Osteochondrosis dissecans Knie

Definition

Unter der Osteochondrosis dissecans versteht man ein Krankheitsbild, das mit einer Knochennekrose (lat.: Osteonekrose) an einer bestimmten Gelenkfläche beschrieben wird. Im weiteren Verlauf geht jene Osteonekrose mit einer Abspaltung von Gelenkfragmenten einher. Das abgelöste Fragment wir auch als sogenannte „Gelenkmaus“ oder „Gelenkdissekat“ bezeichnet. Das Knie ist eine äußerst prädisponierte (anfällige) Stelle für die Osteochondrosis dissecans. Andere Lokalisation wie an der oberen Extremität (Ellenbogengelenk) oder dem Fuß (Sprunggelenk) können auch vorkommen.

Lesen Sie mehr zu diesem Thema unter Osteonekrose im Knie und Knorpelflake

Ursache

Trotz des heutigen medizinischen Fortschritts sind die genauen Ursachen, die einer Osteochondrosis dissecans zugrunde liegen, noch unklar und nicht näher definiert. Man ist sich jedoch darüber einig, dass der häufigste Grund eine Überbelastung des Kniegelenks ist; beispielsweise durch Leistungssport. Damit ist die Tatsache, dass vor allem Kinder oder Jugendliche betroffen sind, vereinbar. Denn gerade im jungen Lebensalter beginnt die sportliche Phase des Leistungssports, die schnell zu einer chronischen, mechanischen Überbelastung führen kann. Häufig kommt es am Ende der Wachstumsphase zu jenem Krankheitsbild. Dies impliziert also das Kinder sehr oft betroffen sind.

Prinzipiell stellt das Knie eine anatomische Struktur dar, die extremen Belastungen ausgesetzt ist, da es so gut wie bei jeder Sportart, abgesehen dem Schwimmen, Druck –oder Zugbelastungen ausgesetzt ist. Sowohl Knorpel –und Knochenschäden als auch Meniskus -und Kreuzbandrisse sind nicht untypisch. Neben der mechanischen Überbelastung können auch eine schlechte Durchblutung oder traumatische Ereignisse (Frakturen, Stauchungen etc.) Auslöser für die Knochennekrose mit einem Gelenkdissekat sein.

Das Kniegelenk ist vor allem an den medialen Femurkondylen (lat. Femur: Oberschenkelknochen, lat. Kondylen: Gelenkfortsatz) anfällig für das Auftreten einer Osteochondrosis dissecans.

Stadien

Der Krankheitsverlauf lässt sich in vier aufeinanderfolgende Stadien gliedern.

  • In dem ersten Stadium liegt die Knochennekrose subchondral (unter dem Knorpel) und der Knorpel ist noch nicht beteiligt.
  • Im Stadium 2 ist eine Abgrenzung von gesundem und krankem Knochengewebe (=Demarkierung) erkennbar. Dies geht mit der Erweichung der Gelenkkapsel und einem Sklerosierungs-Saum einher.
  • Im dritten Stadium schreitet der Schaden dann soweit fort, dass es zum Loslösen eines Gelenkfragments aus dem Gelenkbett kommt, welches nun freien Spielraum in der Gelenkflüssigkeit des Gelenkspalts hat.
  • Im vierten Stadium verursacht diese „Gelenkmaus“ nun einen Gelenkdefekt.

Die Schwere des Krankheitsbildes nimmt also mit den Stadien zu.

Lesen Sie mehr zum Thema unter: Stadien der Osteochondrosis dissecans

Klinik und Diagnostik

Typisch für eine Osteochondrosis dissecans sind die belastungsabhängigen Schmerzen, welche im Krankheitsverlauf an Stärke zunehmen und so stark werden können, dass jegliche sportliche Betätigung nicht mehr möglich ist. Außerdem kann es zu Gelenkblockaden kommen, bedingt durch die frei beweglichen Gelenkfragmente. Das Kniegelenk kann zudem entzündet und geschwollen sein. Auch der Gelenkerguss ist im Zusammenhang mit dem Krankheitsbild bekannt.

Das diagnostische Mittel der ersten Wahl ist das MRT (Kernspintomographie). In Kombination mit Röntgenaufnahmen kann mit ziemlicher Sicherheit diagnostiziert werden, ob eine Osteochondrosis dissecans vorliegt und wenn ja, in welchem Stadium. Hier ist zu erwähnen, dass die Röntgenaufnahme eine Osteochondrosis dissecans erst in einem späteren Stadium erfasst; tendenziell erst dann, wenn ein Gelenkdissekat zu erkennen ist, welches sich von der Gelenkfläche abgelöst hat und möglicherweise frei im Gelenkspalt umherschwimmt. Die Röntgenaufnahmen belegen die Osteochondrosis dissecans durch eine verminderte Knochendichte, Sklerosierungen, Osteolyse und letztendlich dem sichtbaren Gelenkdissekat. Somit können einwandfreie, kausale Konsequenzen für die Therapie getroffen werden.

