmäßige Kontrollen in Form eines MRTs oder von Hormonmessungen durchzuführen.
Eine Ausnahme stellt hierbei das Prolaktinom dar, das bei etwa 95% der Patienten rein medikamentös gut behandelt werden kann. Nur bei fehlendem Ansprechen auf die Medikamente wird auch bei dieser Art auf eine Operation zurückgegriffen.
In seltenen Fällen, zum Beispiel bei einem Rückfall (Rezidiv) oder bei nicht operierbaren Tumoren, kann auch eine Strahlentherapie sinnvoll sein.
Die Diagnose eines Hypophysentumors muss nicht immer operativ behandelt werden . Bei besonders kleinen Tumoren (sog. Mikroadenomen) können zum Beispiel regelmäßige Verlaufskontrollen ausreichend sein.
Eine operative Entfernung (Resektion) des Tumors wird vor allem beim Auftreten von Beschwerden erforderlich.
Die Dringlichkeit der Operation ist dabei abhängig von den, durch den Tumor ausgelösten Beschwerden. Bei Gesichtsfeldausfällen oder schweren Hormonmangelerscheinungen ist die operative Entfernung des Tumors in der Regel die einzige Möglichkeit der Heilung.
In seltenen Fällen ist die vollständige Resektion nicht möglich. In der Folge sind regelmäßige Kontrollen oder eine erneute Operation erforderlich. Bei nicht operablen Tumoren stellt die Strahlentherapie eine Alternative zur operativen Resektion dar. Adenome zeigen in der Regel ein gutes Ansprechen auf eine Strahlentherapie.
Eine Ausnahme stellt das am häufigsten vorkommende Prolaktinom dar. Dieses lässt sich in der Regel auch medikamentös therapieren. Durch die Verabreichung von Dopamin-Agonisten (z.B. Bromocriptin) kann das Wachstum eines Prolaktinoms ausgebremst und die Symptome gemildert werden.
Die Dauer einer operativen Entfernung eines Hypophysentumors ist abhängig von der Lage des Tumors und der Art des Operationsverfahrens. Während eine endoskopische Operation über die Nase (transphenoidal) in der Regel nicht länger als 1-2 Stunden dauert, kann eine Operation mit Eröffnung der Schädeldecke (transkraniell) mehrere Stunden in Anspruch nehmen.
Normalerweise ist im Anschluss an die operative Entfernung des Hypophysentumors keine Intensivbehandlung erforderlich.
Man unterscheidet je nach Zugangsweg zwei verschiedene Operationsverfahren. Das Verfahren der Wahl stellt dabei der transphenoidale Zugang dar. Dieser wird heutzutage in circa 90% der Fälle verwendet. Dabei erfolgt die Operation mit Hilfe eines Endoskops über die Nase. Durch die Eröffnung der Keilbeinhöhle im hinteren Teil der Nasenhöhle gelangt man an die Hypophyse.
Bei sehr großen Tumoren ist die Eröffnung der Schädeldecke erforderlich (transkranieller Zugang). Dieses Verfahren wird heutzutage nur noch in circa 10% der Fälle verwendet. Dabei gelangt man nach Eröffnung des Schädels an die Unterseite des Gehirns, wo sich die Hypophyse befindet.
Normalerweise ist ein Hypophysentumor nicht unmittelbar lebensbedrohlich, da er erstens sehr langsam wächst und zweitens mittlerweile gut behandelbar ist. Nach einer Operation ist allerdings häufig mit Nebenwirkungen zu rechnen, die darauf zurückzuführen sind, dass auch gesundes Gewebe der Hirnanhangsdrüse entfernt werden musste und dadurch eine Hormonunterfunktion entsteht. Diese kann jedoch medikamentös behandelt werden.
Bleibt ein Hypophysentumor über längere Zeit unbehandelt, kann er, je nach Art und Größe, lebensbedrohlich sein.
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