Unterzuckerung

Medizinisch: Hypoglykämie

Englisch: hypoglycemia

Definition

Unter einer Unterzuckerung (Hypoglykämie) versteht man einen erniedrigten Wert des Blutzuckerspiegels (Glukose), welcher Werte unter 40 mg/dl oder 2,2 mmol/l aufweist. Ebenfalls als Unterzuckerung gilt ein auf unter 45 mg/dl gesunkener Blutzuckerwert mit zusätzlichen hypoglykämischen Symptome sowie Linderung der Beschwerden bei Zuckergabe (Whipple-Trias). Unter hypoglykämischen Symptome fasst man neurologische, psychiatrische sowie vegetative Beschwerden zusammen, welche bei einer Unterzuckerung auftreten.

Epidemiologie

Bei Diabetikern tritt eine Unterzuckerung etwa ein- bis zweimal pro Woche auf.

Pathophysiologie

Für die Regulation des Blutzuckerspiegels verantwortlich sind zum einen die Zuckeraufnahme mit der Nahrung (exogene Zufuhr), zum anderen verschiedene Hormone wie Insulin und Glukagon sowie der Zuckerverbrauch des Körpers durch seine Zellen. Außerdem kann der Körper zusätzlich selbst Glukose herstellen, was mit Hilfe der Leber (Glykogenspeicher) aus Glykogen oder als Neubildung geschieht.

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Wird nun Zucker mit der Nahrung aus dem Magen-Darm-Trakt aufgenommen, wird reaktiv das Hormon Insulin durch die Bauchspeicheldrüse (Pankreas) ausgeschüttet, welches die Glukoseaufnahme in bestimmte Körperzellen ermöglicht. Dort wird die Glukose zur Energiegewinnung genutzt. Ist der Blutzuckerspiegel zu niedrig, wird das Hormon Glukagon aus der Bauchspeicheldrüse (Pankreas) ausgeschüttet und bewirkt unter anderem mit Hilfe der Glykogenspeicher der Leber oder durch Glukoseneubildung (Glukoneogenese) einen Anstieg des Blutzuckerspiegels.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Blutzuckerspiegel sinkt, wenn die Körperzellen Glukose zur Energiegewinnung aus dem Blut aufnehmen. Erhöht wird der Zuckerspiegel entweder durch Nahrungsaufnahme oder durch Glukoseabgabe aus der Leber. Bei einer Unterzuckerung ist dieser Mechanismus gestört. Als Reaktion schüttet der Körper Adrenalin, ein Katecholamin, aus, wodurch die autonomen Symptome entstehen (siehe unten). Aus diesem Grund bezeichnet man die autonomen Symptome auch als adrenerg. Die zentralnervösen Beschwerden sind Folge des Glukosemangels im Gehirn, wodurch die einzige Energiequelle der Nervenstrukturen wegfällt und woraus Störungen von deren Funktion resultieren. Ein anderer Name für diese Beschwerden lautet neuroglykopenische Symptome (Neuroglykopenie = Glukosearmut in Nervenstrukturen).

Diagnose

Diagnostiziert wird eine Unterzuckerung anhand des Beschwerdebildes sowie mittels Zuckerbestimmung im Blut. Ist bei dem Betroffenen kein Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit) vorbekannt, wird durch weitere Untersuchungen nach der Ursache der Unterzuckerung geforscht. Hierzu zählen in erster Linie die Messung der Blutglukose, des Insulins im Blut sowie des C-Peptids, ein Eiweiß, welches bei der Insulinbildung im Körper anfällt. Pro Insulinmolekül entsteht ein C-Peptid-Molekül.
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Weisen sowohl Insulin als auch C-Peptid erhöhte Werte im Blut auf, ist darauf zu schließen, dass die Unterzuckerung durch zu viel im Körper produziertes Insulin oder aber durch oral aufgenommene Sulfonylharnstoffe (Antidiabetikum) verursacht wurde. Zur Differenzierung dieser beiden Ursachen bestimmt man den Sulfonylharnstoff-Spiegel und die Menge an Proinsulin im Blut. Bei Erhöhung des ersteren ist eine vorangegangene Medikamenten-Einnahme möglich, bei Anstieg des letzteren eine Überproduktion des Insulins durch den Körper selbst (zum Beispiel in Folge eines Insulinoms).

Weist das C-Peptid hingegen einen niedrigen Wert auf, liegt sehr wahrscheinlich eine exogene („von außen“) Insulinzufuhr vor, welche die Unterzuckerung bewirkt hat.

Ergänzt werden kann die Diagnostik einer Unterzuckerung durch bildgebende Verfahren wie Computertomografie oder Magnetresonanztomografie (bei Tumoren) und Bestimmung weiterer Laborwerte (Leberwerte, Nierenwerte) oder Hormonspiegel (bei Nebennieren- oder Hypophysenvorderlappeninsuffizienz).