Der Grad der Knorpelverletzung sowie die Stabilität können mit den diagnostischen Mitteln genau bestimmt und eingeschätzt werden. Heutzutage kann mithilfe der Sonographie (Ultraschall) ebenfalls eine Osteochondrosis dissecans diagnostiziert werden. Generell werden die bildgebenden Verfahren allerdings dann eingesetzt, wenn der Patient bereits an Schmerzen leidet, weil er sich erst dann entscheidet zum Arzt zu gehen. Zu diesem Zeitpunkt ist die Osteochondrosis dissecans meistens bereits weit fortgeschritten (Stadium III oder IV). Ein Frühstadium wird in der Regel nur als Zufallsbefund diagnostiziert.

Therapie

Hauptziel der Therapie ist, dass die Patienten wieder schmerzfrei sind und die Funktionalität und Anatomie des Knies wiederhergestellt wird.

Die Wahl einer geeigneten Therapie orientiert sich an 3 Fragestellungen:

1. In welchem Stadium der Krankheitsverlauf befindet sich das Knie?

2. Handelt es sich um eine stabile oder instabile Osteochondrosis dissecans?

3. Wie alt ist der Patient?

Im Stadium 1 wird eine Arthroskopie (griech. arthros: Gelenk und skopein: schauen) also eine Gelenkspiegelung gemacht, bei der die Kondylen zur Besserung der Durchblutung angebohrt werden. Das Anbohren erfolgt in Stadium 1 retrograd, in Stadium 2 jedoch antegrad durch den Knorpel hindurch. Wenn es bereits zu einer Ablösung eines Gelenkfragments gekommen ist, also im Stadium 3, muss die Gelenkmaus wieder an der ursprünglichen Stelle fixiert werden. Dies kann über eine Schraube, einen resorbierbaren Stift oder ganz einfach durch Fibrinkleber erfolgen. Je nachdem wie groß der Knorpelschaden ist, wählt man zwischen der osteochondrale Transplantation (OCT) oder der autologen Chondrozyten-Transplantation (ACT).

Wenn der Defekt relativ klein ist, kann bei dem Eingriff der OCT Knorpelgewebe von der Außenseite (Lateralseite) der Patella (Kniescheibe) entfernt werden, um es mithilfe von vorher gesetzten Bohrlöchern in die entstanden Nekroseherde zu transplantieren.

Bei größeren Schäden erfolgt die ACT, eine zweizeitige Operation, das heißt, dass zwei Eingriffe notwendig sind. Bei einem ersten Eingriff werden an einer geeigneten Stelle Knorpelzellen entnommen, die im Anschluss angezüchtet bzw. kultiviert werden, um sie anschließend zu Reimplantieren um den Knorpelschaden aufzufüllen.

Ist anhand der Röntgen –und MRT-Bildern zu erkennen, dass es sich um eine instabile Osteochondrosis dissecans handelt, wird die Indikation einer Operation wahrscheinlicher, da die konservative Therapie nicht mehr ausreichend wäre. Zeichen der Instabilität sind die Tatsache, dass sich eine Gelenkmaus im Gelenkspalt befindet und bereits ein Gelenkschaden vorliegt.

Das Alter der Patienten spielt eine sehr große Rolle. Kinder, die ungefähr bis zum 13.Lebensjahr über offene Wachstumsfugen verfügen, haben selbst ohne einen operativen Eingriff sehr gute Heilungschancen. Die konservative Therapie beinhaltet die Entlastung und Ruhigstellung des Knies. Da vor allem Kinder an einer Osteochondrosis dissecans leiden, die viel oder sogar leistungsorientiert Sport treiben, muss darauf gänzlich verzichtet werden, um dem Knie die Möglichkeit zur Regeneration zu geben. Daher spielt die Compliance (Kooperation) zwischen Arzt und Patient eine entscheidende Rolle. Zur Unterstützung der Entlastung können Unterarmgehstützen benutzt werden; eine Ruhigstellung durch einen Gipsverband sieht die konservative Behandlung nicht vor.

Allgemein dauert der Heilungsprozess verhältnismäßig lange, da das zerstörte Gewebe völlig neu ersetzt werden muss. Jener Prozess des Knochenumbaus (= Remodelling) wird durch die Arbeit von Osteoklasten und Osteoblasten (Knochenzellen) ermöglicht und dauert einige Monate.

Selbst die Spontanheilung bei jungen Patienten durch eine konservative Therapie dauert bis zu einem Jahr. Solange müssen Anweisungen eingehalten werden, damit letztendlich alle strukturellen Defizite wiederhergestellt werden konnten und das betroffene Knochenareal wieder adäquat durchblutet wird und seine alte Stabilität wieder erlangt.

Es bleibt zu erwähnen, dass die Therapiewahl vor allem je nach Alter der Patienten immer wieder diskutiert wird.

Autor: Dr. Nicolas Gumpert Veröffentlicht: 16.07.2015 - Letzte Änderung: 30.03.2024