Wie erkenne ich Diabetes?

Die ersten Hinweise auf Diabetes können häufiges Wasserlassen, verstärkter Durst sein, sowie auch anhaltende Müdigkeit und Abgeschlagenheit. Diabetes kann außerdem auch bei Babys, Kleinkindern und Kindern auftreten, was sich auch durch starken Durst und häufiges Wasserlassen äußert. Auch kann ihr Atem nach Nagellackentferner riechen.

Schwangere können auch von Diabetes betroffen sein, jedoch kommt es nicht zu den typischen Diabetes-Anzeichen, wie häufiges Wasserlassen
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Differenzialdiagnose

Liegt das beschriebene Beschwerdebild bei einem Betroffenen vor, kommt nicht nur eine Unterzuckerung als Ursache in Frage. Ebenso denkbar sind Epilepsien (Krampfanfälle), ein Schlaganfall (Apoplex) oder psychiatrische Erkrankungen (Psychosen). Unterschieden werden können diese im Laufe weiterer diagnostischer Untersuchungen.

Prophylaxe

Bei Diabetikern kann einer Unterzuckerung vorgebeugt werden, indem der Betroffene an einer Schulung zur Krankheit und bezüglich der Frühanzeichen einer sich ankündigenden Unterzuckerung teilnimmt. Da es individuelle Unterschiede in der Wahrnehmung dieser Frühsymptome gibt, muss dies in der Schulung erst erlernt werden.
Eine Möglichkeit zur Erlernung stellt ein verhaltensmedizinisches Training dar (nach Cox), welches Selbstbeobachtung, Deutung der Unterzuckerungs-Symptome und Ergreifung von Gegenmaßnahmen (zum Beispiel Traubenzucker essen oder Cola/Saft trinken) beinhaltet.

Prognose

Leichte Unterzuckerungen an sich stellen keine große Gefahr dar. Ein Risiko besteht allerdings darin, dass dich der Körper an niedrige Blutzuckerspiegel gewöhnt und die Wahrnehmung einer Unterzuckerung nicht mehr funktioniert.
Werden hingegen wiederkehrend auftretende schwerere Unterzuckerungen nicht behandelt, kann dies Schäden des Gehirns nach sich ziehen (zum Beispiel Demenz). Im schlimmsten Fall kommt es zum Tod, meist in Folge des beeinträchtigten Bewusstseins, wodurch Verkehrsunfälle oder Stürze auftreten können.
Ansonsten richtet sich die Prognose nach der zugrunde liegenden Erkrankung.

Zusammenfassung

Unterzuckerung“ (Hypoglykämie) bezeichnet entweder einen niedrigen Blutzuckerspiegel mit Werten unter 40mg/dl oder einen Wert unter 45mg/dl mit hypoglykämischen Symptomen (neurologisch, psychiatrisch, vegetativ) und Beendigung der Beschwerden durch Zuckergabe (Glukose).
Bezüglich der Ursache teilt man Unterzuckerungen in drei Formen ein:

  • reaktive Hypoglykämie
  • Nüchternhypoglykämie und
  • exogene Hypoglykämie.

Zwar treten interindividuell unterschiedliche Symptome bei Unterzuckerung auf, generell lassen sich diese jedoch in zwei Formen einteilen:

  • autonome (vegetative) sowie
  • zentralnervöse Symptome.

Autonome Beschwerden sind unter anderem durch Heißhunger, Unruhe, Schwitzen, Zittern und Herzklopfen gekennzeichnet. Zentralnervöse Symptome betreffen das Gehirn und äußern sich zunächst als Kopfschmerzen, schlechte Stimmung, Verwirrtheit oder verminderte Konzentrationsfähigkeit. Hinzu kommen können Automatismen wie Grimassieren, Krampfanfälle und bei sehr schwerer Unterzuckerung ein hypoglykämischer Schock.

Diagnostiziert wird eine Unterzuckerung zunächst anhand des Blutzuckerwertes. Die Bestimmung weiterer Laborparameter sowie bildgebende Verfahren ergänzen das diagnostische Vorgehen.
Die Therapie besteht in der Beseitigung der auslösenden Ursache. Symptomatisch wird eine Unterzuckerung mittels Glukosegabe behandelt, wobei diese je nach Schweregrad der Unterzuckerung oral (auch in Form zuckerhaltiger Getränke) oder intravenös verabreicht wird. Alternativ kann das Hormon Glukagon zur Blutzuckersteigerung injiziert werden.
Die Prognose und die Vorbeugung hängen von der zu Grunde liegenden Erkrankung ab.

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Autor: Dr. Nicolas Gumpert Veröffentlicht: 21.04.2011 - Letzte Änderung: 22.10.2021